PROTOPLASMATOLOGIA HANDBUCH DER PROTOPLASMAFORSCHUNG BEGRONDET VON L. V. HEILBRUNN . F. WEBER PHILADELPHIA GRAZ HERAUSGEGEBEN VON M.ALFERT H.BAUER C. V.HARDING . W.SANDRITTER . P.SITTE BERKELEY TO BINGEN ROCHESTER FREIBURG I. BR. FREIBURG I. BR. MITHERAUSGEBER J. BRACHET-BRUXELLES • H. G. CALLAN-ST. ANDREWS • R. COLLANDER-HELSINKI K. DAN-TOKYO . E. FAURE-FREMIET·PARIS • A. FREY-WYSSLING·ZORICH L. GEITLER·WIEN . K. HOFLER-WIEN • M. H. JACOBS·PHILADELPHIA N. KAMIYA·oSAKA • W. MENKE-KOLN . A. MONROY-PALERMO A. PISCHINGER-wIEN • ]. RUNNSTROM·STOCKHOLM BAND .u CYTOPLASMA C PHYSIK, PHYSIKALISCHE CHEMIE, KOLLOIDCHEMIE 6 DIE HYDRATATION UND HYDRATUR DES PROTOPLASMAS DER PFLANZEN UND IHRE OKO-PHYSIOLOGISCHE BEDEUTUNG 1970 SPRINGER~VERLAG WIEN· NEW YORK DIE HYDRATATION UND HYDRATUR DES PROTOPLASMAS DER PFLANZEN UND IHRE OKO·PHYSIOLOGISCHE BEDEUTUNG VON H. WALTER und K. KREEB STUTTGART-HOHENHEIM MIT EINEM BEITRAG VON H. ZIEGLER und G. H. VIEWEG DARMSTADT REDIGIERT VON K.KREEB MIT 165 ABBILDUNGEN 1970 SPRINGER-VERLAG WIEN . NEW YORK ISBN-13: 978-3-7091-5743-5 e-ISBN-13: 978-3-7091-5742-8 DOl: 10.1007/978-3-7091-5742-8 ALLE RECHTE VORBEHALTEN KEIN TElL DIESES BUCHES DARF ORNE SCHRIFTLICHE GENEHMIGUNG DES SPRINGER·VERLAGES ttBERSETZT ODER IN IRGENDEINER FORM VERVIELFALTIGT WERDEN © 1970 BY SPRINGER-VERLAG/WIEN SOFTCOVER REPRINT OF THE HARDCOVER 1ST EDITION 1970 LIBRARY OF CONGRESS CATALOG CARD NUMBER: 55-880 Protoplasmatologia II. Cytoplasma C. Physik, Physikalische Chemie, KoUoidchemie 6. Die Hydratation und Hydratur des Protoplasmas der Pflanzen und ihre oko-physiologiscbe Bedeutung Die Hydratation und Hydratur des Protoplasmas der Pflanzen und ihre oko-physiologische Bedeutung Von H. WALTER und K. KREEB Stuttgart-Hohenheim Mit einem Beitrag von H. ZIEGLER und G. H. VIEWEG Darmstadt Redigiert von K. KREEB Mit 165 Abbildungen Inhaltsnbersicht Seite I. Einfiihrung ..................................................... . 4 1. Kausale und kybernetische Betrachtung .......................... . 4 2. Poikilohydre Pflanzen, homoiohydre Pflanzen und Hydratur ........ . 7 3. Die Bedeutung der Vacuole fUr den Vbergang vom Leben im Wasser zum Landleben der Kormophyten ............................... . 8 II. Grundlegende Untersuchungen tiber die Hydratation des lebenden Plasmas 13 1. Untersuchungen an Spirogyra ................................... . 13 2. Versuche mit Bangia ........................................... . 15 3. Die Quellung toter Kolloide ..................................... . 18 4." Versuche mit Lernanea ......................................... . 21 5. Die Plasmaquellungskurve ...................................... . 22 6. ElektrQlytquellung ............................................ . 25 III. Thermodynamische Grundlagen der Quellung und Osmose und deren zellphysiologische Bedeutung ...................................... . 29 1. Thermodynamische Zustandsfunktionen geschlossener Systeme ...... . 30 2. (.L-Thermodynamik offener Systeme .............................. . 32 Protoplasmatologia II/C/6 1 2 II1C/6: H. WALTER und K. KREEB, Hydratation und Hydratur 3. Die Beziehung zwischen dem osmotischen Druck eint'r Losung und dem Dampfdruck .............................................. 32 4. Die osmotischen ZustandsgroBen und die Wasserpotentialt~leichung ... 36 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 36 b) Die thermodynamische Ableitung der Wasserpotentialgl.,ichung .,. 39 5. Ein thermodynamisches Modell der Zelle .......................... 44 a) Gleichgewichte in der Zelle ................................... 44 b) Die Quellungsphase und Quellungsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 46 c) Der EinfluB von Druck auf Vacuole und Plasma . . . . . . . . . . . . . . . .. 48 /X) Der EinfluB von Turgordruck .............................. 48 [j) Der EinfluB von hydrostatischem Druck ..................... 54 6. Die thermodynamische Bedeutung der Hydratur ................... 