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Die Eleganz der Diktatur : Modephotographien in deutschen Zeitschriften 1936 - 1943 PDF

74 Pages·2001·34.305 MB·German
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Die Eleganz der Diktatur Modephotographien in deutschen eitschriften 936 - 1943 Die Eleganz der Diktatur Modephotographien in deutschen Zeitschriften 1936-1943 herausgegeben von Ulrich Pohlmann und Simone Förster Fotomuseum im Münchner Stadtmuseum Wolf & Sohn Yva, Flacher Hut aus stahlblauem Stroh, 1936 Inhalt Ulrich Pohlmann Die Eleganz der Diktatur. Modephotographien in deutschen Zeitschriften 1 936-1 943 4 Simone Förster die neue linie im Nationalsozialismus. Modezeitschriften zwischen Realität und Propaganda 1 2 Tafelteil f 8 Ausstellungsverzeichnis 60 Biographien 67 Bibliographie 40 Impressum 72 Ulrich Pohlmann Die Eleganz der Diktatur. Modephotographien in deutschen Zeitschriften 1936-1943 Als im Januar 1961 die Deutsche Meisterschule für Mode München dem Münchner Stadtmuseum ein Konvolut von 2386 Originalphotographien aus dem Zeitraum von 1936 bis 1943 als Stiftung übergab, ahnte wohl niemand deren kulturhistorischen Wert. Folglich ruhte das Archiv jahrzehntelang mehr oder weniger unbeachtet in den Museumsschränken, bevor es anläßlich der von Uli Richter und F.C. Gundlach konzipierten Ausstellung „Berlin en vogue - Berliner Mode in der Photographie" 1995 wiederentdeckt und der Samm­ lung des Fotomuseums übergeben wurde. Die Modeaufnahmen stammen von bekannten französischen und deutschen Photographen wie Binder, Brassai, Dorvyne, Hubs und Ilse Flöter, Sonja Georgi, K. L. Haenchen, Ewald Hoinkis, François Kollar, Willy Maywald, Regina Relang, Georges Saad, Imre von Santho, Maurice Tabard und Yva, um hier nur einige repräsentative Namen aufzuführen. Auf der Rückseite der Aufnahmen befinden sich neben Photogra­ phenstempeln weitere Markierungen, die auf eine Veröffentlichung in der zeit­ genössischen Modepresse wie der im Leipziger Otto Beyer Verlag erschiene­ nen Zeitschrift die neue ¡¡nie verweisen; andere Aufnahmen sind vermutlich in den Modejournalen Die Mode, Die Dame und Der Silberspiegel publiziert worden, die als moderne Lifestyle-Magazine auch im Ausland gerne gelesen wurden. Im Verbund mit den Photonachlässen von Regina Relang und Hubs Flöter stellt das ehemalige Photoarchiv der Deutschen Meisterschule für Mode München eine einmalige Quelle dar, um die vielfältigen Erscheinungsformen der Modephotographie und insbesondere das Modeschaffen in Zeiten der nationalsozialistischen Diktatur zu studieren. Der vorliegende Katalog „Die Eleganz der Diktatur" stellt nicht den An­ spruch, eine erschöpfende Darstellung des Phänomens zu sein, sondern möchte vielmehr Einblicke in zeitspezifische Gebrauchsweisen vermitteln, die sich vom heutigen Medienverständnis grundlegend unterscheiden. In den 30er und 40er Jahren wurde die Modephotographie weniger als Kunst wahrgenommen, sondern sie war ausschließlich als Vorlage für die druck­ technische Vervielfältigung in Illustrierten bestimmt. Die wichtigste Aufgabe der Modephotographie besteht bekanntlich darin, werbend zwischen dem Produkt, der Kleidung-und dem Käufer zu vermitteln, um diesen zum Kauf zu animieren. „Und da die Zahl der zu Informierenden groß sein soll, ist auch 1 Enno Kaufhold, Fixierte nicht das einzelne, exklusive Bild von Bedeutung, sondern das gedruckte, Eleganz. Photographien massenhaft vervielfältigte."1 Nach den Prinzipien der Warenästhetik sollte der Berliner Mode, die Bekleidung in möglichst verführerischen Bildern angepriesen werden. in: F.C. Grundlach/Uli Richter Doch über diese Zweckbestimmung hinaus betrachten wir Modephotogra­ IHg.l, Berlin en vogue. Berliner phien auch als Zeugnisse eines zeitspezifischen Lebensgefühles, in denen Mode in der Photographie, Tübingen, Berlin 1993, S. 13 damalige Vorstellungen von idealer Schönheit und Identität mitschwingen. 