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Die Herz- und Gefäss-Krankheiten PDF

347 Pages·1936·14.538 MB·German
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DIE HERZ- GEFASS- UND KRANKHEITEN VOl\' PROF£SSORDR.WALTER FREY DIREKTOR DER MEDIZI:'<ISCHEN UXIVERSITXTSKLI1I<,K BERN MIT 67 ABBILDUNGEN BERLIN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1936 ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER CBERSETZUNG Il'i FREMDE SPRACHEN, VORBEHALT EN. ISBN-13: 978-3-642-89707-8 e-ISBN-13: 978-3-642-91564-2 001: 10.1007/978-3-642-91564-2 COPYRIGHT 1936 BY JULIUS SPRINGER IN BERLIN. Soltcover reprint of the hardcover I st edition 1936 Vorwort. Eine zeitgemiiBe Darstellung der Krankheiten des HerzgefaBapparats muB dessen Beziehungen zu den anderen Organen und Organteilen mesenchymal mesodermaler Abstammung deutlicher berucksichtigen als es bisher ublich war. Biologische Probleme, auch klinische Fragestellungen, konnen nur unter moglichst weitgehender Heranziehung der naturwissenschaftlichen Disziplinen einigermaBen erfolgreich behandelt werden. Die innere Medizin basiert auf den Errungenschaften der Physiologie und Anatomie. Ein einseitiges Betonen des Humoralen im Gegensatz zum Cellularen, des Funktionellen gegenuber dem Morphologischen vermag dem Tatbestand nicht gerecht zu werden und ist didaktisch gefahrlich. Therapeutische Fortschritte sind das Ergebnis von Erkenntnissen auf dem Gebiet der Pathogenese. Eine atiologisch-kausale Betrachtungsweise ist im einzelnen nicht immer moglich, die Unterscheidung von Dysplasien, sklero sierenden, entzundlichen, endokrin-nervosen Einflussen bei kardiovascularen Storungen aber durchfiihrbar. Ohne klare Systematik ist kein wirkliches Verstehen moglich. Das kategoriale Denken muB auch im Schriftlichen zum Ausdruck kommen. Das Fehlen einer ubersichtlichen Einteilung der verschiedenen Erkrankungsformen war speziell auf dem Gebiet der HerzgefaBaffektionen hinderlich. Mancher Mangel wohl bewuBt wage ich es doch dieses Buch der Offentlich keit zu ubergeben, in der Hoffnung, dem allgemein biologisch denkendenMediziner damit nutzlich sein zu konnen. Bern, 29. Juni 1936. WALTER FREY. hlllalt.sverzeichnis. Seite A. Die Organe mesodermal-mesenchymaler Abstammung als pathogenetisehe Einheit I Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 B. Entwicklungsstiirungen des Herzgefiillsystems (Dysplasien) . 5 I. Kongenitale MiBbildungen. . . . . . . . . . . 5 I. N ormale Verhaltnisse. . . . . . . . . . . . .. ....... 5 Erste Anlage S. 5. - Die weitere gestaltliche Entwicklung bis zur Geburt S. 6. - Struktureller Aufbau S.II. - Die Ursachen der differenten histologischen Struktur von Arterien und Venen S.13. 2. Abnormes Verhalten der Klappen und Septen . . . . . . . . . . . . 14 a) Abnorme arteriell-venose Kommunikationen . . . . . . . . . . . . 15 Defekte im Vorhofseptum S. 15. - Offenes Ventrikelseptum (ROGERSche Krankheit) S.17. - Offener Ductus arteriosus S.2I. b) Verengerungen der pulmonalen bzw. aortalen Strombahn . . . . . . 25 Kongenitale Pulmonalstenose S. 25. - Kongenitale Aortenstenosen S.30. - Isthmusstenose der Aorta S.3I. c) Transposition der groBen Arterien . . . . . . . . . . . . . . 33 Anhang: Kongenitale Mitralstenose (DUROzIERSche Krankheit) . 