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Die Grundgesetzreform nach der deutschen Einheit: Akteure, politischer Prozeß und Ergebnisse PDF

193 Pages·1996·3.66 MB·German
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Helge-Lothar Batt Die Grundgesetzreform nach der deutschen Einheit Analysen Politik - Gesellschaft - Wirtschaft Eine Buchreihe herausgegeben von Göttrik Wewer Band 56 Helge-Lothar Batt Die Grundgesetzreform nach der deutschen Einheit Akteure, politischer Prozeß und Ergebnisse Leske + Budrich, Opladen 1996 ISBN 978-3-8100-1436-8 ISBN 978-3-322-93700-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-93700-1 © 1996 Leske + Budrich, Opladen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfaltigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Leske + Budrich Inhalt I. Einleitung ............................................................... . 7 11. Das Problem: Die Verfassungsdiskussion im vereinigten Deutschland ............................................................. 9 2.1 Was können und sollen Verfassungen leisten? ........ 9 2.2 Die Herausforderungen für eine Reform des Grundgesetzes ............ .......................... .................... 16 2.2.1 Die Deutsche Einheit und die Regelungen des Einigungsvertrages ................................................... 16 2.2.2 Der Föderalismus ..................................................... 26 2.2.3 Die Europäische Integration ..................................... 35 2.3 Die Vorgeschichte der Gemeinsamen Verfassungskommission ........................................... 43 111. Der Prozeß: Die institutionelle Struktur und das Verfahren der Verfassungsreform ........................ 53 3.1 Die Zusammensetzung der Gemeinsamen Verfassungskommission ........................................... 53 3.2 Die Positionen der Akteure in der Verfassungskommission ........................................... 55 3.3 Das Abstimmungsverfahren in der Gemeinsamen Verfassungskommission ........................................... 67 3.4 Die Arbeitsweise der Gemeinsamen Verfassungskommission ............. ..... ...... ................... 71 3.5 Die Beschlußfassung über die Empfehlungen der Verfassungskommission in Bundestag und Bundesrat .................................................................. 80 IV. Die Ergebnisse: Die inhaltlichen Merkmale der Verfassungsreform ................................................. 97 4.1 Der "Europa-Artikel" - Art. 23 GG n.F. .................. 97 4.2 Gesetzgebung im Bundesstaat .......................... ........ 109 4.3 Das Staatsziel Umweltschutz .................................... 120 4.4 Die sozialen Staatsziele ............................................ 124 4.5 Das Parlamentsrecht ................................................. 130 5 4.6 Der Minderheitenschutz ........................................... 135 4.7 Die Einführung direktdemokratischer Elemente in das Grundgesetz .............................................................. 138 V. Die strukturelle Anatomie der Verfassungsreform: Eine Bilanz ....................................................................... 143 5.1 Die Stellung der Gemeinsamen Verfassungskommission im Institutionengefüge des politischen Systems der Bundesrepublik ........................................................ 143 5.2 Erfolg oder Scheitern der Verfassungsreform nach der Einheit Deutschlands? ........................................ 157 Materialien 1 ...................................................................... 171 Die "Eckpunkte" der Bundesländer für den Föderalismus im vereinten Deutschland. Beschluß vom 5. Juli 1990 ............ 171 Eckpunkte der Länder für die bundesstaatlaiche Ordnung im vereinten Deutschland .............. .................... .................... ... 172 Materialien 2 ...................................................................... 176 Gemeinsame Verfassungskommission - Einsetzungsbeschluß - ......... ................. ........................... 176 Materialien 3 ...................................................................... 178 Die Mitglieder der Gemeinsamen Verfassungskommission 178 Materialien 4 ............... ....................................................... 185 Empfehlungen der Gemeinsamen Verfassungskommission 185 Literaturverzeichnis .......................................................... 