4 Als die amerikanische Modezeitschrift Vanity Fair im November 1932 Adolf Hitler eine Titelzeichnung widmete und der Kolumnist von der „fantas­ tischen Uniform" des „weißgesichtigen Mannes mit zuckenden Händen und dunkel brennenden Augen" schwärmte, war eine weit verbreitete Faszina­ tion für die Uniform als auratisches Symbol von Macht zum Ausdruck ge­ kommen. Erstmals war der deutsche Diktator in die Öffentlichkeit der inter­ nationalen Modepresse gerückt, und Vanity Fair phantasierte von Hitler sogar als Schöpfer einer eigenen „Hitler-Couture". Auch wenn Hitler nicht, wie prophezeit, selbst als Gestalter der deut­ schen Mode in Erscheinung treten sollte, war der Einfluß der Nationalsozia­ listen auf die Modeindustrie und Modephotographie auf politischer Ebene unübersehbar. Wurde in Berlin im Jahr der Machtergreifung noch die Hälfte Titelblatt Vanity Fair, der Bekleidung von jüdischen Schneidereien hergestellt, so gelang es den November 1932 von Garetto Nationalsozialisten innerhalb von fünf Jahren durch Enteignung die Betriebe zu arisieren, die jüdischen Inhaber und ihre Mitarbeiter in die Emigration zu treiben bzw. mittels Deportation in Konzentrationslager physisch zu vernich­ ten. Die entrichteten Zahlungen bei der erzwungenen Übereignung der Unternehmen entsprachen nur zu einem geringen Teil dem tatsächlichen Wert, dem die jüdischen Geschäftsleute aufgrund ihrer desolaten Lage meist widerspruchslos zustimmen mußten. Der Exodus der etablierten jüdischen Modesalons bedeutete eine empfindliche Schwächung der deutschen Mode als internationale Exportindustrie, obwohl Berlin mit Modeschöpfern wie Hanns Bisegger, Gehringer und Glupp, Annemarie Heise, Rolf Horn, Schulze-Bibernell und Staebe-Seeger immer noch das Zentrum der deut­ schen Mode bildete. Ähnlich wie die Mode war auch die Photographie von den politischen Veränderungen nachhaltig betroffen. Die Gleichschaltung der Presse schuf besondere Arbeitsbedingungen, denen sich auch die Modephotographen nicht entziehen konnten. Das sogenannte Schriftleitergesetz, vom Reichs­ ministerium für Volksaufklärung und Propaganda im Jahre 1933 erlassen, regulierte die Arbeitsmöglichkeiten im Sinne der NS-ldeologie. So durften „nur deutsche Reichsangehörige arischer Abstammung über 21 Jahre, die nicht mit einem jüdischen Ehepartner verheiratet waren", sich als Journalis­ ten, Verleger oder Photographen betätigen.3 Obwohl die Modeberichter­ stattung selbst von Zensurmaßnahmen kaum betroffen war, wirkte sich die neue Politik auf den Berufsstand der Photographen entscheidend aus: „Nach den NS-Gesetzen traf die Fotografen eine doppelte Berufskontrolle: 2 Vgl. Gloria Sultano, Durch das neue Berufsbild des 'Bildberichterstatters' wurden sie rechtlich Wie geistiges Kokain... Mode den anderen Presseberufen gleichgestellt und unterstanden damit den poli­ unterm Hakenkreuz, tischen Bestimmungen des Schriftleitergesetzes, dessen Verordnungen für Wien 1995, S. 57f. 3 Martina Caspers, Mode­ jüdische Fotografen ein sofortiges Berufsverbot nach sich zog. Die traditio­ fotografie und Presse, nell arbeitenden Fotoateliers waren dagegen unter die