35 3. Kongenitale Lage- und GroBenanomalien. . . . . . 36 01:) GroBe des Herzens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Primare idiopathische Herzhypertrophie S.36. P) Lageanomalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Dextrokardie S.46. - Dextroversio S.47. - Herzdivertikel S.47. 4. Die MiBbildungen des HetzgefiiBsystems als Teil einer allgemeinen meso- dermal-mesenchymalen Keimblattminderwertigkeit. 48 II. Anomalien der progressiven Wachstumsperiode 50 I. N ormale Verhaltnisse. . . . . . . . . . . . . . . 50 a) GroBe und Gewicht des Herzens, Weite der Gefal3e 50 b) Lage und Form des Herzens . . . . . . . . 55 c) Innere Konfiguration des kindlichen Herzens 57 2. DyspIasien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Tropfenherz S.59. - Akrocyanose S.61. - Dickwandigkeit peri pherer Arterien bei Jugendlichen S.64. III. Involution. . . . . . 65 I. Das Altersherz. . . . 67 2. Periphere Zirkulation . 75 Literatur. . . . . . . . . 77 C. Indurative Sehiidigungen. SkIerosen. 80 I. Kardiosklerose 82 I. Aortensklerose . . . . . . . 85 2. Valvulare Sklerose . . . . . . . . 92 Aortenldappen S. 93. - Mitralis S. 96. 3. Coronarsklerose 99 Arrhythmien S. 116. II. Arteriosklerose. . . . . 137 1. Allgemeine Histo- und Pathogenese 137 2. Pulmonale Arteriosklerose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Senile Pulmonalsklerose S. 145. - Stauungssklerose des pulmonalen arteriellen Systems S. 145. - Pulmonalsklerose bei abnormer Kommuni kation zwischen arteriellem und venosem GefaBsystem S.148. - Primare juvenile Pulmonalsklerose S. 150. Inhaltsverzeichnis. v Seite 3. Sklerose des arteriellen Windkesselsystems (groJ3e nnd mit.tlere Arterien) 152 Blutdruck S. 154. - Wandelastizitat S. 159. - Pulsdruck (Sphygmo gramm) S. 164. - PulsgroJ3e S. 168. - HerzgroJ3e und Herzform S. 169. 4. Sklerose der Organarterien (Arteriolosklerose). . . . 171 Niere S. 172. - Pankreas S.179. - Milz S.182. III. Phle bosklerose. . . . . 187 Li teratur. . . . . . . . . . . 188 D. Bakteriell-toxische Schiidignngen . 196 I. Allgemeine Pathogenese . 196 Infektion S. 196. - Ort und Art der Reaktion S. 198. - Klinische allgemeine Symptomatologie S. 201. II. Karditis .............................. 219 1. Endokarditis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 Endocarditis verrucosa rheumatica S. 224. - Endocarditis ulcerosa S. 232. - Inaktive, abgelaufene endokarditische Klappenschadigungen S.239. 2. Myokarditis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Parenchymatose Myokarditis S. 253. - Interstitielle rheumatische Myokarditis S.257. - Embolische bakterielle Myokarditis S.262. 3. Perikarditis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Kontaktperikarditis S. 263. - Rheumatische Perikarditis S. 268. - Bakterielle, embolische Perikarditis S.274. III. Arteriitis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 1. Bakterielle Arteriitiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Unspezifische mykotische Arteriitis S. 275. - Tuberkulose Arteriitis S. 276. - Luische Arteriitis S. 276. 2. Toxische (rheumatische) Arteriitiden . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Periarteriitis nodosa S. 291. - Thromboangitis obliterans (BUERGER) S.293. IV. Phlebitis. . . . . . . . . . . . . . . 