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Die chemische Entwicklungserregung des tierischen Eies: Kunstliche Parthenogenese PDF

281 Pages·1909·9.924 MB·German
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Die chemische Entwicklungserregung des tierischen Eies. (K unstliche Parthenogenese.) Von Jacques Loeb, Professor der Physiologie an der University of California in Berkeley. Mit 56 Textfiguren. Berlin. Verlag von J UliU8 Spri Cl{?,er. 1909. lSBN-13: 978-3-612-18181-0 e-lSBN-13: 978-3-612-18518-0 DOl: 10.1007/978-3-612-18518-0 Copyright by Professor Jacques Loeb, Berkeley, Ca. 1909. Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1909 Herrn Professor Svante Arrhenius in aufrichtiger Verehrung gewidmet vom Verfasser. Einleitung und Vorwort. 1. Das folgende Buch gibt die Resultate von Versuchen, deren Zweck es war, das Problem der Entwicklungserregung des tierischen Eies aus dem Gebiet der Morphologie in das der physikalischen Chemie zu ubertragen. Es ist seit ungefahr 60 J ahren sichergestellt, daB das Ei der Tiere - mit Ausnahme weniger Arten - nur dann sich zu einem Embryo zu entwickeln vermag, wenn ein Spermatozoon in dasselbe eintritt. Fur den Physiker und Chemiker wurde der nachste Schritt nach dieser Ermittelung darin bestanden haben, festzustellen, durch welche Krafte das Spermatozoon die Entwicklung des Eies anregt. Da aber dieses Gebiet naturgemaB den Morphologen uberlassen blieb, die der rein chemischen und physikalischen Behandlung biologischer Pro bleme oft fremd und zum Teil geradezu ablehnend gegenuber stehen, so wurde kein Versuch gemacht, den ProzeB der Ent wicklungserregung im Sinne der Chemie und Physik zu ent wirren; und man behalf sich mit morphologischen Worterkla rungen und Definitionen. So behauptete O. Hertwig, daB das Wesen der Befruchtung in der Vereinigung des Sperma kerns mit dem Eikern bestehe; und diese Behauptung wird von ihm als eine "Theorie der Befruchtung" hingestellt, obwohl damit doch nicht die geringste Einsicht in die Natur der Krafte gegeben ist, welche das Ei zwingen, sich in einen Embryo zu entwickeln. Es wurde auch bald von Boveri der Nachweis gefiihrt, daB das Aneinanderlegen oder Verschmelzen von zwei Kernen - - des Samen- und Eikerns - gar nichts mit der Entwicklungserregung des Eies zu tun hat. Es gelang namlich dies em Forscher zu zeigen, daB ein Ei, dessen Kern durch einen operativen Eingriff entfernt ist, sich dennoch in einen Embryo entwickelt, wenn nur ein Spermatozoon in das- VI Einleitung und Vorwort. selbe eintritt. In diesem FaIle ist eine Vereinigung von zwei Kernen nattirlich unmoglich gemacht. Boveri ersetzte die Hertwigsche Definition durch eine mehr sachgemaBe Hypothese der Entwicklungserregung. Nach ihm solI das unbefruchtete Ei deshalb auBerstande sein, sich zu entwickeln, weil ihm das "Organ" zur Zellteilung fehle. Dieses Organ, das Zentrosom, werde erst durch das Sperma tozoon in das Ei getragen. Bei der Kernteilung treten nam lich Strahlungsfiguren im Ei auf, - die sogenannten Astro spharen, - deren physikalische Natur einstweilen unbekannt ist. Gewisse, aber keineswegs aIle Eier besitzen im Zentrum eines Strahlungssystems ein festes Kornchen - das Zentro som -, und in dies em sieht Boveri das "Organ der Zell teilung". Dem unbefruchteten Ei solIe nun dieses Kornchen fehlen, und das letztere soll nach Boveri erst durch das Sper matozoon in das Ei getragen werden. Wenn man aber bedenkt, daB die Entwicklung des Eies ein chemischer ProzeB ist, der, wie ich vor 14 Jahren zeigte, wesentlich auf Oxydationen beruht, und bei dem eine Synthese von Kernstoffen aus Bestandteilen des Zytoplasma stattfindet, so muB man doch zugeben, daB die Boverische Hypothese nicht als eine adaquate Erkliirung der Entwicklungserregung an gesehen werden kann. In seiner Hypothese ist dem Zentrosom und den Astrospharen eine rein mechanische Rolle zugewiesen, namlich die Chromosomen des Kerns in zwei Massen, die zwei Tochterkerne, auseinanderzuziehen. Die Annahme Boveris, daB die Zentrosomen oder Astro