ENZYKLOPÄDIE DER RECHTS· UND STAATSWISSENSCHAFT BEGRUNDET VON F. VON LISZT UND W. KASKEL HERAUSGEGEBEN VON W. KUNKEL. H. PETERS . E. PREISER ABTEILUNG STAATSWISSENSCHAFT DIE GRUNDLAGEN DER NATIONALÖKONOMIE VON WALTER EUCKEN t ACHTE AUFLAGE SPRINGER-VERLAG BERLIN . HEIDELBERG . NEW YORK 1965 DIE GRUNDLAGEN •• DER NATIONALOKONOMIE VON WALTER EUCKEN t ACHTE AUFLAGE SPRINGER-VERLAG BERLIN' HEIDELBERG . NEW YORK 1965 ISBN 978-3-662-00201-8 ISBN 978-3-662-00200-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-00200-1 Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus aufphotomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) oder auf andere Art zu vervielfältigen Copyright 1950 by Springer-Verlag OHG, Berlin . Göttingen . Heidelberg © by Springer-Verlag OHG, Berlin . Göttingen . Heidelberg 1959 © by Springer-Verlag, Berlin . Heidelberg 1965 Softcover reprint of the hardcover 8th edition 1965 Library of Congress Catalog Card Number 65-17594 29.-32. Tausend Titel-Nr_ 4425 MEINEM NEFFEN HANS JOACHIM EUCKEN GEFALLEN AM 12.SEPT.1942 IN MEMORIAM Vorwort des Herausgebers. Mit der sechsten Auflage dieses Buches hat die Staatswissenschaft liche Abteilung der Enzyklopädie im Jahre 1950 ihre neue Reihe eröffnet. Eine stattliche Zahl von Bänden ist inzwischen erschienen, über die Bevölkerung, den modernen Staat, die Technik der Gegenwart, über die deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, über Finanzpolitik und, bereits in mehrfacher Auflage, über die Grundlagen der Betriebswirt schaftslehre. Andere Bände sind in Vorbereitung. Mit dem Aufkommen neuer Gebiete und Methoden hat sich auch der Gesamtplan der Reihe erweitert; so steht ein Band über Entscheidungsmodelle unmittelbar vor dem Abschluß. Wenn trotz der stürmischen Entwicklung unserer Wissenschaft W ALTER EUCKENS "Grundlagen" nunmehr unverändert in der siebten Auflage erscheinen, so bedarf es auch heute keiner anderen Begründung als der, die ich der sechsten Auflage vorangeschickt habe: "Man mag zu soziologischen Fragestellungen oder zur Idee des Wirtschaftstils weniger ablehnend, man mag Keynesschen Gedanken gängen näher stehen als EUCKEN: seine entschiedene Ablehnung des Begriffsrealismus wie des Historismus hat die Wissenschaft befreit, die Betonung des Ordnungsgedankens hat sie befruchtet, und die Leistungen der Theorie sowohl für die Erkenntnis der historischen Wirklichkeit wie für die Gestaltung des sozialen Lebens haben nirgends eine bessere Formulierung gefunden als in diesem klassischen Werk, das sich nicht nur an den Nationalökonomen wendet, sondern auch an den Juristen und den Historiker, und das zugleich wie kein anderes dem Anfänger einen Weg durch die Wirrnis der sozialen Welt zeigt." ERICH PREISER. Vorwort zur ersten Auflage. Dieses Buch ist kein methodologisches Buch. Die wirtschaftliche Wirklichkeit ist sein Gegenstand. Emporwuchern methodologischer Reflexionen ist ein Krankheitszeichen für jede Wissenschaft; aber durch Methodologie allein ist noch nie eine kranke Wissenschaft ge heilt worden. Die Lebenswichtigkeit der Fragen, die an die Nationalökonomie gerichtet werden, steht in entschiedenem Gegensatz zur inneren Un sicherheit, Lebensferne und Zersplitterung, die - trotz vieler großer Leistungen Einzelner - weithin in ihr herrschen. Deshalb ist es nötig, sich erneut auf die sachlichen Probleme zu besinnen, die sie zu lösen hat. In die wirtschaftliche Wirklichkeit einzudringen, um sie wissen schaftlich zu erfassen, ist die Aufgabe des Buches. November 