297 Bakterielle, embolische (eitrige) Phlebitis 298 Toxische abakterielle reaktive Phlebitis 299 Thrombose . . . . . . . . . . . . 300 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . 305 E. Endokrine nnd vegetativ nerviise Schadignngen der HerzgefiiGlnnktion 313 I. Dysglandulare Storungen . . . . 314 1. Hyperthyreose . . . . . . . . . . 315 2. Hypothyreose. . . . . . . . . . . 320 3. Unterfunktion der Geschlechtsdriisen. Klimakterium 320 4. Dysfunktionen der Nebenniere . . . 322 II. N eurosen . . . . . . . . . . . . . 323 1. Konstitutionelle angeborene Neurosen . 329 2. Erworbene Neurosen (Abbauneurosen) ....... . . . . 334 Alkohol, Morphium, Cocain, bakterielle Gifte, Schwangerschaft, Ermiidnng 335 Literatur. 336 Sachvm'zeichnis 340 A. Die Organe mesodermal-mesenchyrnaler Abstammung als pathogenetische Einbeit. Vor AbschluB der Gastrulation lassen sich Stucke eines Keimblattes so ver tauschen, daB sie sich entsprechend den Anforderungen des neuen Orts ent wickeln, nicht "herkunftsgemaB" (SPEMA.NN, MANGOLD). Besondere Merkmale der Zugehorigkeit zu einem bestimmten Keimblatt sind in diesem Stadium noch nieht erkenntlieh. Mit fortschreitender Differenzierung und dem Verlust der Omnipotenz tritt die Sonderung in bestimmte Systeme aber immer deutlieher hervor. Kunstlieh vertausehte, an fremder Stelle implantierte Stucke von embryonalem Gewebe entwiekeln sieh nun tatsaehlieh herkunftsgemaB, unabhiingig von der neuen Umgebung. Die Gewebe spezialisieren sieh dann immer weiter, spreehen nur noeh auf ganz bestimmte Reize an. Der fertige Organismus erseheint nieht nur polymorph, sondern aueh funktionell extrem different. Die embryonalen Zell systeme zersplittern sieh immer mehr, in starker Abhangigkeit von der Umgebung. AuBere Einflusse spielen bei der formalen und funktionellen Ausgestaltung eine groBe Rolle. Trotzdem geht die Zugehorigkeit von Organen, die sieh entwieklungsgemiiB nahe standen, nieht ganz verloren. Die Artspezijitiit der unter sieh iiuBerst differenten Organe und Organteile demonstriert die Existenz von Eigensehaften, die sieh den ganzen Entwieklungs prozeB hindureh intakt erhalten. Die serologisehen Methoden und die Versuehe mit heteroplastiseher Transplantation beweisen das Vorhandensein eines art spezifisehen, allen Zellen gemeinsamen Idioplasma. Es fragt sieh, ob die Abkommlinge eines Keimblattes ebenfalls Eigenschaften beibehalten, die als etwas Einheitliches auch den Erwachsenenzustand charakte risieren. Von anatomischer Seite (BONET-PETER) wird betont, die friiher angenommene Spezifitat der Keimbliitter lasse sieh nieht meh!! halten. In der Tat konnen dieselben Gewebselemente aus versehiedenen Keimblattern hervorgehen. Die von BARD aufgestellte These "Omnis cellula et cellula ejusdem generis" ist nicht riehtig. Epithel entsteht aus allen drei Keimbliittern, sogar aus Mes enchym (GURWITSCH), glatte Muskelfasern aus Entoderm wie aus Ektoderm. Die Pathologie liefert kein brauchbares Material fUr die Annahme epithelialer Systemkrankheiten. Affektionen des ektodermalen Nervensystems gehen keineswegs besonders haufig mit Krankheiten der Epidermis oder der Haare, Nagel, Hautdrusen einher. Das Vorkommen des Schiehtstars bei Dystrophia myotoniea