189 6 I. Einleitung Das Thema dieses Buches ist die Verfassungsreform in der Bun desrepublik nach der Vereinigung. Das Jahr 1989 markiert für das Grundgesetz in zweifacher Hinsicht einen deutlichen Einschnitt: Zum einen wurde in einer Vielzahl von Gedenkveranstaltungen zum vierzigjährigen Jubiläum des Grundgesetzes dessen Lei stungsfähigkeit gerühmt, zum anderen begann mit dem Fall der Mauer und dem absehbaren Ende der deutschen Teilung auch eine Diskussion über die Eignung des bestehenden Grundgesetzes als Verfassung des geeinten Deutschland und damit über die Frage, ob und wie das "bewährte" Grundgesetz geändert werden sollte oder müßte. Für die Vollendung der Einheit stellte das Grundgesetz in sei ner damaligen Form zwei Wege zur Verfügung: Nach Art. 146 GG a.F. konnte eine neue Verfassung erarbeitet werden, die mit ihrer Verabschiedung das Grundgesetz abgelöst hätte, oder die damalige DDR konnte nach Art. 23 GG a.F. ihren Beitritt zum Grundgesetz erklären, mit der Folge, daß dann das Grundgesetz als Verfassung des vereinten Deutschland gegolten hätte. Im Zu sammenhang mit der Entscheidung für den Weg des Beitritts der neuen Länder zur Bundesrepublik wurde in den Einigungsvertrag die Empfehlung aufgenommen, wonach sich die gesetzgebenden Körperschaften des vereinten Deutschland in der Folgezeit mit ei ner Reihe von Verfassungsfragen beschäftigen sollten. Auf der Grundlage dieser Empfehlungen setzten Bundestag und Bundesrat im November 1991 die Gemeinsame Verfassungskommission (GVK) ein, die im Herbst 1993 ihre Empfehlungen zu einer Reihe von Verfassungsänderungen vorlegte. Das anschließende Gesetz gebungsverfahren wurde im September 1994 abgeschlossen; die von Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittelmehrheiten ange nommenen Grundgesetzänderungen traten am 15. November 1994 in Kraft. Ziel dieses Buches ist es, die Verfassungsreform nach der Vollendung der Einheit Deutschlands im Hinblick auf die han delnden Akteure, den politischen Prozeß und die Ergebnisse der Verfassungsreform zu analysieren. Im Mittelpunkt stehen dabei 7 fünf Fragenkomplexe, die auch die Gliederung des Buches be stimmen: 1.) Welche Funktionen können und sollen Verfassungen erfüllen, was ist ihr Ziel? 2.) Mit welchen gesellschaftlichen, politischen und verfassungs rechtlichen Veränderungen und Herausforderungen war das Grundgesetz konfrontiert und in welcher Weise wirkten diese Herausforderungen als "Inputs" für den Prozeß der Verfas sungsreform? 3.) Wie war der Prozeß der Verfassungsreform institutionell und prozessual strukturiert, und wie fügen sich diese Strukturmu ster in das politische System der Bundesrepublik ein? 4.) Welche Ziele und Interessen haben die Akteure der Verfas sungsreform verfolgt, und inwieweit konnten sie sich damit durchsetzen? 5.) Mit welchen entscheidungsinhaltlichen Ergebnissen war die Verfassungsreform nach der deutschen Einheit verbunden, und wie ist das Tun und Lassen der Akteure der Verfassungs reform zu bewerten? Um diese Fragen beantworten zu können, werden wir uns im fol genden nach einem Exkurs zu den Funktionen und Zielen von Verfassungen im allgemeinen zunächst mit den Herausforderun gen für eine Reform des Grundgesetzes im Anschluß an die deut sche Einheit und der Vorgeschichte der Gemeinsamen Verfas sungskommission beschäftigen. Daran schließt sich die Analyse der institutionellen Struktur und des Verfahrens der Verfassungs reform sowie ihrer inhaltlichen Ergebnisse in den Bereichen Euro papolitik, Gesetzgebung im Bundesstaat, Umweltschutz, soziale Staatsziele, Parlamentsrecht, Minderheitenschutz sowie Direkt demokratie an. Das Schlußkapitel widmet sich der Bilanz der Ver fassungsreform unter einem zweifach spezifischen Blickwinkel: einmal der Frage nach der Stellung der Gemeinsamen Verfas sungskommission im Institutionengefüge des politischen Systems der Bundesrepublik und zum anderen der Frage nach dem Erfolg oder dem Scheitern der Verfassungsreform. Dabei wird abschlie ßend zu zeigen sein, daß nicht einfach von "Erfolg" oder "Schei tern" gesprochen werden kann, sondern daß die Bewertung der Ergebnisse der Verfassungsreform ganz entscheidend von der Per spektive des Betrachters abhängt: Während die einen Beobachter berechtigterweise von einem "Erfolg" der Reform sprechen, wei sen die anderen ebenfalls berechtigterweise auf ihr "Scheitern" hin. 8 11. Das Problem: Die Verfassungsdiskussion im vereinigten Deutschland 2.1 Was können und sollen Verfassungen leisten? Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert, der Verfassung von Vir ginia von 1776 und der amerikanischen Bundesverfassung von 1787 sowie der Französischen Revolution von 1789, die den über kommenen "alten Staat" (Ale xis de TocqueviIIe) und seine aus sich selbst heraus legitimierte monarchische Ordnung gestürzt hat, wird unter dem Begriff der "Verfassung" die Summe der Regeln, Normen und Prinzipien verstanden, die die Einrichtung, Organi sation und Ausübung der Staatsgewalt bestimmen und die Grund sätze des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft sowie der Stellung des Einzelnen im Staat anleiten (vgI. grundlegend Grimm 1991A: 11 sowie Badura 19873: 3737). Dabei fallen der Verfas sung drei wesentliche Funktionen zu, die im folgenden etwas nä her untersucht werden sollen: (1.) die Funktion der Staatsorganisa tion, (2.) die legimtationsstiftende und konfliktvermindemde Funktion der Integration der Bürger in ihren Staat und (3.) die in haltliche Funktion der Dokumentation grundlegender rechtlicher Maßstäbe des Zusammenlebens der Bürger in einem Staat. Die erste und historisch wirkungsmächtigste Funktion der Verfassung ist es, einen grundsätzlichen Rahmen für die Organi sation und Verteilung von Macht in einem Staat bereitzustellen (Duchacek 1973: 3; Böckenförde 1991A: 29; Böckenförde 1991B: 58). Hierzu gehört die Funktion der Verfassung, die obersten Staatsorgane zu benennen, ein Regelwerk ihrer Funktionsweise, ihrer grundsätzlich begrenzten Kompetenzen und ihres wechsel seitigen Verhältnisses zu schaffen und die Stellung des Einzelnen zu diesen Staatsorganen zu definieren. Auf diese Weise legt die Verfassung die Rahmenbedingungen und Verfahrensregeln für den politischen, d.h. von Konflikt- und Konsensbildungsprozessen und dem Ringen um Macht und Einfluß geprägten Handlungspro zeß fest und begründet legitime staatliche Gewalt, indem sie rechtmäßige von unrechtmäßigen Herrschaftsansprüchen unter scheidet. Ergänzt werden diese staatorganisatorischen Festiegun gen durch Grundrechtsbestimmungen, die die Machtausübung des Staates auf seine Bürger begrenzen, den Bürger vor staatlicher Willkür, Machtmißbrauch und Gewaltherrschaft schützen sowie 9 die Kontrolle der staatlichen Machtausübung durch die Bürger ermöglichen. Hierzu gehören die Freiheits- und Gleichheitsrechte des einzelnen sowie der grundgesetzliehe Schutz gesellschaftlicher Institutionen wie der Ehe, der Familie, der Kunst, der Wissen schaft, der Kirche, der Religion, des Eigentums und des Erbrechts, die Grundrechtsbindung der staatlichen Gewalt, die Presse-, Rede und Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, die Meinungs freiheit, die richterliche Unabhängigkeit usw. Des weiteren gehö ren auch die Partizipationsrechte der Bürger an der staatlichen Entscheidungsfindung in diesen Zusammenhang; hierzu zu rech nen sind das Wahlrecht, das Petitionsrecht, die Freiheit der Grün dung von Parteien und Vereinigungen usw. Die historisch zentrale Bedeutung der Staatsorganisationsfunktion der Verfassung besteht darin, daß durch sie die staatliche Herrschaft dem Recht unter worfen wird: Die Staatsgewalt wird auf bestimmte Normen, Prin zipien und Regeln ihrer Machtausübung festgelegt, die diese Macht kontrollieren und prinzipiell begrenzen, während die staat liche Herrschaft in vor-konstitutionellen Zeiten, z.B. während des absolutistischen Zeitalters, keiner rechtlichen Bindung unterlag und das Verhalten ihrer Untertanen frei bestimmen konnte (Grimm 1994: 37). Nun jedoch wird dem Handeln des Staats durch die Verfassung ein Rahmen vorgegeben, der die Grundlage für die Findung politi scher Entscheidungen abgibt, der Macht ihre Willkür und Beliebig keit nimmt und dessen Einhaltung über die Legitimität des Staates entscheidet. Zudem kann die Rechtmäßigkeit der Machtausübung des Staates vor dem Hintergrund des Regelwerks "Verfassung" durch die Verfassungsgerichtsbarkeit hinterfragt werden, wodurch diese justitiabel und rechtlich durchsetzbar wird. Dieser Konzeption von Verfassung liegt die Einsicht zugrun de, wonach VerfassungenJragmentarischen Charakter haben, d.h. Verfassungen enthalten neben den detaillierten Regelungen und Kompetenzabgrenzungen der Staatsorgane hauptsächlich Prinzipi en und Ziele. Die Entscheidungen über die Wege zu deren Ver wirklichungen bleiben jedoch in der Verfassung selbst offen und damit dem politischen Handlungs- und Entscheidungsprozeß über lassen (Böckenförde 1991B: 86f.). Die Verfassung ersetzt folglich die Politik nicht, determiniert sie auch nicht, sondern legt lediglich die Grundlagen, den Verfahrensweg und einzelne inhaltliche Richtpunkte (Grundrechte!) für den Prozeß "er politischen Wil lensbildung fest. Verbunden mit dieser Einsicht sind zwei unmit telbare Konsequenzen für den konkreten Inhalt von Verfassungen: Einerseits dürfen sie nicht zu weit ins Detail gehende Regelungen 10

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