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Die Coss von Abraham Ries PDF

138 Pages·1999·4.692 MB·German
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ALGORISMUS Die Coß STUDIEN ZUR GESCHICHTE DER MATHEMATIK UND DER NATURWISSENSCHAFTEN von Abraham Ries HERAUSGEGEBEN VON MENSO FOLKERTS Heft 30 herausgegeben von Hans Wußing MÜNCHENER UNIVERSITATSSCHRIFTEN INSTITUT FÜR GESCHICHTE DER NATURWISSENSCHAFTEN INSTITUT FÜR GESCHICHTE DER NATURWISSENSCHAFTEN MÜNCHEN 1999 MÜNCHEN 1999 Inhaltsverzeichnis Vorbemerkungen l Abraham Ries: Leben und Werk 7 Abraham Ries: Arbeiten zur Mathematik und Physik 23 Abraham Ries: Coß. Transliteration 25 Bemerkungen 139 Abraham Ries: Coß. Teilfaksimile 149 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ries, Abraham: Die Coß / von Abraham Ries. Hrsg, von Hans Wußing. Institut für Geschichte der Naturwissenschaften, München. - München : Inst, für Geschichte der Naturwiss., 1999 (Algorismus ; H. 30) (Münchener Universitätsschriften) ISBN 3-89241-031-3 Vorbemerkungen 1. Im Nachgang zu der Herausgabe1 und Kommentierung der „Coß“ von Adam Ries im Ries-Jubiläums-Jahr 1992, zusammen mit meinem Regensburger Kolle­ gen Prof. Dr. W. Kaunzner, habe ich mich einer anderen cossischen Handschrift zugewandt, die aus der Feder von Abraham Ries stammt, von einem der Söh­ ne des Adam Ries. In den Jahren 1991/1992 wurde ich dabei von einem meiner Studenten, Herrn Timo Wittig, unterstützt2. Die in FYage stehende „Coß“ von Abraham Ries befindet sich unter der Signa­ tur C 411 in der Sächsischen Landesbibliothek Dresden. Ihr bin ich für mannigfa­ che Unterstützung zu Dank verpflichtet, insbesondere dem damaligen Leiter der Handschriftensammlung, Herrn Stein. 2. Bekanntlich besteht die „Coß“ von Adam Ries aus zwei zeitlich weit ausein­ ander stehenden cossischen Schriften. Die zweite, etwa 1550 entstanden, hat Adam Ries seinen fünf Söhnen als eine Art Vermächtnis hinterlassen. Adam Ries schrieb: „Diweil ich dan nun mit alter beladen euch als mejnen lieben söhnen nichts besse­ res geben und lassen mag Dan vnderricht gemelter Rechnung durch erforschung er Unitett.“3. Der zweite, schriftlich verbürgte Bezug von Adam auf Abraham Ries findet sich auf dem Titelblatt der „Coß“ von Adam Ries, daß das Manuskript der „Coß“ von Adam Ries zunächst in die Hände des Sohnes Abraham und von dort aus in den Besitz von dessen Schüler Lucas Brunn gelangt ist. 3. Nun wird in allen Biographien zu Adam Ries, soweit sie auf seine Söhne eingehen, weithin anerkannt und hervorgehoben, daß Abraham Ries von den vier Söhnen, die einen mathematisch orientierten Beruf ausübten, der bedeutendste ge­ wesen sei, zumal sich zahlreiche weitere Handschriften von Abraham Ries erhalten haben4 und er direkter Nachfolger des Vaters an der Annaberger Rechenschule und in anderen Ämtern des Vaters geworden war. 1Ries, Adam: Coß. Faksimile und Kommentar. Herausgegeben von kommentiert von Wolf gang Kaunzner und Hans Wußing. Stuttgart / Leipzig: B. G. Teubner Verlagsgesellschaft 1992. 2 Wittig, Timo: Quellenkritischer Vergleich einer unveröffentlichten Handschrift (C 1, Lan- desbibliothek Dresden, 16. Jahrhundert) von Abraham Ries zur Coß (frühe Algebra) mit den cossischen Schriften seines Vaters Adam Ries. Examensarbeit Universität Leipzig, Sektion Ma­ thematik. Leipzig, April 1992. 3Ries (siehe Anm. 1), S.330. 4Verwiesen sei insbesondere auf: Roch, Willy: Die Kinder des Rechenmeisters Adam Ries. In: „Veröffentlichungen des Adam-Ries-BundeS“ in Staffelstein, 1960. Bequemer zugänglich ist der Nachdruck in den Heften für Familiengeschichtsforschung im sächsisch-thüringischen Raum „Familie und Geschichte'1. Auf Abraham Ries speziell geht W. Roch ein in „Familie und Ge­ schichte“, Bd. I., 1. Jahrgang, Heft 1 (April-Juni 1992), S.2-19. Dort findet sich - neben vielen biographischen Einzelheiten - auch auf S.14 eine (noch nicht vollständige) Bestandsaufnahme der in der Sächsischen Landesbibliothek zu Dresden aufbewahrten Manuskripte von Abraham Ries. Die Abschnitte, die Abraham Ries betreffen, sind auf S.7-22 des vorliegenden Bandes ab­ gedruckt. - Weitere wertvolle Informationen über Manuskripte von Abraham Ries verdanke ich Herrn Prof. Dr. M. Folkerts. Auf Grund dieser Informationen von W. Roch, M. Folkerts und der Sächsischen Landesbibliothek entschlossen wir uns zum Studium des C 411; dagegen blieb das weniger versprechende Manuskript C 357 der Sächsischen Landesbibliothek mit dem Titel „Cossische Rechnung in Rational tzalen“ außer Betracht. 