Originalveröffentlichung in: Sudan. Festschrift Steffen Wenig (Nürnberger Blätter zur Archäologie: Sonderheft 1999), Nürnberg 1999, S. 121-136 Die Frau im antiken Sudan Angelika Lohwasser „Die Frauen beherrschen jenes Äthiopien, von denen auch die Kandake gemäß der Nachfolge eine und deren Eunuch der Schatzmeister der königli chen Magazine war. Man sollte wissen, daß die Äthiopen die Mutter eines jeden Königs Kandake nennen, da die Äthiopen den Vater nicht zeigen, sondern sie geben sie an, als wären sie die Söhne der Sonne. Die Mutter eines jeden nennen sie Kanda ke'. " Bei den antiken Autoren findet man immer wieder Erstaunen überdie Frauen im antiken Sudan ausgedrückt. Die Hinweise auf die Kuschitinnen betreffen das Andere, Unbekannte, mit dem die Gebildeten der griechischen und römischen Welt konfrontiert wurden und das nicht mit den ihnen bekannten Sozial und Vcrhaltensstrukturen zu ver gleichen war. So ist die nichtpatrilineare Erbfolge Gegenstand der Schilderung bei Nikolaus von Da maskus: „Die Äthiopen verehren ganz besonders ihre Schwestern, und die Könige überlassen sehr oft die Nachfolge nicht ihren eigenen Kindern, sondern den Kindern ihrer Schwestern. " oder die Besonderheit der regierenden Königin bei Strabo (Geogr. XVII 1, 54):,, Unter ihnen waren auch die Anführer der Königin Kandake, die in der neuesten Zeit über Äthiopien herrschte, ein mannhaftes Weib, die an einem Auge blind war. " und Eusebius (H.E. III),,... denn noch heute wirdjenes Volk auf Grund einer alten Sitte von einem Weibe regiert. " Sind all diese Erzählungen Phantasien, die ei nem fernen, unbekannten Land angedichtet wer den? Oder ist zumindest ein Körnchen Wahrheit enthalten? Um zu einer realistischeren Einschät Abb. 1 Figürchcn: 1. AGruppe, Site 277: 16 B in Untemubien; 2. CGruppe, Aniba N, Grab 677 (Zeichnung von Hofmann). Abb. 2 Tributszene aus dem Grab des Huj. jfi im im im im im irrr~jL zung der Rolle der Frau im antiken Sudan zu kom V:' r men, muß man archäologische und schriftliche Quellen zur Untersuchung heranziehen. u- A Für die Zeit bis zur kuschitischen Herrschaft der :1 25. Dynastie in Ägypten wissen wir bis jetzt nur von # archäologischen und keinen inschriftlichen Quel len. Aus der napatanischen Periode des Reiches I von Kusch stammen eine Reihe von Stelen und m Inschriften, die ein Bild zumindest der königlichen Frauen geben. Allein für diese Periode stehen uns inhaltsträchtige Inschriften zusätzlich zu den ar chäologischen Quellen zur Verfügung. Aus der darauffolgenden meroitischen Periode sind wie derum vor allem die archäologischen Quellen zu Familien oder Völkern zu sichern, ist das Ziel von nutzen, an Inschriften können nur die Totenstelen vielen Festen und Ritualen. Ein Symbol dieser mit den Nennungen der Eltern in die Untersuchung weiblichen Fruchtbarkeit sind auch die kleinen einbezogen werden. Frauenfigürchen, die in den nubischen Gräbern gefunden wurden. Auch noch in späterer Zeit sind diese Idole in Gräbern belegt, sie sind jedoch nicht /. Die frühe Zeit: A- und C-Gruppe, Reich von mehr so stilisiert und ohne Tätowierungen gestal Kerma und das ägyptische Neue Reich tet. Seit der AGruppe (ca. 34002800 v. Chr.) sind Gerade in den afrikanischen Kulturen erlangt kleine Figürchen von Frauen aus Gräbern bekannt2. die Fruchtbarkeit der Frauen einen viel höheren Diese Idole zeigen einen stark stilisierten