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Die Deutschlandpolitik Adenauers: 340. Sitzung am 18. Juli 1990 in Düsseldorf PDF

57 Pages·1991·1.343 MB·German
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Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften Geisteswissenschaften Vorträge . G 308 Herausgegeben von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften RUDOLF MORSEY Die Deutschlandpolitik Adenauers Alte Thesen und neue Fakten Westdeutscher Verlag 340. Sitzung am 18. Juli 1990 in Düsseldorf CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Morsey, Rudolf: Die Deutschlandpolitik Adenauers: Alte Thesen und neue Fakten / Rudolf Morsey. -Opladen: Westdeutscher Verlag 1991 (Vorträge / Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften: Geisteswissen schaften; G 308) ISBN 978-3-322-99046-4 NE: Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften <Düsseldorf>: Vorträge / Geisteswissenschaften Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann International. © 1991 by Westdeutscher Verlag GmbH Opladen Herstellung: Westdeutscher Verlag Satz, Druck und buchbinderische Verarbeitung: Boss-Druck, Kleve ISSN 0172-2093 ISBN 978-3-322-99046-4 ISBN 978-3-322-99045-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-99045-7 Inhalt I. Die Fehlbarkeit politischer Prognosen. 7 II. Die "Gespenster-Debatte" von 1989 . . 9 III. Methodologische Vorbemerkungen . . 10 IV. Deutschlandpolitische Zielvorstellungen bis 1949 14 V. Europäische Neudefinition der deutschen Interessen. 18 VI. Widersprüchliche Zeitangaben . . . . . . . . 21 VII. Offenhalten der Grenzfrage . . . . . . . . . . . 22 Vlli. Prioritätensetzung: Freiheit, Friede, Einheit .. 24 IX. Die "Bindungsklausel" des Deutschlandvertrags 25 X. Auch 1952: kein deutscher Sonderweg . . 27 XI. Verhandlungspartner aus eigener Stärke. . 30 XII. Die Verfestigung des Status quo. . . . . . . 33 Xlli. Die vertagte Lösung der Deutschen Frage. 36 XIV. Im Schatten der Berlin-Krisen . . . . . . . 39 XV. Der Mauerbau von 1961: "Die Stunde der großen Desillusion". 41 XVI. Das Offenhalten von Rechtspositionen . . . . . . . . . . . 44 XVII. "Der Realist als Visionär" .................. 46 XVlli. Exkurs: Die Suche nach der Quelle eines Adenauer-Zitats . 50 1 Die Fehlbarkeit politischer Prognosen * Im Juni 1990 erschien die zweite Auflage eines 1988 erstmals veröffentlichten Sammelwerks mit zwölf Beiträgen unter dem Titel "Adenauer und die Deutsche Frage", herausgegeben von Josef Foschepoth. In einem Prospekt des Verlags Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen wurde die Neuauflage wie folgt ange priesen: "Wiedervereinigung - deutsche Einheit - die Deutsche Frage. Zum Thema des Jahres." Wenn die deutsche Einheit noch in diesem Jahr vollendet wird, dann aller dings nicht wegen, sondern entgegen der Zielsetzung der meisten Autoren dieses Sammelwerks und vor allem entgegen den Intentionen seines Herausgebers. Denn in seinem Vorwort ist Foschepoth davon ausgegangen, die Lösung der Deutschen Frage stehe "natürlich [I] weiterhin in den Sternen", um dann ebenso apodiktisch zu erklären: "Zur Zweistaatlichkeit Deutschlands gibt es keine Alter native."! Diese grandiose Fehlprognose entwickelte er aus seiner Kritik der Deutschland politik Adenauers, der nicht ernsthaft die Wiedervereinigung angestrebt habe.2 Nun ist die Abhängigkeit der Geschichtsschreibung von politischen Gegen wartsströmungen nichts Neues, waren Zeitgeschichts-Debatten "stets auch Stell- * Überarbeitete, erweiterte und mit Belegen versehene Fassung meines Vortrags vom 18. Juli 1990, in die Ergebnisse der Diskussion eingearbeitet sind. - Eine Vorstudie ist veröffentlicht in: Vierzig Jahre Deutschlandpolitik im internationalen Kräftefeld, hrsg. von Alexander Fischer. Köln 1989, S. 16-31. 