konnte allenfalls mit den dabei festgestellten Veranderungen im Bereich vegetativer nervoser Zentren in Zusammenhang gebraeht werden, im Sinne einer "Ektodermose". Die Genese dieser Krankheit ist aber noeh unklar, die Auffassung der Myotonia atrophieans als einer primiiren Myopathie, also einer mesodermalen Schiidigung, nicht, ganz von der Hand zu weisen. Gerade im Bereich der ektodermalen Keim blattderivate, speziell des Nervensystems, ist die Differenzierung auBerordentlieh Frey, Herzkrankheiten. 1 2 Die Organe mesodermal-mesenchymaler Abstammung als pathogenetische Einheit. weit getrieben, nicht nur in normal funktioneller Rinsicht, auch in der Er krankungsbereitschaft der einzelnen Teile, ihrer Empfindlichkeit gegen exogene und endogene Schadigungen. Die Organe entodermaler Abstammung verhalten sich nicht viel anders. Darm und Mundhohle scheinen in ihrer Reaktion gewisse Analogien zu haben, Z. B. bei pernizioser Anamie. Die Glossitis sitzt aber meist vor dem Sulcus terminalis, der Grenze zwischen ektodermaler Mundbucht und entodermalem Kopfdarm. Von gleichsinnigen Erkrankungen des Darms und der genetisch zugehorigen epithelialen Teile des Respirationsapparats ist nichts bekannt. Ektoderm wie entodermale epitheliale Organe erscheinen als weit differenzierte Gebilde, in sehr verschiedener Weise den Bedfufnissen der Umgebung und des Gesamtorganismus angepaBt, in ihrer funktionellen Leistung bis zu einem gewissen Grade fixiert, jeder Teil auf nur ganz bestimmte Reize reagierend, ohne ersichtliches einheitliches Reaktionsvermogen des gesamten Systems. A uffallend sind aber die Verhiiltnisse bei den Organen mesoblastischer Ab stammung. Bei den Amnioten geschieht die Mesoblastbildung nicht durch Abfaltung wie beim Amphioxus, sondern durch "Ausschaltung" (BONET-PETER) einzelner Zellen und Zellgruppen. Aus dem Gastrulaknoten, aus der Wand des Urdarms sowie aus der Wand der Urmundrinne treten vielgestaltige Zellen auf, erfiillen vereinzelt. oder in Zellstrangen zusammenhangend allmahlich die zwischen Ekto blast und Dotterentoblast vorhandene Spalte und liefern so das sog. primare Mesenchym. Aus dieser Zellmasse schlieBt sich ein Teil unter reichlicher Ver- . mehrung zum "Mesoderm" zusammen, das sich in bekannter Weise gliedert., wahrend die ubrigen Teile des Zellmaterials zum "Mesenchym" werden. Die Tatsache der Emigration, das Verlassen der epithelialen Verbande, stempelt das Mesoblast zu einem besondersartigen funktionell bis zu einem ge wissen Grade gleich gerichteten Gewebe. Man unterscheidet nach vollendeter Entwicklung die zu Platten oder sonst dicht gefiigten Verbanden geordneten Teile (quergestreifte und glatte Muskulatur, Myokard, epitheliale Auskleidung von Pleura und Peritoneum, Kanalchen epithelien der Niere, Epithelien der Roden und Eierstocke) gegenuber dem aus lockeren, vielgestaltigen und im allgemeinen beweglicheren Zellen zusammen gesetzten Mesenchym (Neuroglia, kollagenes Bindegewebe, elastisches Gewebe, Fettgewebe, Knorpel, Knochen, Zahnpulpa, rote und weiBe Blutkorperchen, die endotheliale Auskleidung der Blut- und LymphgefaBe, der Gelenkhohlen, Schleimbeutel, Subarachnoideal- und Subduralraume), aIle diese Organbestand teile sind sich aber eng verwandt. Eine besonders groBe Rolle