Experimentelle Medizin, Pathologie und Klinik Band 18 Herausgegeben von R. Hegglin . F. Leuthardt . R. Schoen . H. Schwiegk A. Studer . H. U. Zollinger Die chronische Hepatitis Vergleichende klinische und bioptische Untersuchungen Dr. Martin Schmid Privatdozent, Oberarzt der Medizinischen Universitätsklinik Zürich Mit 38 Abbildungen Springer-Verlag· Berlin . Heidelberg . New York . 1966 ISBN-13: 978-3-642-86227-4 e-ISBN-13 978-3-642-86226-7 001: 10.1007/978-3-642-86226-7 Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photo mechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) oder auf andere Art zu vervielfältigen © by Springer-Verlag Berlin . Heidelberg 1966 Softcover reprint ofthe hard cover I st edition 1966 Library of Congress Catalog Card Number 66-22472 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche 1\:amen im Sinn der Warenzeichen-und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften Titel-Nt. 6541 Geleitwort Was ich in der Schrift von Dr. SCHMID besonders schätze, ist die darin vertretene ganzheitliche Auffassung der Medizin. Der Verfasser zeigt am Beispiel der chronischen Hepatitis, daß man nur dann einen Gesamt überblick über diese Krankheit zu gewinnen vermag, wenn man Klinik, Biochemie, Morphologie und Immunologie - um nur diese Disziplinen zu nennen - miteinander verbindet, während eine fragmentarische Be urteilung der Krankheit den Kliniker, Histopathologen und manchmal auch den Immunologen irreführt. Wenn wir diese Monographie lesen, sehen wir uns von der rein klinischen Auffassung der Krankheiten, wie sie vor einem halben Jahrhundert noch allgemein gültig war, weit ent fernt, in einer Zeit, in der jeder Kliniker von Ruf glaubte, einen meist abschätzenden Artikel mit dem Titel "Medizin und Laboratorium" schrei ben zu müssen ... Durch seine berufliche Ausbildung war Dr. SCHMID gleichsam dazu bestimmt, sich zum Verfechter einer solchen Gesamtschau der Medizin zu machen, hat er doch den großen Vorzug, zugleich ein erfahrener Internist und ein kundiger Pathologe zu sein. Es war höchste Zeit, auf dem weiten Gebiet der chronischen Hepatitis Ordnung zu schaffen und neue Wege zu bahnen, deren Ziel unter anderem die Trennung der gutartigen Formen dieses Leidens von den bösartigen ist, welche sich so oft zur post-hepatitischen Cirrhose weiterentwickeln. Diese Arbeit konnte indessen nur durchgeführt werden, indem der Ver fasser zahlreiche Patienten monate- oder jahrelang persönlich beobachtete, während er zur Lösung des Problems die verschiedenartigsten Forschungs methoden anwandte. Der Autor hat den Mut gehabt, sich diese Aufgabe zu stellen, und damit hat er uns einen großen Dienst erwiesen. Er hat aber noch andere Verdienste, und eines davon besteht darin, uns zu zeigen, daß die chronische Hepatitis wichtige Probleme der allgemeinen Biologie stellt, und daß man ihren Mechanismus nur versteht, wenn man die Ge samtreaktionen des Organismus berücksichtigt. Will man tatsächlich die Pathogenese dieser Krankheit begreifen, so muß man das Individuum in seiner Ganzheit ins Auge fassen und nicht nur die engen Grenzen eines Organs, selbst bei einem so wichtigen wie der Leber. Nur wenn eine Frage im Rahmen der großen Gesetze der allgemeinen Biologie angepackt wird, erweckt sie ganz besonderes Interesse; und solches Interesse habe ich beim Lesen der schönen Arbeit von Dr. Scmnn ohne Unterlaß verspürt. Zürich, Februar 1966 P. H. RüSSIER Geleitwort Die Erforschung der Leberkrankheiten hat in den letzten zwei Jahr zehnten einen entscheidenden