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Die heimlichen Manager: Top-Sekretärinnen sagen, was Sache ist PDF

145 Pages·1995·2.832 MB·German
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Gabriele Kettler Die heimlichen Manager Top-Sekretarinnen sagen, was Sache ist GABLER Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Kettler, Gabriele: Die heimlichen Manager : Top-Sekretarinnen sagen, was Sache ist / Gabriele Kettler. - Wiesbaden : Gabler, 1995 ISBN 978-3-322-87139-8 ISBN 978-3-322-87138-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-87138-1 Der Gabler Verlag ist ein Untemehmen der Bertelsmann Fachinformation. © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden 1995 Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1995 Lektorat: Manuela Eckstein Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulas sig und strafbar. Das gilt insbesondere flir Vervielfliltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. H6chste inhaltliche und technische Qualitat unserer Produkte ist unser Ziel. Bei der Produktion und Verbreitung unserer Biicher wollen wir die Umwelt schonen: Dieses Buch ist auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die EinschweiB folie besteht aus Polyathylen und damit aus organischen Grundstoffen, die weder bei der Herstellung noch bei der Verbrennung Schadstoffe freisetzen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB so1che Namen im Sinne der Warenzeichen-und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diirften. Redaktion: Gabriele Gerold-Schugt Umschlaggestaltung: Schrimpf und Partner, Wiesbaden Satz: FROMM Verlagsservice GmbH, Selters/Ts. ISBN 978-3-322-87139-8 5 Vorwort Sie stehen nicht im Rampenlicht, eher unter dem matten Schein einer BUro lampe, wenn aile anderen schon zu Hallse vor dem Fernseher sitzen. Sie haben keine Namen, sondern bleiben anonym und nennen sich BUro von Herm X oder Sekretariat von Frau Dr. Y: Sekretarinnen, die Drahtzieher, die Ruhm und Erfolg ihrer Chefs und Chefinnen erst moglich machen - Frauen im Hintergrund, die still und leise alles vorbereiten, jeden Auft ritt, jede Rede und jede Reise bis ins kleinste Detail teils in nachtelanger Kleinarbeit planen und organisieren. Sie kontrollieren das Leben der Manager, sie gehoren zu ihnen wie der Dienstwagen. Doch wer sind diese Frauen, die sich urn ihren Chef, dessen Wehwehchen, des sen Firma und seine ganz groBen Taten mit perm a nentem Einsatz kUmmem, aber selten Lob daftir erhalten? Sie nehmen ent scheidend teil an dem Leben eines anderen, planen es lind mUssen immer wieder menschliche GroBe zeigen, wenn es lim die Lorbeerenverteilung geht. Sie bleiben "drauBen vor der TUr", und niemand bittet sie hinein, urn den Erfolg genie Ben zu konnen. Sie arbeiten bis zum Umfallen, stehen wieder auf und sind einfach nicht totzukriegen, sind immer dort, wo man sie gerade braucht, und trotzdem wird die AuBenwelt dies niemals anerkennen. Manch mal leben sie in einer Welt, die ihnen personlich fremd ist und in der sie sich doch sicher bewegen mUssen. Ich habe mir oft Gedanken gemacht, warum das Image der Sekretarin so schlecht ist. Die Medien machen selbst in der heutigen Zeit keinen Halt vor der dummen Blondine (wahrscheinlich hat sie ein Verhaltnis mit dem Chef) oder dem alles abwehrenden Zerberus im Vorzimmer. Diese Klischees sind einfach nicht auszurotten. Ich denke da nur an manche Werbesendungen: "Also, mein Chef, der ist Anwalt ... " In so manchem Film thront sie vor ihrer Schreibmaschine, telefoniert mit