1939. Aus dem Vorwort zur zweiten Auflage. Im Anschluß an die erste Auflage dieses Buches hat sich eine wissen schaftliche Diskussion entwickelt, in der die Hauptgedanken vielfach großes Verständnis gefunden haben und in der die Behandlung der auf geworfenen Probleme von verschiedenen Seiten gefördert wurde. Aber ich gewann im Verlauf der Diskussion den Eindruck, daß einige wichtige Gedanken in der zweiten Auflage deutlicher herausgearbeitet werden sollten, als es in der ersten Auflage geschehen ist .... Im Laufe des Gedankengangs stellt es sich heraus, daß eine Wendung der wissenschaftlichen Arbeit von den Lehransichten zu den Sachen, von den Büchern zur wirklichen Wirtschaft, vom Schreibtisch in die Betriebe und Haushaltungen notwendig ist. Was hiermit gemeint ist, wurde von den meisten, aber nicht von allen richtig verstanden. Manche glaubten, darin Geringschätzung und Beiseiteschieben auch der großen Leistungen wissenschaftlich-nationalökonomischer Tradition zu sehen. Um welche Haltung es sich tatsächlich handelt, habe ich im Verlaufe einer wissenschaftlichen Aussprache in größerem Kreise einmal näher bezeichnet, und ich möchte diese Worte hier wiederholen. "Wir müssen die Bücher beiseitelegen und die Wirklichkeit sehen, wir müssen uns von den Autoritäten zu den Sachen wenden. Das heißt nicht, daß wir uns so hinstellen sollen wie die Steinzeitmenschen, die nichts von Wissenschaft wußten. Natürlich müssen wir die überkommene Wissen schaft kennen und sie verwenden. Und doch ist es nötig, sich erneut und entschieden der Realität zuzuwenden. Vielleicht darf ich Ihnen x Aus dem Vorwort zur zweiten Auflage. das, worum es sich handelt, an anderen Wissenschaften darstellen - auch auf die Gefahr hin, mißverstanden zu werden. GALILEI war ein Mann, der sowohl die antike wie die mittelalterliche Wissenschaft gut kannte. Vor allem bewunderte er ARCHIMEDES. Aber in voller Kenntnis solcher älterer Leistungen sagte er: Wir wollen einmal davon absehen, wir wollen einfach das Fallen des Steines untersuchen oder die Frage: Warum gibt es Ebbe und Flut 1 Also ausgehen von alltäglichen Beobachtungen, einfachen Tatsachen; weg mit den Büchern. Das hieß nicht: Verachtung der früheren Wissenschaft, die er ja voll in sich aufgenommen hatte und die auch seine Fragestellungen be einflußte. Es hieß vielmehr: Energische Wendung zu den Fakten, ihre neue Untersuchung von Grund aus, nicht Weiterspinnen bisheriger Gedanken. Wenn Sie den bewundernswerten Briefwechsel zwischen KEPLER und GALILEI lesen, so finden sie dies als Hauptmotiv, das immer wiederkehrt: Führen wir die alte Wissenschaft weiter, etwa den ARISTOTELES, so bleiben wir stecken. Also zu den Tatsachen! - Ich bitte, mich nicht dahin mißzuverstehen, daß ich irgendeinen von uns mit einem so großen Manne wie GALILEI vergleichen möchte. Das liegt mir ganz fern. Nicht auf die Person kommt es an, sondern es handelt sich allein um die Bezeichnung der Situation der Wissenschaft und der Aufgabe, die wir haben. Den Punkt wollen wir bestimmen, an dem wir uns befinden, und die Art kennzeichnen, in der wir an die Dinge herangehen müssen." .... "Die Wissenschaft ist stets beides zugleich: sie ist revolutionär und traditionell. Revolutionär - insofern sie radikal fragt und fragen muß; traditionell - weil sie nicht Fragestellungen und Problem lösungen von Männern über Bord werfen darf, die sehr Gewichtiges zu sagen hatten. - In der jetzigen Lage der Wirtschaftswissenschaft und angesichts der Tatsache, daß sie vor der großen