2 Vorbemerkungen Vorbemerkungen 3 4. Was das Verhältnis der „Coß“ von Adam Ries zu den cossischen Schriften des Abraham Ries betrifft, so wurde - soweit ich 1991/92 erkennen konnte - nie deren Ries im Amte des Gegenschreibers ist erhalten geblieben7. Freilich verwechselt der gegenseitige Abhängigkeit analysiert. Es wurde offengelassen und gelegentlich bei­ Schreiber Abraham und Adam, hält Abraham für den Vater. nahe nahegelegt, daß Abraham als Cossist nur mehr oder weniger ein Nachahmer Der Text lautet (siehe Abbildung): seines Vaters sei und daß seine „Coß“ so etwas wie eine Kopie der „Coß“ seines Vaters sei. Die Traditionslinie schien dies nahezulegen. Lieber getreuer. Wyr werdenn bericht das der Alte Abrahamb Rieß Inn 5. So bestand die von Herrn Wittig und mir gestellte Aufgabe darin zu prüfen, Goth entschlaffen sy, Weill dann vnsers erachtens die notturfft sein will ob die „Coß“, der C 411, des Abraham Ries eine eigenständige Leistung sei. Die das einander an seine stadt zu anhörung vnd belegung der Berckrech- Antwort war eindeutig: Abraham Ries hat eine originale „Coß“ geschrieben, die nung auff St. Annaberg verordent werde Vnd sein Sohn Adam seine in einigen Teilen sogar, was den mathematischen Inhalt betrifft, über die „Coß“ stelle eine Zeit hero zu etzlich mahlen vorsehen, er vnß auch hierzu für seines Vaters hinausgeht. Es sind dies vor allem folgende Punkte: Die Auffassung geschickt Vnnd tuglich genug gerühmet wirdet. Also begeren wir vnnd von Coß als mathematischem Gegenstand, die Bezeichnungen und Symbole für befehlen dir hiemit du wollest gemelten Adam Riesen an seines Va­ die „Charaktere“ (die Potenzen der Variablen), die Formulierung und die Reich­ ters seligen stadt zu solchem Ampth vnd belegung der Rechnung wie weite der Gleichungstypen, vor allem aber, daß Abraham, anders als sein Vater, sich gebürth von vnsernt wegen annehmen, Ime auch das so bishero Aufgaben durchrechnet, die wirklich auf quadratische Gleichungen führen. breuchlich gewesen vnd sein vater dauon gehabt raichen vnnd geben, Nachdem Herr Wittig darüber in seiner Examensarbeit berichtet hatte2, habe Daß sollest du In deiner rechnung entnehmen werden Vnnd geschieht ich in einer ausführlicheren Arbeit den Bogen etwas weiter gezogen5 und im Detail daran vnsere gefellige mainung. Datum Dresden den 3. April 1559 nachgewiesen, daß „Abraham Ries eine eigenständige Coß geschrieben“ hat. 6. Mit einer dankbar empfangenen finanziellen Unterstützung durch die Deut­ 8. Der C 411 ist auf das Jahr 1578 datiert und trägt den ausführlichen Titel: sche Forschungsgemeinschaft konnten 1992 Mikrofilme aus Dresden beschafft und „Kurtze vnd Gründliche vnder eine erste maschinenschriftliche Fassung des C 411 hergestellt werden, auf Grund richtung Subtiler vnd Kunst, einer Transliteration, bei der mich meine Frau Dr. Gerlinde Wußing tatkräftig un­ reicher Rechnung In Gemein terstützt hat. Nachdem ich im Mathematischen Forschungsinstitut Oberwolfach Coß genandt. So durch Examinie„ (Schwarzwald) im Mai 1992 über Abraham Ries und seine „Coß“ vorgetragen hat­ te, machte mir Prof. Dr. M. Folkerts die Idee der Publikation des gesamten Textes rung monadis verrichtet wurdt des C 411 plausibel. Ohne seine freundliche Beratung und ohne die technische Hilfe Treulich Beschrieben Vnd verferti,, von ihm und seinen Mitarbeitern wäre dieses Vorhaben nicht, realisierbar gewesen. get durch Abraham Riesen So bin ich der Landesbibliothek Dresden, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, von S. Annabergk. Anno 1578.“ vor allem aber Prof. Dr. Folkerts zu hohem Dank verpflichtet. Das Manuskript umfaßt 117 Blätter (fol. lr-117v) und beginnt mit einem Vorwort 7. Was die Biographie von Abraham Ries betrifft, so verweise ich insbesondere „Candido pioque Lectori“ von zweieinhalb Seiten (fol. 2r-3r) mit der Signatur auf die Aussagen von W. Roch4. Dort zeigt sich die Vielfalt der Tätigkeitsbereiche eines gewissen Daniel Coloniensis Patricius, über den ich nichts in Erfahrung habe von Abraham Ries, im Dienste der Stadt Annaberg, im Dienste des Herzogs als bringen können. Verfasser von Brotordnungen und als Mathematiker. Durch Rückfrage im Univer­ Im Überblick stellt sich der Inhalt des C 411 folgendermaßen dar: sitätsarchiv Leipzig konnte verifiziert werden, daß Abraham Ries im Sommerse­ fol. Ir: Deckblatt mit Titel und Autorenname, datiert 1578 mester 1550, nach einem Studium an der Fürstenschule zu Pforta, an der Leipziger- 2r-3r: Vorwort, unterschrieben mit Daniel Coloniensis Patricius Universität immatrikuliert wurde6. Sogar die Kopie des Berufungsschreibens des 4r-v: Einleitung, mit Erläuterung dessen, was unter Coß zu verste­ Herzogs (schon am 3. April 1559, nach dem (vermutlich) am 30. März erfolg­ hen sei ten Tode von Adam Ries!) für Abraham Ries als Nachfolger seines Vaters Adam 4v-7v: Unter Bezug auf Euklid: Proportionen, Potenzen, arithmeti­ 5Wußing, Hans: Über den Codex C 411 von Abraham Ries zur Coß. In: NTM, N.S. Vol.I, sche und geometrische Progressionen Nr.2, (1993), S.83-99. 8r: Namen und Schreibweise der Charaktere, d.h. der cossischen 6Ich danke dem Direktor des Leipziger Universitätsarchivs, Dr. Gerald Wiemers, für die Zahlen, d.h. der Potenzen der Variablen, bis x20 Bestätigung dieses Details. 