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Die drei Ringe: Toleranz und clandestine Gelehrsamkeit bei Mathurin Veyssière La Croze (1661-1739) PDF

176 Pages·2001·9.149 MB·German
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Hallesche Beiträge zur Europäischen Aufklärung 16 Schriftenreihe des Interdisziplinären Zentrums für die Erforschung der Europäischen Aufklärung Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Martin Mulsow Die drei Ringe Toleranz und clandestine Gelehrsamkeit bei Mathurin Veyssiere La Croze (1661-1739) Max Niemeyer Verlag Tübingen Wissenschaftlicher Beirat: Karol Bai, Manfred Beetz, Jörn Garber, Notker Hammerstein, Hans-Hermann Hartwich, Andreas Kleinert, Gabriela Lehmann-Carli, Klaus Luig, Francis Moureau, Monika Neugebauer-Wölk, Alberto Postigliola, Paul Raabe, Hinrich Rüping, Richard Saage, Gerhard Sauder, Jochen Schlobach, Heiner Schnelling, Udo Sträter, Heinz Thoma Redaktion: Holger Zaunstöck, Hans-Joachim Kertscher Satz: Kornelia Grün Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Mulsow, Martin: Die drei Ringe: Toleranz und clandestine Gelehrsamkeit bei Mathurin Veyssiere La Croze (1661-1739). / Martin Mulsow. - Tübingen: Niemeyer, 2001 (Hallesche Beiträge zur europäischen Aufklärung; 16) ISBN 3-484-81016-5 ISSN 0948-6070 © Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2001 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer- tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfältigungen, Über- setzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektroni- schen Systemen. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Einband: Geiger, Ammerbuch Inhalt Vorwort 1 I. Die Parabel von den drei Ringen auf dem Weg nach Krakau 5 II. Bruder Veyssieres Flucht aus dem Kloster 10 III. Ein Exilant namens Lejeune, La Croze 30 IV. Eine Verschwörungstheorie über einen Verschwörungstheoretiker ... 36 V. Wissenschaft, Toleranz und einfaches Christentum 45 VI. Im Ruf von clandestiner Gelehrsamkeit. Juden, Atheisten, Sozinianer . 66 VII. Patronage, Brokerage und gelehrte Netzwerke 86 VIII. Sur ce sujet ne dragonnons personne. Die Ringparabel nach der Widerrufung des Edikts von Nantes 98 EX. Drei Röcke - und die Buchfabrikationen in Holland 109 X. Anhang: Les trois anneaux 141 XI. Quellen- und Literaturverzeichnis 145 1. Manuskripte 145 1.1. Ein Inventar der Korrespondenz von La Croze 145 1.2. Benutzte handschriftliche Quellen 149 2. Drucke 150 2.1. Gedruckte Werke von La Croze (nur Bücher) 150 2.2. Weitere gedruckte Quellen (vor 1800) 150 3. Forschungsliteratur 154 XII. Verzeichnis der Abbildungen 162 XIII. Personenregister 164 Vorwort Daß Geschichte von intellektuellen Zirkeln und Netzwerken zuweilen Züge einer Kriminalgeschichte haben kann, daß sie von Flucht, Verschwörung und gefälsch- ten Texten zu handeln hat, daran trägt nicht der Autor, sondern die Wirklichkeit die Schuld. Dem Historiker bleibt nur die Aufgabe - und das Vergnügen diese verwickelten Angelegenheiten ans Licht zu heben, und die Herausforderung, mit ihnen einen Einblick in das Leben und die Kommunikation der ,Gelehrten' in der frühen Neuzeit zu geben. Gelehrsamkeitsgeschichte und Intellectual History müs- sen kein trockenes Handwerk sein. Robert Darnton und Margaret Jacob haben uns gezeigt, wie es möglich ist, über die Identifizierung von Netzwerken, Spionageka- nälen und Buchzirkulationen eine neue Perspektive auf das, was landläufig als , Aufklärung' bezeichnet wird, zu eröffnen. Ich habe in diesem Buch das Leben des Bibliothekars Mathurin Veyssiere La Croze und die Suche nach dem Autor einer unbekannten Bearbeitung der Parabel von den drei Ringen als den Zugang ge- wählt, durch den sich ein Blick auf die Subgeschichte des frühen 18. Jahrhunderts werfen läßt. Warum Subgeschichte? Ist die verborgene Geschichte, die Geschichte der Briefwege, der Billets und Textredaktionen denn anders verlaufen als die offizi- elle, uns bekannte? Sie ist anders verlaufen, und das mit einigem Grund. Nicht alles war erlaubt, vieles war nicht gern gesehen, manches ließ man lieber ungesagt, oder besser: ungedruckt. Solange intellectual history als Darlegung der Ideenfilia- tion von einem Buch zum anderen, von einem bekannten und etablierten Autor zum anderen verstanden wird, muß ihr all jenes Leben unter der Oberfläche entge- hen, das doch oft erheblich vielfaltiger und