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Die Entstehung der Kunstgeschichte im 19. Jahrhundert: Der Vortrag wurde am 24. Januar 1992 in Düsseldorf gehalten PDF

58 Pages·1993·1.917 MB·German
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Gerda Henkel Vorlesung Gerda Henkel Vorlesung herausgegeben von der gemeinsamen Kommission der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Gerda Henkel Stiftung Die Entstehung der Kunstgeschichte im 19. Jahrhundert Georg Kauffmann Westdeutscher Verlag Der Vortrag wurde am 24. Januar 1992 in Düsseldorf gehalten. Die Deutsche Bibliothek -CIP-Einheitsaufnahme Kauffmann, Georg: Die Entstehung der Kunstgeschichte im 19. Jahrhundert: [der Vortrag wurde am 24'lanuar 1992 in Düsseldorf gehalten] / Georg Kauffmann. - Opladen: Westd. Ver., 1993 (Gerda-Henkel-Vorlesung) Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann International. © 1993 by Westdeutscher Verlag GmbH Opladen Herstellung: Westdeutscher Verlag ISBN 978-3-322-98837-9 ISBN 978-3-322-98836-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-98836-2 Für Gisela Inhalt Georg Kauffmann, Münster Die Entstehung der Kunstgeschichte im 19. Jahrhundert Das Panorama . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Der romantische Impuls ......................................... 17 Der Aufbruch der Wissenschaft ................................... 25 Das "Fach" in der zweiten Jahrhunderthälfte ........................ 31 Ausblick in das 20. Jahrhundert ................................... 39 Abbildungen 41 Bildnachweis 57 Das Panorama Die Kunstgeschichte wird heute weltweit als ein akademisches Fach mit um rissener Methodik nach einheitlichen Maßstäben betrieben.! Dem Comite Inter· national, das den wissenschaftlichen Austausch gemäß den Grundsätzen des Con· seil International de la Philosophie et des Sciences Humaines regelt, gehören derzeit vierunddreißig Nationen an. Zuletzt hat noch Japan im September 1991 in Tokio den Nachweis dieses Standards erbracht. Im 19. Jahrhundert dagegen existiert Kunstgeschichte nur in Europa, und auch da nicht überall. Spanien z. B. kennt sie nicht. In Portugal befaßte sich nur ein Ein zelner mit der heimischen Goldschmiedekunst und der Keramik und gruppierte als erster die bedeutende portugiesische Malerschule des 16. Jahrhunderts.2 Über raschenderweise spielt auch Italien keine Rolle. Zwar wurde die Renaissance forschung in großem Stile durch deutschsprachige, angelsächsische und französi sche Gelehrte in Gang gebracht, die Italiener selbst aber verharrten im Schön geistigen, bis 1896 an der Universität Rom der erste Lehrstuhl begründet und mit Adolfo Venturi besetzt wurde. Auch in den Niederlanden gibt es keine Kunst geschichte. Die Erschließung der holländischen und flämischen Kunst erfolgte gleichfalls von außen her, durch die Katalogwerke des Londoner Kunsthändlers John Smith (1829-1842) und die Gesamtdarstellungen der Malerei des Franzosen Andre Michiels. Die gelehrte Tradition Englands hat große Archäologen hervorgebracht, der Antike, des Byzantinischen und des Fernen Ostens - die Kunstgeschichte blieb mehr im Hintergrund. Sie wurde auch weniger an den Universitäten betrieben als an den Museen, weil sie vornehmlich der Ausbildung des Museumspersonals I Grundlegend Wilhelm Waetzoldt: Deutsche Kunsthistoriker, 2 Bde, Leipzig 1921/1924. - Pierre Lavedan: Histoire de l'Art, Collection "Clio", 2 Bde., 2. Auf!. Paris 1949/1950. - Germain Bazin: a Histoire de l'histoire de l'A rt de Vasari nos jours, Paris 1986 (das sehr reichhaltige Werk leidet unter zahlreichen Druckfehlern). -Neuerdings wichtig: Kunst und Kunsttheorie, herausgegeben von Peter Ganz, Martin Gosebruch, Nikolaus Meier und Martin Warnke, Wolfenbütteler Forschungen Bd. 48, Wiesbaden 1991. 2 Joaquim de Vasconcellos: Hist6ria da Ourivesaria e Joalharia portuguesa, 2 Bde., Porto 1882. Vascon cellos stammte aus einer begüterten Familie und hatte zeitweise in Deutschland (Hamburg) gelebt. Möglicherweise kann er dort Anregungen erfahren haben, denn schon vor ihm hatten sich deutsche Forscher (Karl-Albrecht Haupt, Carl Justi) mit portugiesischer Kunst befaßt. 