Frauen Stellenwert als bei anderen, oft weiter entwickelten körper; der Kopf ist als Kugel, die Gliedmaßen als Kulturen. Schon der Unterschied zwischen dem Stummel geformt. Brüste und Hüften sind jedoch antiken Sudan und dem benachbarten Ägypten ist füllig und oft detailreich wiedergegeben. Das bemerkenswert. Genießt die ägyptische Frau im Schamdreieck ist mit Punkten und Linien gekenn Vergleich zu der in der griechischrömischen Welt zeichnet. Außerdem haben einige Figürchen noch noch mehr Freiheiten und erlangt vor dem Gesetz weitere Einritzungen auf Hüften, Oberschenkel und nahezu eine Gleichstellung, so lebt sie doch in einer Gesäß, die vielleicht als Tätowierungen zu deuten patrilinear organisierten Gesellschaft5. Im antiken sind (Abb. 1). Diese in reicher Zahl in A und C Sudan ist zumindest in späterer Zeit ein nicht zu GruppenGräbern sowie selten in Kerma gefunde unterschätzender Einfluß der Frauen auf König nen Figürchen werden in der Literatur meist als tum, Religion und Gesellschaft nachzuweisen. In Fruchtbarkeitsidole bezeichnet3. Oft wird auch die diesen frühen Perioden müssen wir uns jedoch mit These vertreten, daß es sich bei diesen Figürchen der Feststellung, daß die Frauen aufgrund ihrer um eine magische Sicherung des Lebens nach dem Fruchtbarkeit besonderes Ansehen genossen, zu Tod handelt. Diese Idole Frauen mit großen friedengeben. Brüsten und ausladenden Hüften (steatopyg) - sind nicht nur im Mittelmeerraum, sondern auch in an Nach Hofmann6 gehören diese Frauenfigürchen deren frühen Kulturen zu finden4. Die Macht der in die „erotische Sphäre". Da die Figuren v.a. in Frauen war immer schon die Möglichkeit, Leben Frauen und Mädchengräbern gefunden wurden, geben zu können, Kinder zu bekommen. Diese sieht sie einen Zusammenhang mit der im Ostmit Fruchtbarkeit zu bewahren, das Weiterleben von telmeerraum belegten „Großen Göttin". Für die 122 vormeroitische Zeit kann sie, da keine einheimi „versklavte" Stellung der Frau schließen. Als Men sche Theologie nachgewiesen ist, den Zusammen schenopfer sind genauso auch Männer oder ganze hang zur „Großen Göttin" nicht belegen, in der Gruppen von Menschen belegt. Die Gesellschafts meroitischen Zeit möchte Hofmann sie mit der struktur von Kerma ist weitgehend unbekannt; aus erotischagressiven Göttin identifizieren. Sie soll welchen Gründen gewaltsam getötete Menschen durch den Kontakt mit Ägypten nach Nubien einge Verstorbenen in die Gräber mitgegeben wurden, führt worden sein, auch nubische Söldner in Vor kann nicht mehr nachvollzogen werden. derasien bzw. Asiaten in Nubien brachten diese Vorstellungen in den antiken Sudan7. Im Neuen Reich tritt uns die nubische Kultur stark ägyptisiert gegenüber. Einheimische Kompo Leider hat man aus dieser frühen Zeit noch keine nenten sind nur schwer auszumachen. Jedoch gibt Zeugnisse, welche Rolle die Frauen im Sozialgefü es Darstellungen von Nubierinnen in Ägypten, die ge oder bei der Herrschaft der Häuptlinge spielten. sie mit ihrer einheimischen Tracht zeigen. Die Sicherlich waren sie vor allem mit der Haushalts Nubierinnen sind entweder Dienerinnen in Häu führung und den damit verbundenen Aufgaben wie sern von höhergestellten ägyptischen Familien z.B. der Keramikherstellung betraut. Doch konkre eine Reihe von Dienerinnenfigürchen mit negro te Aussagen können nicht getroffen werden. iden Zügen und leichter, einheimischer