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Die Energiesituation der Bundesrepublik und die Zukunftsaussichten der Kohle. Der Wandel in der Stahlerzeugung und die Auswirkungen auf die Wirtschaft unseres Landes PDF

97 Pages·1964·4.218 MB·German
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ARBEITSGEMEINSCHAFT FüR FORSCHUNG DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN NATUR-. INGENIEUR- UND GESELLSCHAFTSWISSENSCHAFTEN 128. SITZUNG AM 30. OKTOBER 1963 IN DOSSELDORF ARBEITSGEMEINSCHAFT FüR FORSCHUNG DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN NATUR-, INGENIEUR - UND GESELLSCHAFTSWISSENSCHAFTEN HEFT 135 FRITZ BURGBACHER Die Energiesituation in der Bundesrepublik und die Zukunftsaussichten der Kohle WILLY OCHEL Der Wandel in der Stahlerzeugung und die Auswirkungen auf die Wirtschaft unseres Landes HERAUSGEGEBEN IM AUFTRAGE DES MINISTERPRAsIDENTEN Dr. FRANZ MEYERS VON STAATS SEKRETAR PROFES SOR Dr. h. c. Dr. E. h. LEO BRANDT FRITZ BURGBACHER Die Energiesituation in der Bundesrepublik und die Zukunftsaussichten der Kohle WILLYOCHEL Der Wandel in der Stahlerzeugung und die Auswirkungen auf die Wirtschaft unseres Landes Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH ISBN 978-3-322-98230-8 ISBN 978-3-322-98919-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-98919-2 C 1964 by Springer Fachmedien Wiesbaden Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag, Köln und Opladen 1964. INHALT Fritz Burgbacher, Köln Die Energiesituation in der Bundesrepublik und die Zukunftsaussim- ten der Kohle ............................................ 7 Diskussionsbeiträge Landtagsabgeordneter H einz Kegel; Bergassessor a. D. Hellmut Hansen; Staatssekretär Professor Dr. h. c., Dr.-Ing. E. h. Leo Brandt; Ministerialdirigent Dr.-log. Karl Heller; Staatsminister a. D. Dr. jur. Harald Koch; Professor Dr. phil. Fritz Mieheel; Professor Dr. rer. pol. Fritz Burgbaeher, MdB. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .. 23 Willi Oehel, Dortmund Der Wandel in der Stahlerzeugung und die Auswirkungen auf die Wirtsmaft unseres Landes .................................. 41 Diskussionsbei träge Professor Dr.-Ing., Dr.-Ing. E. h. Hermann Schenck; Professor Dr. rer. pol. Fritz Burgbaeher, MdB; Dr. mont., Dr.-Ing. E. h. Hermann Th. Brandi; Ministerialdirigent Dr.-Ing. Karl Heller, Landtagsabge ordneter Heinz Kegel; Dr.-Ing. Kurt Thomas; Dr. rer. pol. Roland A. Schmitz; Staatssekretär Professor Dr. h. c., Dr.-Ing. E. h. Leo Brandt; Dipl.-Ing., Dr.-Ing. E. h. Willy Oehel .................. 73 Die Energiesituation in der Bundesrepublik und die Zukunftsaussichten der Kohle Von Fritz Burgbacher, Köln Die Kohle nimmt in der Bundesrepublik - wie auch in den meisten anderen europäischen Industriestaaten - bei der Energiebedarfsdeckung eine dominie rende Rolle ein. Wenn wir uns an die Wiederaufbauperiode nachdem zweiten Weltkrieg erinnern, war in den ersten Jahren nur ein begrenztes Angebot bei sehr schnell wachsendem Bedarf gegeben, so daß eine Energiemangellage ein trat. Da außer Kohle nur geringe Mengen anderer Energiearten zur Ver fügung standen, mußte eine größtmögliche Förderung angestrebt werden, weshalb mengenmäßige überlegungen gegenüber kostenmäßigen im Vorder grund standen. Auf der anderen Seite war es der Steinkohlenindustrie auf Grund politischer Preisbeeinflussung nicht möglich, unter Ausnutzung der Konjunktur ihre Preischancen wahrzunehmen. Dadurch ging ihr die Möglichkeit verloren, entsprechende Reserven für Zeiten schwächerer Konjunktur anzulegen. Wegen der schnell steigenden Energienachfrage mußten alle Energieträger zur Bedarfsdeckung herangezogen werden. Da die einheimische Steinkohle der großen Nachfrage in zunehmendem Maße nicht mehr gewachsen war, wurden ständig wachsende Mengen Mineralöl und