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Die Fruchtabtreibung Durch Gifte und Andere Mittel: Ein Handbuch für Ärzte und Juristen PDF

459 Pages·1922·18.25 MB·German
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DIE DURCH FRUCH'l~AB'l~REIBUNG UND ANDERE MITTEL GI~-'TE EIN HANDBUCH FUR ARZTE UND JURISTEN VON PROF. DR. L. I~E'VIN DRITTE NEUGESTALTETE UNO VERMEHRTE AUFLAGE Springer-Vedag Berlin Heidelberg GmbH 1922 ISBN 978-3-662-27545-0 ISBN 978-3-662-29032-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-29032-3 ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER ÜBERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN. COPYRIRHT SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG 1922 URSPRÜNGLICH ERSCHIENEN BEI JULIUS SPRINGER IN BERLIN 1922 Vorwort. Unter der unendlichen Zahl derRatsel, in die das Werden und Sein alles Belebten eingesponnen ist, und an deren Losung die biologische Forschung mit dem ganzen Aufwande ihrer Hilfsmittel arbeitet, stellt das Geheimnis der Individualitat dasjenige dar, an dem sich am langsten Forscher und Denker aller Zeiten und aller VOlker versucht haben. Die Hoffnung ist gesunken, das Wesen dieses Unbegreiflichen auf dem Weg deduktiver Spekulation zu begreifen. Und selbst wenn es dem menschlichen Geiste je gelingen sollte, was meiner Ansicht nach stets nur eine Hoffnung bleiben wird, die letzten Ursachen des Entstehens, Le bens und Vergehens einer Zelle analytisch zu erkennen, so wiirde das Geheimnis der Individualitat mit ihren unendlich zahlreichen funktionellen AuBerungsformen, die an jede Zelle oder jede Zellengemeinschaft gebunden sein konnen, den Forscher vor weitere millionenfache Probleme stellen, von denen jedes zu lOsen so schwierig sein wiirde, wie die Enthiillung des Wesens des normalen Zellebens. . Und doch muB immer wieder der Versuch gemacht werden, dem begrifflich UnfaBlichen dadurch wenigstens naherzukommen, daB man seine AuBerungen kennenlernt, falls solche vorhanden sind.- Der gezwungene Verzicht auf volle Erkenntnis bedingt nicht den Verzicht auf Forschung. Den ersten groBeren Versuch, auf induktivem Wege Licht-in dieses dunkle Gebiet zu bringen, habe ich in meinem Handbuch "Die Nebenwirkungen der Arzneimittel" gemacht, dessen Zweck wesentlich war, eine kritische Bearbeitung derjenigen Arzneiwirkungen zu geben, die auf dem Boden einer besonderen Disposition erwachsen, und da durch dem weiteren Eindringen in die hierbei au£tauchenden Fragen den Weg zu ebnen. Sind ja doch Pharmakologie und Toxikologie die besten Eingangs pforten fiir solche Forschungen. Sie gestatten eine Beurteilung der GroBe individueller Veranlagung, da ihnen die hierzu erforderlichen Elemente gegeben sind: GroBe des wirkenden Objektes und WirkungsauBerung desselben. IV Vorwort. Auf den folgenden Blattern habe ich ven(ucht, die reaktive Dis position eines einzelnen, des fur die Menschheit wichtigsten Organes, der Gebarmutter, darzustellen. Vielleicht offenbart sich die Eigentumlichkeit einer individuellen, zeitlichen oder angeborenen Anlage gegenuber innerlichen und au.l3erlichen Einflussen an keinem K6rperteil so wie an diesem. Wie weiterhin dem Dargestellten in toxikologischer, gerichtlich Ilwdizinischer, juristischer und in der bisher lange nicht genug beruck sichtigten, und doch so besonders wichtigen sozialwissenschaftlichen Beziehung eine Bedeutung zukommt, das