Bekleidung weisen darauf hin oder sie sind im Zusammen In Kerma wurden Menschenopfer in Gräbern hang mit Feldzügen nach Nubien und Tributbrin gefunden8. Häufig fand man Frauen als Opferbe gern auf Tempelwänden oder in Gräbern darge stattungen in Männergräbern, auch Kinder wurden stellt. Meist sind sie mit einer Reihe von Kindern, gewaltsam getötet und Verstorbenen beigegeben. die sie gelegentlich in einem Korb am Rücken Lange wurde geglaubt, daß die geopferten Men tragen, gezeigt. Auch hier sieht man also wieder schen Sklaven aus anderen Gebieten des Reiches den Hinweis auf die Fruchtbarkeit der Frauen; waren, doch wurden auch Gräber gefunden, in Ägypterinnen werden viel seltener so eng mit Kin denen sich die genetischen Strukturen der darin dern verbunden dargestellt. Bestatteten sehr ähnlich waren, es sich also um Familien handelte. Die am meisten belegte Form Ein besonderes Vorkommen einer Nubierin soll von Bestattungen in Kerma sind Gräber mit einem noch erwähnt werden: Im Grab des Huj, dem Vize männlichen Verstorbenen, dem eine Frau als Men könig von Kusch unter dem Pharao Tutanchamun, schenopfer beigegeben wurde. Doch davon sollte wird eine Reihe von nubischen Fürsten und Tribut man nicht gleich auf eine stark untergeordnete, bringern gezeigt (Abb. 2f. Hinter den ersten, in 123 Verehrung auf die Knie gesunkenen Fürsten, wird eingewebten Streifen verziert), manchmal eine eine hochrangige Nubierin, vielleicht eine Prinzes Schärpe, und fast immer das hinter den Beinen sin, dargestellt. Sie ist nicht, wie sonst üblich, mit herabhängende kleine Schwänzchen, das ich als dem einheimischen Gewand (wadenlanger Rock) unter das Knie gebundenen Fuchsschwanz inter und Kindern gezeigt, sondern sie trägt ägyptische pretieren möchte. Außer Accessoires wie Armrei Kleidung und ist festlich geschmückt. Hervorzuhe fen oder Halskragen findet man auch manchmal ben sind die beiden an den Ellenbogen gebundenen Sandalen, fast immer jedoch eine Krone oder ande Tierschwänze, ein Zeichen für Nubier. Hinter einer ren Kopfputz. Die häufigste Krone sind die zwei Gruppe von ebenfalls ägyptisch gekleideten Nubi Federn mit Sonnenscheibe und Kuhgehörn (in den ern wird eine weitere Dame in einem Wagen, der Proportionen jedoch anders als die ägyptische Kö von Rindern gezogen wird, gefahren. Sie ist eben niginnenkrone), die die Nähe zu Isis (in Ägypten falls ägyptisch bekleidet und geschmückt. Auf dem eher Hathor) andeutet. Die Darstellung der Tracht Kopf trägt sie einen Federschmuck von enormer des Königs orientiert sich doch sehr an ägyptischen Größe. Hinter dem Wagen folgt eine Reihe von Vorbildern, wobei aber verschiedene kuschitische gefangenen Männern, die durch Physiognomie und Merkmale12 auch die Königstracht unverwechsel Tracht als Nubier gekennzeichnet sind. Zuletzt ist bar machen. Viel „unägyptischer" als der König eine Nubierin in ihrem typischen Aussehen mit erscheint uns die Königin: Abgesehen von der Kindern an der Hand und im Buckelkorb gezeigt. Geierhaube, der ZweiFederkrone und der Zwei Federkrone mit Sonnenscheibe und Hathorgehöm (letztere wird bereits in frühnapatanischer Zeit ver //. Die napatanische Periode des Reiches von ändert und „meroitisiert" dargestellt) findet man so Kusch1" gut wie nichts Ägyptisches an der Tracht13. Die Darstellung der Frau in der kuschitischen Tracht Nach der Dritten Zwischenzeit