spielt die Zusammengehorigkeit bei den Or ganen mesenchymaler Rerkunft, den Binde-und Stutzsubstanzen, die sich schon normalerweise in der Tierreihe gegenseitig vertreten, selbst im Einzelindividuum die eine Modifikation durch die andere ersetzen konnen (MERCKEL und KALLIDS). Unter pathologischen Verhaltnissen kann man sich ebenfalls davon iiberzeugen, daB wenigstens die als mesenchymal im engeren Sinn bezeichneten Stutzsub. stanzen, die Blutkorperchen, der Zirkulationsapparat, Gelenke, Schleimbeutel oft gleichzeitig und gleichsinnig erkranken. Diese Organe besitzen eine ahnliche Reaktionsweise, eine gemeinsame Erkrankungsbereitschaft. Auch hier sieht man Ubergange der einen Gewebsform in die andere, yom Bindegewebe zum Knochen, von der ruhenden Fasersubstanz zum Makrophagen, Verstarkungen und Ruck gange in der Differenzierung, wie das dem auffallig labilen Charakter dieses Gewebes entspricht. Der Organismus besitzt "Mesenchymreserven" (WASSER MANN) mit der Moglichkeit auf embryonales, aut einer fruheren Entwicklungs. stufe verharrendes Bindegewebe zuruckzugreifen. Die Organe mesodermal-mesenchymaler Abstammung als pathogenetische Einheit. 3 Bei entziindlichen Schadigungen stehen die Vorgange der lokalen Proliferation und Exsudation, die myeloische, lymphocytare, mononukleare Reaktion der blutbildenden Organe, die Bildung von Antikorpern, die Anderung des Quo tienten Albumin zu Globulin, unter Umstanden das Fieber selbst, mit der Tatigkeit mesenchymaler Gewebe in enger Reaktion. Das haufige Miterkranken der Gelenke, Schleimbeutel, BlutgefaBe, einschlieBlich Glomeruluscapillaren, der quergestreiften Muskulatur, der serosen Haute, des Endokards und Myo kards bei bakteriellen Infektionen ist der Ausdruck einer oft erstaunlich gene ralisierten Reaktion der Organe mesodermal-mesenchymaler Abstammung. Chronische Polyarthritis verbindet sich nicht selten mit multipler Tendovagi nitis und Hygromatose (STANDENATH). Die Kombination von fortschreitender Polyarthritis mit Lymphknotenschwellung und MilzvergroBerung entspricht dem sog. STILLS chen Syndrom. Die chronischen entzundlichen nichttuber ku16sen Veranderungen, die sich gleichzeitig oder aufeinanderfolgend an serosen Hauten abspielen (Pleuritis, Perikarditis, Peritonitis, Polyvisceritis mit Peri spelitis und Perihepatitis) wurden schon von NEUSSER 1908 als Systemkrankheit aufgefaBt. Die Kombination dieser Storungen mit multipler Lymphknoten- und Milzschwellung wird als Krankheit sui generis ("Morbus Bamberger") bezeichnet. Ohne Zogern wird man bei entzundlichen Krankheiten das mesodermal-mes enchymale Gewebe als System anerkennen, von einheitlicher embryonaler Genese und mit eigentumlicher Korrelation und Erkrankungsbereitschaft der einzelnen Teile auch im postembryonalen Leben. K. H. BAUER betont die Empfindlichkeit mesoblastischer Gewebe gegenuber innersekretorischen Reizen. Bei abnormem Verhalten der Hypophyse, Thyreoidea und der Geschlechts drusen verandern sich der auBere Habitus, Knorpel und Knochen, das Unter hautzellgewebe, der Wasser- und Salzhaushalt in bestimmter Weise. Von Interesse ist die Abhangigkeit der Knochenmarksfunktion von der Milz und Thy reoidea. Die inneren Sekrete wirken ahnlich regulierend auf andere Keimblatt derivate, am