aussagekräftiger gewesen ist. Die beginnende Aufklärung hatte sich um 1700 gegen eine in den meisten Ländern rigide Zensurpraxis durchzusetzen. Wenn man unkonventionelle Ideen über Religion oder Politik äußern wollte, konnte das oft nur über die Distribution von Manuskripten geschehen, auf anonyme oder Pseudonyme Weise in nicht approbierten Büchern, in Briefen oder im mündlichen Gespräch unter vier Augen. Diese Vorgänge sind die Objekte einer Subgeschichte. Freilich: es sind in ho- hem Maße flüchtige Objekte, und die meisten dieser Vorgänge haben keine Spuren hinterlassen. Dennoch lassen sich Fragmente solcher Interaktionen rekonstruieren; aus handschriftlichen Marginalien etwa oder aus Anspielungen in Briefen. Es bedarf nur der Aufmerksamkeit, ihre Spuren zu erkennen. Wie kann man besser einen Weg in diese Welt unter der Oberfläche finden, als wenn man einen zeitgenössischen Connaisseur, einen Vertreter ,clandestiner' (also 1 geheime Dinge betreffender) Gelehrsamkeit zum Protagonisten macht und seine Wege Schritt für Schritt verfolgt? Der von mir in den Mittelpunkt gestellte La Croze ist gewiß nicht der einzige dieser Connaisseurs. Es hat andere gegeben: den Bücherwurm und Hildesheimer Stubengelehrten Jakob Friedrich Reimmann etwa, oder den reichen Frankfurter Patrizier und Sammler Zacharias Conrad von Uffen- bach. Doch es sind ihrer beileibe nicht viele. La Croze hat gegenüber den anderen genannten den Vorteil der Intemationalität. Er hat dies zwangsläufig und gleich- sam widerstrebend, denn er ist Exilant und teilt dieses Schicksal mit den über Europa verstreuten Hugenotten im ,Refuge'. Dieses hugenottische Refuge aber, das sich von England über die Niederlande und Brandenburg-Preußen bis in die Schweiz erstreckt hat, war mit seinen Aktivitäten, Journalen und Kommunikations- wegen zugleich eines der wichtigsten Milieus, die die Voraussetzung dafür bilde- ten, daß es um 1700 zur Crise de la conscience europeenne (Paul Hazard) gekom- men ist. Diese fruchtbare intellektuelle Krise markiert den vielleicht entscheidenden Schritt zu einem säkularen Europa, in dem Toleranz, Gewissensfreiheit und Men- schenrechte als Grundwerte Anerkennung gefunden haben. Wenn wir im folgen- den die Ringparabel - jenen Basistext der Religionstoleranz - als Leitfaden wäh- len, der uns in die Subgeschichte der Frühaufklärung führen soll, so ist das nicht zufallig ein Text, der ein Grundthema der Crise berührt. Und es ist auch nicht einfach die Ringparabel für sich, sondern ihre Rolle im Milieu der Hugenotten, die uns interessiert. Deren Exilerfahrung hat die Erzählung aufs neue aktuell gemacht. Wer kann uns also besser führen, als ein Connaisseur, der gerade aus der Welt der Hugenotten kommt und zusammen mit vielen anderen Franzosen seine Inter- nationalität mitten in die aufblühende deutsche Frühaufklärung getragen hat? Denn wie hängt die deutsche Frühaufklärung, die in Zentren wie Halle, Leipzig oder Hamburg beheimatet war, mit französischer Gelehrsamkeit, mit hugenottischen Debatten und von Hugenotten beeinflußten holländischen Verlagsunternehmungen eigentlich zusammen? Das ist immer noch eine offene Forschungsfrage, und die Rekonstruktion eines Teils der Subgeschichte der Jahre um 1700 mag auf diese Verbindungen mehr Licht werfen als manche offizielle' Geschichte. Ich möchte vorweg keine großen Worte über die hier verfolgte Methode ma- chen. Sie geht von kleinen Details und Äußerungen aus und nimmt sich nur gele- gentlich den Raum für größer angelegte Erörterungen. Sie läßt allzu Bekanntes eher aus, hebt die signifikante Abweichung aber heraus. Es gilt viele Klippen zu umschiffen. So hat man der Versuchung zu widerstehen, ,clandestine' Kommuni- kationen überzubewerten oder Protagonisten vorschnell zu Radikalen zu machen. Es liegt durchaus in der Ironie der Crise, daß aus oft sehr konfessionell bestimmten Motiven säkulare Wirkungen hervorgegangen sind. Man sollte deshalb sehr genau darauf achten, daß ein Connaisseur, ein Kenner der clandestinen Szenerie und der verbotenen Schriften, nicht unbedingt selbst ein Mitglied dieser Szenerie ist. Die 2 Forschung zur litterature clandestine hat in den letzten zwei Jahrzehnten, zunächst in Frankreich, nun aber auch in Deutschland, eine beachtliche Nachholarbeit in der Identifikation von Texten und Autoren geleistet. Jetzt ist es an der Zeit zu studie- ren, welche