Importkohle zur Energie versorgung herangezogen. Während der Suezkrise 1956 geriet die Mineralölindustrie in Versorgungs schwierigkeiten, die einen erheblichen Preisanstieg zur Folge hatten. Dieser Umstand löste bei der Mineralölindustrie ein starkes Streben aus, die Ver sorgung auf eine breitere Basis zu stellen und damit krisenfester zu machen. Gleichzeitig witterten »newcomer" im Mineralölgeschäft ihre große Chance. Als Folge davon wurde eine weltweite Prospektierung betrieben und eine erhebliche Erweiterung der Raffineriekapazität in Angriff genommen. Schon im Jahre 1957 führten dann verschiedene Phänomene zu einem beinahe abrupten Wechsel von der Energiemangellage in die Energieüberfluß situation. Neben dem wachsenden Angebot an Mineralöl zu sinkenden Preisen kam es wegen der inzwischen entstandenen überkapazität der Schiff fahrt zu einem Preiszusammenbruch auf dem Frachtenmarkt. Gleichzeitig 8 Fritz Burgbacher hatten die Vertragsabschlüsse für US-Importkohle ihren Höhepunkt erreicht. Zu diesem Zeitpunkt verstärkten Energieangebots zu sinkenden Preisen war der als Kriegsfolge aufgetretene Nachholbedarf weitgehend befriedigt, was zu einer Abschwächung und Normalisierung des steilen Konjunkturan stiegs führte. Durch den sich damit einengenden Preisspielraum trat an die Stelle des mengenmäßigen Denkens ein verstärktes Streben nach Kostensen kung. Die dadurch ausgelösten Rationalisierungsbemühungen brachten auch beträchtliche Einsparungen im spezifischen Energieverbrauch mit sich. Im sich ständig verschärfenden Wettbewerb auf dem Energiemarkt geriet die einheimische Steinkohle auf Grund ihrer ungünstigen Voraussetzungen stark in Bedrängnis. Zunächst einmal ist die deutsche Steinkohle gegenüber der amerikanischen wegen der geologischen Struktur erheblich benachteiligt. Die Mächtigkeit ihrer Flöze ist wesentlich geringer, und ihre durchschnittliche Teufe ist gegen über dem US-Bergbau, der einen erheblichen Teil seiner Steinkohle sogar im Tagebau gewinnt, viel größer. Das hat zur Folge, daß der amerikanische Steinkohlenbergbau wesentlich leichtere und weitergehendere Mechanisie rungsmöglichkeiten besitzt, was in einer dementsprechend viel höheren Lei stung pro Mann/Schicht zum Ausdruck kommt. Diesen günstigen Verhält nissen steht der deutsche Bergbau mit seiner hohen Arbeitsintensität gegen über. Den erheblichen Vorteilen der US-Kohle bei den Förderkosten steht der Standortvorteil der deutschen Steinkohle für den Verbrauch in der Bun desrepublik und in benachbarten Regionen gegenüber. Begünstigt durch das niedrige Preisniveau auf dem Frachtenmarkt kann die US-Kohle aber diesen Nachteil durch ihren Produktionskostenvorsprung in vielen Verwendungs bereichen überkompensieren. Die Wettbewerbsüberlegenheit des Mineralöls gegenüber der deutschen Steinkohle kostenmäßig zu begründen, ist ein sehr schwieriges Unterfangen, und zweifellos wäre auch damit keine allein befriedigende Erklärung gefun den. Neben umfangreichen Gebieten - vor allem im Mittleren Osten - mit äußerst niedrigen Gewinnungskosten gibt es auch große Fördergebiete, die mit einem Vielfachen der dortigen Gewinnungskosten arbeiten. Eine exakte Aussage über die Produktionskosten der einzelnen Mineral ölprodukte zu treffen, ist auf Grund der bekannten Probleme, die sich aus der Kuppelproduktion ergeben, nicht möglich. Das mag für den Wettbewerb keine besonderen Konsequenzen haben, wenn alle Kuppelprodukte einem starken Wettbewerb, vor allem Substitutionswettbewerb, ausgesetzt sind. Bei der Mineralölindustrie ergibt sich aber dadurch eine besondere Situa- Die Energiesituation in der Bundesrepublik 9 tion, daß ihr bisheriges Hauptprodukt, das Benzin, keinem Substitutions wettbewerb ausgesetzt ist. Darüber hinaus ist es bisher den internationalen Gesellschaften trotz des