10 Georg Kauffmann diente. Sir Charles Eastlake, erster Direktor der National Gallery und Präsident der Royal Society, bekam 1833 und 1836 Gelegenheit, an die Universität zu wech seln, lehnte beidemal aber ab. 1869 stiftete Felix Slade drei Lehrstühle an den Uni versitäten Oxford, Cambridge und London. Der oxforder wurde mit J ohn Rus kin besetzt; aber es wurde ein Reinfall. Der emotionale und schweifende Reformer von erheblichem Einfluß blieb an der Universität ein Fremdkörper. In England hat die Architektur immer eine bevorzugte Rolle gespielt, die Erfor schung der Malerei wurde eigentlich nur an der National Gallery betrieben und stand unter dem Eindruck der damals schon fortgeschrittenen deutschen Kunst geschichte. Eastlake, der von Haus aus Maler war, publizierte 1842 eine Übersetzung des Buches von Franz Kugler über die italienischen Malerschulen und gab Goethes Farbenlehre heraus. Im übrigen blieb Englands Beitrag zur europäischen Kunst geschichte außerhalb Großbritanniens begrenzt und eine wissenschaftliche Dis kussion kam nicht zustande, weshalb auch kein Bedürfnis nach einer Fachzeit schrift bestand. Während Frankreich seit 1854 seine Gazette des Beaux Arts besitzt, Deutschland seit 1876 das Repertorium für Kunstwissenschaft und das Jahrbuch der preußischen Kunstsammlungen, dem in Österreich das Jahrbuch des allerhöchsten Kaiserhauses an die Seite trat, stammt Englands führendes Fachorgan, das Bur· lington Magazine, erst aus dem 20. Jahrhundert. J Im europäisch geprägten Amerika mußte sich die Kunstgeschichte erst frei kämpfen aus einem Dickicht von praktischem Kunstunterricht und dem amor phen Monster einer sogenannten "Allgemeinbildung". Differenziertere Kennt nisse entwickelten sich spät, mit öffentlichen Kunstkritiken begann die New York Herald Tribune 1891. Die erste amerikanische Universität, an der Kunstgeschichte gelehrt wurde, war Harvard. Im Geiste des Engländers John Ruskin zog hier seit 1874 Charles Eliot N orton eine Reihe bedeutender Schüler heran, unter denen Ber nard Berenson herausragte, ein überfeiner Geist, der in Boston lebte und nicht nur die Malerei der Frührenaissance bearbeitete, sondern auch als unangefochtener Experte eine immense Rolle spielte beim stürmischen Aufbau der großen Privat sammlungen, was ihm ein Vermögen einbrachte. Das wies aber schon auf das 20. Jahrhundert voraus, in dem die USA auch wissenschaftlich zur Weltmacht wurden. Skandinavien lag geographisch zwar am Rande, wissenschaftlich orientierte es sich jedoch zum Zentrum hin. Mit dem politischen Aufstieg im 17. Jahrhundert entwickelte sich die nordische Altertumskunde. Seit 1630 gibt es in Schweden das 3 1895 wurde der National Trust begründet, eine Privatvereinigung zur Erhaltung von Zeugnissen der Vergangenheit und der Schönheiten der Natur. Seitdem werden die Schlösser und Gärten der großen englischen Herrensitze mit ihren bedeutenden Kunstschätzen dem Publikum zugänglich gemacht. 1897 wurde die Zeitschrift "Country Life" ins Leben gerufen. - Ursula Seibold-Bultmann: Kenner vor neuen Rahmen, in: Neue Zürcher Zeitung, 31. 7.1992, 73f. Die Entstehung der Kunstgeschichte im 19. Jahrhundert 11 Amt des Reichsantiquars. 1723 erhielt die finnische Universität einen historisch antiquarischen Lehrstuhl,4 an dem lateinische Dissertationen geschrieben wur den, deren anhaltende Bedeutung darin liegt, daß sie uns mit mittelalterlichen Bildwerken bekannt machen, die heute verschwunden sind. Nach 1800 geriet der Norden unter den Einfluß romantischer Ideale aus Deutschland und begann mit Herder und dem jungen Goethe die alten Denkmale als Zeugen eines ursprünglich gewachsenen Volkstums zu schätzen. Deutschland wurde überhaupt zum Leit bild. Es wurde üblich, in Berlin oder München zu studieren und die Dresdner Gale rie zu besuchen. Schon am ersten Internationalen Kongreß für Kunstgeschichte 1873 in Wien nahmen auch zwei Finnen teil. Finnland spielte überhaupt eine besondere Rolle.s Als kunstgeschichtliches Handbuch führte es eine Übersetzung von Wilhelm Lübkes "Grundriß der Kunstgeschichte" ein und griff auch für die Struktur seiner Universität auf deutsche Vorbilder zurück: Es übernahm das Modell des "Privatdozenten" sowie den Unterrichtstyp des "Seminars". Das wissenschaftliche Problembewußtsein allerdings blieb unscharf. Das änderte sich erst mit dem 1857 geborenen Johann Jacob Tikkanen, einem Metho diker von Format. Den irrationalen Gesamtkomplex "Kunst" gliederte er in ratio nal zu durchmessende Betrachtungsebenen und bemühte sich um eine exakte Ter minologie - für beides fand er Muster bei den Naturwissenschaften, in den Klassie rungssystemen der Botanik und bei Charles Darwin. Tikkanen fragte, wie es wohl komme, daß Bilder "erzählen" können, und er