Antinomie gescheitert ist, müssen wir besonders radikal fragen, die Tatbestände neu analy sieren und dürfen nicht einfach das Gegebene weiterführen. Das· ist nicht Pietätlosigkeit. Es ist eine Forderung, die in der heutigen Lage der Wissenschaft erhoben werden muß. Ich habe sehr bedauert, daß die Haltung, die ich einzunehmen bemüht war, mißverstanden wurde. Sie ist mit der Haltung von Persönlichkeiten verwechselt worden, die weder die Tatsachen kennen noch die wissenschaftlichen Leistungen der Vergangenheit und die freischwebende Systeme von Worten kon struieren. Sie verfallen der alten, verhängnisvollen Begriffsspekulation und meinen noch dazu, radikale Neuerer zu sein. Hiervon müssen wir uns aufs entschiedenste distanzieren." Gerade in der Auseinandersetzung mit den konkreten Sachpro blemen erfahren wir, welche älteren Problemstellungen, Verfahren und Problemlösungen wertvoll und unentbehrlich sind, welche uns fördern und welche als unbrauchbar und wertlos fallen gelassen werden müssen. Das Buch bringt hierfür viele Beispiele. So ist es nur scheinbar paradox, wenn wir sagen, daß wir schließlich um so näheren Kontakt mit dem wahrhaft Großen und Fruchtbaren der geistigen Tradition gewinnen Aus dem Vorwort zur dritten Auflage. XI und um so sicherer Entbehrliches und Schädliches ausmustern, je radikaler wir in die Tatsachen eindringen und auf einfache Weiter. führung vorhandener Lehransichten zunächst verzichten. Indem wir so vorgehen - und es wird sich zeigen, daß wir so vorgehen müssen - wollen wir nicht eine neue Richtung oder eine neue Sekte begründen, sondern wir wollen der einen Wissenschaft dienen. September 1941. Aus dem Vorwort zur dritten Auflage. über die Haltung zur nationalökonomischen Tradition habe ich im Vorwort zur zweiten Auflage einige Bemerkungen gemacht. Es besteht Veranlassung, zu dieser Frage nochmals einleitend das Wort zu nehmen. Niemandem, der beginnt, sich mit nationalökonomischen Fragen zu beschäftigen, ist es leicht gemacht, sich in der Nationalökonomie zurechtzufinden. In großer Mannigfaltigkeit treten ihm verschiedene Lehren entgegen. Er liest etwa SMITH und LIST und SOMBART und KEYNES und weitere Ältere und Neuere und stellt fest, daß sie sehr Verschiedenes sagen. Dazu stößt er überall auf Schriften von Inter· essenten und Dilettanten, die er zunächst nicht von wissenschaftlichen Leistungen unterscheiden kann. Er ist außerstande, das Bedeutende zu erkennen, er hält Unterschiede in der Formulierung für Gegensätze in der Sache und vermag nicht Wertvolles von Wertlosem zu trennen. Als Ergebnis der Lektüre haftet meist im Kopf ein angelerntes Neben· einander verschiedener Lehrmeinungen, das mit der wirklichen Wirt· schaft kaum in Verbindung steht. Auch der nationalökonomische }'achmann begnügt sich nicht selten mit einer eklektischen Sammlung von Lehransichten. Außerdem gibt es Schriftsteller, die alle oder fast alle früheren Leistungen ablehnen und glauben, allein den Stein der Weisen zu besitzen. - So oder so besteht kein sicheres Verhältnis zur Tradition, und die große, in der Vergangenheit geleistete Denkarbeit wird für die Lösung der Probleme wirtschaftlicher Wirklichkeit zu wenig oder gar nicht fruchtbar gemacht. Wie kann hierin Wandel geschaffen werden 1 Wie kann - allgemein und nicht nur vereinzelt - zu den großen Leistungen ein lebendiges Verhältnis entstehen 1 - Nicht dadurch, so lautet die Antwort dieses Buches, daß wir die eine oder andere Richtung einfach weiterführen, nicht also durch Hinwendung zu