Die Houbirg im Nürnberger Land Archäologische Forschungen in Vergangenheit und Gegenwart zusammengestellt von Harald Koschik 1985 Altnürnberger Landschaft e.V. Nürnberg Herausgegeben von der „ALTNÜRNBERGER LANDSCHAFT” e.V. Arbeitsgemeinschaft für Heimatpflege und Heimatforschung im Raum Altdorf - Erlangen — Hersbruck - Lauf - Nürnberg Geschäftsstelle: Bönerstraße 5, 8500 Nürnberg 40 ISSN 0516-8325 - Band XXXII Auslieferung an den Buchhandel: Verlag Korn & Berg Universitätsbuchhandlung Nürnberg ISBN 3-87-432-101-0 Druck: Justus Kuch GmbH, 8500 Nürnberg 70 Copyright by: „Altnürnberger Landschaft” e.V. Nürnberg Alle Rechte vorbehalten! Ich zieh in grünen Waldeshallen, Frau Sonne lacht mich an so hell, Maiblumen blühn, die Vöglein schallen, Und sprudelnd rauscht der Rieselquell. Mai 1880 Kürschner Vers vom Quellstein am Fußweg von Happurg zur Houbirg. Vorwort Die Houbirg bei Happurg im Nürnberger Land lockt zu allen Jahreszeiten als Wanderziel. Gewiß ist aber nur einem Teil der vielen Besucher aus nah und fern die überaus wichtige Rolle bekannt, die der markante Bergstock als Siedelplatz der Menschen seit alter Zeit gespielt hat. Ohne zu übertrei ben läßt sich jedoch nach unserem gegenwärtigen Wissensstand feststellen, daß die Houbirg zu den bedeutendsten vor- und frühgeschichtlichen Höhensiedlungen in Deutschland gehört. Auch wenn die Houbirg bislang noch nicht das Ziel groß angelegter Ausgrabungen gewesen ist - glücklicherweise, denn immer noch ist der ungestörte Boden der beste Konservator, verbessern sich desweiteren die Methoden der Archäologie ständig - gibt es doch eine Fülle von Aufschlüs sen und Untersuchungen, aus denen zumindest der Experte ein Bild von Geschichte und Besied- lungsablauf des Berges über die Jahrtausende hinweg rekonstruieren kann. Freilich bereitet dies beträchtliche Mühen, denn die Quellen - einzelne Notizen wie größere Artikel - sind in der Litera tur fachlichen oder populären Zuschnitts verstreut und mitunter nur an sehr entlegener Stelle zu fin den. Da die wichtigsten Beiträge zur Archäologie der Houbirg schon längst vergriffen und auch im Antiquariatsbuchhandel kaum zu finden sind, muß sich der Interessent heutzutage zumeist in nicht nur eine Fachbibliothek bemühen, wenn er sich eingehend informieren möchte. In diesem Mangel liegt nur einer der Beweggründe, ein Buch mit der Wiedervorlage verschiedener Abhandlungen über die Vor- und Frühgeschichte der Houbirg herauszubringen. Vielmehr bietet sich hier die Gelegenheit, diese für die Geschichte und Arbeitsweise der archäologischen For schung charakteristischen Schriften durch neue Untersuchungsergebnisse zu ergänzen. Hierbei war Herr Dr. Hans Peter Uenze, Prähistorische Staatssammlung München, dankenswerterweise wiederum bereit, weiteres umfangreiches Fundmaterial von der Houbirg aufzuarbeiten. Auch wenn für manche Probleme und Fragen eine schlüssige Antwort nach wie vor aussteht, kann den noch eine gewisse Bilanz der bisherigen Bemühungen gezogen werden. Für Rat und Tat sei allen Freunden und Förderern aufs herzlichste gedankt, vor allem der Altnürn berger Landschaft e.V., die diesen Band in ihre Schriftenreihe aufgenommen hat. Harald Koschik Kersbach, im November 1985 5 Inhalt Vorwort.....................................................................................................................................................0 Harald Koschik, 150 Jahre Forschungsgeschichte (1985)............. 9 Wolfgang Wörlein, Die kelto-germanische Götterburg der Houbirg. Ein Beitrag zur Alterthumskunde des Nordgaues (1838) .............................................. 23 Christian Mehlis, Die Houbirg (aus: Th. Eibinger und J. B. Sartorius, Führer durch Hersbruck und Umgebung, 1885)............................................................... 