1 Adenauer und die Deutsche Frage. Göttingen 1988, S. 9 und 10. Das folgende Zitat ebd., S. 16. Dazu vgl. auch Anm. 22. 2 Rolf Steininger hat die Ergebnisse dieses von ihm als "hervorragend" bewerteten Sammelbands auf den "einfachen Nenner" gebracht: "Adenauer wollte die Wiedervereinigung nicht." In: Militärge schichtliche Mitteilungen 46 (1989), S. 275. Demgegenüber urteilte Eckhard Jesse zutreffend, "die mei sten" der insgesamt dreizehn Autoren verträten die Auffassung, Adenauer habe die Wiederver einigung niemals gewollt, und fuhr fort: "Dies kann aber kein Makel sein, wenn es stimmt (und dafür spricht so gut wie alles), daß eine Wiedervereinigung nicht im Bereich des Möglichen war." In: Süd deutsche Zeitung vom 30. August 1988. 8 vertreterkriege" . 3 Nur hat die historische Wirklichkeit inzwischen alle diejenigen eingeholt, die noch bis vor wenigen Monaten glaubten, aus dem Verlauf der letzten vierzig Jahre der deutschen Geschichte Prognosen für die Dauerhaftig keit der Zweistaatlichkeit Deutschlands ableiten zu können. In dieser Hinsicht wird neben dem erwähnten Sammelband das Protokoll Nr. 88 des Bergedorfer Gesprächskreises, der am 6. und 7. September 1989 in Bonn tagte,4 künftig eine Geschichtsquelle für politische Wunschvorstellungen bilden.5 Welche neuen Ergebnissen und Erkenntnisse demgegenüber aus neuen Inter pretationen schon bisher zugänglicher Quellen gewonnen werden können, zeigt die vor wenigen Monaten publizierte, von Karl Dietrich Bracher betreute Bon ner Dissertation von Peter Siebenmorgen. Er hat unter dem - m. E. allerdings unglücklich gewählten - Titel "Gezeitenwechsel" den "Aufbruch zur Entspan nungspolitik" (so der Untertitel) untersucht,6 und zwar mit folgendem Ergebnis: Der erste deutsche Politiker, der sich der Vokabel und des Begriffs Entspannung bediente, war Konrad Adenauer, und zwar schon seit Ende 1951. Nun hat Hans-Peter Schwarz darauf bereits 1965/68 aufgrund seiner nach wie vor gültigen Analyse von Adenauers Memoiren hingewiesen7 und diesen Gedan kengang 1978 und 1979 ausführlicher entfaltet.8 Auf jeden Fall dürfte die neue, systematisch angelegte Beweisführung von Siebenmorgen alle jene nachdenklich 3 So Konrad Repgen, Konrad Adenauer und die Wiedervereinigung Deutschlands in einem freien ver einten Europa, in: Heimat und Nation, hrsg. von Klaus Weigelt. Mainz 1984, S. 306. 4 Hamburg o.J. Das Tagungsthema lautete: "Auf dem Wege zu einem neuen Europa? Perspektiven einer gemeinsamen westlichen Ostpolitik." , Hier nur drei Zitate: "Ich sage klar, dies [die Realisierung des Anspruchs auf Selbstbestimmung] wird niemanden in den nächsten fünfzehn Jahren beschäftigen müssen"; "Wenn unsere Forde rungen darauf hinauslaufen, den Menschen drüben ihren Staat wegzunehmen, dann werden sie dies mit Sicherheit nicht zulassen" (Egon Bahr, S. 44, 62); "Die deutsche Frage wird gelöst werden, aber sicherlich erst im nächsten Jahrhundert" (Helmut Schmidt, S. 47). Vgl. auch Anm. 27. Egon Bahr wenig später: "Laßt uns in aller Welt aufhören, von der Einheit zu träumen oder zu schwärmen." Bild am Sonntag 1. Oktober 1989. 