spharen nicht im unbefruchteten Ei vorhanden seien oder daselbst gebildet werden konnen, wurde hinfallig, als Morgan im AnschluB an meine Versuche tiber die Wirkung hyper tonischer Losungen auf das Ei zeigte, daB solche Losungen im unbefruchteten Ei Astrospharenbildungen hervorrufen konnen, und daB sole he Eier sogar anfangen konnen, sich zu furchen. Boveri paBte seine Hypothese alsbald der neuen Tatsache an, indem er zugab, daB Zentrosomen und Astrospharen auch im unbefruchteten Ei durch aul3ere Agenzien gebildet werden konnen. Aber damit fallt, wie mir scheint, wieder der Vorteil der Boverischen Hypothese; denn warum soUte das Sperma tozoon nicht auch die Bildung von Astrospharen im Ei dadurch Einleitung und Vorwort. VII hervorrufen, daB es chemische Anderungen im Ei veranlaBt, welche ihrerseits erst die Ursache der Astrospharenbildung sind? Wie dem aber auch sein mage, jedenfalls ist in der Hypothese von Boveri die chemische Seite der Entwicklungs erregung ganzlich auBer acht gelassen. Diese Unvollstandigkeit erhielt auch bald eine deutliche Illustration durch eine Beobach tung von Mead an den Eiern von Chatopterus, einem marinen Ringelwurm. Mead zeigte, daB in diesem Ei die beiden Astrospharen fUr die Kernteilung im Ei vorhanden sind, ehe das Spermatozoon in dasselbe eintritt, daB aber dennoch die Kernteilung nicht ablaufen kann, wenn nicht ein Spermatozoon in das Ei eintritt. Dagegen fand die Kernteilung auch ohne den Eintritt eines Spermatozoons statt, wenn er nur dem Seewasser etwas Kalium zusetzte. Es handelte sieh in diesem FaIle um die sogenannte Reifeteilung des Eies, und wir wer den spater auf Einzelheiten der Beobachtung von Mead naher eingehen. Dieselbe beweist, daB in diesem Fane das Sperma tozoon sicher nicht durch das Hereintragen eines Zentrosoms in das Ei wirkt, sondern daB erstens das Ei den Teilungs apparat selbst bildet; und zweitens, daB das Spermatozoon durch das Hereintragen einer chemischen Substanz in das Ei wirkt. 2. Inzwischen hat ten meine Versuche liber Ionenwirkungen mich auf den Gedanken geflihrt, daB wir in den Ionen die wirksamsten Agenzien in den Lebenserscheinungen besitzen, und daB es mit Hilfe von Ionen gelingen miisse, die Lebens erscheinungen in viel h6herem MaBe zu beherrschen, als das sonst maglich sei. Der Umstand, daB die organische Chemie die Dynamik der Lebenserscheinungen so wenig aufgeklart habe, schien seinen Grund darin zu haben, daB die aktivsten Be standteile der lebenden Substanz, die Elektrolyte, nicht ge niigend beriicksichtigt worden waren. Nichts schien mil' ge eigneter, die souverane Rolle del' Elektrolyte bei den Lebens erscheinungen in das rechte Licht zu stellen, als wenn es gelingen sollte, mit ihrer Hilfe die unbefruchteten Eier zur Entwicklung von Larven zu veranlassen. Die Ionen, mit deren Hilfe ich zuversichtlich das Gelingen meines Versuches erwartete, waren die Hydroxylionen. Ich hatte gefunden, daB die Geschwindigkeit del' Entwicklung befruchteter Seeigel- VIII Einleitung und V orwort. eier innerhalb gewisser Grenzen mit der Konzentration der Hydroxylionen des Seewassers zunimmt. Diesen EinfluB der Hydroxylionen bezog ich auf den fordernden EinfluB derselben auf Oxydationen. lch hatte namlich schon fruher nachgewiesen, daB ohne SauerstofI das befruchtete Seeigelei sich weder zu furchen noch zu entwickeln vermag. Meine ersten Versuche, die Entwicklung unbefruchteter Seeigeleier mittels Alkali anzurl'gen, bestanden darin, daB die Eier mit See wasser behandelt wurden, dessen Alkalinitiit durch Zusatz von Natronlauge erhoht war. Diese Versuche waren nur teilweise erfolgreich. In solchem Seewasser furchten sich die Eier nur ein- oder zweimal, ohne sich zu Larven zu entwickeln. Dagegen gelang es mir, die unbefruchteten Seeigeleier dadurch zur Entwicklung zu Larven anzuregen, daB ich diesel ben zwei Stunden in hypertonisches Seewasser brachte, d. h. in Seewasser, dessen osmotischer Druck durch den Zusatz von irgendeinem Salz oder Zucker um etwa 60% erhoht war. Selbst reine (hypertonische) Rohrzucker