Kontrolle der neuge­ in: Almut Junker IHg.l, Frankfurt schaffenen Berufskammern gestellt, so daß auch hier die Arbeit für jüdische macht Mode 1933-1945, Fotografen nur noch sehr eingeschränkt, nach 1 938 gar nicht mehr möglich Marburg 1999, S. 43 f. 5 war."4 Das prominenteste Opfer der antisemitischen Gesetze war neben Erich Salomon die jüdische Photographin Yva, die eines der angesehend- sten Studios in Berlin während der Weimarer Republik unterhielt. Nachdem sie ihre Aufnahmen noch gelegentlich bis 1938 in den einschlägigen Mo- dejournalen veröffentlichen konnte, wurde sie 1942 gemeinsam mit ihrem Mann Alfred Simon deportiert und in Majdanek/Sobibor ermordet.5 Ungeachtet der ideologischen Vorgaben der NS-Politik, die den Frauen vor allem Aufgaben in der Familie als Mutter und Ehefrau zuwies, waren in den 30er Jahren mehr Photographinnen als Photographen im Bereich der Mode tätig, ein Zeichen für die Kontinuität des in den 20er Jahren entwi­ ckelten Selbstverständnisses der kreativen Frau. Die meisten Photographin­ nen arbeiteten in Berlin, nur einzelne ließen sich, wie Emy Limpert in Frank­ furt am Main oder Hanna Seewald in München, in einer der anderen deutschen Modestädte nieder. Einige von ihnen wie Hedda Walther waren bereits in der Weimarer Republik in ihrem Metier erfolgreich, andere wie Sonja Georgi (geb. Walther), Ingeborg Hoppe, Urs Lang-Kurz, Barbara Lü- decke, Lilli Niebuhr, Regina Relang, Charlotte Rohrbach oder Ruth Wilhelmi sollten sich nach 1933 als Mitarbeiterinnen von Modezeitschriften etablie­ ren. Ob der hohe Anteil von Photographinnen einen anderen geschlechts­ spezifischen Blick auf die Mode und ein eigenes Frauenbild entwickelt hat, oder ob die Aufnahmen vor allem die auftragsbedingten Vorgaben der Modeindustrie erfüllten, läßt sich nicht schlüssig beantworten. Ein erklärtes Ziel der nationalsozialistischen Politik lautete, unabhängig von der Pariser Mode eine spezifisch deutsche Mode zu kreieren. Zu die­ sem Zweck wurde 1933 das Deutsche Modeamt unter oberster Leitung von Magda Goebbels gegründet und die Arbeit der Modeinstitute in München und Frankfurt intensiviert.6 Daß das Vorhaben, eine vom internationalen Stil unabhängige deutsche Mode zu etablieren, nicht gelang, wird vor allem an den zahlreichen, bis 1939 zur französischen Mode erschienenen Aufsätzen in den führenden deutschen Modejournalen Elegante Welt, Silberspiegel oder die neue linie ersichtlich. In dieser Zeit orientierten sich die deutschen Modeschöpfer, Photographen und Zeitschriften unverändert an den Krea­ tionen aus Paris als unangefochtener Drehscheibe der internationalen Mode. So war es für den Leser selbstverständlich, ungeachtet der staat­ 4 Ebenda, S. 46 lichen Gleichschaltung und Zensur weiterhin über die neuesten Pariser Mo­ Marion Beckers/Elisabeth delle unterrichtet zu werden, wie auch zahlreiche Bildstrecken von jüdischen Moortgat, Yva. Photographien und ausländischen Photographen wie Yva (bis 1938), Brassai (1936/37) / 925- / 938, Tübingen, Berlin 2001 oder Cecil Beaton (1936-38) erscheinen konnten. Aufnahmen der in Paris Andreas Ley, Mode für Deutsch­ tätigen Photographen Dorvyne, François Kollar, Dora Maar, Man Ray, Arik land. 50 Jahre Meisterschule für Nepo, Roger Schall, Maurice Tabard oder Willy Maywald waren in den Mode München 1931-1981, Redaktionen von Illustrierten begehrt und lassen eine mögliche Abkoppelung München 1981. der deutschen Mode von internationalen Entwicklungen als fragwürdig er­ Almut Junker fHg.l, Frankfurt scheinen. Die hier im