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Die Hauptprobleme der Platonischen Philosophie: Heidelberger Vorlesungen 1969 PDF

99 Pages·1973·2.209 MB·German
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DIE HAUPTPROBLEME DER PLA TONISCHEN PHILOSOPHIE DIE HAUPTPROBLEME DER PLATONISCHEN PHILOSOPHIE HEIDELBERGER VORLESUNGEN 1969 von JOHANNESTHEODORAKOPOULOS Professor der Philosophie an der Universitat Athen • MARTINUS NIJHOFF I THE HAGUE I 1972 © I972 by Martinus Nijhoff, The Hague, Netherlands All rights reserved, including the right to translate or to reproduce this book or parts thereof in any form ISBN-13: 978-90-247-1314-1 e-ISBN-13: 978-94-010-2384-9 DOl: 10.1007/978-94-010-2384-9 INHALTSVERZEICHNIS Vorwort VII I. Die Vorsokratiker I II. Die Sophisten 5 III. Sokrates 9 IV. Plato n I3 V. Eros und Piideia I6 VI. Die Ideenlehre 27 VII. Das Nachdenken tiber den Tod 62 VIII. Der platonische Mythos 75 Dialoge und Dialogstellen 89 Griechische Warter und Begriffe 90 Begriffsindex 92 Bibliographische Hinweise 94 VORWORTI Ich empfinde es als eine besondere Ehre, an der Universitat Heidelberg Vorlesungen halten zu diirfen. Zugleich ist es aber fiir mich eine be sondere Freude, von der ehrwiirdigen Alma Mater, an der ich studiert habe und mein Doktorat gemacht habe, als Gastprofessor eingeladen zu sein. Ich muss aber gestehen, dass dies Gefiihl der Freude von einem merkwiirdigen Wunsch beeintrachtigt wird, den ich nicht ver jagen kann: ich wiirde es namlich vorziehen, hier wieder einmal als Student zu sein. Aber diese schone Zeit ist einmalig und kehrt nicht wieder zuriick. Das Thema meiner Doktorarbeit war Platons Dialektik des Seins. Sie ist erschienen in den Heidelberger Abhandlungen tur Philosophie und ihre Geschichte, herausgegeben von Heinrich Rickert und Ernst Hoffmann, im Jahre 1927. Ein Jahr darauf kam eine andere Arbeit hier in Deutschland iiber Plotins M etaphysik des Seins von mir heraus. Es ist also begreiflich, wenn ich jetzt zu der Alma Mater zuriickge kehrt iiber die Grundprobleme der Philosophie Platons zu Ihnen sprechen mochte. Man kann aber iiber Platon nicht sprechen, wenn man nicht iiber die Vorsokratiker, iiber die Sophisten und iiber Sokrates einiges wenigstens vorausschickt. Denn Platon hat wie kein anderer den vorherigen Gang der griechischen Philosophie vollkommen absorbiert und sich standig mit den Gedanken seiner Vorganger auseinandergesetzt. 1 Vierzehn Vorlesungen, gehalten an der Universitat Heidelberg im Sommersemester 1969. I DIE VORSOKRATIKER Das grossartige Geschlecht der Vorsokratiker hat Platon, wie es aus seinen Dialogen hervorgeht, hoch geehrt, weil dies Geschlecht das System der Begriffe der griechischen Philosophie eigentlich geschaffen hat. Diese Begriffe, wie z.B. der ehrwurdige Begriff des Seins, der Begriff des Werdens, der Begriff des Unendlichen, der Begriff der Zahl, der Begriff des Logos, der Begriff des Atoms, erscheinen uns als grossartige Monolithen, als Saulen, welche den Tempel der griechi schen Philosophie zusammenhalten und sein Dach seit J ahrtausenden tragen. Urn in dies en Tempel hineintreten zu konnen und zu durfen, mussen wir im voraus wissen, dass seine Baumeister, die archaischen Philosophen von dem Glauben beherrscht waren, dass ihr Geschlecht von den Gottern stamme. Und es gab wirklich eine Analogie zwischen dies en archaischen Philosophen und den Gottern, denn wie die Gotter aut ark und vollkommene Wesen in sich selbst waren, so waren auch die archaischen Philosophen selbst machtige und selbst wachsende Manner, welche ein fur aIle Mal Griechenland vom Orient und vom Mythos lostrennten. Ihre grosse Leistung bestand darin, dass sie die Personlichkeit mit ihrer Selbsterkenntnis und Unabhangigkeit dahin auf erhoben, wo fruher der Mythos die Gotter erhoben hatte. Diese einsamen Manner sind nicht nur auf den Olymp des Gedankens hinaufgestiegen, sondern sie haben zugleich den Grund der Praxis gelegt, d.h. sie haben mit ihrem Dasein und ihrem Verhalten den politischen Sinn des Lebens selbstbewusst eingraviert und unterzeich net. Die archaischen Philosophen sind die erst en Manner in der Ge schichte des Geistes, welche die selbsterrungene Erkenntnis und die selbstvoIlzogene Praxis dem Despotismus des Orients entgegenstellten. Die ewige Wahrheit einerseits und der von ihr beherrschte politische Wille andererseits sind nach