6 Bonn 1990. - Der Aufsatz von"Waiter Voge~ Vertane Chancen? Die Deutschlandfrage in den Kon zeptionen der Besiegten in Westdeutschland 1945-1955, in: Geschichte in Wissenschaft und Unter richt 41 (1990), S. 396-417, konnte für den Vortrag nicht mehr einbezogen werden. Ich gehe darauf in einigen Anmerkungen ein. 7 Weitergeführt in seinem Beitrag "Das außenpolitische Konzept Konrad Adenauers", in: Adenauer Studien 1, hrsg. von RudoH Morsey und Konrad Repgen. Mainz 1971, S. 71ff., bes. 90f., 98. (Nach druck in: Klaus Gotto, Hans Maier, Rudolf Morsey, Hans-Peter Schwarz, Konrad Adenauer. Seine Deutschland-und Außenpolitik. München 1975, S. 97ff.) Vgl. auch einschlägige und entsprechend ausgewertete Adenauer-Zitate bei Anneliese Poppinga, Konrad Adenauer. Geschichtsverständnis, Weltanschauung und politische Praxis. Stuttgart 1975, S. 140ff., 267ff. u. ö. Zum Verlauf der For schung P. Siebenmorgen, Gezeitenwechsel (wie Anm. 6), S. 415ff. 8 Zunächst 1978 in den "Rhöndorfer Gesprächen" unter dem Titel "Die deutschlandpolitischen Vor stellungen Konrad Adenauers 1955-1958" in: Entspannung und Wiedervereinigun~ hrsg. von Hans Peter Schwarz. Stuttgart 1989, S. 17ff.; ders., Adenauer und Europa, in: Vierteljahrshefte für Zeit geschichte 27 (1979), S.477, 511. 9 machen, die den ersten Bundeskanzler nur als immobilen "Kalten Krieger" und Verfechter einer "Politik der Stärke" in Erinnerung haben. /L Die "Gespenster·Debatte" von 1989 Der letzte Versuch, Adenauers Deutschlandpolitik politisch zu instrumentalisie ren, erfolgte vor Jahresfrist. Mitte Juli 1989 erhielt die im Frühsommer 1989 aktua lisierte, aber bereits wieder abgeklungene politische Debatte um Deutschlands Rechtslage durch eine vermeintlich sensationelle historische. Entdeckung einen neuen Akzent. Der Kölner Politikwissenschaftler Karl Kaiser behauptete, Bundes kanzler Adenauer habe in den frühen fünfziger Jahren - später grenzte er ein: im November/Dezember 1951, im Zuge der Verhandlungen um den Deutschlandver trag - gegenüber den drei Westmächten die Oder-Neiße-Grenze förmlich, jedoch insgeheim, anerkannt.9 Kaiser - seit 1973 auch Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesell schaft für Auswärtige Politik in Bonn - war allerdings nicht in der Lage, die ver meintliche Verzichtserklärung Adenauers auf die deutschen Ostgebiete zu datie ren, geschweige denn zu belegen. Als Quelle nannte er einen anonym bleibenden Informanten, kehrte die Beweislast für seine Enthüllung um und schob sie der Bundesregierung zu. Er behauptete, die betreffenden Dokumente - zunächst war von einem Ver trag aus zwei Paragraphen bzw. von einer "einseitigen Erklärung" die Rede, schließlich von angeblichen "Briefen" Adenauers an die Regierungen der drei Westmächte - befänden sich im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Bonn sowie in den Archiven der drei Vertragspartner. Die Märchenerzählung des Kölner Politikwissenschaftlers - den Rudolf Aug stein als Historiker vorstelltelO - entfesselte schlagartig eine Phantom-Diskussion. 11 9 Am 11.Juli 1989 im Deutschlandfunk (Köln), zitiert auch am folgenden Tage in den "Informationen am Abend" des gleichen Senders. Kaisers Behauptungen sind in der Presse am 13. Juli und in den folgenden Tagen ausführlich referiert, von einigen Zeitungen sogar als Spitzenmeldungen gebracht worden (Kölnische Rundschau: "Wirbel um ,Geheimzusage'"; Expreß [Köln]: "Sensationelle Ent hüllungen über Adenauer"; Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Verwirrung um eine angebliche Ver zichterklärung Adenauers"; Die Welt: "Suche nach Adenauer-Brief"; Die Zeit vom 28. Juli: "innen politische Bombe"). 