reaktionsfahigsten erscheinen aber doch die Elemente mesenchymal mesodermaler Abstammung. Die intercellular gelegenen Stoffe sind nicht nur "Stutz"-Substanzen, sie vermitteln auch den gesamten Stoffaustausch. Die Beziehungen der inneren Sekrete, der Vitamine zu den Zelloberflachen sind fUr die Elektrolytverteilung, die Ladung der Zelloberflachen, fur die Wasser bindung, die vielfachen fermentativen Prozesse von entscheidender Bedeutung. Wenn das "Mesenchym" mit bakteriellen toxischen Stoffen zuerst in Beruhrung gekommen, auch in erster Linie reagiert, so sprechen diese Gewebsbestandteile andererseits auch zuerst an auf innersekretorische Reize. FUr das AusmaB der TV achstums- und Riickbildungsvorgange im Organismus ist der Zustand der mesenchymalen Gewebe von maBgebender Bedeutung. Bei mangelhafter Anlage resultiert der asthenische Habitus mit Kleinheit des Herzens, Hypoplasie und Angustie der GefaBe zusammen mit auffallend zarter Beschaffen heit des Bindegewebes, Neigung zu Hernien, Enteroptose, Schlaffheit der Haut, Grazilitat des gesamten Knochenbaues, abnormem Verhalten der Blutzusammen setzung und der Lymphdrusen. Hierhin gehort die Trias: exsudative Diathese, Arthritismus, Status thymicolymphaticus, deren einzelne Glieder im Verlauf des Lebens vielfach abwechselnd in Erscheinung treten (0. MULLER). Als Vermittler des Safteaustausches regelt die kolloidale Grundsubstanz die Funktion cellu larer Elemente. Die im Senium eintretende Atrophie der Ganglienzellen der Samenkanalchenzellen und Follikelzellen, die Verschmalerung der quergestreiften Muskelfasern gehen mit einer Zunahme und Verdichtung bindegewebiger Elemente einher. Ob die cellulare Atrophie dabei immer das Primare sei, ist fraglich. Das Altern der Kolloide fUhrt zu einer zunehmenden Verfestigung der intercellular 1* 4 Die Organe mesodermal-mesenchymaler Abstammung als pathogenetische Einheit. gelegenen Grundsubstanz und diese an sich schon zu einer Erschwerung der Ernahrung der Zellen selbst_ Entwicklung und Riickbildung der Organe ist bis zu einem gewissen Grade Sache der urspriinglich mesenchymalen Organ gewebe. Als reaktionsfahigstes Zellsystem verfallt das Mesenchym auch zu erst der funktionellen Leistungsfahigkeit. Bindegewebige Induration steUt sich unter sehr vielen Bedingungen ein, als Folge des Alterns, als Ausgleichsvorgang bei parenchymatosen Schadigungen verschiedenster Art, auch in Abhangigkeit von der vererbten besonderen Qualitat des Gewebes. Der Vorgang hat nicht selten auffallig generalisierten Charakter. Man spricht von dem "fibrosen Typ" als einer Plusvariante einer allgemeinen "Bindegewebsdiathese" (PAYR). Der Systemcharakter mesodermal mesenchymaler Gewebsschaden kommt auf dem Gebiete von Entwicklungsanomalien, Indurativen, entziindlichen, dys glandularen krankhaften Zlistanden deutlich zum Ausdruck. Es handelt sich um eine oft auffallend generalisiert auftretende bis zu einem gewissen Grade einheitliche Reaktionsweise der gesamten Keimblattabkommlinge. Die gegen seitige Anpassung, die abhangige Differenzierung von Stroma und Parenchym spielt in manchen Organen eine groBe Rolle. Daneben treten aber spezifische Eigenschaften der mesodermal-mesenchymalen Gewebe gerade in der Pathologie haufig in Erscheinung. Von dieser