erstarkt südlich tritt sowohl in Ägypten als auch in Nubien auf, bei von Ägypten das Reich von Kusch. Die Herrscher königlichen und privaten Frauen. Das zeigt, daß dehnen ihren Einflußbereich nach Norden aus, mit nicht nur die Königinnen, sondern auch die Privat dem König Schabaqo begründen sie die 25. Dyna personen ihrer Tradition verhaftet blieben. stie (ca. 760656 v. Chr.) in Ägypten. Seit der Zeit des Vorgängers von Schabaqo, Piye, geben eine Reihe von schriftlichen Zeugnissen Kunde vom Titel und Epitheta kuschitischen Königtum. Aus diesen Schriften und aus den Darstellungen und Beischriften in den Titel können einen Aufschluß über die Stellung Tempeln der Zeit sind viele Informationen über die der Person in der Gesellschaft geben. Epitheta da Frauen, allerdings nur über die königlichen, zu gegen sind lobende Beiworte, die besondere Eigen ziehen. In einzelnen Abschnitten soll nun das, was schaften wie den Liebreiz der Frau hervorheben. über die königliche Frau der 25. Dynastie und Diese Epitheta sind ursprünglich Beiworte von napatanischen Zeit aus diesen Quellen zu erfahren weiblichen Gottheiten, die jedoch schon früh von ist, vorgestellt werden. königlichen Frauen, ab dem Mittleren Reich auch von Privatfrauen übernommen wurden. Die Tracht Während in der napatanischen Frühzeit königli che Frauen wenige, aber unterschiedliche Titel tra Durch die Untersuchung der Darstellung der gen, sind sie in der Hauptphase der 25. Dynastie kuschitischen königlichen Frauen ergibt sich das reichlich mit Titeln und Epitheta ausgestattet. In der Bild, daß sie, im Gegensatz zu den Gottesgemahlin Zeit nach der 25. Dynastie findet man wieder nur nen", ihrer eigenen Tradition verhaftet bleiben und wenige und gleichförmige Titel. Hervorzuheben sich auch in der 25. Dynastie in ihrereinheimischen ist, daß sakrale Titel nur auf Denkmälern in Ägyp Tracht zeigen (Abb. 3). Dazugehören ein unter den ten, nicht jedoch in Kusch (wo es allerdings nach Achseln oder um die Hüften geschlungenes Tuch, weisbar Priesterinnen gab) auftreten. Möglicher ein weiter Umhang (teilweise mit Fransen oder weise aus Gründen der Komplementarität steht auf 124 e^zs, u KÄS :> - Q -V c:' feil »J L 91 /s=ss$ 3=^=3 ^7 ^JVJ) 0=4, 2=^, «ss» (ii 8)C ;& =^5 ^Ä&JL^T^ Ä. ÄüsR 1 <) o O o 4 0 0==^ J o J O II Od ssx^, ffffffea /f o o TT S.=0C=- ££=3> i / ^ t ^ l ^ ^ A f l ^ Q ^^ o 0° Ifff^Q ^ g^^s«a/i== czzza ex** t] 0 ^ ^ y ^ ^ T ä^ i n n i^ o se 0 n^ivs/ ^sjg^f sie sifg€ & ^ 3 u Abb. 3 Giebelfeld der Traumstele des Tanwetamani (Kairo JE 48863). den antithetischen Giebelfeldern der großen Kö Verwandtschaftsverhältnisse und Erbfolge im Reich nigsstelen jeweils eine königliche Frau hinter dem von Kusch König (entweder eine Gemahlin oder eine Mutter eines Königs, wobei es meist zwei verschiedene Bei der Untersuchung der Erbfolge stellte sich Frauen sind), auf der einen Seite trägt sie den Titel heraus, daß sie sich vom patrilinear konzipierten „Herrin von Kusch ", auf der anderen Seite „ Herrin Ägypten unterscheidet. Macadam weist auf die von Ägypten " (Abb. 3). Diese Titel, so wie auch häufige Abfolge von Brüdern im napatanischen „Herrin aller Frauen", heben die besondere Be Königshaus hin und plädiert für ein kollaterales deutung der Frau als Erste des Staates hervor. System14. Priese15 vertritt die Ansicht, daß es sich um ein matrilineares System handelte. Der neueste Als Epitheta dominieren Beiworte wie „die Ansatz ist von Morkot"', der die von Dunham und Süße", „die Beliebte", „groß an Liebreiz" etc., Macadam17 aufgestellte Genealogie in Frage stellte alles Worte, die auf typisch weibliche Eigenschaf und damit den Weg für neue, von den herkömmli ten wie Schönheit und Charme hinweisen. chen abweichende Überlegungen öffnete. 