Katalog wiedergegebenen Aufnahmen französischer macht Mode 1933-1945, Marburg 1999 Photographen, die zumeist in der neuen linie veröffentlicht worden sind, ver­ 6 anschaulichen den Einfluß des neoklassizistischen Stils, der von Horst P. Horst, George Hoyningen-Huene und Cecil Beaton geprägt worden war. Vor antikisierenden Hintergründen und dekorativen Requisiten wie Säulen und Skulpturenfragmente wirken die Modelle wie lebende Skulpturen kon­ trastreich in ein dramatisches Licht- und Schattenspiel gerückt. Die daraus re­ sultierende Verrätselung der Frau als mondäne Gestalt war in den Inszenie­ rungen der deutschen Modephotographie der 30er Jahre weniger ge­ wünscht, vielmehr dominierte in deren Kompositionen das Bild eleganter, Leni Riefenstahl, Die Logenschule aber gediegener Weiblichkeit. bei ihren Springseilübungen, aus: Insbesondere die Aufnahmen in den international verbreiteten Modezeit­ L. Riefenstahl, Schönheit im olympi­ schen Kampf, Berlin 1937, S.91 schriften die neue linie und Die Dame vermittelten großstädtisches Flair und kühle Eleganz. In der deutschen Modepresse herrschte durchaus ein pluralis­ tisches Erscheinungsbild der Mode, repräsentiert durch verschiedene Stile der Modephotographie. Ästhetisch waren die Unterschiede zwischen den auf Eleganz bedachten Pariser Modephotos eines Willy Maywald oder Ge­ orges Saad zu den Berliner Modebildern von Ewald Hoinkis oder Karl Lud­ wig Haenchen unerheblich. Obgleich bestimmte, für das Neue Sehen charakteristische Gestaltungs­ merkmale wie die Wiedergabe von Oberflächenstrukturen oder die Wahl extremer Bildausschnitte eher selten waren, kamen gelegentlich auch experi­ mentelle Techniken zur Anwendung. Für seine „Lebenden Schatten" hatte Imre von Santho ein Modell in verschiedenen Posen photographiert und die Einzelmotive mit Hilfe der Montage in einer Komposition vereint. Besonde­ re Beachtung verdient auch eine Reihe von Photocollagen von Santhos, die Modelle vor architektonischen Wahrzeichen Berlins in Schrägperspektive und Untersicht wiedergeben. Diese Aufnahmen verströmen etwas von der Dynamik des modernen Großstadtlebens, wie auch die stets sich wiederho­ lenden Requisiten Auto, Flugzeug oder Zeitschriftenkiosk in den Modebil­ dern als Symbole für Kommunikation auf den Lebensrhythmus der modernen Metropole verweisen. Nur selten wird die Frau in ihrer ideologisch zuge­ dachten Rolle als Mutter und häusliche Ehefrau abgelichtet, doch wird sie auch nicht als moderne emanzipierte Frau dargestellt, deren Platz im Ar­ beitsleben ist. Ein ganz anderes Frauenbild verbildlichen die Photographien von Bade­ moden, in denen Einflüsse der „Kraft-durch-Freude"-Bewegung lebendig wer­ den. Als Echo auf die Körperdarstellungen der sportlich-dynamischen Frauen, die im Dritten Reich ihren visuellen Höhepunkt in Leni Riefenstahls Olympia­ film erlebten, entsprechen die Modephotos nur bedingt ihren politischen Vorbildern, denn die fröhlich-entspannte Pose der Modelle läßt auch andere Lesarten zu. Man könnte aus dieser Differenz schließen, daß die Modepho­ tographie den Vorgaben der politischen Rhetorik eher ausweicht statt diese zu erfüllen, um im Gegensatz zu den ornamenthaften Leitbildern disziplinier­ ter Jungmädchen gewisse individuelle Freiräume zu offerieren. Dennoch war 7 lebende Schatten, in: Die Dame, jegliche offene oder sublime Erotik im Unterschied zur Libertinage der 20er Juli 1937. Vgl. Abb. S. 44. 