10 In: Der Spiegel vom 17. Juli 1989, S. 22, wo aber schon bemerkenswert distanzierend von "dem eigentlich [I] renommierten Wissenschaftler" Kaiser die Rede war (S. 19). In Presseberichten war Kaisers SPD-Mitgliedschaft erwähnt (seit 1964: vgl. Munziger-Archiv/lnternationales Biographi sches Archiv 49/1989, S. 2). 11 In einem Interview wird Kaiser so zitiert: "Ich hin Politologe und kein Zeithistoriker" , und weiter: "Ich rede doch nicht von einem Phantompapier. Es ist gesehen worden." Stern (Hamburg) vom 27.Juli 1989, S. 19. 10 Dieser "Sommerloch-Knüller"12 galt als neuer "Historikerstreit".l3 Der Fall Kaiser ist aus zwei Gründen exemplarisch. Zunächst zeigte er In concreto, wie nützlich es erschien, zur Durchsetzung politischer Zielel4 - in diesem Falle: Anerkennung der Ostgrenze Deutschlands - eine gleichsam histo rische Bestätigung vorweisen zu können, wenn nicht gar den ersten Bundes kanzler gegen dessen "Erben" auszuspielen. Zum anderen bestätigte die von Kaiser ausgelöste "Gespenster-Debatte",IS ein wie dankbares Objekt Adenauer für politische Spekulationen geblieben war; ihm traute man ohne weiteres das jeweils "Schlimmste" ZU.16 IIf. Methodologische Vorbemerkungen Weil das so ist, möchte ich meinem Referat zwei methodologische Hinweise zur Denk-und Arbeitsweise des Historikers voranstellen. Zunächst wird bei der Behandlung unseres Themas nicht immer genügend unterschieden zwischen dem Verlauf der Geschichte, also der Tatsächlichkeit historischer Ereignisse, ihrer Wahrscheinlichkeit und ihrer (Denk-)Möglichkeit. An die Notwendigkeit einer klaren Unterscheidung dieser drei "logischen Grundformen jeder geschichts wissenschaftlichen Erkenntnis (und Aussage über sie)" hat erst kürzlich Konrad Repgen wieder erinnert. 17 13 Am 14.Juli 1989 im General-Anzeiger (Bonn), in der Neuen Ruhr-Zeitung ("Historiker streiten um Adenauer") und in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. In der Süddeutschen Zeitung war von einem "unfertigen Beitrag" Kaisers zur Grenzdiskussion die Rede. -Am Tage des Düsseldorfer Vor trags (18. Juli 1990) hat ein Kommentator des Westdeutschen Rundfunks vom "Historikerstreit des vergangenen Jahres" gesprochen. Hinweis von Konrad Repgen in der Diskussion des Vortrags. 14 Kaiser war 1980 Kandidat für das Amt des Wirtschaftsministers im Schattenkabinett von Oskar Lafontaine im Landtagswahlkampf im Saarland. Laut Munziger-Archiv (wie Anm. 10). 1S So General-Anzeiger (Bonn) vom 15. Juli 1989. "Gespenstische Diskussion"lautete eine Zwischen überschrift in einem Leitartikel der Süddeutschen Zeitung vom gleichen Tage. Die in Anm. 10 zitierte Biographie Kaisers schließt mit der Feststellung: "Ein schlüssiger Beweis für die Existenz des Papiers wurde bisher nicht geliefert." Ludwig Biewer spricht von einer "zum Teil leidenschaft lieh geführten Diskussion", deren Initiator keinen Beweis für seine Behauptung habe vorlegen können. Konrad Adenauer und der Osten -sein Verhältnis zu Preußen und Berlin, in: Auswärtiger Dienst H. 2/3 (1989), S. 157. 16 Eine Überschrift in der Frankfurter Rundschau vom 15. Juli 1989 lautete: "Zuzutrauen war's ihm schon". Ähnlich in einem Kommentar von Detmar Cramer im Deutschlandfunk am gleichen Tage: "Möglich ist es durchaus, ..." . In einem späteren Artikel "Die Bundesregierung stellt keine Ansprüche ..." sprach Kaiser von seinem "auf Zeugen gestützten Hinweis" vom Juli, und beharrte darauf, daß das ominöse "Dokument" existiere. In: Die Zeit vom 29. September 1989. Die bisher abschließende Stellungnahme bei Wilhe1m G. Grewe, Eine unsinnige Behauptung und eine falsch gelesene Quelle, Leserbrief in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19. Oktober 1989, zustimmend referiert von Diether Passer, Die deutsche Frage, in: Vierteljahresschrift für Sicherheit und Frieden 1 (1990), S. 5. 