einer Freundin und lackiert sich dabei die Nagel. Ich finde das lacherlich und manchmal auch entwUrdigend. Viele Sekretarinnen trauen sich kaum zu sagen, welchen Beruf sie ausUben. Sie geben sich als Sachbearbeiterin oder Assistentin aus. Bevor ich meine "Kolleginnen" interviewte, habe ich oft gedacht, meine Erlebnisse und EindrUcke seien das Ergebnis einer verletzten Eitelkeit mei nerseits. Doch ich habe feststellen mUssen, daB der Gedanke, einen Beruf zweiter Klasse Zll haben, bei den meisten meiner Gesprachspartnerinnen ebenfalls vorhanden war. 6 Vorwort Die Sekretarinnen haben keine Lobby, und sie sind anscheinend auch nicht wichtig genug, daB es sich lohnt, fUr sie das Wort zu ergreifen. Ich aber ergreife das Wort fUr diesen Berufsstandmit seiBeft IttlBelOidentlichen Frauen und mochte dazu beitragen, diesen wieder "gesellschaftsfahig" zu machen. Wie hart und verantwortungsvoll dieser Bernf sein kann, weiB ich aus eigener langjiihriger Erfahrnng. Diese allein war jedoch nicht ausreichend, urn diesen so vielfiiltigen, herausfordernden und teilweise aufreibenden Bernf facetten reich darzustellen. Mit der groBen Unterstiitzung einiger Sekretarinnen aus dem Top-Manage ment in Deutschland konnte dieses Buch erst entstehen. Kaum jemand kann sich vorstellen, daB die Terminabsprachen fUr die Gespriiche bereits mit enormen zeitlichen Schwierigkeiten verbunden waren. Eine Top-Sekretarin hat nicht beliebig viel Zeit. Da es sich bei meinen Interview-Partnerinnen urn Top-Sekretarinnen prominenter Personlichkeiten aus Wirtschaft und Politik handeit, werden Personen- und Firmennamen selbstverstiindlich nicht ge nannt. Finden Sie selbst heraus, wer die wirklichen (heimlichen) Manager sind. Konigstein, im April 1995 GABRIELE KETTLER 7 Inhaltsverzeichnis Yorwort ................................................... 5 Ortrud H" 44 Jahre Frauen braucht die Bank. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Johanna K., 43 Jahre Ein Karriereweg von SUd nach Nord . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Sybille Sch., 48 JaHre Eine Kostprobe aus dem Tagein-tagaus des Automobilhandels . . . . . . . 35 Maria M., 44 Jahre Politiker - eine besondere Spezies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Ruth E., 57 Jahre Zwischen ReagenzgHisem und Aktendeckeln 57 Nie wieder Sekretarin! 75 Sylvia St .. 36 Jahre Freizeit - nur etwas flir andere! ................................ 87 Gabriele J., 35 Jahre Rund urns liebe Geld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Hildegard Sch., 35 Jahre Auch Lehrerinnen eignen sich flirs BUro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. 1.5 . . .. Kirsti p., 40 Jahre Mit Musik geht alles besser ................................... 125 Elisabeth van R., 63 Jahre Yom Traum zum Traumjob . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 139 9 Ortrud H" 44 Jahre · · .. · · · · · · · · · . Frauen braucht die Bank Jedem Zeitungsleser sind sie bekannt: die eingerahmten Quadrate, in Hoch oder Querformat, groB oder klein, gefiillt mit fetten oder halbfetten Buchsta ben, die zu prachtvollen Eigenschaftswortem wie routiniert, dynamisch, einsatzfreudig, gewandt, flexibel, mobil geformt sind. Und noch weitere Exklusiv-Merkmale, tiber die ein Mensch verfiigen sollte, rufen buchstablich nach diesen Musterexemplaren. Genau! Es handelt sich urn die Stellenanzei gen, die sich besonders in der Wochenendausgabe ihre Superfrau beziehungs weise den Supermann angeln. Mit 1a -Leistungen sollen die Bewerber aufwar ten, am