7 Jahre - man denke nur an Yvas Aufnahmen von Seidenstrümpfen - Im Natio­ nalsozialismus verpönt und entsprach nicht dem Bild von Moral und Reinheit der Frau. Häufig erscheinen die Modelle wie 'zugeknöpft' in hochgeschlos­ senen Kleidern, die in der Tracht ihr traditionelles Pendant besaßen. Die Trachtenmode erlebte international auf der Pariser Weltausstellung 1937 ihren Durchbruch und inspirierte auch Pariser Couturiers. Doch der Einfluß der Tracht auf die Entwürfe der deutschen Modeschöpfer war sicher­ lich geringer, als die NS-Propaganda dieses glaubhaft machen wollte. Das allgemeine Interesse an historischen Trachten war vor allem durch die Bild­ bände der Photographen Hans und Erich Retzlaff und Erna Lendvai-Dircksen wie beispielsweise Die Deutschen Trachten von Erich Retzlaff, erschienen Erich Retzlaff, Schwarzwaldtracht 1936 in der populären Reihe der „Blauen Bücher", geweckt worden. Auch (Bollenhut), vor 1936 die in Paris lebende Photographin Regina Relang war fasziniert von Trach­ ten und belieferte Die Dame ab 1 937 mit Berichten über mit Silberschmuck verzierte Bauerntrachten aus Jugoslawien8 oder über die andalusische Tracht , die im Rahmen einer zwölfteiligen Serie über Spanien unter der Dik­ tatur von General Franco erschien. Die verstärkte Rückbesinnung auf die Tracht hatte zweifelsohne politische Gründe. Zum einen symbolisierte die Tracht, die im Unterschied zur All­ tagskleidung nur an besonderen Festtagen getragen wurde, die Kontinuität von regionalen Traditionen. Die Tracht stand für ein Gemeinschaftsgefühl und für Heimatverbundenheit und wurde propagandistisch gerne als Symbol einer intakten bäuerlichen Lebensform gegen die nervöse und „entartete" Regina Relang, Andalusische Großstadtkultur ausgespielt. Doch verhält sich das Wesen der Mode mit ih­ Tracht, Sevilla 1938/39 ren ständigen Innovationen und Veränderungen eigentlich konträr zu der Tracht, wie Paul Fechter erkannte. „Es scheint ein geheimes Gesetz des Le­ bens zu sein, dass die Menschheit sich dagegen wehrt, das Aussehen ver­ gangener Generationen in den Lebenden von neuem heraufzubeschwören. Das Gefühl sträubt sich offenbar dagegen, das lebendige Verhältnis zur ei­ genen Zeit. Was einst modischer Reiz war, ist jetzt ästhetischer Reiz gewor­ den und dringt vom Ästhetischen da und dort im Schnitt eines Ärmels, in der Länge eines Rocks, in dem Rand eines Hutes spielerisch erinnerungsvoll noch einmal in eine veränderte Welt: das Ganze aber bleibt vergangen, bleibt Tracht, möglich als Verkleidung auf Festen, unmöglich als Erschei­ nungsform neuer Menschen für den Alltag."10 Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges änderte sich die Situation der Modebranche grundlegend. Man wandte sich von der französischen Mode ab, in den Zeitschriften wurden nun keine Modephotos mehr aus Paris ver­ 8 Vgl. Die Dame, November, öffentlicht, sondern einzig Bilder deutscher, „arischer" Photographen.11 Zu­ 1938, S. 21-25 gleich verstärkten die deutschen Behörden ihre Bemühungen, die französi­ Vgl. Die Dame, November, sche Haute Couture vollständig nach Deutschland in die Reichshauptstadt 1940, S. 10-1 1 10 Vgl. Paul Fechter, Tracht und nach Wien zu verlagern, was das geschickte Taktieren von Lucien Le- und Mode, in: die neue /¡nie, long, der von 1937 bis 1945 das Chambre Syndicale de la Couture Pari­ März 1933, S. 23 sienne leitete, verhindern konnte. 