8v-10v: Theorie des Wurzelziehens 7Sächsisches Hauptstaatsarchiv für das Königreich Sachsen, K.S. Finanz- Archiv, das ehe­ malige Berg=Copial enthaltend, S.16. Vorbemerkungen Vorbemerkungen 5 lOv-llr: Primzahlen, komponierte (zusammengesetzte) Zahlen llr: Zuordnung der Charaktere für die Primzahlen bis 19 llr-13v: Anweisung, wie man die Charaktere der komponierten Zahlen bis 20 bildet 13v-23r: Zahlentafeln 23r-29r: Algorithmus für Plus und Minus, für Zahlen und Charaktere. Beispiele 30r-32v: Algorithmus der cossischen Zahlen in Verbindung mit Brü­ chen 33r-44v: Rechnen mit surdischen (irrationalen) Zahlen 44v-65v: Algorithmus der zweigliedrigen Terme 66r-79v: Von den Proportionen 80r-81v: Die erste „Vorgleichung“ der Algebra, abstrakt 82r-83r: Die zweite „Vorgleichung“ der Algebra, abstrakt 83v-84v: Die dritte „Vorgleichung“ der Algebra, abstrakt 85r-86r: Die vierte „Vorgleichung“ der Algebra, abstrakt 86v-90v: Äquivalentes Umformen von Gleichungen 90v-105v: Sachbezogene, praktische Aufgaben zur ersten Vorgleichung (lineare Gleichungen) 106r-110r: Sachaufgaben zur zweiten Regel (quadratische Gleichungen) 110v-112v: Sachaufgaben zur dritten Regel (quadratische Gleichungen) 113r-117v: Sachaufgaben zur vierten Regel (quadratische Gleichungen) 9. Technische Hinweise Die von Abraham Ries verwendeten cossischen Symbole werden mit Sonder­ zeichen wiedergegeben, die an die Originalschreibweise angepaßt wurden. So ent­ spricht b dem Dragma, also x°, f dem radix, also x1, ) dem Census, also x2, c dem Cubus, also x3, )j dem Cens des Cens, also x4, $ dem Surdsolidum, usw. Das von Abraham Ries mit Punkten versehene Minuszeichen erscheint als —. Gelegentlich ist die Transliteration - wie häufig bei Texten aus dieser Zeit - nicht eindeutig vornehmbar und in persönliches Ermessen gestellt. Dies betrifft insbe­ sondere die Unterscheidung zwischen Groß- und Kleinbuchstaben und da wieder­ um sehr häufig Z, K, B und die verschiedenen Formen des s sowie die Interpunk­ tion. Dagegen wurde die bei Abraham Ries selbst unterschiedliche Schreibweise eines und desselben Wortes - etwa Zahl, Zal, Zoll - beibehalten. Überschriften und Zitate werden in fetter Schreibweise wiedergegeben. Die Liniierung in Kästchen wurde gelegentlich weggelassen. Abraham Ries’ Berufung als Gegenschreiber Abraham Ries: Leben und Werk Der folgende Text ist ein unveränderter Wiederabdruck der Biographie von Abraham Ries aus dem Aufsatz von Willy Roch: „Die Kinder des Rechenmeisters Adam Ries“ (erstmals erschie­ nen I960, wiederabgedruckt in: Familie und Geschichte. Hefte für Familiengeschichtsforschung im sächsisch-thüringischen Raum, Band 1, 1992, S.2-19. 49-60. 117-121 (hier: S.4-14. 49-52). - Abkürzungen: ADB = Allgemeine Deutsche Biographie; GB = Gerichtsbuch; KB = Kirchen­ buch; LHA = Landeshauptarchiv; NA = Neues Archiv; RA = Ratsarchiv; StB = Stadtbibliothek. Der bedeutendste Sohn des Rechenmeisters war ohne Zweifel Abraham, der auf vielen Gebieten seines Vaters Nachfolger wurde. Über ihn fließen die Quellen reichlicher. Sein Geburtsjahr läßt sich errechnen. Wenn das im Wiesaer Kirchen­ buch angegebene Sterbealter zutreffend ist, muß er 1533 geboren sein. Man geht wohl nicht fehl, wenn man annimmt, daß er in Annaberg im Hause seines Vaters, Johannisgasse 23, das Licht der Welt erblickte. Er besuchte die Annaberger La­ teinschule unter Nuntallus und Bötticher1 und wurde am 29.9.1547 in Pforta als Alumnus aufgenommen2. Auf Befehl des Kurfürsten Moritz (1541-1553) erhielt er dort eine Gnadenstelle. Möglicherweise hatte er sie aber nur l| Jahre inne. Erfüllt von kindlicher Liebe und von Stolz auf seinen Vater, verfaßte er als 17-jähriger Fürstenschüler 1550 für des Vaters großes Rechenbuch ein lateinisches Gedicht in neun elegischen Distichen3. Darin pries er die göttliche Ordnung der Zahl und des Vaters Verdienst um die Mathematik und forderte die Schüler zum segenbringen­ den Studium dieser Kunst auf. Im Sommersemester des gleichen Jahres ließ er sich an der Universität Leipzig einschreiben4. Das braucht nach der damaligen Gepflo­ genheit nicht zu bedeuten, daß er zu diesem Zeitpunkt mit den Studien begann. Von der Immatrikulationsgebühr entrichtete er zunächst nur 3| Groschen5, wohl auch ein Beweis dafür, daß es dem Vater mit seiner Kinderschar nicht zum besten ging. Wann Abraham das Studium aufnahm und wie lange er in Leipzig blieb, ist nicht bekannt. Zum Magister scheint er nicht promoviert zu haben6. Er kehrte vielmehr in die Heimat zurück, um seinen alternden Vater zu unterstützen. Bereits 1558 wird er vom Kurfürsten August (1553-1586) „unser Rechenmei­ ster“ genannt. Er hatte dem Kurfürsten seinen Schreiber Balthaser Schmoch, der einige seiner Bücher für den Landesherrn abgeschrieben und den er im Rechnen und Probieren (Prüfen des Metalls auf den Feingehalt) geübt hatte, zur Anstellung 1 Jenisius, Paulus, Annales Scholae Annaebergensis cum Scholasticorum albo, begonnen 1589, Bl. 112b; Richter, Adam Daniel, Catalogus discipulorum quos Schola Annabergensis docuit. I. Teil. - Annaberg 1744. 2Pertuchius, Justinus, Chronicon Portense. Leipzig 1612. HofFmann, Max, Pförtneralbum 1545-1893. 1893. S.7. 3Wieder abgedruckt bei Roch, W., Adam Ries. Des deutschen Volkes Rechenlehrer. - Frank­ furt/M. 1959. S.54. 4Erler, G., Die Matrikel der Universität Leipzig 1409-1559. 3 Bde. - Leipzig 1897-1902. 5Meier, FViedrich, Annaberger Studenten auf den Universitäten Leipzig und Wittenberg im 16. Jh., in: 16 Jb. d. Mitt. d. V. f. Gesch. v. Annaberg u. Umgebung. - Annaberg 1910, S.181. ®Daß er am 22.3.1586, also mit 53 Jahren, in Wittenberg Magister wurde (u.a. auch Fritz Deubner, III. Sonntagsblatt zum Tageblatt Annaberger Wochenblatt v. 19.12.1943), stimmt nicht. Dieses Datum bezieht sich auf Abrahams Sohn Petrus, worauf schon Meier (s. Anm. 5) hinwies. 