besten auch noch Schonheit und Esprit versprtihen, wobei die Kom bination Jugend undjahrzehntelange Berufserfahrung auch nicht zu verachten ist. Mein Augenmerk fiel damals auf eine Anzeige, die ebenfalls nicht mit extraordinaren Attributen geizte, die eine Top-Sekretarin auszeichnen (sol len). Heute, nach acht J ahren in diesem Job, wtirde ich das Inserat mit anderen Augen sehen und lesen: Fiihrendes Bankhaus sucht souveriine und routinierte Sekretiirinl Assistentin fiir eines seiner Vorstandsmitglieder • AufJergewohnlich hohe Selbstiindigkeit: Wenn der Chef zu spat kommt oder einen Termin verpaBl hat, immer die rechte Au rede parat haben. Sich fUr Fehlerentschuldigen, die man selbst nicht gemacht hat. • Belastbarkeit: Mit einem nie enden wollenden Lacheln auch in hektischen Situationen sich noch mehr Arbeit aufhalsen. Vnd vor allem: Nur nie dariiber meckem oder sich beklagen. Hat die 60-Stunden-Woche noch nicht gereicht, arbeitet man selbstverstandlich auch an Sam tagen. 10 Ortrud H., 44 Jahre • Einwandfreies Eng/isch undloder weirere Fremdsprache: Was i t der Vnter chied zwi chen Sekretarin und Chef? Die SekreUirin kann Engli ch. • Gewandtes Aufrreten und ein sri/voiles Erscheinungsbi/d: DemUtig dem reichen Privat-Investor aus Kuwait im 1: chador begegnen sowie Kaffee und Happchen in 5-Steme-Hotel-Manier mit sicherer Hand servieren. • Diskretion: Keine Ohren haben fUr Seilschaften oder mannliche Kavaliersdelikte. • Routine: Man beherr cht seinen Job wie im Schlaf und am be ten den des Chefs eben 0, dann fallt eine Desorgani ation nicht auf. • In SrrejJsiruarionen die Ruhe bewahren: Herrscht da Chao, behait zumindest die Sekretarin den Oberblick. • Gewiinschtes A/ter Ende 30 bis Anfang 40: Den Kinderwun ch in die Tat umzu etzen gestaltet sich jetzt schon chwieriger. Das Original besitze ich noch. Das Inserat ist zwar etwas verblichen, aber meine Erinnerung an jenen Vorgesetzten nicht. Aber dazu spater. Den Start in meine berufliche Laufbahn begann ich mit einer Ausbildung zur Bankkauffrau. Damals hieB dies iibrigens noch Bankkaufmann, egal ob Mannlein oder Weiblein. So andem sich die Zeiten! Wie dem auch sei, nach meiner Lehre arbeitete ich noch etwa zwei Jahre lang in einer Bankfiliale mittlerer GroBe als Sachbearbeiterin. Hier lemte ich, was es heiBt, eine Frau, eine berufstatige Frau zu sein. Ich war noch nie eine groBe Verfechterin der Frauen braucht die Bank 11 Emanzipation. Aber wenn man sieht und taglich erlebt, daB mannliche Kol legen, die den Ausdruck "Arbeitseinsatz" nur auf dem Papier kennen und auch in der Ausbildung keine Leuchten waren, bevorzugt behandelt werden, laBt es einem die Haare zu Berge stehen. Meine Grundeinstellung der Emanzipa tion gegenUber wurde grUndlich umgekrempelt: Ein Mann kommt eben be ruflich schneller weiter als eine Frau. Will ein Mann Karriere machen, ist das fUr alle in Ordnung, es ist sogar ein gesellschaftliches MuB. Hat eine Frau den gleichen Wunsch, kann da irgend etwas nicht stimmen, muB etwas in der Entwicklung schiefgelaufen sein. Schnell wird sie von allen zur karrieresUch tigen und machtbesessenen Emanze abgestempelt. Ich arbeitete gut und zuverlassig, selbstverstandlich blieb ich auch schon mal langer und war aufgeschlossen gegenUber neuen Aufgabengebieten. Mein Kollege mit der Qualifikation "mannlich" brauchte dies alles nicht zu tun, warum auch? Seine BefOrderung nach eineinhalb lahren zum Assistenten eines Abteilungsdirektors war sicherlich schon vor seiner Einstellung be schlossene Sache. Aber warum gerade