8 Die Abkehr von der internationalen Mode und die Rückbesinnung auf ei­ nen nationalen Stil waren ideologisch motiviert: „Die Mode muss von einem Frauentypus, wie er in einer bestimmten Rasse, einem bestimmten Volk, einer bestimmten geschichtlichen Epoche konkret vorhanden ist, ausgehen und für die Frauen wirken, die diesen Typus verkörpern."'2 Wohl in Abgrenzung zur französischen Mode, die in „kapriziöser Verspieltheit" für extravagante, mondäne Frauentypen stand, beschworen die Modezeitschriften immer wie­ der die „Natürlichkeit" und „Lebendigkeit" als Leitidee eines deutschen Mo­ destils. „Diesem Stil widerspricht ausnahmslos alles, was frivol, nur verspielt und würdelos wirkt. Denn das zentrale Formgesetz des deutschen Frauenty­ pus ist Zucht. Zucht in der Gelöstheit, im Spiel, ja sogar im Rausch." Mehr oder weniger unverblümt war damit ein elitärer Frauentypus gemeint, der A. Paul Weber, Karikatur von sich seiner rassenbiologischen Überlegenheit bewußt sei. „Der deutsche Eleanor Roosevelt, in: Die Mode, Frauentypus, mit dem das Modeschaffen schon heute rechnen muß, wird in November 1941, S.21 hohem Maße Elemente des Aristokratischen, der guten Rasse von gelasse­ ner Haltung enthalten. Man wird sich daran gewöhnen müssen, Kleider für Frauen zu schaffen, die in einem neuen Sinne 'Herrinnen' sind, für die also von vornherein Modeschöpfungen untragbar sind, die einem Dirnchen zweckdienlich erscheinen. (...) Der deutsche Frauentypus von heute, der morgen Weltgeltung haben wird: sportlich, kraftvoll, gesund, heiter, zucht­ voll und gelassen; gewohnt, viel und diszipliniert zu arbeiten und mit Sicher­ heit zu befehlen; nicht emanzipiert und verkrampft, sondern gelöst und weiblich - auch in Uniform."'4 Will man zeitgenössischen Quellen Glauben schenken, so waren viele der posierenden Mannequins Laienmodelle, „Studentinnen, Zeichnerinnen, Schauspielschülerinnen, Schriftleiterinnen"15, die dem propagierten Ideal ei­ ner „lebendigen Natürlichkeit" entgegen kamen. Der Beruf des Photomodells schien in Deutschland in dieser Zeit nur von wenigen professionellen Man­ nequins wie Karin Lahl (Stilke) oder Elfi Wildfeuer, die auch nach dem Krieg wieder zu den begehrtesten deutschen Photomodellen zählten, ausgeübt 11 Einzig der Ungar Imre von San- worden zu sein. Elfi Wildfeuer durfte jedoch in den Kriegsjahren wegen ih­ tho konnte neben Sonja Georgi rer als „nicht-arisch" empfundenen Gesichtsphysiognomie bei repräsenta­ und K. L. Haenchen als Chefpho­ tiven Modeschauen vor Parteigrößen nur selten Kleider vorführen. tograph im Silberspiegel veröffent­ Mit Kriegsbeginn verschärfte sich auch der Ton der deutschen Modebe­ lichen. Vgl. Johannes Christoph richterstattung, es wurde zunehmend üble antisemitische Hetze betrieben. So Moderegger, Modefotografie in Deutschland, 1929-1955, etwa, als über die „saloppe" amerikanische Mode oder die „Modetees" der Norderstedt 2000, S. 181 Frau des amerikanischen Präsidenten, Eleanor Roosevelt, berichtet wurde, die '2 Die Mode, Mai 1941, S. 5 in einer Karikatur von A. Paul Weber im Abendkleid mit einer Petroleumkanne 13 Ebenda, S. 53 und einem mit Davidstern dekorierten Blasebalg - „als Symbole ihrer Tätig­ 12 Ebenda, S. 54f. 13 Die Mode, Dezember 1941, keit, (...) das Kriegsfeuer noch wirksamer zu schüren"16 - diffamiert wurde. Antisemitismus und die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung fanden in die S. 54 16 Ernst Herbert Lehmann, Modephotographie eher zufällig Eingang wie in Regina Relangs Aufnahme Politisierende Mode in USA, für die Berliner Modelle-Gesellschaft 1942, in der das lächelnde Modell vor in: Die Mode, November 1941, einem Zeitungskiosk mit der Aufschrift Juden der Zutritt verboten" posierte. S. 21 9

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