125 Meines Erachtens sind die Argumente von Prie Die Thronfolge der Könige von Kusch hängt se am überzeugendsten, so daß auch ich von einer also nicht wie in Ägypten vom Vater ab normaler starken matrilinearen Komponente im Erbfolgesy weise wird der älteste Sohn des alten Königs der stem der Kuschiten ausgehe. Doch sollte man die neue Pharao , das Wesentliche in Kusch ist die von Priese aufgestellte These „alle Söhne der älte Abstammung von der Mutter, die einer bestimmten sten Schwestern erben" verallgemeinern zu „die Gruppe entstammen muß, die ihre Linie bis zum Söhne der Schwestern erben ". Auch bei matrilinea Dynastiegründer Alara zurückführen kann. Anders rer Erbfolge ist der Urahn meist männlich, so wie als in den bekannten antiken Kulturen ist hier die auch der regierende Häuptling oder König männ weibliche Seite, die Mutter, das ausschlaggebende lichist18. Fürdie25. Dynastie und napatanische Zeit Kriterium für die Möglichkeit, König zu werden. In findet man immer wieder die Erwähnung von Ala der meroitischen Periode, aus der viele Privatfami ra, der als Dynastiegründer angesehen wird. Nor lien bekannt sind, scheint ebenfalls vor allem die malerweise sind in solchen Erbfolgesystemen die Mutter der entscheidende Faktor für die Familien „Schwestern" des die Macht Innehabenden (Häupt zugehörigkeit zu sein. ling, König) die Frauen, die die Legitimation an ihre Kinderweitergeben: Ihre Söhne können Häupt ling oder König werden, ihre Töchter sind wieder Die Rolle der königlichen Frau im Götterkult Trägerinnen der Legitimation'1'. Für die Kuschiten heißt das, daß die Schwestern des Alara die ersten Die kuschitische königliche Frau hat im Ver Frauen, die den Anspruch auf den Thron vererben gleich zur ägyptischen weitaus bedeutendere Funk konnten, waren. In zwei Stelen des Taharqo heißt tionen im Götterkult. Sie begleitet nicht nur Sistrum es, daß die Mutter/Mütter meiner Mutter die rasselnd den König, sondern sie führt dabei meist Schwester(n) des Alara warfen) 2". Da wird auch auch eine eigene kultische Handlung, die Libation, gesagt, daß das Kind dieser Mutter König sein soll. durch (Abb. 5). Mit der Darstellung von libierenden In einer breiteren Interpretation der ursprünglichen Frauen wird ab der 25. Dynastie eine neue Form Theorie von Priese können wir darauf schließen, gefunden, die aus einer neuen kultischen Funktion daß die Töchter einer snt njswt („Schwester des der Königin entstanden ist und auf tatsächliches Königs") wieder snt njswt sind, die Söhne sn njswt Libieren durch die Königin im Götterkult schließen („Bruder des Königs") sind und somit die Gruppe läßt. Die Frauen der königlichen Familie erleben der Thronprätendenten bilden (s. Abb. 4). Eine eine Erweiterung ihrer kultischen Aufgaben. Die Frau, deren Mutter snt njswt ist, ist dadurch selbst Königin (bzw. eine andere weibliche königliche snt njswt. Wenn der Sohn einer snt njswt, der Person) übernimmt einen Teil der Aufgaben, die dadurch zu der Gruppe der snw njswt („Brüder des der König