er und nicht ich? Das fragte ich mich damals standig. Ob Frust oder Arger, jedenfalls suchte ich mir eine andere Stelle. Vielleicht gab es ja irgendwo ein Unternehmen, das die Fahigkeiten berufstatiger Frauen wenigstens annahemd zu schatzen wuBte. Meinem Vater gefiel mein EntschluB absolut nicht. "Eine so gute Stelle, wie kannst Du die nur aufgeben? Du verdienst doch gut. Und daB Manner eben besser fUr FUhrungspositionen geeignet sind, das ist doch bekannt." Dies erzlihlte mir ein Mann, der selbst nie Einsatz und Ehrgeiz in seiner Beamten zeit gezeigt hatte. Aber damit nicht genug: "Du heiratest doch sowieso", und seine Vorstellungen von meinem spateren Leben als treusorgendes Eheweib im trauten Heim mit zwei oder besser drei Kindem am Rockzipfel waren dann die Kronung seiner guten Ratschllige. "Ich mache schon meinen Weg, und von den Mannern lasse ich mich nicht unterjochen", mit diesen Worten lieB ich meinen Vater mit seiner total verstaubten Ansicht allein. Da gute Vorhaben auch so ihre Zeit brauchen, stand zunachst erst einmal Urlaub auf meinem Programm. Es waren zwar keine ReichtUmer, die sich von meinem Gehalt abzUglich Abgaben an meine Eltem angehauft hatten, doch den kleinen Traum von einer Reise quer durch Italien konnte ich mir gerade noch erfUllen. Zusammen mit einer Freundin buchte ich eine Rundreise durch Norditalien, Mailand inklusive. FUr mich war es der erste Besuch im nicht deutschsprachigen Ausland. Die Urlaubsreisen mit meinen Eltern hatten mich immer in den Schwarzwald gefUhrt, da war Osterreich schon die rtihmliche 12 Ortrud H., 44 Jahre Ausnahme und die weiteste Strecke, die ichje hinter mich gebracht hatte. Klar, daB ich kurz vor meiner "Weltreise" sehr aufgeregt war. Sogar meine Mutter wurde davon angesteckt. Sicher hatte sie auch gerne etwas von der Welt gesehen, doch mein Vater war ftir soIche "Albemheiten"einfaefinicRt zu haben. Die vier Wochen Italien waren ein Traum. Besonders gefiel mir das noble und exklusive Leben in Mailand, eine Stadt, die mich begeisterte und faszinierte, die meine bisherigen Urlaubsorte we it in den Schatten stellte. Die italienische Sprache hatte ich in Volkshochschulkursen gelernt, und ich kam ganz gut zurecht. In dieser Zeit reifte in mir der Plan, dort zu leben. Wie getraumt, so umgesetzt! Zu Anfang war es schwieriger, als ich es mir vorgestellt hatte. Es war kein Urlaub mehr; so auBergewohnlich die Stadt, so auBergewohnlich die Preise. Das Leben in Mailand ist ganz schon teuer, und das Geld zum Leben muBte erst einmal verdient sein. Ich jobbte mal hier und dort, bis ich auf einer Party einen jungen Mann kennenlernte, der mir von einer vakanten Position bei einem italienischen Automobilhersteller erzahlte. Eine Sekretarin fUr den Chef-Controller, Deutschkenntnisse erwtinscht, wurde gesucht. Keine Frage, das traf auf mich zu. "Sekretarin" war jedoch ein Wort, was mich an dieser Verlockung noch stOrte. Gerade Sekretarin wollte ich eigentlich nicht sein, das klang so nach tippen und Kaffee kochen. Aber die Hoffnung auf ein geregeltes Einkommen lieBen meine inneren Einwande yom Winde verwe hen. Mit der Einstellung: "Was Sekretarinnen so machen, kann ja nicht allzu schwierig sein!" bewarb ich mich. Mit Erfolg, aber nur, weil ich Deutsch sprach. Was mich dort erwartete, hatte ich mir in meinen ktihnsten Traumen nicht vorgestellt. Schon beim ersten Gesprach mit meinem Vorgesetzten wurde mir klar, das Sekretarinnen anscheinend doch mehr tun, als Briefe zu tippen und Telefonknopfchen zu betatigen. Das