63 Friedrich Stählin (Hrsg.), Der vorgeschichtliche Ringwall auf der Houbirg bei Nürnberg. Mit Benützung von hinterlassenen Papieren Konrad Hörmanns (1935)................................................................................... 69 Friedrich Vollrath, Die Houbirg (1960) ......................................................................................... 95 Hans Peter Uenze, Die Besiedlung der Houbirg im Lichte der Neufunde (1982)............................................................................................................. 1^3 Hans Peter Uenze, Weitere Neufunde von der Houbirg (1985).................................................. 167 Harald Koschik, Sicherungsgrabung am Wall der Houbirg 1982 (1985) ................................. 187 7 150 Jahre Forschungsgeschichte von Harald Koschik Die Anfänge Justament vor 150 Jahren taucht die Houbirg bei Happurg als Stätte der Vorzeit zum ersten Mal in das Licht einer literarischen Beachtung. Der von 1829 bis 1839 in Happurg wirkende Schullehrer und Kantor Johann Wolfgang Wörlein1 erwähnt sie zunächst mehr beiläufig in einem volkstümli chen Geschichtsbuch2, später widmet er ihr ausführlichere Traktate. Diese erste Nennung dürfte wohl aber kaum der Anlaß dafür gewesen sein, daß sich andere interessierte Persönlichkeiten aus der näheren Umgebung zur selben Zeit mit der „Schanz” befassen, wie die Einheimischen damals den Ringwall auf der Houbirg bezeichneten. So bereichert der königlich bayerische Forstmeister von Altdorf, Wilhelm Freiherr von Egloffstein, im Jahr 1835 die Sammlung des Historischen Vereins im Rezatkreis (ab 1837 umbenannt in: Historischer Verein für Mittelfranken) um „eiserne und bron zene Pfeil- und Lanzenspitzen, mit einem Meißel von Bronze, gefunden in dem merkwürdigen ver schanzten Ring auf dem Berge bei Happurg”3. Andere Funde sind schon früher aufgelesen oder ausgegraben worden (siehe auch unten S. 18)4. Die Houbirg erscheint 1836 im ersten fundierten Verzeichnis archäologischer Denkmäler Mittel frankens, das der altertumsbegeisterte Staatsrat Franz Josef Wigand von Stichaner, zuvor Regie rungspräsident des Rezatkreises, später der Pfalz, verfaßt hatte5. Im folgenden Jahr übersendet der Hersbrucker Landgerichtsassessor Heinrich Haas eine umfangreiche Abhandlung mit dem Ti tel „Die Hatheresburg und ihre Umgebungen, ein historisch-kritischer Versuch, als Beitrag zur Nordgauischen Alterthumskunde” an den Historischen Verein8, wobei er irrigerweise dem Ring wall eine Rolle in historisch belegten Auseinandersetzungen zur Zeit König Heinrich II. im Jahr 1003 beimißt. 1838 veröffentlicht Wörlein gleich zwei Schriften, in deren Mittelpunkt er die Houbirg stellt. Nach dem „mehr an die Gebildeten im Volke” gerichteten Werk7, das auf Anregung des 1835 verstorbenen Gründers des Historischen Vereins und vormaligen Kreisdirektors Karl Heinrich Rit ter von Lang entstanden war, erscheint auch ein Büchlein für „Kenner und Forscher der deutschen Alterthumskunde” (siehe Wiederabdruck S. 22 ff.)8. Beide Abhandlungen stellen köstliche Zeug nisse des gelehrten Schrifttums der Biedermeierzeit dar, voll von teils kurioser Wissenschaftlich- keit und — nach heutigem Verständnis — unfreiwilliger Komik. Vor allem Wörleins These, die Kel ten hätten auf der Houbirg zunächst ein Heiligtum errichtet, trifft neben anderem sogleich auf nach- drückliche Kritik9. Der Gegenmeinung, es handle sich bei der Houbirg in erster Linie um eine Flieh burg oder befestigte Siedlung, tritt Wörlein später entgegen, wobei er seine Theorie der Götterbur gen und heiligen Haine verteidigt19. - Damit endet das erste Forschungskapitel schon frühzeitig und ohne besonderen Nachhall, sieht man einmal davon ab, daß Notizen über die Houbirg nun auch