der Uberzeugung der Vorsokratiker die Grundsteine der menschlichen politischen Gemeinschaft. Es ist be- 2 DIE VORSOKRATIKER sonders zu betonen, dass es nicht der von sich eingenommene Sub jektivismus ist, welcher hier dem Despotismus des Orients gegenuber sein Haupt erhebt, sondern die selbstbewusste Personlichkeit, welche das griechische Mass in sich hat und neben sich die Dike, welche die Ungerechtigkeit bestraft. Und es ist dieselbe Strafgottin mit ihren Erinnyen, welche nach Heraklit selbst die Sonne bestrafen wurde, wenn diese jemals ihre Grenzen uberschreiten sollte. Der theoretische, moralische und politische Subjektivismus, wie er spater durch die Sophisten zum ersten Mal im Leben der Griechen erscheint, ist den archaischen Philosophen vollkommen unbekannt. Weder der Des potismus noch der Subjektivismus, sondern der ewige Logos, welcher jetzt zum ersten Mal ans Licht kommt, bildet die Mitte der Welt. Und der Beistand des Logos ist die Dike. Der Logos aber existiert sowohl als objektives, immanentes Gesetz der Welt als auch als Mass der Seele, welche nach Heraklit keine Grenzen hat. Die Seele ist fUr den archaischen Philosophen die Gebar mutter des Logos, ahnlich wie die Physis, die Natura, nichts anderes ist als die gebarende, ewige Urkraft, die fortwahrend erzeugende und nie sich erschOpfende Urkraft. Die Zeugung mit ihrem geheimnisvollen Charakter ist das Symbol, worn it die Vorsokratiker das Werden der Welt und die Entstehung alles Seienden darstellen. Und es ist nicht zufallig, dass auch fUr Platon spater die Schwangerschaft, die Ge burtswehen, die Geburtshilfe und die Frucht Symbole werden fur die Darstellung des Prozesses des Denkens, wodurch die Erkenntnis zustande kommt. Die Welt war fur die alten Griechen voll Leben und beseelt. Natur und Mensch standen zueinander nicht als fremde Grossen, wie es heute meistens ist, sondern waren sich dem Wesen nach ebenburtig. Des wegen konnten die Alten von dem Menschen ausgehend die N atur entdecken und umgekehrt. Den Weg zu dieser Erkenntnis haben die Vorsokratiker selbst gebahnt. Es ist lehrreich zu verfolgen, wie sie dazu gelangten. Ohne die innere Selbstbefreiung, die vollige Emanzi pation ihres Geistes yom Mythos, waren sie niemals dazu gekommen, sich den Weg zur Natur zu ebnen. Das erste, erschutternde Ereignis und Erlebnis in dieser Selbstentdeckung des Geistes war der Vollzug der unendlichen Tiefe und Weite der Seele. Das war das grosse Erlebnis Heraklits, dessen Ausdruck wir in dem Fragment finden, welches wir schon fruher erwahnten: "Die Grenzen der Seele vermagst Du nicht auszufinden, welcher auch immer der Weg sein mag, den Du ein schlagst. So tief ist ihr Logos." Und sein Gesetz ist, dass "er sich immer DIE VORSOKRATIKER 3 von selbst vermehrt." Und hierin liegt eben der entscheidende Punkt, the crucial point, wie die Englander sagen. Ihre eigene Tiefe, welche die Seele jetzt entdeckt, behalt sie nicht ftir sich selbst allein, sondern tibertragt sie in die Physis. Zugleich aber ereignet sich noch etwas anderes, was von hachster Bedeutung ist. Aus dieser selbsterfahrenen und selbstentdeckten Tiefe der Seele heraus vertieft namlich die archaische Philosophie auch die alte Religion, indem sie sie von der Anschauung, woran das Epos sie festgebunden hat, los rei sst und sie, namlich die Religion, d.h. die Gatter, zusammenschmilzt zu einem Gedanken oder zu einem Begriff, welcher den Na men des Zeus sowohl annimmt wie auch ablehnt (Reraklit, Goethe). In dem Moment be ginnt der Antagonismus zwischen der Sprache und dem transzendenten Sinn der Welt oder auch Gott, welcher durch die Geschichte der Philosophie bis heute geht. Indem sich aber die Seele tiber ihre Tiefe und ihren eigenen Logos vergewissert, verlasst sie zugleich den beschrankten Horizont der Sinne (die nicht als Zeugen ftir die Erkenntnis herangezogen werden) und bahnt sich den Weg freien Denkens und erfasst grosse Ideen, d.h. Prinzipien, womit sie die Welt zu erklaren versucht und womit sie ihre Freiheit feiert. Aus diesem Selbstbewusstsein heraus erwachte in ihr auch das Geftihl ftir die Natur, welche Natur nun sich offenbart als ein unendlicher sich erneuernder Kreis des Lebens. Der Geist ist jetzt nicht mehr unreflektiert mit der Sinnlichkeit verbunden, sondern objektiviert die Sinnlichkeit als ein Gebiet seiner Tatigkeit. Die Natur erscheint nun als etwas