Die Geschichte des Christentums RELIGION · POLITIK· KULTUR ALTERTUM 2 Das Entstehen der einen Christenheit (250-430) HERDER DIE GESCHICHTE DES CHRISTENTUMS RELIGION· POLITIK· KULTUR Herausgegeben von Jean-Marie Mayeur, Charles (t) und Luce Pietri Andre Vauchez, Marc Venard Deutsche Ausgabe herausgegeben von Norbert Brox, Odilo Engels, Georg Kretschmar, Kurt Meier, Heribert Smolinsky Ungekürzte Sonderaus gabe ALTERTUM 2 HERD ER FREIBURG . BASEL· WIEN DAS ENTSTEHEN DER EINEN CHRISTENHEIT (250-430) Herausgegeben von Charles (t) und Luce Pietri Deutsche Ausgabe bearbeitet von: Thomas Böhm Peter Bruns Michael Durst Wilhelm Geerlings Wilhelm M. Gessel Gunther Gottlieb Thomas Graumann Christoph Markschies ludith Pauli OSB Eckhard Reichert Georg Röwekamp Clemens Scholten Bruno Steimer lörg Ulrich Wolfgang Wischmeyer HERD ER FREIBURG . BASEL· WIEN Titel der französischen Originalausgabe: Histoire du christianisme des origines Cl nos jours Torne Il: Naissance d'une chritiente (250-430) sous la responsabilite de Charles (t) et Luce Pietri © Desc1ee, Paris 1995 Übersetzung aus dem Französischen: Thomas Böhm (München): 111. Teil, Kap. 1, 3, 4 und 6 Christine Boesten-Stengel (Stuttgart): I. Teil, Kap. 1; 11. Teil, Kap. 4; IV. Teil, Kap. 3; V. Teil, Kap. 1 Christine Diefenbacher (Heilbronn): V. Teil, Kap. 3 Monika Gödecke (Hannover): I. Teil, Kap. 4; II: Teil, Kap. I; III. Teil, Kap. 2; V. Teil, Kap. 2 Roland Haidl (Freiburg): IV. Teil, Kap. 2 Andreas Külzer (Leverkusen): III. Teil, Kap. 5; V. Teil, Kap. 7 Elisabeth Mainberger-Ruh (Zürich): I. Teil, Kap. 3; V. Teil, Kap. 8 Marianne Mühlenberg (Göttingen): IV. Teil, Kap. 4-6 ~anuela Sango (Bochum): I. Teil, Kap. 2; V. Teil, Kap. 5 und 6 Ursula Schottelius (Merzhausen): V. Teil, Kap. 4 Ursula Vones-Liebenstein (Köln): 11. Teil, Kap. 2, 3 und 5; IV. Teil, Einleitung und Kap. 1 Bildredaktion: Wolf Stadler (Freiburg) Register: Alfons Brüning (Berlin) Ungekürzte Sonderausgabe Alle Rechte vorbehalten - Printed in Germany © Verlag Herder Freiburg im Breisgau 1996/2005 Herstellung: Freiburger Graphische Betriebe 2005 ISBN 3-451-29lO0-2 VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE Im deutschen Sprachraum fehlt seit der magistralen Darstellung von Hans Lietzmann und I dem ebenso bedeutsamen Werk Carl Andresens eine umfangreichere Geschichte des an 2 tiken Christentums, die über den Rahmen eines Lehrbuchs für studentische Zwecke hin ausgeht und versucht, die Geschichte dieser Religion, das heißt ihrer Theologie, ihrer po litischen und sozialen Wirklichkeiten, ihrer Institutionen und Mentalitäten im römischen Kaiserreich zu schreiben. Die Darstellungen von Karl Baus in Jedins "Handbuch der Kir chengeschichte" sind in einzelnen Passagen vor dreißig, mindestens aber vor zwanzig Jah ren geschrieben worden. Ein in Frankreich entstandener Versuch, eine solche Monogra phie vorzulegen, darf hierzulande besondere Aufmerksamkeit beanspruchen, da bekannt lich von der Historiographie des Nachbarlandes bedeutsame Impulse für die Methode der Geschichtsschreibung ausgehen und eine der prominentesten Ausgaben antiker christli 3 cher Autoren (die "Sources Chretiennes"4) in Frankreich und wesentlich von französi schen Autoren erarbeitet wird. Eine deutsche Übersetzung eines solchen Werkes könnte im besten Falle nicht nur dabei helfen, die in Deutschland teilweise wenig beachteten Ergeb nisse französischer Forschung einem breiteren Publikum bekannt zu machen, sondern un ter Umständen auch der hiesigen Erforschung des antiken Christentums neue Impulse ver mitteln. Der