losungen wirkten entwicklungserregend, nur entwickelten sich die mit dieser Losung erzeugten Larven nicht bis zum Pluteus stadium. Erst sechs Jahre spater fand ich, daB diese an scheinend rein osmotische Methode der Entwicklungserregung sich in Wirklichkeit aus zwei Faktoren zusammensetzt, von denen der eine der durch die Erhahung des osmotischen Druckes des Seewassers bedingte Wasserverlust des Eies ist; der zweite aber die Konzentration der Hydroxylionen der hypertonischen Lasung. Es stellte sich namlich heraus, daB innerhalb gewisser Grenzen die entwicklungserregende Wirkung der hypertonischen Lasung mit der Konzentration der Hydroxylionen zunimmt. Es wurde ferner gefunden, daB die hypertonische Lasung diese entwicklungserregende Wirksamkeit nur dann hat, wenn sie freien SauerstofI in geniigender Konze~tration enthalt. Ver treibt man den SauerstofI aus der hypertonischen Lasung oder hemmt man die Oxydationen im Ei durch Zusatz von etwas KeN zum Seewasser, so bleibt die entwicklungserregende Wirkung der hypertonischen Losung aus. Kurz nach der Erzeugung von Larven aus unbefruchteten Seeigeleiern durch hypertonisciles Seewasser, gelang mir die Erzeugung schwimmender Larven aus den unbefruchteten Eiern EinJeitung und Vorwort. IX von Chatopterus mittels Kalium und Sauren und von See sterneiern mittels Sauren, ohne daB es notig war, den osmo tisehen Druck des Seewassers zu erhohen. Diese Versuehe waren nicht geeignet einen Einblick in die Entwicklungserregung des Eies dureh ein Spermatozoon zu geben. Namentlich die Versuche iiber Entwicklungserregung mittels der hypertonischen Losungen gaben uns zunachst (ehe die N otwendigkeit des freien Sauerstoffs und einer ge wissen Konzentration der Hydroxylionen fiir die Wirksam keit dieser Losungen erkannt war) nur neue Ratsel auf. Denn iiber die physiologische Rolle der hypertonischen Losung war damals nichts bekannt, und es fehlte jede Analogie, die uns hatte als Fiihrer dienen konnen. Wie so oft waren es Versuchs· schwierigkeiten, welche in diesem FaIle auf den rechten Weg halfen. Wahrend niimlich die erwahnte osmotische Methode der Entwicklungserregungen bei den Eiern der Seeigel in Woods Hole (Arbacia) ziemlieh bestandige, gute Resultate lieferte, waren die ResuItate dieser Methode in Pacific Grove (an Strongylocentrotuseiem) hochst unbestandig. Oft erzielte man iiberhaupt keine Embryonen durch die Behandlung der Eier von Strongylocentrotus mit hypertonischem Seewasser, oft nur sehr wenige und gelegentlich eine groBe Zahl. Spater stellte es sich hera us, daB der Untersehied wohl zum Teil darauf beruhte, daB das Seewasser in Woods Hole alkalischer war als das Seewasser in Pacific Grove. Ehe ieh das aber erkannt hatte, schlug ieh einen andern Weg ein, die Methode der Entwicklungserregung zu verbessern. 3. Es war jedem Biologen bekannt, daB die Eier vieler Seetiere unmittelbar nach dem Eindringen des Spermatozoons eine Veranderung erleiden; sie bilden die sogenannte Befruch tungsmembran. Dieser ProzeB besteht, wie ich finde, in der QueIlung und Verfliissigung einer Substanz an der Oberflache des Eies, wobei entweder eine schon bestehende Oberfliichen lameIle desselben abgehoben wird, oder eine neue Niedersehlags membran gebildet wird. Dieser MembranbildungsprozeB war immer als etwas sehr Nebens!ichliches betrachtet worden. lch legte deshalb auch kein Gewicht darauf, daB boi der osmo tischen Entwicklungserregung des Eies keine Membranbil dung stattfand. lch fand nun 1905, daB eine kurze Behand- x Einleitung und Von,·ort. lung der Seeigeleier mit einer einbasischen Fettsaure die Bildung einer typischen Befruchtungsmembran bei allen Eiern von Strongylocentrotus hervorruft; und ferner, daB aIle diese Eier zur Entwicklung zu Larven veranla/3t· werden konnen, wenn man sie nach der kiinstlichen Membranbildung mit Fett saure kurze Zeit, etwa 20 bis 50 Minuten, in hypertonisches Seewasser bringt. Ruft man blo/3 die Membranbildung hervor, ohne die Eier hinterher in hypertonisches Seewasser zu bringen, so fangen sie zwar