8 Abraham Ries Leben und Werk 9 als Hüttenschreiber empfohlen. Michael Schönlebe in FYeiberg erhielt darauf vom sen war für ihn sehr wichtig, weil er wegen seiner Sachkenntnis oft mit Aufträgen Kurfürsten die Anweisung, Schmoch mit einer erledigten Stelle zu betrauen7. Am verschickt wurde, wie wir noch sehen werden. 12.9.1568 übergab Abraham dem Kurfürsten in Dresden die 10 Blatt umfassende Im Briefwechsel Hans Harrers, des kurfürstlichen Kanunermeisters (Kämme­ Abhandlung „Vom Engelgroschen8 vnd 18 pfennig gröschlein“ und zehn Tage spä­ rers, Rentmeisters) zu Vater Augusts Zeiten, wird Abraham Ries mehrfach er­ ter das doppelt so starke Büchlein „Wie man sich in vorgleichung der frembden wähnt12. Der Kurfürst nahm seinen Rat vor allem für praktische Angelegenheiten müntz gen der Einheymischen (ver)halten soll“ mit angehängter Valvation9, beide und in Münzfragen in Anspruch. So war er maßgebend beteiligt an den Verhand­ handschriftlich in der Dresdener Landesbibliothek aufbewahrt. lungen, die vom Kurfürsten 1564 wegen der Miinzreform eingeleitet wurden13. Weil Nach des Vaters Tode (30.3.1559) - vielleicht schon vorher - übernahm er die durch die Ausführung der guten sächsischen und die Einfuhr schlechter fremder Leitung der privaten Rechenschule. Auf kurfürstlichen Befehl vom 3.4.1559 rückte Münzen die Untertanen merklich und täglich verarmten, habe er - so schrieb der er bei gleichem Gehalt in des Vaters verantwortungsvolles Amt als Gegenschreiber Kurfürst am 4.10. seinen Kammerräten in Leipzig14 - die Münzprobation (Prüfung ein10. Als solcher hatte er das Gegenbuch zu führen, in das nach der Annaberger der Münzen auf den Feingehalt) und Valvation (Abschätzung der Münzsorten) Bergordnung die Gewerken mit ihren Kuxen (Grubenanteilen, Aktien) eingetragen dem Abraham Riesen übergeben und ihm befohlen, das Ergebnis seiner Prüfun­ wurden, und für alle Schäden zu haften, wenn er „durch seine Unvorsichtigkeit gen und seine Bedenken über den Nachteil der geringen fremden Geldsorten für jemand betrogen oder in Schaden geführt“ hatte. die Untertanen den Räten mitzuteilen. Diese sollten dann mit den Landräten und Zwei Jahre später bat er den Kurfürsten um Erhöhung seines Einkommens und einzelnen Händlern beraten, welche Wege einzuschlagen seien, um schon zum künf­ berief sich dabei auf das Wohlwollen, das sein gnädiger Herr „an etzlichen verfer­ tigen Leipziger Neujahrsmarkt die Valvation ohne Nachteil ausgeben zu können. tigten Büchern, die Münzrechnung betreffend“, gehabt habe. Abraham hatte von Wegen der von Abraham Ries angestellten Untersuchungen und der Beratung er­ seinen Miterben das väterliche Gut, später „Riesenburg“ genannt, übernommen. gingen dann vom Kurfürsten verschiedene Mandate15. 1566 hatte Abraham Ries Dabei hatte ihm der Landesherr schon „eine rühmliche Begnadigung“ erzeigt. Aber entgegen dem Befehl an dem Reichstag zu Augsburg nicht teilgenommen, zu dem da Scheune, Ställe, Viehhaus und andere notwendige Gebäude sehr baufällig wa­ er ihm zugestellte Bücher mitbringen sollte. In einem Schreiben des Kurfürsten ren und von Grund auf erneuert werden mußten, bat er 1561 den Kurfürsten um vom 4.8.1566 wurde er aufgefordert, sich deshalb zu rechtfertigen16. Wahrschein­ 300 Gulden und um Erhöhung seiner „Provision“. Er versprach, dafür 16 Bücher lich war Krankheit die Ursache seines Fernbleibens. zur Beschickung der Münze und einen Extract aus der Algebra zu liefern. Am 22. Auf die Erinnerung des Kammermeisters hin, teilte Abraham Ries im Dezem­ März des gleichen Jahres wurde ihm wunschgemäß „umb seiner underthenigstenn ber 1566 der Kurfürstin Anna untertänigst mit, daß er zur Zeit „zu arm und un- getrewen dinste willen“ sein Dienstgeld von 40 auf 100 Gulden erhöht, zu jedem vermögend“ sei, um das versprochene ansehnliche und nutzbringende Instrument Quatember (Quartal), Trinitatis beginnend, 25 Gulden. Außerdem sollte ihm vom zum bevorstehenden Christfest abzuliefern, zumal ihm die benötigten Gelder vom „hofgewants Austeiler“ eine lindische (samtene) Sommerkleidung gereicht werden. Kammermeister nicht geschickt worden seien. Damit er aber nicht leer erscheine Abraham Ries mußte sich dafür verpflichten, „sich in keines andern liern dinst, oder und nicht laß befunden würde, habe er die ganze Lehre der pythagoräischen Erfin­ vorspruch zu begeben, Sondernn vnns (dem Landesherrn) die zeit seines lekens dung des rechtwinkelmäßigen TViangels (Dreiecks) in Tabellen gefaßt. Was darin dienstgewärtigk zu sein, auch in anhorung vnnd abwartung der Probation vnnd für Heimlichkeiten steckten und verborgen seien, was für große Kunst hieraus MuntzR.echnungen, auch allem andern, so wir Ime (ihm) zuuorrichten ader (oder) erbauet und wie nützlich und notwendig dies den mathematischen Künsten sei, zuuorfertigenn vnndergebenn vnnd befehlenn werdenn, seinen getrewen fleiß ant- das wüßten die hocherfahrenen und berühmten Arithmetiker und Geometer. Dies zuwendenn, auch solches alles biß In sein grab verschwigen bei sich zu behalten Buch überreiche er der Kurfürstin in der Hoffnung, daß es ihrem Gemahl gefallen vnnd bleibenn zu lassenn. Wan wir Ine (ihn) auch zu vns erfordern, sol er die werde. Wie und wozu es zu gebrauchen sei, darüber wolle er ein besonders Buch kost zu hofe haben, Ime auch die Zerung (Zehrung), so er vnderwegens außlegen schreiben. würde, auß vnser Rentcammer wieder entrichtet werden, dergleichen es den(n) Der Kammermeister hatte wegen 500 Gulden, die Ries von ihm auf Zins ge­ auch gehalten werden soll, wan (wenn) er von vns verschickt würde, doch das er liehen erhalten hatte, in sehr scharfer Form mit Gewaltmaßregeln gedroht. Ries es gleichwohl mit der Zerunge messigk (mäßig) mache.