55 IV. Die Pflanzenzelle aIs osmotisches System ............................ 59 1. Die osmotischen Zustandsgleichungen ............................. 59 2. Die Hydratation des Plasmas und der potentielle osmotische Druck des Zellsaftes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 60 3. Die Hydratation der Zellwand in Beziehung zu den osmotischen Zu- standsgroBen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 63 4. Der Begriff der Hydratur ....................................... 65 V. Die Hydratur in ihrer Bedeutung fUr die poikilohydren Arten .......... 68 1. Die absoluten Hydraturgrenzen des Lebens und die Konservierung durch Trockenheit .............................................. 68 2. Hydratur und Wachstum bei Pilzen .............................. 70 a) Die Keimung der Sporen ..................................... 70 b) Das Wachstum des MyceIs ................................ .... 72 c) Xeromorphosen .............................................. 74 d) Hydraturgrenzen bei Kulturen in Losungen .... . . . . . . . . . . . . . . . .. 77 e) Grenzwerte bei Erregem von Pflanzenkrankheiten ............... 78 f) Hydraturwerte und Plasmaquellung bei den poikilohydren Pilzen .. 78 3. Hydratur und Vermehrung von Bakterien und Hefen ............... 79 4. Hydraturgrenzen bei terrestrischen Algen und bei Flechten .......... 81 5. Poikilohydre Bryophyta (Moose) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 85 6. Poikilohydre Pteridophyta (Famgewii.chse)1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 88 7. Poikilohydre Spermatophyta (Samenpflanzen) 1 ••••••••••••••.••••.. 95 8. Das poikilohydre Embryonalstadium der Spermatophyta ............ 109 VI. Methoden zur indirekten Bestimmung der Plasma-Hydratur homoio- hydrer (hoherer) Pflanzen .......................................... 117 1. Die Hydratur des Plasmas bei homoiohydren Pflanzen .............. 117 2. Die Bestimmung des potentiellen osmotischen Druckes der Vacuolen fliissigkeit (71'*) ••••••.•••••••••••••••.••••.••.•••••••••••••••••• 119 a) Plasmolytische Methoden ..................................... 119 b) Die kryoskopische Methode ................................... 119 /X) Die Probenentnahme ...................................... 120 [j) Das Abtoten der Proben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . 125 y) Die Pre&aftgewinnung ................................. .. 127 8) PreBsaftkonzentration und Zellsaftkonzentration .............. 129 e:) Apparaturen zur kryoskopischen Bestimmung von 71'* und dessen Berechnung .............................................. 136 1 Von H. ZIEGLER und G. H. VIEWEG, Botanisches Institut der T. H. Darmstadt. Inhaltstibersicl!.t 3 c) Andere Methoden zur Bestimmung von 1t"* •••••••••••••••••••••• 142 (X) Dampfdruckmethoden ..................................... 142 (') Refraktometerwerte und elektrische Leitfahigkeit des PreB- saftes ................................................... 144 3. Erganzende Methoden .......................................... 148 a) Gravimetrische Wassergehaltsbestimmung ...................... 149 b) Wassergehaltsbestimmungen mit Hilfe von (,-Strahlern ........... 150 c) Wasserdefizit und relativer Wassergehalt ....................... 152 d) Die Saugspannung ........................................... 154 (X) Fliissigkeitsaustauschmethoden ............................. 155 (') Dampfaustauschmethoden ................................ 157 y) Dampfdruckgleichgewichtsmethoden ........................ 158 aa) Thermoelement-Psychrometerzellen ..................... 159 bb) Thermistoren-Psychrometerzellen ....................... 162 a) Druckkammer nach BOYER ................................ 162 e) Die elektrische Leitfahigkeit resp. der elektrische Widerstand der Blatter ..................................................... 163 f) Andere Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 171 VII. Hydraturverhaltnisse innerhalb einer Pflanze ......................... 