an, sich zu furchen, aber dann tritt ein Zerfall ein, und zwar auf einer um so friiheren Stufe der Ent wicklung, je hoher die Temperatur ist. 1st die Temperatur sehr niedrig, so konnen sich die Eier zu' fruhen Larven ent wickeln, ohne da/3 es notig ware, dieselben au/3erdem noch mit hypertonischem Seewasser zu behandeln. Bei Zimmertemperatur dagegen zerfallen die Eier in wenigen Stunden. Die Hervor rufung der Membranbildung setzt also die Entwicklung in den Gang, aber die Membranbildung hat auch eine schadigende Nebenwirkung, namlich eine Tendenz zur Zytolyse. Diese schadigende Nebenwirkung wird durch eine kurze Behandlung des Eies mit einer hypertonischen Losung beseitigt. Urn diese Wirkung zu erzielen, mu/3 die hypertonische Losung freien Sauerstoff in genu gender Menge enthalten. Ihre Wirksamkeit ist um so gro/3er, je hoher, innerhalb gewisser Grenzen, die Konzentration der Hydroxylionen ist. Wir konnen uns VOf stellen, daB durch die hypertoniRche Losung eine schadigende Substanz im Ei (durch Oxydationen?) zerstort wird. lch fand nun 1906 noch eine andere Methode, die scha digende Nebenwirkung, welche mit der Membranbildung ver bunden ist, zu beseitigen; dieselbe besteht darin, daB man die Entwicklung der Eier etwa 2 bis 3 Stunden lang hemmt. Man tut das in der Weise, daB man diesel ben nach der Mem branbildung in Seewasser bringt, aus dem man den Sauerstoff durch einen Wasserstoffstrom ausgetrieben hat, oder dem man etwas KeN zugesetzt hat. In dem FaIle ist die Entwicklung des Eies infolge der Unterdruckung der Oxydationen in dem selben unmoglich. Bringt man die Eier dann, nach 2 oder 3 Stunden (bei 15°), in normales sauerstoffhaltiges Seewasser zu ruck, so entwickeln sie sich meistens aIle unter vollig normaler Furchung. Es tritt also wahrend dieser Zeit eine Anderung Einleitung und Vorwort. Xl im Ei ein, welche ihm erlaubt, sich normal zu entwickeln. Urn unsere Ideen zu fixieren, wollen wir annehmen, daB wah rend der Entwicklungshemmung: das Ei einen schad lichen Stoff durch Hydrolyse zerstOrt und damit die schadlichen Neben wirkungen der Membranbildung beseitigt. DaB nun in der Tat die Membranbildung der wesentliche Schritt bei der Entwicklungserregung ist, kann ferner dadurch gezeigt werden, daB diesel be bei den Eiern vieler Formen aus reicht, urn die Entwicklung derselben zu normalen Larven auch boi Zimmertempemtur zu erlauben. lch habe gefunden, daD wenn man bei den Eiern eines Seesterns, Asterina, die Membmn bildung durch Fettsaure hervorruft, ein Teil dieser Eier sich zu normalen Larven entwickeln kann; das gleiche fand ich spater bei den Eiern eines marinen Ringelwurms, Polynoe, und Lefevre stellte dasselbe fiir die Eier des marinen Wurmes Thalassema fest. Diese Eier unterscheiden sich von den Eiern des Seeigels nur dadurch, daB die durch die Membranbildung bedingten schadlichen Nebenwirkungen geringer sind, oder daB die Eier dieser Formen sich rascher von denselben erholen ki:innen als die Eier des Seeigels. Wir werden spater sehen, daB nur ein quantitativer, aber kein prinzipieller Unterschied zwischen den Eiern verschiedener Formen in dieser Hinsicht besteht. DaB nun die Membranbildung und nicht eine andere Wir kung der Fettsaure die Entwicklung des Eies anregt, geht damus hervor, daB die Membranbildung, wenn sie durch irgend welche andere Mittel herbeigefiihrt wird, ebenfalls die Entwicklung des Eies anregt; wahrend die Saurewirkung an sich, wenn sie nicht zur Membranbildung fiihrt, auch die Entwicklung nicht anregt. 4. Damit war denn der MembranbildungsprozeB, der bis dahin als etwas vi:illig Nebensachliches fiir die Entwicklung angesehen worden war, als die wesentliche Ursache der Ent wicklungserregung des Eies erkannt. Der nachste Schritt be stand darin, festzustellen, welche Stoffe und Agenzien die Membranbildung im Ei bedingen. Eine erschi:ipfende Unter suchung dieses Gegenstandes muBte auch den Stoff einschlieBen, durch welchen das Spermatozoon die Entwicklung des Eies hervorruft.

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