Einbettungen in die Welt der Nicht- oder Nicht-ganz-Radikalen diese litterature gehabt hat. Und genau dort ist der Ort, an dem gelehrte Kenner wie La Croze und Sammler wie Johann Christoph Wolf oder Zacharias Conrad von Uffen- bach ihre Bedeutung für die heutige Forschung gewinnen. Sie sind Figuren der Vermittlung, sind brokers, wie ich in einem späteren Kapitel ausführen werde; sie nehmen durch den Gegenstand ihres Interesses zu einem Teil an der clandestinen Kommunikation ihrer Zeit teil. Die hermeneutischen Herausforderungen an die Erforschung dieser Art von Kommunikation sind hoch. Wer spricht denn, wenn ein handschriftlicher Text wie jene Versbearbeitung der Parabel von den drei Ringen vorliegt, um den es in dieser Studie gehen wird? Spricht der ursprüngliche Erfinder der Ringparabel? Dann würde die Aussage bis in die Zeit vor der ersten Jahrtausendwende zurückreichen. Spricht Boccaccio, der die Parabel wirkungsmächtig zu einer Novelle verarbeitet hat? Oder der französische Autor der Versbearbeitung dieser Parabel? Oder schließlich La Croze, wenn er sich die Versbearbeitung auf ein Stück Papier notiert und dabei eigene Variationen einfließen läßt? Es sprechen wohl alle diese Stim- men, übereinandergelagert, und es spricht zugleich niemand, denn meistens wird der Text, um den es geht, anonym weitergereicht. Doch jedesmal sind die ,Paratexte', wie Gerard Genette sie nennt, aussagekräf- tig, all die Vorworte, Titeigebungen, Kommentare, Beiwerke, die die eigentlichen Texte umgeben. Und natürlich sind die historischen Kontexte aussagekräftig, von der arabisch-jüdisch-christlichen Begegnung im frühen Mittelalter über die Tole- ranzfrage zur Zeit der italienischen Frührenaissance bis hin zur Situation nach der Widerrufung des Edikts von Nantes 1685, als die Protestanten aus Frankreich vertrieben wurden und sich in verschiedenen nordeuropäischen Staaten ansiedel- ten. In diesem - letzten - Kontext tritt die Ringparabel in den Kosmos der Früh- aufklärung und der clandestinen Literatur ein. Ich möchte betonen, daß diese kleine Studie kein Ersatz für eine umfassende Monographie über La Croze sein will. Diese bleibt vielmehr zu leisten - sicherlich mit einem großen Aufwand an orientalistischer, klassisch-philologischer, roma- nistischer, historischer und theologischer Kompetenz. Es liegt durchaus in der Absicht meines Buches, eine solche Monographie anzuregen, indem es zeigt, wel- che weitgespannten Themen und für die frühe Aufklärung zentralen Probleme sich im intellektuellen Werdegang von La Croze widerspiegeln. Ein Wort zur Zitierweise. Ich habe die französischen Zitate aus dem 17. und 18. Jahrhundert, die oftmals aus Handschriften oder Briefen entnommen sind, ohne Modernisierung wiedergegeben. Sie repräsentieren die zeitgenössische Schreib- weise - ohne oder nur mit wenigen Akzentzeichen. Die Provenienz der Briefe wird 3 mit Siglen (Η, Κ usw.) abgekürzt, die im Quellenverzeichnis aufgeschlüsselt sind. Dort wird auch ein Inventar der Korrespondenz La Crozes gegeben. Diese Studie ist im wesentlichen im September und Oktober 1995 niederge- schrieben worden, bis auf das Kapitel DC, das im März 1997 entstanden ist. Seither erschienene Literatur wurde eingearbeitet. Wichtigste Grundlage war ein Aufent- halt in der Biblioteka Jagiellonska in Krakow, bei dem mir Elzbieta Burda eine freundliche und umsichtige Hilfe war. Die Reise wurde möglich durch ein Aus- tauschprogramm der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel mit der Krakauer Bibliothek. Ich danke insbesondere Friedrich Niewöhner und Sabine Solf für die Vermittlung des Aufenthaltes. Eva Horväth von der Hamburger Staats- und Uni- versitätsbibliothek hat mir geholfen, den Briefwechsel zwischen La Croze und Wolf genauer kennenzulernen. Winfried Schröder, Alain Mothu, Jens Häseler, Friedrich Niewöhner und Bernhard König danke ich für Hinweise, Sandra Pott für kritische Lektüre. Claus Ritterhoff hat mir die Möglichkeit gegeben, Teile des Manuskripts im Oktober 1995 an der Lessing-Akademie vorzutragen. Schließlich haben die lebhaften Diskussionen im Kreis unserer Münchener Forschungsgruppe Frühe Neuzeit (mit Ralph Häfner, Florian Neumann und Helmut Zedelmaier) dazu beigetragen, der Geschichte von La Croze und den drei Ringen ein wenig Farbe zu geben. München, im Sommer 2000 4

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