175 1. Unterschiede der potentiellen osmotischen Driicke (1t"*) bei verschie- denen Organen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 175 2. Die Bedeutung der Insertionshohe der Blatter ..................... 177 3. Tagesschwankungen des potentiellen osmotischen Druckes (1t"*) ••••••• 178 4. Periodische Anderungen des potentiellen osmotischen Druckes (1t"*) wahrend eines J ahres ........................................... 182 5. Das osmotische Beharrungsvermogen der Pflanzen .................. 185 VIII. Oko-physiologische Untersuchungen ................................. 189 1. Abhangigkeit des potentiellen osmotischen Druckes (1t"*) von den Standortsbedingungen .......................................... 189 2. Potentieller osmotischer Druck (1t"*) und Wachstum bzw. Stoffpro- duktion der Pflanzen ........................................... 191 3. Potentieller osmotischer Druck (1t"*) und anatomisch-morphologische Struktur der Pflanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 205 4. Allgemeines tiber die okologischen Typen der Pflanzen arider Gebiete 214 5. Hydraturverhaltnisse der echten Xerophyten ...................... 216 a) Poikilohydre Xerophyten ..................................... 216 b) Malakophylle Xerophyten .................................... 217 c) Sklerophylle und aphylle Xerophyten und die Frage des negativen Turgors .................................................... 217 d) Stenohydre Xerophyten ...................................... 220 6. Die Hydraturverhaltnisse der Sukkulenten ........................ 221 7. Die Hydraturverhaltnisse der Sumpfpflanzen ...................... 227 8. Die Frosttrocknis und das Problem der Baumgrenze ................ 228 IX. Die Salzwirkung bei Pflanzen und das Halophytenproblem ............. 232 1. Allgemeines tiber die Salzwirkung auf Pflanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 232 2. Die Ionenwirkung auf das Plasma ................................ 234 3. Die Chloridspeicherung bei Nichthalophyten ....................... 239 4. Die Chloridspeicherung bei Halophyten und die Beeinflussung des Sukkulenzgrades .... .......................................... 244 5. Verschiedene Halophytentypen .................................. 247 1* 4 II/C/6: H. WALTER und K. KREEB. Hydratation und Hydratur 6. Die oko-physiologische Wirkung der Salze. insbesondere Chloride 255 a) Allgemeines ................................................. 255 b) Beeinflussung biochemischer Vorgange. der Photosynthese und der Atmung .................................................... 256 c) Keimung, Wachstum und Ertrag .............................. 261 X. Verwendete Symbole und Tabellenanharig ........................... , 264 1. Mathematische Symbole von allgemeiner Bedeutung und Buch- stabensymbole ................................................ 264 2. Allgemeine Formelzeichen ...................................... 264 3. Thermodynamische Formelzeichen ............................... 264 4. Physiologische Formelzeichen ................................... 265 5. Konstanten ................................................... 265 6. Indizierung ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 265 a) tiefgesetzte ................................................ 265 b) hochgesetzte ............................................... 266 7. Synonyme osmotische Zustandsgleichungen ...................... 266 8. Potentielle osmotische Drucke und relative Dampfspannungen ...... 266 9. Sattigungswassergehalt und Sattigungsdampfdruck der Luft bei ver- schiedenen Temperaturen ...................................... 267 10. Dampfdruck, potentielle osmotische Drucke und Luftfeuchtigkeit von NaCI-Losungen ............................................... 267 11. Potentielle osmotische Drucke von KN03-Losungen ............... 268 12. Relative Dampfspannungen von Schwefelsaurelosungen ............ 