konzentrierte sich dabei auf das Stu dium der Bewegungsformen. Neben Darwins 1877 erschienener deutscher Aus gabe von "The expression of the Emotion in Man and Animal"6 benutzte er auch ein Handbuch für Schauspieler sowie die ersten Bewegungsphotos. Tikkanen hatte in Berlin selbst photographieren gelernt um herauszufinden, warum Momentaufnahmen eine solche Fülle von Gesten zeigen, die niemals Eingang in die Bildende Kunst gefunden haben. Wie entstehen die wenigen, aus einer so viel größeren Menge von Möglichkeiten herausgefilterten Bewegungs-Typen in Male rei und Plastik? Diese Frage konnte Tikkanen beantworten durch den Nachweis einer selektierenden Entwicklungskette. Es ist heute leicht, über einige seiner 4 Er wurde mit dem Schweden Algot Scarin (1684-1771) besetzt. S Die Geschichte der Gelehrsamkeit in Finnland beginnt mit der Gründung der Academia Aboensis in Turku 1640. Finnland war damals ein Teil Schwedens. Infolge der napoleonischen Kriege wurde das Land 1809 autonomes Großherzogtum Rußlands. 1828 verlegte man diese einzige Universität Finn lands in die neue Hauptstadt Helsingfors (Helsinki), sie erhielt den Namen "Kaiserliche Alexander Universität von Finnland", vgl. Sixten Ringbom: Art History in Finland before 1920, Helsinki 1986, Preface, 20, passim. 6 1872. Die deutsche Ausgabe trägt den Titel "Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Men schen und den Thieren", vgl. Mea Allan: Darwins Leben für die Pflanzen. Der Schlüssel zur "Entste hung der Arten", Wien und Düsseldorf 1980, 368. 12 Georg Kauffmann Themen zu lächeln, über "Die Beinstellung in der Kunstgeschichte" oder "Zwei Gebärden mit dem Zeigefinger" . Dahinter verbirgt sich jedoch die Einsicht in ein elementares Kunstprinzip, nämlich dasjenige der Vereinfachung der natürlichen Gegebenheiten, das eine Ursache dafür ist, daß sich ein Bild viel tiefer in unser Bewußtsein eingraben kann als die Wirklichkeit selbst. Tikkanen war aber auch auf anderen Gebieten erfolgreich. So hatte er gesehen, daß die Mosaiken von S. Marco in Venedig von der sogenannten "Cotton-Genesis" der British Library abhängen, was ihm erlaubte, den Ursprung eines der Haupt momunente der italo-byzantinischen Kunst des 13. Jahrhunderts auszumachen und damit einen Weg zu entdecken, auf dem der Hellenismus von der frühchrist lichen über die byzantinische zur romanischen Kunst gelangt war. Schon seine Doktorarbeit über Giotto hatte Aufsehen erregt, seiner Studie über den Utrecht Psalter wurde noch kürzlich eine holländische Dissertation gewidmet,7 einige sei ner Schriften kamen wieder im Reprint heraus, die meisten sind deutsch abgefaßt. Seit Tikkanen bedient sich die Kunstgeschichte Skandinaviens vornehmlich des Deutschen als Wissenschaftssprache. Was aber machte die deutsche Kunstgeschichte so attraktiv? Die Wertschätzung der Kunst war in Deutschland immer hoch angesiedelt gewesen. Weil sie zweckfrei ist, erweckt sie im Menschen Interessen einer höheren Art. Baumgartens und Kants Ästhetik hatten zur Folge, daß unserer Kunstgeschichte immer eine philo sophische Komponente beigemischt blieb, die sich um 1800 mit Schellings transzendentalem Idealismus auf das unerklärbare Walten des "Genies" konzen trierte, das die ewigen Schönheiten enthüllt, von denen die äußerlich sichtbaren nur ein schwacher Abglanz sind. Die Antike sah man als den Gipfel an, die Griechensehnsucht der Deutschen erwachte. Ludwig I. plante in München ein "neues Athen" und berief den Philosophen Schelling zum Generalkonservator seiner Sammlungen. Kunst ist Epiphanie - so dachte auch Hegel, für den sie die Welt nicht nachzu ahmen, sondern zu entschleiern hatte. Kunst führt zur Wahrheit hin, sie meidet das Subjektive, weshalb auch das "Ich" des Künstlers nicht hervortreten soll. Hegels Bindung an Geschichtsvorstellungen ließ ihn einen Weg der Kunst entwer fen vom Symbolischen über das Sakrale zum Sublimen, das zur Vollendung führt im Klassischen, dessen höchster Ausdruck der griechische Tempel ist.8 Demzu folge kann die Kunst der Moderne auch keine Kunst mehr sein, Kunst wird zu einer Sache der Vergangenheit - und damit war einer historisch arbeitenden Kunst wissenschaft Tür und Tor geöffnet. 7 J. H. A. Engelbregt: Het Utrecht Psalterium. Een eeuw wetenschappelijk bestudering (1860-1960), Diss. Utrecht 1964. 8 Dtto Pöggeler: Die Frage nach der Kunst. Von Hegel zu Heidegger, Freiburg/München 1984.

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