wird das Studium der ein zelnen, sehr vermehrten und umgearbeiteten Kapitel schnell lehren. Vielleicht wird man erkennen, da.13 hier neben anderem auch neue Grund lagen fiir eine gesetzgeberische Auffassung der Abtreibung geliefert werden. Die sehr schnelle Verbreitung, welche die erste Auflage dieses Werkes gefunden hat, zeugt dafiir, daB es einem Bediirfnisse entsprang. DaB es auch wissenschaftlich die Beachtung gefunden hat, die ich erhoffte, dafur habe ich zu meiner Freude der Beweise genug bekommen. V orwort zur dritten Auflage. Dem Werke hat es nicht an Beurteilern gefehlt. Es konnte mir genug sein zu wissen, daB der berufenste von allen, Prof. Brouardel, es in der Pariser Medizinischen Akademie als "ouvrage aujourd'hui classique" bezeichnet hat. Auch sonst lieB sich der Erfolg nicht nur an dem Anreiz, den es reichlich Vielen gab, uber das gleiche Thema zu schreiben, sondern auch daran erkennen, daB sein Inhalt - Gedanken und Tatsachenstoff - in Bucher und Abhandlungen, manchmal recht umfanglich und wenig verschamt, auch wohl ohne Quellenangabe, uber nommen wurde. So ist immerhin dadurch manche Aufklarung fiber die hohe Bedeutung, die dem Problem der Fruchtabtreibung zukommt, stark verbreitet worden, dem Problem, das als ungelOstes, weil unlOsbares, vielleicht erst mit dem letzten Menschenpaare von der Welt schwinden wird. Es war erforderlich, auch das Neue, was in den letzten anderthalb J ahrzehnten an Erfahrungsmaterial und an Anschauungen in Wort und Schrift zum Ausdruck gebracht worden ist, zu beleuchten. Da durch hat das Werk teilweise eine andere Gestalt erhalten und wird in ihr vielleicht ebensoviel Billigung finden und Aufklarung schaffen wie seine V organger . Lewin. Inhaltsverzeichnis. Seite 1. Einleitung II. Die Verbreitnng der Frnehtabtreibnng in alter nnd lleuer Zeit 8 A. Die Abtreibung bis zum 19. Jahrhundert . . . . . .. 8 Der jiidische Staat. Agypten. Die ersten Christen. Die abcnd- landischen Volker . . . . . . . . . . 17 B. Der kriminelle Abort in unserer Zeit 20 1. Das Abendland 20 Deutschland 22 Frankreich . 29 Belgien 35 Niederlande 36 England. 37 Schweden 37 Schweiz 39 Italicn 39 Osterreich 3:J Ungarn 40 RuBland. 40 2. Der Orient 41 Kleinasien 41 Asien 42 Ostasiatische Inselwelt 45 :t Afrika. 47 4. Amerika. 50 III. Die Gesetzgebung iiber die rechtswidrigc Frnchtabtreibullg 55 A. Die Grundlagen, die eine Bestrafung der Fruchtabtrei bung heischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1. Die medizinischen Gesichtspunkte fiir die Auffassung der Frucht- abtreibung als einer Totung . 55 a) Die Frucht . . . . . . . . 55 b) Die Schadigung der Mutter . 59 2. Anderweitige Beurteilungsglieder 59 a) Der Staat. 59 b) Die Ethik. . . . . . . . . 60 VI Inhaltsverzeichnis. Seite B. Blemente ftir die strafreehtliche Beurteilung der Ab· treibung . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 C. Spezielle Gesetze gegen die Abtreibung . 65 1. Jtidisches Recht . . . . . . . . 65 2. Babylon. . . . . . . . . . . . 68 3. Griechisches und ramisches Recht 69 4. Kanonisches Recht . . . . . . . 76 5. Das alte germanische, angelsachsische und das deutsche Recht alter und neuester Zeit . . . . . . . . . . . 85 6. Strafgesetzbuch ftir das Deutsche Reich 1871 . . . . . . . . 