269 13. Potentielle osmotische Drucke von Rohrzuckerlosungen ............ 270 14. Gefrierpunktserniedrigung und potentielle osmotische Drucke ver- dunnter GlucoselOsungen ....................................... 271 15. Potentielle osmotische Drucke und Gefrierpunktserniedrigungen ..... 272 16. Unterkuhlungskorrektur fur Gefrierpunkte ....................... 274 17. Temperaturkorrektur fUr potentielle osmotische Driicke ............ 274 Literatur ......................................................... 275 Namenverzeichnis ............................................... 296 Sachverzeichnis ................................................. 300 I. Einfiihrung 2 1. Kausale und kybernetische Betrachtung Die Grundlage der modernen Biologie bildet das Kausalitiitsprinzip. Die im vorigen Jahrhundert vorherrschende teleologische Betrachtungsweise war mehr und mehr verdriingt worden. In neuester Zeit werden aber die Orga nismen auch aus der Perspektive der Kybernetik (vom griechischen kyberne tes = Steuermann) betrachtet, welche sich mit der Steuerung und Regelung von Vorgiingen beschiiftigt und heute bei der Automatisierung der Betriebe und bei der Entwicklung von Computeranlagen eine groBe Rolle spielt. Ein lebender Organismus als eine Ganzheit liiBt sich kybernetisch mit solchen selbstgesteuerten, automatisierten Betrieben vergleichen (HASSENSTEIN 1967). Die rein kausale Erkliirung des Ablaufes der Lebensvorgiinge geniigt ffir das Verstiindnis eines 2 Frl. G. BURl danken wir fUr ihre zuverlassige Assistenz bei den technischen V orarb eiten. Einfiihrung 5 Organismus nicht. Erst wenn wir beriicksichtigen, daB aIle busal bedingten Vorgange auch gesteuert werden oder einen Regelkreis bilden, kommen wir dem Wesen des Organismus aIs einer natiirlichen Einheit naher. Wenn aber irgendwelche Vorgiinge gesteuert werden, so muB ein bestimmtes Ziel gegeben sein. Dies gilt fiir biologische Reaktionen gleichermaBen wie fiir automatisierte Betriebe. Ihre gesteuerten Mechanismen versteht man erst, wenn man das Ziel, das erreicht werden soIl, kennt. Bei einem Organismus ist dies letzten Endes seine Erhaltung in einer stets wechselnden Umwelt bis zur Aus bildung der Fortpflanzungsorgane und der Erzeugung von N achkommen, wo durch erst die Erhaltung der Art gesichert ist (vgl. S. 192). Jeder gesteuerte oder geregelte Mechanismus funktioniert nur unter bestimm ten Voraussetzungen. Eine nicht vorgesehene StorgroBe (= AuBeneinfiuB) kann den Mechanismus zerstoren. Dasselbe gilt auch fiir einen Organismus, der nur in einer bestimmten Umwelt funktionsfahig ist. Seine Regelkreise, die einen bestimmten Zustand (die RegelgroBe), moglichst konstant halten, miissen jedoch flexibel sein, weil die natiirliche Umwelt stets wechselnd und in bestimmten Grenzen unbestandig ist. Die Steuerung wird unter vollkommen unnatiirlichen Be dingungen im Laboratorium oder auch bei Versuchen im Freien, etwa infolge der Einwirkung von nicht-natiirlichen chemischen Verbindungen oder auch von natiirlichen Verbindungen in unnatiirlich hohen Konzentrationen, versagen. Als Folge davon wird der Organismus Abnormitaten aufweisen und geschadigt oder gar ganz zugrunde gehen. Die Steuerungs- und Regelungsvorgange sind bei lebenden Organismen kausal noch nicht ganz durchsichtig. Man beginnt erst in letzter Zeit, Teilprozesse zu verstehen, so die Steuerung durch Enzyme oder Wirkstoffe, durch das Ein greifen der Energiespeicher, die Festlegung der Informationen in der Desoxyri bonucleinsaure der Kerne und die Messenger-Funktion der Ribonucleinsaure usw. Da bei den Rege1kreisen der Pflanze vielfach Wachstumsvorgange einge schaltet sind, so benotigt die Regelung oft erhebliche Zeitraume, doch laBt sich das allgemeinere, abstrakte, in der Kybernetik verwendete Schaltbild des Regel mechanismus verwenden (vgl. S.209f.). AIle diese Vorgiinge fiihren dazu, daB die Kausalketten zu einem gewissen Ziele fiihren. Die kybernetische