“11 Der Ersatz der Reisespe­ bat deshalb die Kurfürstin in demselben Schreiben, sich beim Kammermeister für 7LHA Dresden. Cop. 277, S. 423 v. 11.11.1558. *2Über Harrer vgl. ADB L. Bd., S.194. - Müller, Georg, Hans Harter, Kammermeister des 8 Die in Annaberg geprägten neuen Groschen zeigten einen Engel, der einen Schild mit den Kurfürsten August. NA f. sächs. Gesch. 15. Bd. 1894, S.93. Kurschwertern hielt. 13Vgl. Falke, J., Die Geschichte des Kurfürsten August von Sachsen in wirtschaftlicher Bezie­ 9Valvation = Münzwertübersicht; Abschätzung der im Lande kursierenden Münzsorten. hung. - Leipzig 1868, S.37-47. 10Müller, Georg, Rechenmeister Adam Ries und seine Söhne. Der praktische Schulmann. 56. 14LHA Dresden, Cop. 321, Bl. 186b. Jg. - Leipzig 1907, S.715. 16Z.B. 1568 und 1569. Cod. Aug. II, S.902ff. ULHA Dresden Loc. 4483, Bl. 29-31a. 18LHA Dresden, Cop. 321, Bl. 80b. 10 Abraham Ries Leben und Werk 11 ihn zu verwenden, auf daß er nicht „mit seinem armen Weibe und vnerzogenen „Quentin und Pfennigen“ probiere, wo doch dies im ganzen Reiche nach Grau kindern in groß verderben, elend vnd Armut gesetzt vnd Erblos gemacht“ wür­ geschehe24. In jener Zeit war Abraham erkrankt. Seine Bedenken für den bevor­ de. Der Kammermeister brauche nicht zu befürchten, daß er nicht zahlen wolle. In stehenden Probationstag (s.o.) hatte er dem Kurfürsten schriftlich übersandt, der den „geschwinden Zeiten, Kriegs- und Sterbensläuften“ habe er nur nichts zu Geld sie an den Hofrichter Jahn von Zschachau weiterleiten ließ. Außerdem hatte er machen oder verkaufen können. Er erbot sich, jährlich 100 Gulden samt Zinsen zu den Kurfürsten „wegen seines Leibes Schwachheit und anliegender Not“ um eine entrichten. Zum Schluß bat er in diesem auf seinem „fürwerck am Rießenbergk17 Unterstützung gebeten. Der Kurfürst gewährte ihm „zu Zehrung und notwendigen gegebenen“ Schreiben, die Kurfürstin solle ihm doch „gelen (gelben) und weißen Unterhalt“ 100 Gulden, und der pflichtgetreue Beamte begab sich nach Leipzig25. Aquavit“, soviel ihr beliebe, und „gieffte pulver“ (Giftpulver) senden18. An dem Probationstag am 5.11.1574 in Frankfurt an der Oder - es wurden jährlich Wolf Stürmer, Formschneider zu Leipzig, hatte sich wiederholt beim Kurfür­ zwei abgehalten - und am 18.5.1579 in Leipzig war Ries auch beteiligt. Auf dem sten wegen der noch nicht erfolgten Bezahlung seiner Arbeiten beschwert. Abra­ letzten hatten der kursächsische Münzmeister Hans Biener und Abraham Ries von ham Ries wurde deshalb am 21.7.1567 aufgefordert zu berichten, was für Sorten neuem auf den „umfressenden Schaden und die verderbliche Krankheit der bösen der verbotenen Gulden Stürmer geschnitten, was er ihm zum Lohne versprochen Münz“ hingewiesen und auf eine ernstliche Durchführung der so oft empfohlenen und bisher bezahlt habe19. Wolf Stürmer war der Vater von Isaac Riesens Gat­ Maßregeln gedrängt, besonders auch in Preußen, über das viele Klagen Vorlagen26. tin, also seines Bruders Schwiegervater. Dieser hatte vom Kurfürsten den Auftrag Ries stieß mit seinen Gutachten und Empfehlungen oft auf Widerspruch bei die­ erhalten, ein Münzbuch anzufertigen, das die guten und schlechten Münzsorten sen Beratungen, wie denn Oberhaupt das ganze fortschrittliche Bemühen seines enthalten sollte. Der Kurfürst suchte den Druck zu beschleunigen. Diese Eile war Landesherren nicht den erwünschten Erfolg zeitigte27. aber den kaiserlichen Räten gar nicht angenehm, die ein solches Werk überhaupt Ein besonderes Verdienst erwarb sich der Kurfürst August um die Technik für unmöglich erachteten. Dies berichtete Abraham Ries, der zur Beobachtung des Münzens. In Süddeutschland waren schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts der Münzangelegenheiten nach Leipzig beordert worden war, am 18.9.1572 sei­ Versuche unternommen worden, die bisher übliche Weise des Prägens mit dem nem Landesherrn20. Hammer durch eine Walzenprägung abzulösen28. 1573 wandte sich Hans Göbel 1571 finden wir den Annaberger Rechenmeister in Erfurt, um im kurfürstlichen aus Königsberg i.Pr. an den sächsischen Kurfürsten, um durch dessen Vermitt­ Auftrag die Marktgewichte zu eichen21. lung ein kaiserliches Privileg für sein von ihm erfundenes Walzendruckwerk zu Am 16.6.1571 hatte in Leipzig der erste allgemeine Probationstag des ober­ erlangen. 