Tatsache muB die klinische Diagnostik Nutzen ziehen. Das Herz erkrankt kaum jemals isoliert, meist sind Arterien, Capillaren, Venen, mitbe~ troffen und haufig finden sich auch Storungen in den andern Organen mesodermal mesenchymaler Art. Die Funktionspriifung muB neben der Prii.fung der einzelnen Organe die Leistung des gesamten Systems zu erfassen suchen. Almliches gilt fiir die Therapie der HerzgefaBkrankheiten. Jedes Organ, speziell auch das Herz, braucht seine besondere lokale Behandlung, der Eigenart seiner Funktion Rechnung tragend. Auf die engen Beziehungen zwischen Herz und GefiiBen wird bei Anwendung physikalischer und pharmakologischer Heil mittel jetzt schon sehr geachtet. Aber auch der Zustand der Gelenke, der blut bildenden Organe, des gesamten reticuloendothelialen Systems muB sorgfaltig mitberiicksichtigt und unter Umstanden mitbehandelt werden. Embryonal festgelegte Systemminderwertigkeiten pflegen sich bei den ver schiedenen Gliedern einer Familie zu wiederholen. Bei Erkrankung der Organe mesodermal-mesenchymaler Abstammung, jener eigentiimlichen Keimblatt elektivitat exogener Schadlichkeiten, kommt nicht selten der EinfluB der Ver erbung zum Ausdruck. Der Hausarzt ist in erster Linie in der Lage, in Kenntnis der herrschenden Situation wirksame Prophylaxe zu treiben. Literatur. BARD, L.: La specifite cellulaire. Scientia, serie bioI. 1899, No 1. - Physiol. patholog. et formes cliniques de la persistance du canal art. (Duct. Botalli). Arch. Mal. Coeur. 14, 212 (1921). - Congenit. Mitr. stenosen. Zit. nach J. BAUER. Konstitutionelle Disposition zu inneren Krankheiten, S. 373. 1924. - BAUER, K.: Interzellularsubstanzbildung und Mesenchymbegriff. Klin. Wschr. 1934 I, 361. - BONNT-PETER: Entwicklungsgeschichte, 5. Auf!. Berlin 1929. GURWITSCH: Vorlesungen tiber allgemeine Histologie. Jena: Gustav Fischer 1913. MANGOLD: Transplantationsversuche zur Frage der Spezifitat und Bildung der Keim bliitter bei Triton. Arch. mikrosk. Anat. u. Entw.gesch. 1923, 100. - Die Bedeutung der Keimbliitter in der Entwicklung. Naturwiss. 11, 213 (1925). - MERCKEL u. KALLIus: Die Anatomie des Menschen. Miinchen: J. F. Bergmann 1927. - MULLER, 0.: Med. Klin. 1917 I, 411. NEussER: Wien. klin. Wschr. 1908 I, 489. PAYR: Konstitutionspathologie und Chirurgie. Arch. klin. Chir. 116, 614 (1921). Entwicklungsstorungen des HerzgefaBsystems (Dysplasien). 5 SPE1IIANN: Vererbung und Entwicklungsgeschichte. Naturwiss. 19240, Nr 4, 65. - Uber Organisatoren in der tierischen Entwicklung. Naturwiss. 19240, Nr 48,1092. - STANDENATH: Das Bindegewebe, seine Ent\\<icklung, sein Bau und seine Bedeutung fUr Physiologie und Pathologie. Erg. Path. 22, 71 (1928). WASSERMANN, F.: Die Differenzierung der lebenden Masse. Handbuch der mikro skopischen Anatomie, Bd. I, 2, S.586. 1929. - Die Histogenese als abhangige Differen zierung. Handbuch der mikroskopischen Anatomie, Bd. I, 2, S.727. 1929. B. Entwicklungsstorungen des Herzgefa£systems (Dysplasien) . I. Kongenitale Mi6bildungen. 