Aufschwung genommen. Sie verdankt dies einerseits der Einführung der Leberpunktion, wodurch es möglich ge worden ist, morphologische Längsprofile der Leberkrankheiten aufzu stellen und andererseits der Koordination der histologischen Befunde mit den klinischen Befunden und Laboratoriumswerten, wie das von HANS POPPER mit großem Erfolg versucht worden ist. Ideale Bedingungen be stehen dann, wenn klinische Untersuchung und anatomische Auswertung der Punktionspräparate in einer Hand vereinigt sind. Durch seine Ausbildung war Herr P. D. Dr. SCHMID für eine solche Aufgabe prädestiniert. Das wichtige Krankheitsbild der chronischen Hepatitis hat durch ihn, auf Grund eines umfangreichen Beobachtungsmaterials, eine entscheidende Klärung erfahren. Besonders wertvoll ist die klinische Unterteilung in persistierende Hepatitis und aktive chronische Hepatitis mit Weiterentwicklung in die posthepatitische Lebercirrhose. Diesem Krankheitsbild kommt auch ein charakteristisches biochemisches Bild zu: pathologischer Bromsulfalein test, deutlich erhöhte Serumtransaminasen und stets signifikant, oft ex zessiv erhöhte y-Globuline im Serum. Die immunologischen Befunde machen es wahrscheinlich, daß der chronisch aktiven Hepatitis ein Auto immunmechanismus zugrunde liegt mit unterschiedlicher Ätiologie. Die Analyse der chronischen Hepatitis ergibt somit, daß diese letzten Endes ein Reaktionssyndrom darstellt. Damit reiht sich dieses Krankheitsbild in die großen Reaktionssyndrome ein, unter die beispielsweise auch die Kollagenosen einzuordnen sind. Diese Ergebnisse der Schmidschen Unter suchungen belegen eindeutig, wie erfolgreich sich auch heute noch die bewußt koordinierte Forschung von Klinik und pathologischer Anatomie auswirken kann. Zürich, Februar 1966 E. UEHLINGER Vorwort Es sind nun bald 20 Jahre her, seit HEINZ KALK auf Grund bioptischer Untersuchungs methoden als erster die chronische Virus-Hepatitis beschrie ben hat. Inzwischen hat die Entdeckung der lupoiden Hepatitis, einer Spielart der chronischen Hepatitis, die in der Konzeption von MACKAY als Autoimmunkrankheit aufgefaßt wird, neues Interesse am Krankheits bild der chronischen Hepatitis allgemein wachgerufen. Eine Flut von klinischen, immunologischen und experimentellen Arbeiten brachte Gä rung in das Problem der chronisch-entzündlichen, oder allgemeiner ge sprochen, der chronisch-reaktiven Leberkrankheiten. Einen entscheidenden Schritt auf dem Wege zur Erforschung der chronischen Leberkrankheiten lieferten vor allem die neuesten experimentellen Untersuchungen von HANS POPPER und seiner Schule. Dieses Problem ist aber heute noch in stetem Fluß. Daher kann es nicht wundern, daß die Handhabung des Begriffes der chronischen Hepatitis und ihre Beurteilung im Schrifttum außerordentlich differiert, so daß die überaus zahlreichen Publikationen kaum organisch in eine umfassende und allgemeingültige Darstellung dieses Krankheitsbildes eingebaut werden könnten. Die vorliegende Arbeit will und kann daher keine Monographie im üblichen Sinne sein. Ich habe für meine Ausführungen einen engeren Rahmen gewählt und versucht, das Krankheitsbild auf Grund einer Analyse eigener Beobachtungen an einer größeren Serie von Patienten zu gliedern und darzustellen. Ich bin mir des ephemeren Charakters einer solchen Darstellungsweise durchaus bewußt. Die mehrjährigen klinischen und bioptischen Verlaufsuntersuchungen werden ganz in den Vordergrund gerückt. Sie werden an den heute bestehenden Hypothesen getestet. Eingehend wurden besonders folgende Fragen geprüft: 1. Die Korrelation zwischen dem klinischen und pathologisch-anato mischen Verlauf. 