1574 wurde ein solches Werk in Dresden „am Wasser“ errichtet, aber die sächsischen Kreises stattgefunden22. Gemäß einem Anträge, der von den kursäch­ Münzbeamten und die auf ihr althergebrachtes Handwerk stolzen „erbarn Ohmen“ sischen Hof- und Landräten und von Abraham Ries unterzeichnet war, schloß sich suchten ihn durch Hinhalten zu entmutigen und intrigierten gegen ihn. Schließlich der Abschied dieses Münztages möglichst eng an die Reichsmünzordnung an. Auf befahl der Kurfürst in einem Schreiben an den Kammermeister Hans Harrer vom dem nächsten Probationstag in Leipzig am 10.5.1574 berichtete Abraham Ries, 12.2.1575, Generalwardein Georg Stümpfelt, der Münzmeister Hans Biener und daß in Böhmen und den inkorporierten Ländern 8| Taler auf die pragische Mark die Wardeine Caspar Hase und David Beuttner sollten beide Verfahren prüfen von 14 Lot 1 Quent 1 Pfennig gemünzt würden, während doch im Reiche beschlos­ und ein Gutachten abgeben. Hase und Biener berichteten günstig über das neue sen worden sei, 8 Taler auf die kölnische Mark von 14 Lot 4 Gran auszumünzen. Verfahren, namentlich beim Prägen kleinerer Münzsorten. Für den verhinderten Auch wies er nach, daß alle im obersächsischen Kreise gemünzten Dreier gegen David Beuttner erstattete Abraham ein gründliches, umfangreiches Gutachten, die kurfürstlich-sächsischen zu gering seien. Der Generalwardein23 des obersäch­ das - allerdings undatiert, aber ohne Zweifel in diese Zeit gehörend - erhalten sischen Kreises, Georg Stümpfelt, wunderte sich, daß Abraham Ries noch nach ist29. Er gab darin wertvolle Aufschlüsse über die Technik der damaligen Wal­ 17Diese Bezeichnung für den flachen Höhenzug, an dem das Vorwerk liegt, ist mir sonst, nir­ zenprägung - der Reckebank, wie man auch sagte - riet aber dem Kurfürsten ab, gends entgegengetreten, auch nicht auf alten Karten. Güldengroschen, also größere Geldstücke, auf dem Druckwerk herstellen zu lassen. 18LHA Dresden Loc. 8529, Allerlei gemeine Briefe, welche von der Kurfiirstin Anna zu Sachsen Er belegte seine Auffassung mit sieben Gründen, die Nachteile geschickt heraus­ geschrieben worden laut Registratur 1562-69, Bl. 96f. - Die Kurfürstin Anna (f 1585), eine stellend. Bei dem damaligen Zustand des Druckwerkes mag Ries recht gehabt dänische Prinzessin, besaß wirkliche Klugheit uifö eine seltene wirtschaftliche Begabung. Sie betrieb mit ihrem Gemahl Alchemie, Chiromantie und Astronomie und braute auf der Annaburg 24LHA Dresden, Loc. 9794. mancherlei Medikamente, besonders ihr damals berühmtes Lebenswasser, womit sie ihre Freunde 25LHA Dresden, Loc. 384, Bl. 179a. beschenkte. 26LHA Dresden, Loc. 9795. 19LHA Dresden, Cop. 343, Bl. 71a. 27s. Falke, a.a.O. 20Falke, a.a.O. S.44. 2*LHA Dresden, Loc. 9806. Vgl. ferner Wuttke, Robert, Die Einführung der Walzenprägung 21 Fritz Deubner, Die Riesen. Kultur und Heimat, 4. Jg. - Annaberg 1957, S.168. unter Kurf. August. Blätter f. Münzfreunde, 32. Jg. Leipzig 1894, Nr. 213, Sp. 2059ff. - Falke, 22LHA Dresden, Loc. 9794. a.a.O. S.55. - Miscellen. Arch. f. Sächs. Gesch. 5. Bd. - Leipzig 1867. 23Wardein = Münzprüfer, von niederl. warden - werten. 29LHA Dresden, Loc. 32382 Rep. XXVI Nr. 68, Bl. lf. 12 Abraham Ries Leben und Werk 13 haben. Aber die Technik verbesserte das neue Verfahren, und seit dem Ende des Sohne Heinrich gebeten, was der Kurfürst auf die Fürsprache seiner Gemahlin 17. Jahrhunderts ging man allgemein zur Gulden- und Talerprägung auf Walzen hin auch bewilligte. Zu Neujahr wurde der Hofarithmetikus wieder nach Dresden über, wodurch die Handarbeit des Hammerprägens völlig verdrängt wurde. Um befohlen. Bei dieser Gelegenheit sollte er der Kurfürstin seinen „neuvorfertigten Neujahr 1577 erinnerte der Kurfürst Abraham Ries an die „bewußten, befohlenen Kalender“ mitbringen34. Sachen“ und verlangte, den Grund der Verzögerung zu erfahren. Worum es sich Mit einem in der Landesbibliothek zu Dresden aufbewahrten, nicht datierten dabei handelte, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden30. Brief schickte er seinem Landesherren sein „Corpus rei Numerariae samt gründ­ Im nächsten Jahre hatte Abraham Ries wieder ein Gutachten abzugeben, aber lichem notdürftigem verständlichem Bericht und Erklärung hierüber“, sowie die ganz anderer Art. Johann Otth, Notar und Studiosus der Rechenkunst in Freiberg, „Tabulas der Bogen und Sehnen, nach denen der Kompaß geteilt, zu vielen geo­ wo er 1574 bis Oktober 1588 das Haus Fischerstraße 8 bewohnte, bat um ein kur­ metrischen Messungs- und astronomischen Observazion sehr nützlich und dienst­ fürstliches Privileg für sein Rechenbuch. In seinem Schreiben an den Kammermei­ bar.“35 ster, das er am 10.9.1578 in Dresden verfaßte, wies Abraham Ries im Hinblick auf Nachdem er dem Kurfürsten in Dresden in musikalischen Angelegenheiten Vor­ des Verfassers „vermeinte Heyligkeit“ und frommen Sprüche auf Quintilians Wort trag gehalten hatte, berichtete er, daß er neben zweierlei Beschreibung des Mono­ hin, daß die Mathematiker demonstratores und nicht oratores sein sollten. Die chords, eines einseitigen Tonmeßgerätes und einer rechten Erklärung der Skalen, Schüler sollten lernen, das Fazit zu ziehen und zu beweisen und nicht zu predigen. der Tonleitern, zusammengefaßt habe, „was Harmonicum, Chromaticum und Dia- Er wolle dem Autor Gnade und Glück nicht abschneiden, müsse aber feststellen, tonicum mit ihren Tetrachorden (Viersaitern) und Moden in Gesang und Instru­ daß der gute Herr sich der Rechenkunst nicht hochbeflissen haben könne, mache er menten sei, davon zuvor in deutscher Sprache nichts berührt“36. Diese Nachricht doch keinen Unterschied zwischen arithmetischer Progression und Trigonalzahlen zeugt