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Die Geschichte von den Heimsuchungen der Liebenden PDF

31 Pages·1977·3.351 MB·German
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Nizā ̣ mī Ganjavī · Rosemarie Suzanne Kiefer Die Geschichte von den Heimsuchungen der Liebenden NIZAMI DIE GESCHICHTE VON DEN HEIMSUCHUNGEN DER LIEBENDEN Springer Basel AG ISBN 978-3-0348-6509-8 ISBN 978-3-0348-6508-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-0348-6508-1 Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1977 Wenn alte Frauen oft Wölfe sind, so war doch meine Mut ter sanft wie ein Lamm, und von ihr härte ich, daß sie einst mals in ihrer Jugend zusarr ·, .en mit anderen Mädchen eingeladen worden war~ .. einem Fest bei einer Freundin. Dort ging es hoch her! viele und herrliche Speisen wurden aufgetragen, so daß man mit Schauen nicht nachkam und über dem Anblick beinah das Essen vergaß. Die jungen Damen jedoch besannen sich nicht lange; sie schwelgten, daß es eine Freude war, und nach Geflügel und Braten, Kuchen und Früchten kam endlich auch die Reihe an den Wein. Der öffnete die Herzen und löste die Zungen, und nun, nachdem Vergnügen und Fröhlichkeit ihren Höhe punkt erreicht hatten, berichtete jedes der Mädchen, eins nach dem andern, irgendein Abenteuer: ein eigenes oder fremdes, ein erlebtes oder gehörtes. Aber die Schönste der Schönen, eine Silberbrüstige, anzusehen wie Honig und Milch und Zucker, erzählte- so sagte meine Mutter auch die schönste Geschichte. und es war diese: E inst lebte ein Jüngl_ing, der ~ar __g elehrt wie der junge Jesus und schön w1e Joseph 1n Agypten, und er besaß vor der Stadt einen Garten von solcher Pracht. daß man hätte glauben können, das Paradies sei dort auf die Erde gefallen. Kein Fürst besaß jemals ein derartiges Juwel! Da gab es Rosenhecken und Spaliere von Fruchtbäumen aller Sor ten, Samtwiesen, von Bächen durchflossen, und stille Teiche, in denen junge Zypressen wie aus Smaragd und mit Turteltauben auf ihren Ästen sich spiegelten. Nirgends sonstwo traf man so viele Vögel. nirgends sangen sie lieblicher, und jedermann mußte sie um ihre Flügel benei den; denn -ach! -auf allen vier Seiten war dieser Himmels park von einer hohen Mauer umschlossen, die den bösen Blick und die Diebe am Eindringen hindern sollte. Kann es da wundernehmen, daß dieser Garten die größte Freude und den ganzen Stolz seines Besitzers bildete? Sooft es ihm seine Geschäfte erlaubten, kam er aus der Stadt zur Erholung dorthin-beschnitt die Bäume, pflanzte Jasmin, Narzissen und Veilchen und unternahm einen Rundgang, der sein Herz immer neu mit Entzücken erfüllte. Als nun wieder einmal um die Mittagszeit der junge Herr seine Blumen besuchen wollte, hörteer schon von weitem Gesang und LautenspieL Überrascht lauschte er. Wie? Irrte er sich? Drangen nicht diese süßen Töne, mit denen man wohl Früchte von ihren Ästen hätte herablocken können, geradewegs aus seinem Garten? Er beschleunigte seine Schritte, und richtig: Bei der Mauer angelangt. vernahm er die Musik, die herzbetörende, von ganz nah- ja, da drinnen war ein Singen und Lachen, ein Tappen und Stapfen, als hätten die Bäume selbst zu tan zen begonnen! Was und wer nur konnte das sein? Rasch eilte unser Jüngling zum Tor; doch er fand es verschlossen, und sein Gärtner, der ihm sonst immer öffnete, schien eingeschlafen zu sein, denn wie sehr er auch pochte und rüttelte und rief- es kam niemand. Was nun? Einen Schlüssel hatte der junge Herr nicht bei sich, aber umkehren und ihn erst holen, das konnte und 7 wollte er nicht: denn bereits hatten ihn die Stimmen der unsichtbaren Besucher, Mädchenstimmen. in tausend Fesseln geschlagen. Er mußte Eingang finden in den Gar ten. koste es. was es wolle I Aber wie? Der Jüngling geriet vor Ungeduld und Ratlosigkeit außer Rand und Band; er stampfte. er schrie und verlor jede Selbstbeherrschung. Vor Aufregung zerriß er seinen eigenen Mantel -es half ihm alles nichts. Nachdem er den singenden und klingenden Park schon mehrmals vergeblich umkreist hatte - wie eine liebes kranke Motte ein Licht hinter Glas-, kam ihm plötzlich eine etwas undichte Stelle in der Mauer in den Sinn, die nur er allein kannte. Warum hatte er sich ihrer nicht längst schon erinnert? ( {' y . ~• ,, J t (~ ... Sogleich eilte er dorthin, zerbrach e1n1ge Steine und räumte den Schutt weg, so daß schließlich ein Loch ent stand- groß genug, um ihn einzulassen. Ich muß doch schauen, was da los ist! dachte er bei sei nem seltsamen Tun zur eigenen Entschuldigung. Schauen, wer da meinen Garten in Aufruhr bringt und ob vielleicht dem Gärtner etwas zugestoßen ist ... Daran glaubte er im Ernst freilich selber nicht sondern die unbekannten Besitzerinnen jener Stimmen wollte er erkun den, die es seinem Herzen angetan hatten. Doch genug davon! Nachdem er sein Loch gebohrt hatte. kroch er hindurch in den eigenen Garten wie ein Dieb. Das . war nicht gut für ihn. Noch hatte er keine Zeit gefunden. sich wieder aufzurichten, als auch schon von rechts und links zwei Mädchen herbeieilten, ihn mit Stöcken unbarm herzig verprügelten, ihn dann hochzerrten und dem Über raschten, der sich so schnell nicht verteidigen konnte und auch nicht mochte. Hände und Füße banden. <Elender Dieb!