verstärkten Aufkommens von "outsidern" gelungen, den Wettbewerb im Benzinpreis zu begrenzen. Auf Grund der auf dem Ver gaserkraftstoffsektor erzielten Gewinne ist es der Mineralölindustrie aber möglich, die Preise für Heizöl, und damit für das wichtigste Wettbewerbs produkt der Kohle, zu manipulieren. Der scharfe Wettbewerb der Mineralöl gesellschaften untereinander um die Erringung von möglichst großen Markt anteilen im Heizölabsatz, an dem sich neben den großen internationalen Mineralölgesellschaften viele Unabhängige und auch Zechengesellschaften beteiligten, bewirkte einen starken Preisverfall auf dem Heizölsektor, dessen Leidtragender in erster Linie wiederum der einheimische Steinkohlenbergbau war. Es war nicht verwunderlich, daß dieser Wettbewerb gerade auf dem offenen deutschen Energiemarkt besonders scharfe Formen annahm. Um den deutschen Steinkohlenbergbau vor schwersten Absatzeinbußen in kurzer Zeit zu bewahren, sah sich die Bundesregierung veranlaßt, die Import kohle unter Einbauung eines Freikontingentes von jährlich 5 Mio. t (später 6 Mio. t) mit einem Zoll von DM 20,-/t zu belegen. In Ergänzung hierzu wurde das schwere Heizöl mit einer Verbrauchsteuer von DM 25,-/t und das leichte Heizöl mit DM 10,-/t belegt. Beide Belastungen für die Konkur renten der einheimischen Steinkohle waren zeitlich begrenzt, sie wurden aller dings inzwischen, wiederum mit einer zeitlichen Begrenzung, verlängert. Für die Heizölsteuer wurde dabei sogar eine Degression bis zum vollständigen Abbau vorgesehen. Die beiden großen Fragen lauten nun: 1. Haben dieseSchutzmaßnahmen zusammen mit den übrigenStützungsmaß nahmen für den Bergbau, die hier nicht im einzelnen aufgezählt werden sollen, zu einer Entspannung oder gar Normalisierung auf dem deutschen Energiemarkt geführt? 2. Wie sind die langfristigen Perspektiven für den Energiemarkt, vor allem im Hinblick auf die künftige Position der deutschen Steinkohle? In Beantwortung der ersten Frage kann zweifellos festgestellt werden, daß sowohl der Kohlezoll als auch die Heizölsteuer einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung der Situation geleistet haben. Unter ihrem Schutz war, es dem deutschen Bergbau möglich, stärkste Rationalisierungsanstrengungen zu machen. Diese fanden darin ihren Ausdruck, daß die Förderleistung pro Mann und Schicht inzwischen auf durchschnittlich etwa 2,6 t gestiegen ist. 10 Fritz Burgbacher Durch die Schließung von submarginalen Anlagen und die Konzentra tion der Förderung auf leistungsfähige Großanlagen konnte die durch schnittliche Förderung je Schachtanlage in der Bundesrepublik auf 1 Mio. Jahrestonnen gebracht werden (Vergleichswerte: EWG 0,8 Mio. t, Groß britannien 0,3 Mio. t). Obwohl seit 1957 die Belegschaftszahl im Bergbau um rund 180000 Mann vermindert wurde, konnte die Förderhöhe auf etwa 140 Mio. Jahrestonnen gehalten werden. Die durch die erhebliche Leistungssteigerung erreichte Kostensenkung wurde allerdings durch einen weiteren Anstieg der Löhne und S~iallasten überkompensiert, so daß die Rationalisierungserfolge nicht in Fonn von Preissenkungen den Verbrauchem zugute kommen konnten. So verständlich es auch erscheint, daß der Bergmann wegen der Schwere seines Berufes mit an der Spitze der Lohnskala stehen sollte, so schwerwiegend schlagen sich für Bergbauunternehmen die Konsequenzen eines solchen Strebens nieder. Der Bergbau ist aus eigener Kraft wegen seiner schlechten Ertragslage im Ver hältnis zu anderen Wirtschaftszweigen, wegen seiner großen Lohnintensität und wegen seiner überdurchschnittlichen Soziallasten nicht in der Lage, der Entwicklung der Spitzenlöhne in anderen Industriezweigen zu folgen. Mit der künftigen Entwicklung des Energiemarktes der Bundesrepublik haben sich in der jüngeren Vergangenheit verschiedene Gutachten