als oberster Kultherr für den Gott auszu Königs") gehört und möglicher Thronanwärter ist, führen hat. In Ägypten beschränkte sich die kulti zum König gewählt wird, erhält seine Mutter zu sche Funktion der Königin hauptsächlich auf das sätzlich zu dem snt njswt noch die Bezeichnung Sistrumspiel und das Singen im Tempel. In Kusch mwt njswt („Mutter des Königs"). Soweit erhalten, hat die Königin mit der Libation auch eine wichtige, sind die mwt njswt auch snt njswt. bisher rein dem König vorbehaltene Kulthandlung auszuführen. Man hat also bei der Bedeutung von sn/snt njswt nicht von einer verwandtschaftlichen, sondern ei ner sozialen Kategorie „Brüder" und „Schwestern" Die Mutter des Königs bei der Krönung des Kö auszugehen. So werden auch die vielen hmt njswt nigs'1 („Gemahlin des Königs") snt njswt verständlich, ohne an Inzest oder um der Legitimation willen Eine bedeutende Rolle kommt der königlichen vollzogene Schwesternheirat denken zu müssen. Mutter bei der Krönung zu (Abb. 5). Zunächst Wenn sich der König allerdings mit einer snt njswt vererbt sie als snt njswt ihrem Sohn überhaupt die verbindet die Wahrscheinlichkeit, dabei auf eine Möglichkeit, König zu werden. Sie reist zur Krö leibliche Schwester zu stoßen, ist hierbei relativ nung des Königs an und hält eine „Rede", in der sie gering so werden alle seine Söhne snw njswt und Amun um die Herrschaft für ihren und seinen Sohn somit mögliche Thronanwärter. bittet. Die Mutter des Königs nimmt somit eine 126 Alara snt njswt snt njswt I i—r'— i sn n. snt n. snt n. sn n. sn n. snt n. J 1 r— —i I I . sn n. snt n. sn n. snt n. sn n. snt n. r n snt n. snt n. snt n. sn n. sn n. sn n. Abb. 4 Imaginäre Aufstellung der Vererbung des Thronanspruches. Unterstreichungen: als König gewählter sn njswt. Schlüsselstellung bei Nachfolge und Legitimation ihre Alten in Begleitung ihrer Jungen. Sie bejubel des neuen Königs ein. ten diese Mutter des Königs, indem sie sagten: ,Isis, als Horus sie erreichte, war wie sie nun, da sie Von drei Königen haben wir das Zeugnis, daß wieder vereint ist mit ihrem Sohn'. " deren Mutter zur Krönung ihres Sohnes angereist kam. Zu Taharqo kam seine Mutter Abalo bis nach Wahrscheinlich ebenfalls bei der Krönung hält Memphis, Anlamani und Irikeamanote besuchten die Königsmutter bzw. die Königin eine viermal deren Mütter in Napata. Ob diese Reise, die in den (zweimal leider sehr fragmentarisch) belegte Rede24. Texten mit dem IsisHorusMythos22 verbunden Diese „Rede" war keine Formel, die stereotyp rezi wird, tatsächlich stattgefunden hat, kann nicht nach tiert werden mußte, sondern eine formal individuel gewiesen werden. Zumindest ist durch die Erwäh le Phrase mit gleichem Inhalt. Die königliche Frau nung dieser Reise ausgedrückt, daß es für den bittet Arnim um das Königsamt für den neuen König wichtig ist, daß seine Mutter bei oder knapp König, der Gott soll ihn „festsetzen "als König. Die nach der Krönung anwesend ist. Als Beispiel soll Einsetzung des Königs durch den Gott ist also nicht der Besuch der Abalo bei Taharqo dienen23:,, [Nun selbstverständlich, zumindest um einem vielleicht war sie in] Nubien, die Schwester des Königs, alten Ritual Genüge zu tun, muß eine Frau aus dem angenehm und lieblich, die Mutter des Königs (A ba Königshaus Amun um das Königsamt bitten. lo), sie möge leben. Ich ging weg von ihr als ein Jugendlicher von 20 