> schalten sie und ohrfeigten ihn überdies noch. <Schade, daß der Herr dieses Gartens nicht hier ist der würde dich noch anders bestrafen als nur mit dem bißchen Prügel ... und du Lochbohrer hättest das wahrlich verdient; denn wer kommt schon, wo es ein Tor gibt durch die Mauer gekrochen?> Als der Jüngling das härte, mußte ertrotz seiner Schmer zen lachen. <Der Herr des Gartens bin ich selbst>, sagte er, <aber die Strafe war dennoch verdient. Auch in den eigenen Garten kommt man nicht wie der Fuchs in den Hühnerstall I Wer das tut ist selbst schuld daran, wenn es ihm übel ergeht und sein Besitz ihm abhanden kommt; eure Schläge waren also gerecht ... > Darauf stellten die zwei Wächterinnen ein Verhör mit ihm an, und als sie erkannten, daß er die Wahrheit gesprochen hatte und wirklich selbst der Besitzer des Gartens war, verwandelte ihr Zorn sich in Mitleid und ihr Grimm in Liebe; denn jetzt erst bemerkten sie auch, daß ihr Gefangener schön, jung und beredt war- und welche Frau könnte da noch widerstehen? 10 Schnell befreiten sie ihn von den Fesseln, küßten ihm statt dessen Hände und Füße und baten ihn für den bösen Empfang viele Male um Verzeihung. Nachdem sie die Bresche in der Mauer sorgfältig mit Steinen und Dornge strüpp wieder verstopft hatten, sprachen die beiden Schö nen zum Jüngling: <Du mußt wissen, daß heute die lieb lichsten Mädchen der Stadt -lauter herzraubende Mond gesichtige, lauter rauchlose Kerzen und Gemälde ohne Fehl-in deinem Garten zu Scherz und Vergnügen versam melt sind. Weil nun du der Besitzer bist den wir nicht einmal um Erlaubnis gefragt sondern den wir im Gegenteil erst noch schlecht behandelt haben, so laden wir dich ein, unser Gast zu sein-und welches Mädchen dir dann immer gefallen mag und welchem du deine Liebe schenken willst das werden wir dir zuführen in ein geheimes Versteck!> Der Jüngling, als er das härte, freute sich sehr; denn ob wohl er ein reines und frommes Herz hatte, so wohnte eben doch auch die Leidenschaft darin, und die war, wie wir ja wissen, schon erwacht in ihm und konnte jetzt der neuen Versuchung nicht widerstehen. Erwartungsvoll folgte er den beiden. Sie führten ihn zu einem von Bäumen umstandenen Pavillon, von dessen Obergeschoß aus man freie Sicht hatte über den weiten Gartenbezirk. <Steig hinauf>, geboten ihm seine Beg Ieiterinnen, <und halte dann Ausschau!> Dies tat der junge Herr, und zwar benützte er, um selbst nicht entdeckt zu werden, ein verborgenes Guckloch in der aus Ziegeln erbauten Verandawand. Und was erblickte er da? Fast hätte er seinen eigenen Park nicht wiedererkannt! Zwar sah er zwischen Wiesenstreifen und einem Zypressenwäldchen den von Lilien, Narzissen und Jasminsträuchern umsäumten Teich - auf seinem Grund auch, wie immer, so klar wie durch Augenwasser, die Marmorfliesen und Goldfische, deren Ruhe kein Feind je gestört hatte; aber was war schon dies Paradies, ver glichen mit denen, die es jetzt bewohnten? Was war ne ben ihren Liedern der Vogelgesang? Und was neben ih ren Spiegelbildern im Wasser die Fische? Die Silberschenk- 11 I Iigen, Jasmin häutigen, sie ahnten ja nicht. daß jemand sie heimlich beobachtete, als sie nun vom Spielen erhitzt und voll Übermut die leichten Gewänder abstreiften und nackt wie schimmernde Perlen vom Uferbord in den Weiher sprangen ... Zu den Goldfischen kamen die Silbernixen; und war das ein Tauchen und Spritzen, ein Lachen und Prusten! Sie hielten sich an den Händen, und sie tanzten im Wasser, umarmten einander und bauten Schiffchen aus Blättern und Früchten. Dies alles beobachtete von seinem Schlupfwinkel aus der Jüngling. Der Arme! Vor Sehnsucht verging er beinah. Er konnte die Augen von dem Schauspiel nicht abwenden und wußte doch nicht, wie er den Anblick noch länger ertragen sollte. Er glich einem Betrunkenen, den der Durst verbrennt. der aber keine Kraft mehr hat. das Wasser neben sich zu ergreifen-oder wie ein Fallsüchtiger war er, der in der Neumondnacht einen Anfall bekommt. Ja, noch grausamer war sein Schicksal. ln den Adern kochte sein Blut und er keuchte. Er hatte vor Augen Paradieseswon nen und litt doch um ihretwillen Höllenqualen. Da lagen unter seinen Blicken im Sonnenlicht ausgebreitet die herrlichsten Schätze: Zuckerlippen und Apfelkinne, Orangenbrüstchen und Juwelenhügel, wonach er sich in 12

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