Betrachtung zeigt uns somit, daB die Lebens funktionen nicht nur dem Kausalitatsprinzip entsprechend ablaufen, sondern zugleich auch zielstrebig gesteuert oder geregelt werden. Damit kommen wir in einem modernen Gewande zu der "teleologischen" Be trachtungsweise zuriick. Denn was man friiher aIs zweckmaBig bezeichnete, ist im wesentlichen dasselbe, was wir heuteals zielstrebig definieren. Anpas sungen sind die durch die Steuerung eintretenden Veranderungen, die es dem Organismus ermoglichen, auch unter veri.i.nderten Umweltbedingungen am Leben zu bleiben und sich fortzupflanzen. Ein Organismus, der iiber ein mangelhaftes Steuerungs- oder Regelungssystem verfiigt, ist wenig lebensfahig und wird durch Selektion ausgemerzt. Es findet aber nicht nur eine Gesamtsteuerung aUer Le bensvorgange im Organismus statt, sondern auch eine Steuerung der einzelnen Teil funktionen, die wir getrennt betrachten konnen. Ein solcher Teilvorgang ist der Wasserhaushalt der Pflanzen, der kausal weitgehend aufgekliirt ist. Wir 6 IIfC/6: H. WALTER und K. KREEB, Hydrataiion und Hydratur sind heute in der Lage, in groBen Ziigen die Vorgange bei der Wasseraufnahme der Wurzeln aus dem Boden, bei der Wasserleitung in den Achsenorganen und bei der Wasserabgabe durch die Blatter an die Atmosphare rein physikalisch zu erklaren. Auch hierbei handelt es sich um gesteuerte bzw. geregelte Vorgange. Wasseraufnahme, Wasserleitung und Transpiration beeinflussen sich gegenseitig, und greifen so ineinander iiber, daB man sie eigentlich nicht getrennt behandeln kann, wie es aus didaktischen Griinden meist geschieht. Wenn es gesteuerte Vorgange sind, so miissen wir aber auch nach dem Ziel fragen, dem sie dienen. Lange Zeit wurde bei der Besprechung des Wasserhaus halts eine intensive Transpiration als bedeutungsvoll angesehen und die Wasser aufnahme und die Wasserleitung als die dem Ersatz der durch die Transpiration entstandenen Wasserverluste dienenden Mechanismen. Eine solche Feststellung ist natiirlich nicht falsch, sie fiihrt aber nicht zum richtigen Verstandnis des gesamten Wasserhaushalts der Pflanze. Denn in Wirklichkeit ist die Transpiration im wesentlichen eine Begleiterscheinung des fiir die Photosynthese notwendigen Gasaustausches mit der Atmosphare. Wir konnen sie als ein "notwendiges Obel" bezeichnen. Eine intensive Transpiration ist ein Zeichen ffir einen inten siven Gasaustausch und damit zugleich fiir eine intensive Photosynthese, falls die anderen, fiir die CO2-Assimilation notwendigen Voraussetzungen ebenfalls giinstig sind. Eine sehr wichtige Voraussetzung ist dabei, daB sich die lebende Substanz in den assimilierenden Zellen in einem aktiven Zustand befindet. Das trifft fiir das Protoplasma nur dann zu, wenn es stark hydratisiert ist, was nur bei einer ausgeglichenen Wasserbilanz auf hohem Niveau der Fall sein kann. Das gilt nicht nur fiir die Photosynthese, sondern auch ffir den Ablauf aller anderen Lebensfunktionen, somit auch fiir das Wachstum und die Entwicklung der Pflanze. Merkwiirdigerweise wird jedoch auf den Hydratationszustand des Plasmas bei der Besprechung des Wasserhaushalts der Pflanzen meist iiberhaupt nicht hingewiesen, obgleich dies die Kernfrage ist, ohne die man die ganzen kompli zierten, mit dem Wasserhaushalt verbundenen Einrichtungen nicht verstehen kann. Eine hohe Hydratation des Plasmas ist bei Landpflanzen durchaus keine Selbstverstandlichkeit, wenn man an die oft so trockene, die Pflanzen umgebende Atmosphare denkt. Die diesbeziiglich wichtige Regelung des Wasserhaushalts dient dem Hauptziele, einen moglichst intensiven Gasaustausch fiir die Photosynthese unter Aufrechterhaltung einer optimalen Hydratation der lebenden Substanz - des Plasmas - zu ermoglichen (vgl. S. 12). DaB daneben der Transpirationsstrom dem Transport der anorganischen Nahrstoffe von den Wurzeln zu den Blattern dient und die Transpiration in wenigen, seltenen Fiillen auch eine schadliche