100 a) Betrachtungen tiber das Strafgesetzbuch von 1871 101 b) Der EntwiIrf zu einem neuen Strafgesetzbuch vom Jahre 1919 103 c) Kritische Erlauterungen zu diesem Entwurf nach der dazu· gehOrigen Denkschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 d) Bisherige prinzipielle Entscheidungen des Reichsgerichts . . III a) Allgemeine Rechtsgrundsatze tiber die Abtreibung und ihre Begeher. Der Versuch der Abtreibung .. ....... III (J) Die Anstiftung zur Abtreibung.. ....... 119 y) Die Beihilie und die Mittaterschaft an der Abtreibung 120 () Die Abtreibung seitens eines Dritten ohne oder mit Ent· gelt, mit oder ohne Wissen und Willen der Schwangeren 126 e) StrafausschlieBungsgriinde fur die Fruchtabtreibung. Nothilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 e) Kritische Bemerkungen zu den Entscheidungen des Reichs· gerichts.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13B f) Der Selbstmordversuch der Schwangeren ......... 136 7. Gesetzbestimmungen fremder Lander gegen die Fruchtabtreibung 138 IV. Die Verbiitung der Ernpfiingnis . . 160 V. Die Dynllmik der Abtreibungsrnittel 164 VI. Die speziellen Ursllchen des Frucbttodes und der erlolgten Ab- treibung . . . . . . . . . . . . .'. . . . . . 179 A. Die Schadigung von Mutter und Frucht 179 1. Innervationsstarungen. . . . . . . . . . . 180 2. Zirkulatorische Starungen . . . . . . . . . 181 :1. Veranderungen des zirkulatorischen und des OrganeiweiBes 184 4. Abnorme physikalische Vorgange im Karper der Mutter und. der Frucht ......................... 185 B. Die Loekerung resp. die Lasung des Eies oder der Frucht von ihren Ernahrungsorganen 186 C. Die A usstoBung . . . . . 187 VII. Diagnostiscbes zurn kriminellen Abort. 189 1. Veranderungen an der Mutter 189 2. Das Ei und die Frueht . . . . . . 192 Inhaltsverzeichnis. VII Seite VIII. }).ie Abtreibungsmittel historisch und ethnographisch betrachtet. 200 1. Abtreibungsmittel im Altertum 200 a) Asien ........... . 200 b) Europa .......... . 201 2. Abtreibungsmittel im Mittelalter . 211 3. Abtreibungsmittel in der Neuzeit 220 4. Abtreibungsmittel in der Gegenwart 223 a) Europa 223 b) Asien .. 230 c) Afrika . 235 d) Amerika 238 IX. lUitteilungen tiber versuchte u. vollzogene Abtreibungen durch Gilte 240 1. Anorganische Stoffe ..... 240 2. Kohlenstoffverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 3. Pflanzen. und Pflanzenprodukte . . . . . . . . . . . . . . 306 4. Anwendung zusammengesetzter pflanzlicher und anderer Abortiv- mittel. . . . . . . . . . . 376 5. Tiergifte. Metabolische Gifte 380 1. Tiergifte 380 2. Metabolische Gifte 382 3. Organgifte 382 4. Krankheitsgifte . 384 X. l\'Iechauische, mechanisch-chemische und physikalische Wege zur Einleitung des Abortlus . . . . . . . . . . . . . , . . .. 387 A. Die ktinstliche Unterbrechung der Schwangerschaft 387 1. Allgemeine Betrachtungen. . . . . . . . . . . . . .. 387 2. Die Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 389 3. Die Meinungen tiber die Anzeigenfiir den therapeutischen Abortus 393 4. Andere als rein arztliche Gesichtspunkte fUr die Schwangerschafts- unterbrechung . . . . 397 a) Soziale Indikationen . . . . . . . . 397 b) Die Eugenik . . . . . . . . . . . 398 c) Die Schwangerschaft durch Notzucht 400 B. Die Eingriffe zur Entleerung des Uterus 401 1. Aligemeines. Schlimme Folgen 401 Luftembolie . . . . . . . . . . 401 Infektion . . . . . . . . . . . 402 Verwundungen am Genitalapparat. Peritonitis 402 2. Methoden der Wehenerregung, die direkt auf den Uterus ge- richtet sind . . . . . . . . . . . . . . 