11 Konkret: Von manchen Historikern wird jede einzelne, noch so sehr aus ihrem Zusammenhang isolierte Äußerung Dritter, die geeignet erscheint, den Wieder vereinigungswillen Adenauers in Frage zu stellen, zum Nennwert genommen. Den gleichen Stellen- und damit Quellenwert erhalten deutschlandpolitische Planungen und Überlegungen von politischen Gegenspielern des ersten Bundes kanzlers. Auf diese Weise wird Denkmöglichkeiten und Konzeptionen, deren Tragfähigkeit nicht erprobt zu werden brauchte, von vornherein der Rang reali stischer Alternativen zugesprochen. Selbst Aussagen kommunistischer Diktato ren sind davon keineswegs generell ausgenommen. Das genau umgekehrte Verfahren hingegen wird auf Adenauers eigene Äuße rungen über seine Deutschlandpolitik angewandt. Sie werden nicht im Sinne einer Zielsetzung und ihrem Gehalt nach befragt, sondern, im günstigsten Fall, als taktisch gemeinte Manöver toleriert und interpretiert.18 Dabei bleiben zwei Tatsachen unberücksichtigt: die große Zahl und die Konstanz einschlägiger Aus sagen des ersten Bundeskanzlers in der Öffentlichkeit wie in nicht öffentlichen Äußerungen. Sie aber sprechen gegen die Möglichkeit einer gezielten Verschleie rung und für eine Identität dieser Auffassungen, "die nicht anders erklärt werden kann als aus der Authentizität des Gesagten".19 So hat Adenauer alle Fragen nach seiner langfristigen Wiedervereinigungs strategie zwar mit situationsbezogenen Varianten beantwortet, sich aber niemals widersprochen: "Er hat daran geglaubt".20 Eine so allgemein formulierte Aussage wie die von Willy Brandt, "der ,Alte vom Rhein'" habe "über weite Strecken anders geredet als gedacht",21 führt für unsere Fragestellung nicht weiter. Eine zweite methodologische Vorbemerkung gilt der Ansicht, Adenauers Äußerungen über seine deutschlandpolitischen Ziele seien vornehmlich oder gar nur als Ablenkungs- und Durchhalteparolen zu verstehen, als Alibi-Argumen tation vor allem gegenüber den Vertriebenen- und Flüchtlingsverbänden. Das Offenhalten der Grenzfrage habe dazu gedient, die "Bedrohungsangst vor dem 17 Reichskonkordats.Kontroversen und historische Logik, in: Demokratie und Diktatur, hrsg. von Manfred Funke u. a. Düsseldorf 1987, S. 158. 18 Josef Foschepoth geht von vornherein davon aus, daß zwischen Adenauers Worten und seiner "tat sächlichen Politik" in der Wiedervereinigungsfrage "eine große Kluft" bestanden habe. Adenauers Moskaureise 1955, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 22 (1986), S. 38. Ebenso Dieter Staritz, Von der "Befreiung" zur "Verantwortungsgemeinschaft". Die Deutschlandpolitik der Bundes republik und der DDR, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 37 (1987), S. 39. 19 So Heinz Hürten, Der Patriotismus Konrad Adenauers. Bonn 1990, S. 20. 20 So Hans-Peter Schwarz, Die deutschlan4'politischen Vorstellungen Adenauers (wie Anm. 8), S. 18. 21 Erinnerungen. Frankfurt 1989, S. 54. Ahnlich ("falls Adenauer wirklich glaubte, was er sagte") Rolf Steininger, Freie, gesamtdeutsche Wahlen am 16. November 1952? In: Die Republik der fünf ziger Jahre. Adenauers Deutschlandpolitik auf dem Prüfstand, hrsg. von Jürgen Weber. München 1989, S. 109.

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