beschäftigt. Ich möchte hier vor allem die "Energie-Enqu~te" und das Levy-Gutachten nennen. Auch auf europäischer Ebene wurde mit den "Langfristigen energie wirtschaftlichen Aussidlten der Europäischen Gemeinschaft" Ende des ver gangenen Jahres ein umfangreiches Gutachten veröffentlicht. Bei all diesen Untersuchungen nahm die Frage nach der künftigen Position der deutschen bzw. der westeuropäischen Steinkohle eine zentrale Stellung ein. Obwohl vollkommen unabhängig voneinander erstellt, kommen die oben erwähnten Gutachten zu weitgehend gleichen Resultaten, die in folgenden zwei Thesen zusammengefaßt werden können: 1. Die Kostenspanne zwischen deutscher und amerikanischer Steinkohle wird sich in Zukunft zuungunsten der deutschen Kohle noch vergrößern. 2. Das Heizöl wird auch künftig zu Preisen angeboten werden können, die denen der einheimischen Steinkohle überlegen sein werden. Untersucht man die Hintergründe dieser Thesen, so stößt man zunächst auf die Prognose, daß die deutsche Schichtleistung zwar noch erheblich erhöht werden, aber auch nicht annähernd die Höhe der weiterhin steigenden ameri kanischen Schichtleistung erreichen kann. Eine weitere Verschlechterung des Die Energiesituation in der Bundesrepublik 11 Wettbewerbsverhältnisses zu Lasten der deutschen Steinkohle wird durch einen erheblichen Anstieg der Bergarbeiterlöhne erwartet, von dem der wesentlich arbeitsintensivere deutsche Steinkohlenbergbau unverhältnismäßig smwerer betroffen würde. Ein langsameres Anwamsen der deutsmen Berg arbeiterlöhne gegenüber dem allgemeinen Lohnniveau ist aber nimt zu er warten, da der sim smon jetzt bemerkbar machende Mangel an Arbeitskräf ten sich verstärken und einen negativen Einfluß auf die deutsme Kohlen förderung nehmen würde. Da die Kapazität der amerikanischen Steinkohlenförderung heute bei weitem nimt ausgenutzt wird, sind sich alle Famleute darin einig, daß die USA erheblime Steinkohlenmengen ohne einen wesentlichen Anstieg ihrer Produktionskosten für den Export nam Deutschland und Europa bereit stellen können. Die Verwendung rationellerer Binnentransportmöglichkeiten und der Einsatz von Großraumsmiffen für die überquerung des Atlantik würden auch die Transportkosten auf einem Niveau halten, das die Kosten überlegenheit der US-Kohle auf einem großen Teil des deutsmen Marktes garantiert. übrigens sind gerade in diesen Tagen die Framtsätze für den Weizentransport in die Sowjetunion gestiegen, wodurch die Labilität des Frachtenmarktes erneut bestätigt wird. Vor allem seitens der deutsmen Steinkohle wird allerdings die Auffassung vertreten, daß eine Erhöhung der US-Kohlenimporte bis zu den von den Gutachtern für möglim gehaltenen Mengen einen Preisanstieg für US-Kohle zur Folge haben würde und damit die Konkurrenz in dem prognostizierten Ausmaß nimt zum Tragen käme. Obwohl die Erdölvorräte nach unseren bisherigen Kenntnissen bei weitem nicht an die Weltvorräte an Steinkohle heranreichen, kann doch damit gerem net werden, daß sie in diesem Jahrhundert auch die ständig steigende Nach frage decken können. Wegen des Vorhandenseins großer Vorräte in Gebieten mit äußerst niedrigen Förderkosten ist damit zu redtnen, daß sim in den nächsten 10 bis 15 Jahren seitens der Förderkosten kein zwangsläufiger Auf trieb für den Rohölpreis ergeben wird. Darüber hinaus scheint es auch! unwahrscheinlim, daß künftig die Transportkosten einen preiserhöhenden Druck auf die Rohölpreise ausüben werden. Dieser Annahme steht aber zunächst einmal die Unsicherheit gegenüber, die davon ausgeht, daß die mineralöiexportierenden Länder (OPEC) einen größeren Anteil an den Gewinnen der Mineralölgesellschaften anstreben. Welmes Resultat dieses Begehren künftig haben wird, ist im Augenblick kaum vorauszusehen.

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