vorliegende Band ist ursprünglich von Charles Pietri, dem Professor für Geschichte des Christentums an der Sorbonne und Direktor der Ecole franc;aise in Rom, konzipiert worden. Leider verstarb Pietri vor der Fertigstellung unerwartet am 7. August 1991; die Vollendung des französischen Original-Bandes und seiner Beiträge besorgten unter der Regie seiner Frau Luce Pietri Freunde und Schüler ihres Mannes. Der Bandtitel "Das Ent stehen der einen Christenheit" entspricht dem der französischen Vorlage und will signali sieren, daß in den Jahren zwischen 250 und 430 das Christentum nicht nur das ganze römi- I Geschichte der Alten Kirche (Berlin 1932-1944); zu LIETZMANN vgl. D. WYRWA, Hans Lietzmanns theologi sches Verständnis der Kirchengeschichte, in: G. BESIER - CHR. GESTRICH (Hrsgg.), 450 Jahre Evangelische Theo logie in Berlin, Göttingen 1989.387-418. 2 Die Kirchen der alten Christenheit, Religionen der Menschheit 29,1/2, Stuttgart u. a. 1971. 3 Vgl. z. B. die Beiträge in dem Sammelband .. Mentalitäten-Geschichte" (Zur historischen Rekonstruktion geisti ger Prozesse, hrsg. von U. RAuLFF. Berlin 1987) sowie P. BURKE, Offene Geschichte. Die Schule der' Annales', Berlin 1991, und J. MEHLHAUSEN. Geschichte - Geschichtsschreibung - Geschichtsphilosophie VIV2, 19.- 20. Jahrhundert, in: TRE XII, 643-658.654 f (Literatur!). 4 Dazu jetzt D. BERTRAND, Die Rückkehr zu den Vätern: ein Weg zur Erneuerung der Theologie. Das Beispiel der 'Sources Chretiennes', in: ThQ 172 (1992) 295-300, bzw. E. FOUILLOUX, La collection 'Sources Chretiennes'. Editer les Peres de I'Eglise au XX' siecle, Paris 1995. VI VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE sche Reich für sich gewann, sondern auch dessen unmittelbare Nachbarn. In den erwähnten deutschen Kirchengeschichten wird dieser Abschnitt der antiken Christentums geschichte gern mit dem stärker auf die Gestalt kirchlicher Institution im christlichen Kai serreich bezogenen Stichwort der "Reichskirche" charakterisiert: Der Band beschreibt Vorgeschichte, Entfaltung und Entwicklung der Reichskirche im Kontext der allgemeinen Christentums- und Profangeschichte. Seine Beiträge sind aber nicht nur einfach von ver schiedenen Personen unterschiedlich ins Deutsche übersetzt worden, sondern auch einmal mehr einmal weniger durchgreifend von deutschen Patristikern und Althistorikern bear beitet worden. Diese Bearbeiter sahen ihre Hauptfunktion darin, bei der oben skizzierten Vermittlungsaufgabe von Verfahrensweisen, Methoden und Ergebnissen französischer Pa tristik behilflich zu sein - nicht darin, eine Darstellung der Kirchen- und Theologiege schichte der Jahre 250 bis 450 n. Chr. in genau der Gestalt vorzulegen, wie sie selbst sie für wünschenswert und zufriedenstellend halten. Dabei hoffen sie, daß es gelungen ist, im Umgang mit den Texten einen Mittelweg zu beschreiten: Nicht alles das konnte neu ge schrieben werden, was von den beteiligten Bearbeitern anders gesehen oder akzentuiert wird. Andererseits mußten eine ganze Reihe von Passagen des 1995 erschienenen franzö sischen Originals dem gegenwärtigen hochdifferenzierten Forschungsstand angepaßt wer den und selbst einige Grundlinien der theologie- und kirchengeschichtlichen Konzeption dieses Bandes korrigiert werden: Als ein Beispiel sei die Geschichte der Trinitätstheologie im vierten Jahrhundert genannt, in der gegenwärtig diejenigen antiken Theologen, die auch noch nach dem ersten Reichskonzil von Nizäa (325 n. Chr.) den Sohn dem Vater sub ordinierten, längst nicht mehr so einlinig mit dem alexandrinischen