einer Autorität oder zu mehreren Autoritäten, sondern durch entschiedene Wendung zur Sache, zur wirklichen Wirtschaft selbst. Das ist scheinbar eine widersinnige Antwort. Wie 1 Sollen wir mit den Großen der Nationalökonomie dadurch in Verbindung treten, daß wir uns von ihnen abwenden 1 Kehren wir ihnen dann nicht den Rücken 1 Versperren wir uns so nicht den Weg, der zu ihnen führt 1 - Nein. Im Gegenteil. In der Arbeit XII Aus dem Vorwort zur dritten Auflage. am Objekt, an den Problemen der wirklichen Wirtschaft selbst fragt man die Denker der Vergangenheit, und in der gemeinsamen An strengung um die Lösung der Sachprobleme kommt man ihnen wirk lich nahe. So versteht man die Probleme, die sie beschäftigten, die Methoden, die sie entwickelten, und die Tragweite ihrer Lösungen. Nun erkennt man ohne weiteres den Abstand, den echte wissenschaftlich nationalökonomische Forschung vom pseudophilosophischen Gerede der Ideologen, von freischwebenden Methodologien und von den Ansichten der Interessenten trennt. So gelingt es auch, Unterschiede der For mulierung von Gegensätzen in der wissenschaftlichen Auffassung zu unterscheiden und wahrzunehmen, daß z. B. die moderne national ökonomische Theorie sehr viel einheitlicher ist, als der Außenstehende oft vermutet. Angesichts der heutigen Lage der Nationalökonomie muß die Problemstellung so radikal sein, wie dies im Rahmen einer Fach wissenschaft nur möglich ist. Aber indem wir uns von der Tradition zur Sache wenden, wird gerade das unmittelbare und tiefere Verständnis der echten geistigen Tradition eingeleitet werden: Denn die Sachanalyse führt zu einer Überwindung des überkommenen Nebeneinanders von historischer und theoretischer Nationalökonomie, und es vollzieht sich eine Zusammenleitung dieser beiden Ströme geistiger Arbeit, die da durch ihre Wirksamkeit steigern. Kürzlich ist meine Haltung zur Nationalökonomie mit der Haltung SPENGLERS verglichen worden. Wie SPENGLER von der bisherigen Nationalökonomie meinte, sie habe überall, wo ihre Wahrheiten mit den Tatsachen zusammengetroffen wären, versagt, so wolle auch ich die bisherigen nationalökonomischen Erkenntnisse beiseite schieben, weil sie der wirtschaftlichen Wirklichkeit nicht gerecht würden. Beide -- SPENGLER und ich - lehnten die vorhandene Nationalökonomie im ganzen ab. - Welch' ein Mißverständnis, und dazu ein leicht ver meidbares Mißverständnis. Dieses Buch ist - ich wiederhole es - eine EinhtHt. Wer nur einzelne Seiten liest, kann nicht einmal diese Seiten verstehen, die in einen Gesamtzusammenhang hinein gehören. Wer den kritischen Teil herausgreift, der sich von den Lehransichten weg zu den Sachen hin wendet und wer die Teile nicht kennt, in denen die Sachanalyse erfolgt und wo sich in der Arbeit selbst der Kontakt mit Meistern der Nationalökonomie einstellt, versteht die Haltung, die hier zur geistigen Tradition und zur Kontinuität wissenschaftlicher Arbeit eingenommen wird, nicht. Auch hier gilt: Je ne sais pas l'art d'etre clair pour qui ne veut pas etre attentif. - Auf jeden Fall sollten sich diejenigen, die ohne Kenntnis der nationalökonomischen Denk arbeit und ihrer Größe rasch den Stab über alle Leistungen der Ver gangenheit brechen, nicht auf mich berufen. Vielmehr hoffe ich, daß Allen, die das Buch richtig und ganz lesen und die ernsthaft bemüht sind, wissenschaftlich in die wirkliche Wirtschaft einzudringen, zugleich der Zugang zu den fruchtbaren und Respekt verlangenden Werken der Nationalökonomie erleichtert wird. Dezember 1942.