einmal von der Wißbegier des Kurfürsten, zum andern aber auch von der und halte continens und contentum für ein Ding. Was er als Trigonalzahlen be­ Vielseitigkeit seines Hofarithmetikers. zeichne, seien ihre latera. Des Verfassers ausgerechnete Tabellen seien die gleichen, Besonders interessierte sich Vater August für das Berg- und Hüttenwesen. So die schon vor vielen Jahren sein Bruder Isaac Ries, Visierer und Rechenmeister mußte sich Abraham Ries über die Schmelz verfahren in anderen Ländern unter­ in Leipzig, aufgestellt habe. Er stelle es dem Kurfürsten anheim, diesen mit ei­ richten. Aus dem Jahre 1583 liegt ein Bericht von ihm aus Kuttenberg vor37. nem Privileg zu begnaden, zumal er schon lange Zeit in seinen Diensten stehe31. Um die Mitte desselben Jahres wurde er in das Erzstift Salzburg und die Graf­ Da auch der Leipziger Rat auf Ansuchen sich nicht besonders günstig über das schaft Tirol entsandt mit dem Auftrag, einige Schmelzer und Garnmacher (?), die Buch aussprach und Isaac Riesens Buch den Vorzug gab32, erhielt Johann Otth mit der Kupferarbeit wohl umzugehen wußten, anzuwerben. In einem „Offenen kein Privileg, aber Abrahams Fürsprache für seinen Bruder hatte Erfolg. Otths Brief1 des Kurfürsten vom 15.6.1583 wurden alle Herren und Behörden gebeten, „Calculator. Ein newes/liebliches/und nützliches Rechenbuch für alle/so Arithme- „seinen Diener und lieben Getreuen Abraham Ries und die ihn begleitenden Per­ ticam lieb haben/Insonderheit aber für Kauffleut/Amtspersonen usw“ erschien sonen sicher und ungehindert passieren zu lassen, ihm alle notwendige Förderung dennoch 1579 in Leipzig bei „Johann Rhambaws Seligers {unterlassenen Erben“. und guten Willen bei Erfüllung seines Auftrags zu erzeigen und ihm zu vergön­ Ein Exemplar befindet sich, zusammengebunden mit Adam Riesens Practica, im nen, die Schmelz- und Saigerhütten38 bei ihrer Arbeit zu besichtigen.“39 Es scheint Heimatmuseum zu Staffelstein. Abraham Ries gelungen zu sein, in Schwaz in Tirol einen Schmelzer zu gewinnen, Vater August war ein Adept der Alchemie. Abraham Ries hatte ihm deshalb denn am 19.8.1583 forderte ihn der Kurfürst auf zu berichten, wie er sich mit ihm „Arcana“, irgendwelche Geheimlehren, zugehen lassen. Am 5.4.1581 wurde er auf­ verglichen und unter welchen Bedingungen er ins Kurfürstentum kommen wolle40. gefordert, wenn seine Schwachheit sich gebessert hätte, nach Dresden zu kommen Im gleichen Jahre sandte der Kurfürst seinen „Mathematicum und lieben Ge­ und sie zu erklären33. Abraham scheint demnach keine gesunde, robuste Natur treuen Abraham Riesen zur Riesenburg“ nach Joachimsthal in Böhmen, um bei besessen zu haben. Am Ende des Jahres war ihm eine neue „Verehrung“ zuteil geworden, wie aus einem Brief der Kurfürstin Anna vom 28.12.1581 hervorgeht. 34LHA Dresden, Cop. 522, Bl. 187. Vielleicht war er damals zum Hofarithmetikus ernannt worden, denn früher ist 35LB Dresden, Mscr. K 67, Bl. 41. 36Vgl. Müller, a.a.O. S.717. - Diatonik = Anwendung der sieben-, Chromatik = Anwendung mir diese Bezeichnung nicht begegnet. In seinem Dankschreiben hatte er auch um der zwölfstufigen Tonleiter. die Besetzung der freigewordenen Gegenschreiberstelle in Annaberg mit seinem 37LHA Dresden, Loc. 6216. 38Von ahd. sigan - sinken, abtropfen. Unter Saigern versteht man das Herausschmelzen von 30LHA Dresden, Cop. 432, Bl. 9a. leichterschmelzbaren Stoffen aus einem Gemenge von Metallen oder Metall Verbindungen. 31LHA Dresden, Cop. 447, Bl. 42a. 39LHA Dresden, Cop. 484, Bl. 311b/312a. 32LHA Dresden, Loc. 8523. Das 3. Buch der an Kurf. August gelangten gemeinen Schreiben. 40LHA Dresden, Cop. 484, Bl. 156b. Noch heute erinnert der im Westerzgebirge vorkommende 1577/79. Bl. 173. Familienname Schwotzer an die im 15. und 16. Jh. aus Schwaz eingewanderten Bergleute und 33LHA Dresden, Cop 466, Bl. 198b. Hüttenarbeiter. 14 Abraham Ries Leben und Werk 15 den kaiserlichen Kommissarien, Bergräten und Amtleuten die Entlassung des Salz­ Wie einst sein Vater, so maß auch Abraham Ries, der ,4m Feldmessen Erfah­ burger Schmelzers Hans Thumshirn zu bewirken, der in kurfürstliche Dienste tre­ rene“ (Jenisius), dem Kurfürsten die Lande ab. 1559 war der obererzgebirgische ten wollte41. Abrahams Mission war erfolgreich. Sein Bericht und das Entlassungs­ Kreis mit seinen Wäldern und 1575 der vogtländische Kreis vom Vater August er­ schreiben der vier Berggeschworenen und Ältesten der Knappschaft vom 20.7.1583 worben worden. Am 11.2.1586 verschied Abraham Riesens Gönner, der Kurfürst befindet sich noch im Landeshauptarchiv zu Dresden42. In jener Zeit wurde der August von Sachsen. Seine Nachfolger, Christian I. (1586-1591), und auch dessen Annaberger Zehntner vom Kurfürsten angewiesen, Abraham Riesen auf sein An­ Sohn Christian II. (1591-1611), hielten dem bewährten Ratgeber in der Zeit von suchen hin „den Vorlag vff seine Berggebeude zum Gotlob zum Dreitzehen vff S. Sachsens Kulturblüte die TVeue. Annaberg bis vff das Quartal Lucie nechtskünftig, Inallermassen dis vorgangne Am „Unschuldigen Kinderleintag“ (28.12.) 