Presbyter Arius ver bunden werden, wie dies vielleicht noch vor einigen Jahrzehnten der Fall war. Auch der weit fortgeschrittenen Diskussion über die Begriffe "Häresie und Orthodoxie" im An schluß an die klassische Monographie von Walter Bauer war mindestens terminologisch Rechnung zu tragen die römische Perspektive durch die Sicht der anderen großen Metro 5, polen der christlichen Antike zu ergänzen. Freilich sind wichtige Impulse für diese Neube wertungen des historischen Materials in den letzten Jahrzehnten gerade durch Textausga ben und Monographien französischer beziehungsweise französischsprachiger Gelehrter gegeben worden 6; insofern bringen die Veränderungen in den Band nichts hinein, was sei ner Grundkonzeption und Methode völlig fremd wäre. Diese Grundentscheidungen im Umgang mit dem französischen Original haben dazu geführt, daß die Vorlagen der deutschen Übersetzerinnen und Übersetzer jeweils in recht unterschiedlichem Maß auch sprachlich verändert (also in diversen Passagen schon von 'i W. BAUER, Rechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum (BHTh 10), 2., durchg. Aufl. mit einem Nachtrag hrsg. von G. STRECKER, Tübingen 1964 (1. Aufl. Tübingen 1934); vgl. z. B. D. J. HARRINGTON, The reception of Walter Bauer's Orthodoxy and Heresy in earliest Christianity during the last decade, in: HThR 73 (1980) 289-298. o Eine ganz kleine Auswahl: R. BRAUN, Deus Christianorum. Recherches sur le vocabulaire doctrinal de Tertul lien, 2., durchges. und erweiterte Aufl., Paris 1977; A. DE HALLEUX Patrologie et Oecumenisme. Recueil d'Etudes (BEThL 93), Löwen 1990; A. LE BOULLUEC, La notion d'Mresie dans la litterature grecque IIe_IIIe siecles, tome I: a De Justin Irenee, tome II: Clement d' Alexandrie et Origene, Paris 1985; H.-I. MARROU, -1981: Augustinus und das Ende der antiken Bildung, Paderborn u. a. 21995 (= J. GÖTTE [Hrsg.], Saint Augustin et la fin de la culture anti que, 41958, übersetzt von L. WIRTH-POELCHAU in Zusammenarbeit mit W. GEERLlNGS); M. MESLlN, Les Ariens d'Occident 335-430 (PatSor 8), Paris 1967 sowie J. MOINGT, Theologie Trinitaire de Tertullien, vol. I: Histoire, Doctrine, Methodes (Theol[P] 68), Paris 1966; vol. IV: Repertoire Lexico-graphique et Tables (Theol[P] 75), Paris 1969. VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE VII daher keine Übersetzungen im strikten Sinne mehr darstellen), die Angaben der Anmer kungen verifiziert und zunächst um angelsächsische wie deutsche Literatur ergänzt wur den. An nicht wenigen Stellen mußte in den Haupttext eingegriffen werden; gravierende Änderungen sind durch entsprechende Hinweise kenntlich gemacht (auf kleinere Ände rungen wurde allerdings nicht eigens hingewiesen). Diese immense Arbeit war im Unter schied zu anderen Bänden dieser Reihe in der vorgegebenen knappen Zeit nicht durch ei nen Autor zu leisten, sondern wurde vom Lektorat nahezu gleichmäßig auf die Schultern verschiedener evangelischer und katholischer Kollegen aus den Bereichen der antiken Kir chengeschichtelPatristik und Alten Geschichte verteilt. Das hat eine gewisse Uneinheit lichkeit nicht nur in Äußerlichkeiten zur Folge, aber auch den Vorteil, daß zu einzelnen Themen speziell ausgewiesene deutsche Forscher sich mit den französischen Manuskrip ten beschäftigen konnten. Verantwortung für das Gesamtergebnis kann keiner von ihnen übernehmen, auch nicht der Unterzeichnende. Aber es handelt sich ungeachtet aller Unter schiedlichkeit doch um ein Zeichen jener ökumenischen und fachübergreifenden Zusam menarbeit, die im universitären Alltag