Oberhitzung der Blatter bei starker Einstrahlung verhindert, ist von zweitrangiger Bedeutung. FUr den Transport der Mineralstoffe waren z. B. so groBe Wasserverluste durch die Transpiration, die meist das 400-600fache der gebildeten organischen Substanz betragen, nicht notwendig. In den meisten Fallen schranken bei starker Einstrahlung an be sonders heiBen und trockenen Tagen die Pflanzen ihre Transpiration durch StomataverschluB ein, d. h. daB sie unter diesen Umstanden das Auftreten von Obertemperaturen iiberhaupt nicht zu verhindern in der Lage sind. Einfiihrung 7 Es wird unsere Aufgabe in diesem Band der Protoplasmatologia sein, alle Fragen, die mit der Hydratation des Plasmas im Zusammenhang stehen, zu besprechen. 2. Poikilohydre Pflanzen, homoiohydre Pflanzen und Hydratur Zu den Grundvoraussetzungen alles Lebens gehoren bestimmte Warme- und WasserverhaItnisse, denen die lebende Substanz, das Plasma, stets ausgesetzt ist. Um die ersteren zu erfassen, geniigt es bei poikilothermen Organismen, zu denen aIle Pflanzen gehoren, im allgemeinen die Temperatur auBerhalb des Organismus zu messen, da sie sich nicht wesentlich von der Temperatur innerhalb des Organismus unterscheidet. Bei homoiothermen Organismen, z. B. den Warmbliitlern unter den Tieren, ist das nicht der Fall. Deshalb muB man bei diesen die Temperatur im Organismus selbst feststellen, denn sie ist von der Temperatur a1iBerhalb des Organismus weitgehend unabhangig. Ahnlich wie bei der biologischen Betrachtung im Hinblick auf die Warme verhaltnisse die Temperatur (Warmezustand) eine groBere Rolle spielt als die W armemenge, ist hinsichtlich der Wasserverhaltnisse nicht die "W asser menge" von erstrangiger Bedeutung, sondern der "Wasserzustand". Wir beniitzen dafiir die kurze Bezeichnung Hydratur und werden spater zeigen, daB sie dem in der Thermodynamik gebrauchlichen Begriff der "relativen Aktivi tat des Wassers" entspricht. Um die Wasserverhaltnisse, unter denen sich die Pflanzen befinden, zu charakterisieren, gibt man heute fast stets nur die Wasser verhaltnisse auBerhalb des Organismus an. Das kann man fiir eine kleine Gruppe der poikilohydren Pflanzen gelten lassen, nicht dagegen fiir die andere, viel wichtigere Gruppe der homoiohydren Pflanzen (WALTER 1931a.). Ebenso wie fiir homoiotherme Organismen nur die Temperatur im Organismus uns ein wandfrei Auskunft iiber die fiir die Lebensfunktionen wichtigen Warmever haltnisse gibt, konnen wir die fiir homoiohydre Pflanzen wichtigen Wasser verhaItnisse nur dann richtig beurteilen, wenn wir die "relative Aktivitat des Wa.ssers", d. h. die Hydratur des Plasmas im Organismus kennen. "Hydratur" ist ein ebenso allgemeiner Begriff wie Temperatur. Man bnn von der Temperatur und Hydratnr des Bodens, der Atmosphare usw. sprechen. FUr die Lebensfunktionen ist jedoch maBgebend die Temperatur und die Hydratur des Plasmas. Wir diirfen nicht vergessen, daB zwar fiir die stets poikilothermen Pflanzen die Temperatur auBerhalb und innerhalb der Pflanze im wesentlichen dieselbe ist, aber die Hydratur bei der Gruppe der hoheren homoiohydren Pflanzen au Ben und innen sehr verschieden ist. Die Hydratur auBerhalb der Pflanze gibt uns deshalb keinen Anhaltspunkt fiir die Hydratur innerhalb der Pflanze. Sogar die Hydratur in den Interzellularen ist von der des Plasmas verschieden, es sei denn, daB die Zellen nicht turgeszent sind. Diese Tatsachen werden immer noch haufig zu wenig beriicksichtigt und sollen deshalb eingehend erlautert werden. Die homoiohydren Pflanzen haben sich im Laufe der phylogenetischen Ent wicklung des Pflanzenreichs allmahlich bei der Anpassung an das Leben auf dem Lande herausgebildet. Zum besseren Verstandnis der Natur dieser homoiohydren Pflanzen wollen wir anschlieBend die physiologischen V oraussetzungen fiir den Vbergang der autotrophen Pflanzen yom Leben im Wasser zu dem au6erhalb desselben im Laufe ihrer phylogenetischen Entwicklung kurz besprechen.