2. Verlauf und Prognose der Krankheit. 3. Die formale Pathogenese der posthepatitischen Cirrhose unter be sonderer Berücksichtigung der Rappaportschen Konzeption des funk tionellen portalen Leberacinus. 4. Beurteilung des Therapieerfolges auf Grund bioptischer Verlaufs untersuchungen. 5. Die Beziehung der chronischen Hepatitis zur sog.lupoiden Hepatitis. VIII Vorwort 6. Die chronische Hepatitis als immunologisch bedingtes Krankheits geschehen. Meiner Arbeit liegen klinische Untersuchungen in der Medizinischen Universitäts klinik und vergleichende histologische Untersuchungen an serienmäßigen Leberbiopsien am Pathologischen Institut der Universität Zürich zugrunde. Ich durfte mich der großzügigen Unterstützung meiner verehrten Lehrer, Prof. P. H. ROSSIER, Direktor der Medizinischen Uni versitätsklinik, und Prof. E. UEHLINGER, Direktor des Pathologischen Institutes, erfreuen. Ich danke ihnen an dieser Stelle sehr herzlich für alle Förderung und alles mir immer wieder bewiesene Wohlwollen. Zu großem Dank bin ich auch meinem verehrten Lehrer und ehemaligen Chef, Prof. R. HEGGLIN, Direktor der Medizinischen Universitätspoliklinik, verpflich tet. Seinem großen Entgegenkommen verdanke ich die langfristige Beob achtung zahlreicher Patienten. Bei der Nachkontrolle stand mir Dr. R. AMMANN, Oberarzt der Medizinischen Universitätspoliklinik, hilfreich zur Seite, wofür ich ihm herzlich danke. Aufrichtiger Dank gebührt sodann Prof. N. MARKOfF, Medizinische Abteilung des Kantonsspitals Chur, dem verehrten Chef meiner ersten Assistenztätigkeit, für seine wertvollen Anregungen und den Herren Chefärzten Prof. H. K. VON RECHENBERG (Medizinische Abteilung Krankenhaus Baden), Prof. O. SPÜHLER (Medizinische Abteilung Stadt spital Waid, Zürich) und Dr. C. USTERI (Medizinische Abteilung Kranken haus Bethanien, Zürich) für die freundliche Überlassung von Kranken geschichten. Nicht vergessen seien schließlich die vorzügliche Arbeit Herrn CHARLES HÄBERLINs, Photograph des Pathologischen Institutes, und der unermüd liche Fleiß der Sekretärinnen der Medizinischen Universitätsklinik. Mein Dank gilt aber auch den Herausgebern für ihr großzügiges Ent gegenkommen und dem Springer-Verlag für die sorgfältige Ausstattung des Buches. Zürich, Februar 1966 M. SCHMID Inhaltsverzeichnis Einleitung: Zum Begriff der chronischen Hepatitis . . 1 Definition der chronischen Hepatitis. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Vorbemerkung: Zur Anwendung des Entzündungsbegriffes auf die chroni sche Hepatitis . . . . . . . . . . 4 1. Die aktive chronische Hepatitis . . 6 2. Die chronisch persislierende Hepatitis 6 Erster Abschnitt: Eigene Untersuchungen. 8 Material und Methode . .. 8 Ergebnis der Untersuchungen 9 A. Die chronisch persistierende Hepatitis 9 1. Klinik . ...... . 9 1. Alter und Geschlecht 9 2. Ätiologie . . . . . 10 3. Klinisches Bild. . . 10 4. Laboratoriumsbefunde 11 5. Klinischer Verlauf .. 11 a) Aggravierende Faktoren 12 b) Einfluß der Therapie . 12 H. Morphologische Befunde . . 13 1. Laparoskopische Befunde 13 2. Die Leberbiopsie 13 a) Periportale Veränderungen 13 b) Histologische Veränderungen im Parenchym 18 IX) Typ der "Virushepatitis" ...... . 19 ß) Typ der "unspezifisch reaktiven Hepatitis" . 21 y) Gegenseitige Beziehung der beiden histologischen Typen 22 c) Ablauf der histologischen Veränderungen der chronisch per sistierenden Hepatitis 22 B. Die aktive chronische Hepatitis. . 