längst selbstverständlich geworden ist und ihn ge rade auch durch Differenzen befruchtet. Nun hoffen die deutschen Bearbeiter, daß das Patch-Work aus deutscher und französi scher Arbeit beziehungsweise das Mosaik der unterschiedlichen Sichtweisen wenn nicht zu einer Einheit verwoben, so doch zu einem facettenreichen Bild zusammengesetzt wer den konnte. Wenn dies gelungen sein sollte, dann wäre das nicht zuletzt Verdienst des Lek tors Dr. Peter Suchla, der durch seinen engagierten, hilfreichen wie freundlichen Umgang mit den Bearbeitern manche Kümmernisse lindern half. Den mit der Bearbeitung der Ka pitel Beauftragten standen in vielen Fällen studentische Hilfskräfte, wissenschaftliche Mit arbeiter und Mitarbeiterinnen zur Seite, denen hier zwar leider nur summarisch, aber nicht minder herzlich gedankt werden kann. Für die Bearbeiterin und die Bearbeiter der deutschen Ausgabe Jena, im August 1996 Christoph Markschies INHALT Vorwort zur deutschen Ausgabe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. V ERSTER TEIL DIE VERBREITUNG DES CHRISTENTUMS IM 3. JAHRHUNDERT Erstes Kapitel Die Krise des Römischen Reiches und die Frage der Religion 3 VON LuC E PIETRI, JACQUES FLAMANT UND GUNTHER GOTTLlEB 1. Die allgemeine Lage im 3. Jahrhundert n. Chr. ..... 3 1. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2. Äußere Gefahren und die Armee als politischer Faktor 4 3. Wirtschaftliche Schwierigkeiten .. 5 4. Krise und gesellschaftlicher Wandel 7 H. Die Frage der Religion . . . . . . . . 9 1. Krise der Religiosität oder Kontinuität unter neuen Bedingungen? 9 2. Kulte aus dem Osten . . . 11 3. Mithras ......... . 17 4. Gnosis und Manichäismus 19 Zweites Kapitel Die kirchliche Organisation im 3. Jahrhundert 23 VON VICTOR SAXER 1. Das Nachleben archaischer Traditionen 24 1. Tertullian und die Marcioniten . . . . 24 2. Zum Verhältnis von Charisma und Institution in den Märtyrerberichten 25 3. Der Anteil der Frauen an der Sakramentenspendung 27 4. Die Ordination des Bischofs von Alexandrien ............ . 28 x Inhalt 11. Die Ständeordnung der Gemeinden: Kleriker und Laien 29 1. Tertullian . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Cyprian .............. . 32 3. Das Zeugnis der Kirchenordnungen 33 111. Die hierarchische Struktur der Dienstämter 35 1. Tertullian . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Cyprian .............. . 36 3. Das Zeugnis der Kirchenordnungen 40 IV. Die Praxis der kirchlichen Einheit . . 43 1. Organisationsformen der Orts kirchen 43 2. Entstehung und Entwicklung des Synodalwesens 44 3. Die Kirchen und der römische Primat ..... . 48 Drittes Kapitel Eine neue Geographie 55 A. Der Orient . . . . 55 VON CHARLES PIETRI UND CHRISTOPH MARKSCHIES 1. Palästina und die benachbarten Länder 56 1. Palästina ....... . . . . 56 2. Philistäa und Phönizien 60 3. Die römische Provinz Arabia 63 11. Antiochia und die syrischen Länder 64 1. Die Kirche von Antiochia 64 2. In der Provinz Syrien 71 3. Die östlichen Randgebiete 74 111. Kleinasien und Pontus ... 82 1. Die Küstenprovinzen im Nordwesten: von Asien nach Bithynien 84 2. Die kleinasiatischen Gegenden des Hermos und des Mäander: Lydien und Karien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3. Die Provinzen der Südküste: Lykien, Pamphylien, Isaurien 89 4. Zentralanatolien 92 5. Ostanatolien ............. . 97 IV. Ägypten und die libyschen Grenzgebiete 107 1. Ein Zentrum des christlichen Hellenismus 107 2. Die christliche Metropole Alexandria . . . 111 3. Die ägyptische Chora und die libyschen Provinzen 114