1. Normale Verhliltnisse. Bei der ersten Anlage des HerzgefaBsystems ist mesenchymales Gewebe allein beteiligt. Spater kommt aber mesodermales und ektodermales Material hinzu. Die Blutgefiif3anlagen treten zunachst im auBerembryonalen Bezirk auf. Hinter dem caudalen Ende des Primitivstreifens entstehen schon vor dem Eintritt der Segmentierung des Korpers unregelmaBige Zellhaufen, die Blutinseln, zwischen visceralem Mesoblast und Entoderm eingelagert in ein Netzwerk diinnwandiger Endothelromen. Diese letzteren sind die ersten Anlagen der Blutgefiif3e. Sie setzen sich kontinuierlich in Endothelrohren fort, die den hellen Fruchthof durchsetzen und in den embryonalen Korper eintreten. Auch hier sind zwischen visceralem Mesoblast und Entoderm BlutgefaBe entstanden. 1m Mesenterium finden sich in der hinteren Kopfregion paarig angeordnet zwei Endothelrome, die sich bei spaterer Entwicklung vereinigen und zum Endokardschlauch werden, der ersten Anlage des Herzens. Das Organ imponiert schon in sem friihen Stadien der Entwicklung bei Lupen betrachtung als pulsierender roter Punkt ("Punctum saliens"). Die Blutinseln, durch Teilung von GefaBbildungszellen entstanden, erhaIten eine sich in die GefaBrohren fort setzende Endothelumhiillung. Nach Abscheidung von Blutplasma, mit dem Einsetzen der Herzpulsation geraten von den Blutinseln fortgesetzt Zellen als Blutkorperchen in die Zir kulation. Man erkennt die nahe genetische Verwandtschaft des cardiavascularen Apparates mit Lymphe und blutbildenden Organen. Aus der pulsierenden Blutinsel wird ein Herz mit Reizleitungssystem, Kammern, Vor hofen, kompliziertem Klappenapparat. Die uniformen Endothelrohre differenzieren sich in Arterien, Venen, Capillaren. 1m einzelnen ist dic Entwicklung stark abhangig von Einfliissen, die sich erst spater im Laufe des Lebens geltend machen, entsprechend den Gesetzen der "funktionellen Anpassung" (Raux). Die Funktion wirH als Reiz fiir eine gestaltliche Weiterentwicklung und umgekemt geht die Masse des Herzens, die Zahl und Weite der BlutgefaBe zuriick, wenn die ver langten Leistungen ungewohnlich gering sind. 1m groBen ganzen folgt die gestaltliche Ent wicklung aber doch vorgezeichneten Bahnen, vom EIter iibernommen, sie erscheinen "determiniert". In der ersten Entwicklungsperiode handelt es sich auch nach Raux um eine vererbte selbstandige, d. h. von der Funktionierung unabhangige Anlage. Wir diirfen vermuten, daB nicht nur die auBere Form, sondern auch die innere Struktur des cardio vascularen Systems vererbt wird, als Eigentiimlichkeit des Gewebes, mit bestimmter Entwicklungspotenz, bestimmter Reaktionsfahigkeit und Erkrankungsbereitschaft. Gerade dieser Punkt ist fiir das Verstandnis pathologischer Zustande von groBer Tragweite, weil auch die Deszendenz von einer derartigen Disposition zu Erkrankung oder besonderer Widerstandskraft des Gewebes mitbetroffen wird. Die einheitliche mesenchymale Genese samtlicher BlutgefaBe liegt klar. Die Zusammensetzung des Herzens ist komplizierter. Der Endokardschlauch ist rein mesenchymal, der Klappenapparat besitzt aber auch mesodermales Gewebe. Die zu den atrioventrikularen Ostien heranziehenden Ziige glatter Muskulatur sind mesenchymaler Herkunft und entsprechen der GefaBmedia. Van der Basis aus schiebt sich aber an der Varderseite auch etwas quergestreifte, d. h. mesadermale Muskulatur dicht unter dem Endothel in die Klappen hinein, als Teil des vom Perikard her hineinwachsenden, quer zur

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