402 a) Einspritzungen in die GebarmutterhOhle 402 b) Rein mechanische Eingriffe. . . . . . 405 Der Eihautstich . . . . . . . . . . 405 Die Ablosung der Eihaute vom unteren Uterinsegment mit dem Finger . . . . . . . . . . . . 407 Belassen von Fremdkorpern im Uterus . . . . . • . . 407 VIII Inhaltsverzeichnis. Seite 3. Anregung der Wehentatigkeit durch Erweiterung des Zervikal- kanals. . . . . . . . . . . . . . . . . 409 4. Einwirkung auf Vaginalportion und Vagina 411 Die Scheidendusche von Kiwisch 412 Die Tamponade . . . . . . . . 413 5. Mittel, deren Angriffspunkte auBerhalb der Genitalorgane liegen 413 Die Reizung der Briiste. . . . . 413 6. Einwirkung des elektrischen Stromes 414 7. Die Einwirkung von Strahlen 415 Rontgenstrahlen. Radium. . . . 415 8. Mechanische Insulte . . . . . . . 418 C. MaBregeln gegen die zunchmende Fruchtabtreibung . 419 N amen ver zeic h nis 421 Sac h vcr z e i c h n is. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 428 Quid leges sine moribllS? I. Einleitung. Es gibt mannigfache Fragen, die seit dem Bestehen einer Medizin und einer staatlichen Ordnung gleichermaBen Arzte, Philosophen, Gesetzgeber und Staatsmanner interessierten, sie zum Nachdenken und zu einer Umsetzung ihrer Denkergebnisse in praktische Formen ver anlaBten, aber keine, die yom Altertum an bis heute die gleiche Bedeutun2, beibehalten hatte, wie diejenige der Fruchtabtreibung. Gerade diese greift weit uber ihre rein medizinische Bedeutung hinaus in die sozialen Verhaltnisse ein, und es ist unmoglich, sich der Einsicht zu verschlieBen, daB wenn schon vor Jahrhunderten oder Jahrtausenden bei zivilisierten und unzivilisierten Volkern nicht der kleinste der Beweggrunde fUr die Vornahme der Fruchtabtreibung in dem Zwange ungesunder sozialer Verhaltnisse lag, gerade diese Veranlassung in unserem Jahrhundert und in den kommenden, angesichts der immer schwieriger sich gestaltenden Lebenshaltung in einem viel groBeren Umfange als fruher zur Beseitigung des keimenden Lebens fuhren muB. Und tatsachlich laBt sich in allen Landern rapide Zunahme der Abtreibung nachweisen, resp. erschlieBen. Die Zeit von Jahrtausenden hat keinen mildernden und mindernden EinfluB auf dieses Dbel auszuuben vermocht. In dem Wunsche und in der AusfUhrung der Tat begegnet sich die Dame derjenigen Gesellschafts schichten, in welcher die Nahrungssorgen unbekannt sind und Dberflu13 Gewohnheit ist, mit der nach Beschaftigung suchenden, die StraBen der Stadt durchirrenden Lustdirne, mit der Dienstmagd, der Fabrik arbeiterin und der Arbeiterfrau. Wunsch und Tat sind vorhanden, wo der Mensch ist! Von Pol zu Pol vernimmt man den einen, und sieht die andere vollendet werden. In den sonnenkargen Eisesdistrikten des Nordens werden keimende Leben ebenso vernichtet wie in den sonnendurchgluhten Tropengegenden und den gemaBigten Zonen. So weltfern auch eine Inselliegen mag, sie wird dieses Dbel aufweisen gleich den Zentren der Kultur in den groBen Erdreichen. Es ist meiner Meinung nach nicht besonders oder ausschlieBlich eine bestimmte Schicht der BevOlkerung, etwa die Arbeiterklasse, die das Zweikindersystem praktisch mit allen, eventuell dem Strafgesetz zu widerlaufenden Konsequenzen durchfii.hrt, obschon hier die Beweggrunde I,e win ,~'ruchtahtreihung dl1rch Gifte URW. 3. Auff. I

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