Jahren, als ich mit Seiner Majestät nach Unterägypten kam. Da kam sie in ///. Die meroi tische Periode des Reiches von Kusch25 den Norden, um mich zu sehen nach einigen Jahren. Sie fand mich gekrönt auf dem Thron des Horus, Mit dem Verschwinden der ägyptisch (und so [nachdem] ich die Diademe des Re erhalten hatte, mit für uns verständlich) geschriebenen Texte müs [nachdem] die Beiden Schlangen auf meinem Kopf sen sich weitere Untersuchungen wieder größten vereinigt waren und alle Götter meinen Körper teils auf archäologische Quellen stützen. Nur die beschützten. Sie war in gro/ier Freude, nachdemsie meroitischen Totentexte, die wegen ihres formalen die Schönheit Seiner Majestät gesehen hatte. Wie Aufbaus und der häufig wiederkehrenden gleichen Isis ihren Sohn Horus sah, gekrönt auf dem Thron Worte weitgehend entschlüsselt werden konnten, seines Vaters, nachdem er als Jugendlicher im Nest bieten einen Einblick in die meroitische Familien von Chemmis war. Oberägypten und Unterägypten struktur. Bei den Angaben der Eltern wird häufig und alle Fremdländer lagen auf dem Boden vor der der Muttername vor dem Namen des Vaters ge Mutter des Königs und waren in großer Freude, nannt. In einigen Fällen wird überhaupt nur die 127 ' w > vja yjj »Ä IM iöCfö &<&5 iDröC C=3 u e=3 1—s njy) ra c (U. 5^ e=ü=0 c o ^ o JI* 9» ^ 0 ' fc=9 <=5 CÄ^ Q -s Abb. 5 Giebelfeld der Inthronisationsstele des Aspelta (Kairo JE 48866). Mutter erwähnt26. Auch aus anderen Hinweisen läßt Die meisten Schlüsse zur Rolle der Frau in der sich die Vorrangigkeit der mütterlichen vor der meroitischen Zeit kann man aus den Darstellungen väterlichen Abstammung erschließen27. Vor allem in den Pyramidenkapellen bzw. den Grabanlagen das Fehlen eines Ausdrucks für , Vater von überhaupt und, für den königlichen Bereich, auch in den Totentexten unterstützt die Annahme, daß aus den Tempelbauten ziehen. diese Texte mutterrechtliche Verhältnisse wider spiegeln211. " Die Gräber30 Während die königliche Frau eine herausragen de Stellung einnimmt, konnte die Privatfrau keine Die königlichen Frauen der 25. Dynastie wur offiziellen Ämter bekleiden29. Ihre Aktivitäten wa den auf dem Friedhof von El Kurru (Abb. 6), die der ren auf den häuslichen Bereich beschränkt. Es gibt napatanischen Periode in Nuri bestattet11. Da die aber Zeugnisse, daß sie an der Getreideverarbei Gräber in El Kurru und Nuri sich nur in „Königsgrä tung und der Textilproduktion beteiligt waren. Im ber" und „NichtKönigsgräber" teilen lassen, nicht Tempel und Palastdienst nahm sie eine unterge jedoch in „Frauengrab" „Männergrab", ist die ordnete Stelle ein. Zuweisung zu Königinnen nicht zulässig. Wenn 128 Knochen gefunden wurden, wurde nur in den sel Oberbau die echte Pyramide. Daß nicht nur Ange tensten Fällen eine Geschlechtsbestimmung vorge hörige der Königsfamilie in Särgen bestattet wur nommen, auch anhand der Grabbeigaben kann kein den, beweisen die vielen Sarg und Kartonagereste Unterschied zwischen Frauen und Männergrab im West und Südfriedhof von Meroe bzw. die gemacht werden. Darum müssen die NichtKö Funde in Sanam. In ägyptischer Tradition liegtauch nigsgräber als Gesamtkomplex behandelt werden, die Ausstattung der Mumie mit Gesichtsmaske und wobei ich jedoch nicht ausschließen möchte, daß anderen Mumienbesatzstücken, dem Perlennetz einige der Bestatteten männliche Angehörige des sowie Finger und