Eingang in überregionale Schriften meist erbaulichen Inhalts finden (Abb. 4 und 5)11. Zwischenspiel: Höhlenforschung im Hohlen Fels Mehr ein Intermezzo mit tragikkomischen Anklängen als eine Phase nutzbringender Erforschung verkörpert eine Kette von Ereignissen, die seither immer wieder die Aufmerksamkeit auf einen qanz besonderen Punkt der Houbirg lenken. Gemeint ist die Höhle „Hohler Fels” am südlichen Ab bruch der Houbirg. Diese Höhle, die dem Menschen seit einem mittleren Abschnitt der Altsteinzeit vor etwa 60000 Jahren Schutz geboten hatte und deren Felskanzel man in einer späteren Periode der Vorgeschichte durch einen Stichwall mit dem großen Ringwall verbunden hatte, wurde 1849 vom Verschönerungsverein Hersbruck als geeigneter Ort für das Sommerfest auserkoren. Da der Vorplatz vor der Höhle nicht ausreichte, schuf man ein künstliches Podium, indem man den Hoh lenboden ausräumte und das Material vor dem Eingang aufschüttete (Abb. 5)12. Damit war ein gro ßer Teil der bis zu diesem Zeitpunkt unversehrten Kulturschichten mit den Spuren ältesten menschlichen Seins unwiederbringlich zerstört - wenn auch ohne böse Absicht. Erste Ausgrabungen (oder besser Schürfungen) stellte 1865 im Auftrag der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München der Geologe und spätere Vorstand des Bayerischen Oberbergamtes, Karl Wilhelm von Gümbel, an. Elf Jahre später betätigte sich der Hersbrucker 9 Schulmann Christian Mehlis (siehe unten) auch in der Höhle. - Im Rahmen der damals üblichen Grabungsregeln bemühte sich seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bis zum ersten Weltkrieg die Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg um die Erforschung der Stätte. Konrad Hör mann, Kustos und Sekretär der Gesellschaft, pachtete 1905 den Hohlen Fels, um in Ruhe Grabun gen vornehmen zu können. Daneben versuchten auch andere, mehr oder weniger berufene Privat leute ihr Glück als Ausgräber13. Heute lassen sich gesicherte Aussagen über Geschichte und Ab lauf des menschlichen Aufenthalts im Hohlen Fels nur unter Vorbehalten machen14 - auch die da mals weithin als Sensation empfundenen Skelettreste von Menschen aus der Höhle, „Ossa Norim- bergensia” genannt15, sind keiner bestimmten Periode der Vorzeit mit Gewißheit zuzuordnen. Abb. 1. Die Houbirg von Westen. Die Hochkonjunktur Die Frage nach Funktion und historischer Rolle der Houbirg beschäftigt auch den damals in Hers bruck tätigen Gymnasiallehrer Christian Mehlis, der 1875 und 1876 umfangreiche Grabungen auf der Houbirg unternimmt. Die Unzulänglichkeiten der zeitgenössischen Grabungstechniken und die seinerzeit beliebte Verknüpfung von archäologischen Erkenntnissen mit historisch belegten Ereig nissen werden in den Berichten deutlich (einer davon als Wiederabdruck S. 63 ff.)16. Besonders merkwürdig mutet heute die Sprengung eines vermeintlichen Grabhügels mit Dynamitpatronen an - wohl ein einmaliger Höhepunkt der Grabungsmethoden im vergangenen Jahrhundert17! Immerhin kann Mehlis aufgrund der negativen Ergebnisse bei seinen Untersuchungen die von den Altvorderen Wörlein und Haas vertretene Meinung entkräften, auf den Hochflächen der Houbirg würden sich auch Grabhügel befinden. Im Ringwall sieht er zunächst ein Werk germanischer Volksstämme, der Naristen (Narisker) oder Burgunden, aus dem dritten nachchristlichen Jahrhun dert und vermutet in ihm gar den direkten Vorläufer der Stadt Nürnberg: „Von dem Hohberg bei Hersbruck zogen sich die Naristen auf den Hügel am Pegnitzstrande im Westen und nannten den Berg nach sich Noremberg”18. Später hält er gallische (keltische) Stämme für die Erbauer der Be festigungen im 6. bis 4. Jahrhundert v. Chr.19. Die Erkenntnisse von Mehlis und den älteren Forschern greift schon 1881 der Münchener Landge- 10