Unpersanliches dem Geiste gegentiber, welcher sich selbstbewusst als Person und Ich erfasst. Darin sind die Vorso kratiker mit den erst en griechischen Lyrikern verwandt, welche sich auch von der Welt des Mythos, aber auf eine andere Weise, befreien. Beide, Lyriker und archaische Philosophen sind besessen von dem Pathos der Freiheit und der Wahrheit. Der Unterschied ist nur, dass die Lyriker die Wahrheit tiber das persanliche Schicksal zum Ausdruck bringen, wahrend die Philosophen sich urn die Wahrheit des Seins bemtihen. Diese Wahrheit des Seins aber ist nichts anderes als die Einheit des Seins, die Einheit des Ursprungs, worin das Denken aIle Dinge rticksichtslos einreiht. Die einzelnen Dinge, die bis jetzt neb en einander und auseinander ohne Zusammenhang standen, werden jetzt aus einem Ursprung, einem Prinzip heraus zueinander in einen onto logischen Zusammenhang gebracht, der zugleich ein logischer Zusam menhang ist und seinen Sitz im Geiste des Menschen hat. Wir heutige Menschen - logisch geschult und durch die Tradition verwahnt - 4 DIE VORSOKRATIKER konnen kaum in uns nachfiihlen, nacherleben, wie viele intelektuelle Anschauung, wie Schelling sagen wiirde, und was fiir eine radikale logische Abstraktion notwendig waren, damit der Geist sich von der Mannigfaltigkeit der Phanomene der Sinnlichkeit loslOsen konnte. Die archaische Philosophie der Griechen hat eben dies en Sprung als erste gemacht und erfasste das Eine, welches zugleich alles war (~v xoct 7tiiv). Das war ein gigantischer Sprung zur Befreiung des Geistes. Sie vereinigte damit die Welt mit ihrem Ursprung, oder, mit anderen Worten, sie sah zuerst die Welt von ihrer unsichtbaren Seite. Daher stammt das starke Lebensgefiihl der Vorsokratiker, das Nietzsche so sehr schatzt und lobt. In der Tat erreichte der Geist nirgends und niemals sonst in der Geschichte solche Gesundheit und Frische wie bei den archaischen Philosophen. Nur die archaischen Kiinstler konnten in Marmor diese Gesundheit und Frische und zugleich jenes wunderbare Staunen iiber die Selbstentdeckung und die Selbster kenntnis des Geistes zum Ausdruck bringen - in jenen Statuen, die im Nationalmuseum in Athen stehen. Platon wird spater aus der Hohe seiner Dialektik dieses titanische Ringen der Vorsokratiker als eine "YLyocv't"0fLOCX(OC 7tept 't"~~ oucr(oc~," als eine Gigantomachie iiber das Sein bezeichnen. II DIE SOPHISTEN Die Geschichte des Geistes aber kennt keine Statik, denn sie ist ihrem Wesen nach tragisch und das heisst zugleich, so paradox das klingen mag, dynamisch. Diesen wunderbaren Tempel der archaischen Philo sophie wagt nun die nachste Generation, die Generation der Sophistik, riicksichtslos herunterzureissen und herunterzustiirzen, und dazu be nutzt sie sogar Waffen, welche sie von dem Geschlecht der Baumeister selbst herholt. Es ist, als ob ein neues Pathos den griechischen Geist beherrscht, das Pathos, das niederzuwerfen und aufzulOsen, was die grossen Kosmologen mit so viel Miihe errichtet hatten, als ob das alles schon veraltet ware. Dabei bleibt die Sophistik jedoch nicht stehen, sondern bestreitet von Grund auf den Staat, die Moral, die Religion und iiberhaupt aIle Satzungen des antiken Lebens. Nach dem Logos der Vorsokratiker bricht jetzt der Antilogos der Sophistik herein. Es ist der negative Logos, der jetzt zum Erscheinen kommt und welcher von nun an der unaufhor1iche Begleiter des positiven Logos sein wird. Dasselbe Yolk, welches die Logik begriindet hat, zieht jetzt die Anti-Logik auf. In der Tat stammt aber auch die Anti-Logik von derselben Wurzel, wovon die Logik kam: d.h. von der den Griechen eingeborenen Tendenz, die Welt und das Leben durch den Logos zu beherrschen, und von dem Genuss, den ihnen das Funkeln ihres Geistes bereitet, und wenn dieses Funkeln ein blosses Spiel ist. Denselben Hang zum logischen Spiel finden wir auch in den Dialogen der Tragodie und in den Demegorien bei Thukydides. Die Tatsache ist, dass der Logos, nachdem er bei den Vorsokratikern grossartige Monumente seines objektiven Lebens errichtet hat, sich jetzt mit der Sophistik seinen Weg zum SUbjektivismus bahnt. Der griechische Geist geht durch eine tiefe Krise hindurch, und fiir einige Zeit gerat sein Glaube an den objektiven Logos ins Wanken. Aber die Wendung zur Subjektivitat war eine geschichtliche Not-

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