Bild, das ich von einer Sekretarin jahre lang in meinem Him abgespeichert hatte, muBte ich vollig neu strukturieren. Dieser Beruf besteht nicht nur aus schonen Kleidern, Schminke, Gepflegtsein und einem attraktiven Btiro. Er bietet eine breite Palette mit vielen Facetten und die Grundlage fUr vielfaltige berufliche Moglichkeiten. Urn dies zu erkennen, brauchte ich jedoch eine gewisse Zeit. Ganz zu Anfang habe ich Bekannten erzahlt, ich ware Sachbearbeiterin. Innerlich stand ich noch nicht ganz zu dem Beruf, des sen Titel nun auch auf mich zutraf. Eine Sache, die ich erst verarbeiten muBte. Heute jedoch, muB ich sagen, mochte ich keinen langweiligen Sachbearbeiterjob mehr haben. Nie wieder! Heute bin ich Se kretarin, und das mit Leib und Seele! Frauen braucht die Bank 13 Zu Beginn meiner Sekretarinnen-Karriere sah dies vollkommen anders aus: Die Leitung eines Sekretariats war flir mich so fremd wie bohmische Dorfer. Terminplanung, Terminkoordination? Davon hatte ich noch nie gehort. Eben so unbekannt war fiir mich die standige Telefonprozedur. Kaum war ich den einen Anrufer losgeworden, meldete sich der nachste. Ja, wenn sie aIle nur den Chef sprechen wollen, warum nicht? Uberaus freundlich vermittelte ich jedes eingehende Gesprach we iter an meinen Chef und verstand nicht, warum er am Ende eines Arbeitstages vollig genervt wirkte. Erst aufgrund seiner Fragen wie: "Was will denn der Hausbote schon wieder von mir?" lemte ich zu selektieren. Auch daB ich ihn zu den verkehrten Terminen schickte oder ihn zu einer falschen Uhrzeit ins Restaurant jagte, all das hatte nach einiger Zeit ein Ende. Ich glaube, viel langer hatte me in Chef dieses anstrengende "Joint-venture" auch nicht mehr ertragen, seine Schmerzgrenze schien er reicht. Mehr oder weniger rauften wir uns zusammen, und nach einem Jahr hatte ich alles viel besser im Griff und mich in der Sekretarinnenwelt gut eingelebt. Meine Arbeit und das Leben in Italien machten mir ungeheuer viel SpaB. Die Jahre vergingen, und irgendwann lemte ich nach dem Land und dem Beruf auch den Mann flirs Leben kennen. Einen Deutschen! Und das passierte mir, obwohl ich davon ausgegangen war, eine "Mischehe" einzugehen. Wir ver brachten miteinander eine schone Zeit in Mailand. Doch nach flinf Jahren stand fiir mich eine schwierige Entscheidung an: Mein Mann wurde von seiner Firma zuriick nach Deutschland beordert. Was nun? Wohl oder iibel ging ich mit. Der Abschied von Italien und dem siidlichen Flair fiel mir sehr schwer. Wieder in Deutschland, hatte ich noch nicht so den richtigen "Drive" zu arbeiten. Eine Zeitlang blieb ich zu Hause, doch dann stieB ich eben auf jene bereits zu Anfang erwahnte Anzeige. Vielleicht konnte ich dort die Erfahrun gen, die ich gesammelt hatte, gewinnbringend nutzen? Das Riistzeug flir diese Position brachte ich allemal mit. Mein erstes Vorstellungsgesprach mit dem Personalleiter endete mit der gangigen SchluBformel: "Sie horen von uns." Das war auch nach etwa einer Woche der Fall. Abends nach DienstschluB fand ein zweites Gesprach im Bankgebaude statt. Herr Johnson war mir als junges und dynamisches Vorstandsmitglied beschrieben worden, der die luxembur gische Vertretung wieder in Schwung gebracht hatte. Wir verstanden uns auf Anhieb, ich war von seiner Erscheinung und Ausstrahlung begeistert. Er gestand mir, daB er viel Arbeitseinsatz erwarte, und fragte, ob ich bereit ware, "diesen Wiinschen jederzeit nachzukommen". Verstandlich, daB ich nicht

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