23 1. Klinik. . . . . . . . . 23 1. Alter und Geschlecht. 23 2. Ätiologie. . . . . . 23 a) Kausalzusammenhang mit der Virushepatitis 23 b) Die primär chronische Hepatitis. . . . . . 25 c) Die chronische Hepatitis bei Sjägren-Syndrom 30 d) Die aktive chronische Hepatitis bei vor bestehender Fettleber 30 3. Klinische Symptomatologie . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4. Laboratoriumsbefunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 5. Besondere klinische Verlaufsformen der aktiven chronischen Hepatitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 x Inhaltsverzeichnis a) Die sogenannte lupoide Hepatitis 38 b) Die cholestatische Verlaufsform 40 6. Klinischer Verlauf . . . . 41 a) Die "akuten" Rezidive. 42 b) Aggraviercnde Faktoren 47 II. Morphologische Befunde . . . . 48 1. Die Laparoskopie . . . . 48 2. Das bioptische Bild der aktiven chronischen Hepatitis. 49 a) Die periportalen Veränderungen 49 b) Die Leberzellveränderungen 53 IX) Die peripheren Leberzellnekrosen . 53 ß) Die perizentralen Leberzellveränderungen 53 y) Die Leberzellveränderungen in den übrigen Läppchen- abschnitten . . . . . . . . . . . . . . 59 c) Zur Frage der Entstehung der Kollapsstraßen 59 IX) Die perizentralen Kollapsstraßen . . . . . 59 ß) Die periportalen Kollaps- und Nekrosefelder . 61 IH. Der weitere Ablauf der aktiven chronischen Hepatitis . 64 IV. Zur formalen Pathogenese der posthepatitisehen Cirrhose 78 V. Zur Nomenklatur der posthepatitisehen Cirrhose . . . . 79 VI. Zur Diagnose der posthepatitisehen Lebercirrhose. . . . 81 VII. Einfluß der Therapie auf Klinik und Morphologie der aktiven chronischen Hepatitis . . . . . . 82 1. Zur Frage der Bettruhe. . . . 83 2. Zur Frage der Steroidwirkung . 84 3. Antibioticabehandlung . 86 VIII. Zur Frage der Korrelation zwischen den klinischen und biopti- sehen Befunden. . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 1. Beziehungen zwischen den Leberfunktionsproben und den morphologischen Veränderungen . . . . . . . . . . . . . 86 2. Bedeutung einzelner Leberfunktionsproben im Zusammenhang mit dem histologischen Gesamtbild 88 a) Der Bromsulfaleinretentionstest . . . . . . . . . . . . . 88 b) Die y-Globuline .................... 88 3. Zur Frage der histologischen Cholestase und ihrem klinischen Korrelat . . . . . . . . 89 C. Dekompensierte posthepatitische Cirrhose 90 I. Klinik . . . . . . . . . . . 91 1. Alter und Geschlecht . . . 91 2. Klinische Symptomatologie 93 3. Laboratoriumsbefunde 93 4. Verlauf. . . . . . . . . 94 11. Diagnose der Lebercirrhose in der Biopsie 94 D. Die subakute Leberdystrophie (Cirrhose nach subakuter Dystrophie - Cirr- hose nach aktiver chronischer Hepatitis, Vergleich) .......... 96 Inhaltsverzeichnis XI Zweiter Abschnitt: Diskussion: Zur Frage der Pathogenese der chronischen Hepatitis .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 1. Die chronische persistierende Hepatitis (zur Frage des chronischen Virusinfektes und Besprechung der Hypothese von SMETANA). 105 2. Die aktive chronische Hepatitis (Diskussion der drei Hypothesen) . 107 a) Chronischer Virusinfekt . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Wird der Entzündungsprozeß durch chronische bakterielle Infekte unterhalten? . . . . . . . . . . . . . 10 8 c) Die chronische Hepatitis als Autoimmunkrankheit 109 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . 114 Kasuistik . . . . . . . . . . . . . . . 116 1. Chronisch persistierende Hepatitis 116 2. Die aktive chronische Hepatitis 119 Literatur 132 Sach verzeichnis 148