Zehenkappen. Reste dieses Mu Königshauses waren. Allerdings konnte kein Män mienschmuckes wurden auch in den Privatgräbern nergrab (außer den Königen) sicher identifiziert von Sanam und Meroe gefunden. werden. Auch in der Masse und der Auswahl der Beiga Die Verstorbenen wurden zumindest ab der Zeit ben läßt sich kaum ein Unterschied zwischen den des Piye in Särgen bestattet, der erste Beleg für königlichen Angehörigen und Privatpersonen er Mumienaugen12 stammt aus dem Grab Ku. 53 von kennen. Spiegel, Toilettgegenstände und Bronze Tabiry, der Gemahlin des Piye. Da mit Piye durch gefäße sind ebenso in Gräbern von Privatpersonen die intensiven Kontakte zu Ägypten eine Änderung üblich. Der einzige Unterschied in der Ausstattung, in vielen Bereichen der Kultur einhergeht, ist es den ich feststellen konnte, waren die bei den Kö anzunehmen, daß sich auch die Begräbnissitten nigsangehörigen aufgetauchten Kunstwerke aus geändert haben. Piye ist auch der erste König, der Edelmetall. Funde solcher Art wurden weder in vom Schachtgrab abkommt und den Zugang zu sei Sanam noch in den Privatgräbern von Meroe ge ner mit Keilsteinen gewölbten Grabkammer über macht. Auch Stelen oder Opfertafeln gehören zur Treppen organisiert, als erster König wählt er als Bestattung, gleich ob königlich oder nicht. Abb. 6 Friedhof von El Kurru. —TM •HL1 OT . 7J* b- - -» M. tm-.fi 129 Abb. 7 Die Pyramiden des Nordfriedhofes von Meroe. Meiner Meinung nach kann - zumindest, wenn der Bestattungen im Friedhof: Alle Königsgräber man von den Publikationen ausgehen muß - kein (außer dem des Taharqo, das ziemlich im Mittel Unterschied zwischen der Ausstattung eines Män punkt plaziert ist) liegen am Ostrand des Plateaus, ner und eines Frauengrabes gemacht werden, ge die Königinnen südlich, westlich und nördlich der nauso muß man sich auf hervorstechende Zufalls Pyramide des Taharqo. funde verlassen, wenn man ein Grab aufgrund sei nes Inventars einer königlichen oder einer privaten Der königliche Friedhof wurde mit dem Beginn Person zuordnen möchte. der meroitischen Zeit zunächst an den Gebel Bar kai, dann nach Meroe verlegt. Am Gebel Barkai Die einzige Differenzierung, die man machen befinden sich zwei Pyramidengruppen, wobei die kann, ist die Unterscheidung in Gräber von Köni frühere Südgruppe um 315270 v. Chr., die spätere gen und anderen. Königsgräber sind, zumindest seit Nordgruppe um 9050 v. Chr. zu datieren ist. In der historischer Zeit (Kaschta), an der Größe und an der nördlichen Gruppe befindet sich auch die Pyramide Lage im Friedhof zu erkennen. In El Kurru tritt der Nawidemak, einer Herrscherin, die auch von spätestens seit Piye eine Geschlechtertrennung bei einer heute verschwundenen Goldstatuette bekannt der Gruppierung der Gräber auf: Könige liegen im ist. Diese Königin herrschte um ca. 50 v. Chr. Der zentralen Teil des Friedhofes, Königinnen nördlich neuerliche Wechsel der Begräbnisstätte vom kö und südlich davon. In Nuri sind die Gräber der niglichen Friedhof in Meroe zum Gebel Barkai Könige einerseits durch ihre viel größere Pyramide könnte mit einem Dynastiewechsel oder mit einer und durch die drei unterirdischen Kammern ge aktiveren Nordpolitik, wie sie dann für die nächsten kennzeichnet, andererseits wieder durch die Lage siebzig Jahre sicher belegt ist, einhergegangen sein". 130
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