1589 überreichte Abraham Ries sei­ Quartal geschehen, reichen zu lassen“43. Anfang Oktober 1583 erhielt Abraham nem neuen Landesherrn ein Werk über die Duplizierung des Kubus48. In dem Ries den Befehl, den Kurfürsten in Colditz a. d. Mulde mit dem Schmelzer Hans Begleitschreiben berichtet er zunächst im Anschluß an den „fürtrefflichen Geo- Thumshirn zu erwarten und dann mit ihm nach Thüringen zu reisen44. Der Auf­ metra und Philosophen Philoponus“, „was die Vrsach gewesen sey, das die Heyd- enthalt dort erstreckte sich über Wochen, denn am 1.11. erforderte der Kurfürst nischen Meister vnd philosophi dem problemati vonn Duplirung Cubi mit so gros­ von Freiberg aus Bericht über die von Abraham Ries mit den Schmelzern von San- sen fleiß gantz embsiglich nachgeforschet“ hätten. Den Bewohnern von Delos war gerhausen durchgeführten neuen Schmelzproben. Zugleich wurden ihm die Bestel­ vom Apollinischen Orakel der Spruch verkündet worden, sie würden erst dann von lungen der Schmelzer Peter Zehentwiers und Sepp Holtzhammers zur Erledigung der Pestilenz befreit werden, wenn sie den kubischen Altar im Tempel des Apoll übersandt45 46. Die Arbeiten in Sangerhausen waren nicht recht vorwärtsgekommen, „duplirten“. Was die verschiedenen Philosophen zur Lösung dieser Aufgabe beige­ weil nicht alles, was erforderlich, dort eingetroffen war. Auch hatte sich ein Priori­ tragen, habe er nun aus dem Griechischen “mit großen trewen fleis ins Teutzsch tätsstreit zwischen den Sangerhausener Schmelzern und denen um Abraham Ries vbersetzt. Auch was im Griechischen Text gemangelet, Restituirt ad Veritatem ergeben. Der Kurfürst, noch in Freiberg, ordnete deshalb am 2.11. an, daß ein Geometricam, Alleß ohne rühm, doch treulich, Ewer Churf. Gnad. Landen Vn- neuer Treibeherd nach Riesens Angaben ohne Rücksicht auf die Kosten errichtet derthanen nicht allein zu nutz, sondern gemeinen Vaterland Teutzscher Nation werden solle. Um den Zank zu schlichten, solle Christoph Kohlreuter mit seinen zum besten beschrieben“. Er hoffe, hieß es am Ende des Begleitschreibens, sei­ Schmelzern beginnen, Abraham Ries mit seiner Gruppe aber, um Zeit zu gewinnen ne kurfürstliche Gnaden würden an dem TVaktat FYeude haben, hätten sie sich und Kosten zu sparen, nicht warten, bis die andern ihre Arbeit vollendet hätten. doch in jungen Jahren mit Fleiß ,Jn Opticis, so insgemein Perspectiva genannt, Ries erhielt zu seiner Orientierung einen Auszug aus den Verhandlungen mit den mit Verwunderung geübt und erlustigt, welche Studia Tempore pacis vnd Belli Grafen (von Mansfeld ?) über das neue Schmelzverfahren und wurde angewiesen, nütze seien.“ Der genaue, kunstvoll geschriebene Titel dieses 71 Quartblätter um­ Proben der thüringischen Kupfersteine und der Dresdener Zusätze nach Freiberg fassenden und mit Zeichnungen versehenen Werkes lautet: „Vonn Wunderbaren zu senden, was auch pünktlich geschah. Der Kurfürst war mit Riesens Plänen für Problemate Welches Duplicatio Cubi genand worden Darob sich Eylff der für- den Treibeherd zufrieden, veranlaßte von Weißenfels aus am 5. November, daß nehmesten philosopi in Griechenland solches zu erörtern, zum höchsten bemühet ein solcher Herd in den kurfürstlichen Oberhütten zu Sangerhausen erbaut würde vnd geflissen haben Wie solches in Griechischer sprach von Eutocio Ascalonita und der Schösser die benötigten 16 Gulden 13 Groschen zur Verfügung stelle40. beschrieben vnd gantz treulich vnd klar. Zum Ersten mal ins Deutzsch gebracht Über den Erfolg der sehnlichst erwarteten ersten Schmelzproben geht aus den mir Durch Abraham Riesen Allen denen so sich der Architectur vnd Mechanischer vorliegenden Akten nichts hervor. Damals hatte auch der Freiberger Hüttenmei­ Künsten oder des Richtscheidts, Winckelmas vndt Circkels gebrauchen zu Nutz ster Joachim Tost eine neue Art zu schmelzen gefunden, wodurch die Saigerkosten vnd gut ann tag gegeben“. und das Schwarzkupfermachen erspart würden. Abraham Ries sollte die günstige Dasselbe Aktenstück enthält auf Blatt 10-45 noch ein anderes Werk Abraham Gelegenheit ausnutzen und das Ausprobieren des neuen Verfahrens mit Mans- Riesens, das er bereits zwei Jahre früher verfaßt hatte: „Euclidis Catoptria, hoc felder Kupfererzen durch die Freiberger Schmelzer Paul Rollinger, Wolf Petzold est de Imaginibus q in speculis. Das ist von denen dingen/wie die in einen Spiegel und Georg Tost mit den zur Zeit in Sangerhausen sich aufhaltenden Dresdener erscheinen, sich, wie sie hineinfallen, wiederum heraus erbrechen vnd wenden. Schmelzern und Steinbrennern unterstützen (11.11.1583)47. Aus dem Griechischen Text ins Deutzsch bracht mit verstendtlichen abriß der 41LHA Dresden, Cop. 484, Bl. 313a. Demonstrationum. Durch Abraham Riesen. Anno MDLXXXVII. Mense Jan: Die. 42LHA Dresden, Loc. 7216. XXI. Auxilium meum Domino qui fecit Coelum et terram“. 43LHA Dresden, Cop. 484, Bl. 155b. Angeheftet ist schließlich noch ein 4 Seiten langer „Ausßugk allerlei gewicht der 44LHA Dresden, Cop. 484, Bl. 172b. fürnembsten Stedte durch Teutsch- vnd Welschland, auf wieuiel vnnd wie hoch 4SLHA Dresden, Cop. 484, Bl. 187. 46LHA Dresden, Bl. 190, 192, 192. sich das pfunt in einer Jden Stad nach dem Nurrenbergischen gewicht erstreckett.“ 47LHA Dresden, Cop. 484, Bl. 195. 48LHA Dresden, Loc. 9762: Mechanica. Geographica. Mathematica.

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