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Die badischen Eisenbahnen im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 PDF

43 Pages·1914·2.228 MB·German
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:At Die badischen Eisenbahnen im deutsch-französischen Krieg 1870/71 Von Dr. A. Kuntzemüller Beilage zum Jahresbericht des Realgymnasiums mit Realschule (Lessingschule) Schuljahr 1913/14 MANNHEIM Buch- und Kunstdruckerei William Masur 1914 so? VORWORT Der vorliegenden Arbeit haben sich Schwierigkeiten mannigfacher Art entgegengestellt. Zunächst fehlte jegliche zusammenhängende Darstellung über einen ähnlichen Gegenstand; der Versucht die Leistungen der deutschen Eisen- bahnen während des Krieges 1870j 71 zusammenzustellen und kritisch zu beleuchten ist m. W. bisher nicht unternommen worden. Es ist ein Miß stand sondergleichent daß fast alle Kriegsberichte bis in die neueste Zeit hinein an ihnen achtlos voräbergehen. Selbst ein so grundlegendes Buch wie das Generalstabswerk bringt wol über 20 Seiten von der Feldpost und ein Kapitel über Feldtelegrafie, nur von den deutschen Eisenbahnen hört man auch da so gut wie nichts. Ein in seiner Art mustergiltiges Werk über die französischen Eisenbahnen im deutschen Kriegsbetrieb 1870j71 von dem ehemaligen preußischen Eisenbahnminister Budde hat versucht, das Durcheinander des damaligen Eisenbahnbetriebs zu entwirren; die verwickelten Verhältnisse der deutschen Bahnen werden aber auch darin kaum gestreift, und von den badischen Bahnen ist vollends nur in ganz seltenen Fällen die Rede. Ebenso widmet die Geschichte der badischen Eisenbahnen von Müller dem Kriegsjahr nur wenige Zeilen, und nicht einmal die Jahresberichte der Eisenbahnverwaltung geben irgendwelchen Aufschluß über den Anteil der badischen Eisenbahnen am Krieg. Als Quelle meiner Abhandlung konnten daher nur Akten und Zeitungen in Betracht kommen, und daran war wenigstens kein Mangel. Die Einsichtnahme dieser Akten verdanke ich in erster Reihe der Großh. Generaldirektion der Badischen Staatseisenbahnen in Karlsruhet deren oberster Leiter, Herr Staatsrat Roth, mir in weitgehendem Maß entgegengekommen ist. Durch seine Vermittlung habe ich außerdem vom Zentralbüro der Generaldirektion eine Reihe wichtiger Auskünfte erhalten. Weiteres wertvolles Aktenmaterial hat mir sodann die Großh. Direktion des General- Landesarchivs in Karlsruhe zur Verfügung gestellt. Weitaus der größte Teil der benützten Akten ist noch unver­ öffentlicht und somit hier zum erstenmal abgedruckt. Endlich aber hat mir auch die Großh. Hof- und Landes­ bibliothek zu Karlsruhe Einsicht in ihre reichhaltige Zeitungssammlung gestattet; die in ihrer Art wol einzig da­ stehende Bibliothek alter und neuer Jahrgänge von politischen Tageszeitungen birgt in der Tat noch viele ungehobene Schätze. Weitere Versuche zur Vervollständigung meines Materials schlugen leider fehl. Die Eisenbahnabteilung des Großen Generalstabs zu Berlin lehnte ein dahingehendes Gesuch kurzerhand ab. Die Kgl. Bayerische Eisenbahn­ direktion Würzburg, an die ich mich wegen Akten über die Truppentransporte Würzburg—Mannheim wandte, ebenso die Kgl. Bayerische Eisenbahndirektion Ludwigshafen sowie die Großh. Badische Betriebsinspektion Mannheim, die ich beide um Ueberlassung von Akten über die Rheinbrückentransporte batf konnten, da Akten nicht mehr vorhanden, zu ihrem Bedauern nur ablehnend antworten. Der Leser wird meiner Arbeit entnehmen, daß im Eisenbahnbetrieb des deutsch-französischen Krieges durch­ aus nicht alles wunschgemäß verlaufen istf ja daß vielleicht manches kaum noch schlimmer hätte sein können. Trotzdem habe ich mich mit Absicht jeder Schönfärberei enthalten und auch Ungünstiges soweit nötig berichtet, Schäden und Miß stände beim rechten Namen genannt. Sie sind heute wol alle — das möge man sich bei der Lektüre meiner Arbeit stets vor Augen halten — längst abgestellt. An Fehlern lernt man eben immer noch am besten. t MANNHEIM, im Juni 1914. Otio Beck&tr, 8. 4 — EINLEITUNG. Das badische Eisenbahnnetz bei Ausbruch des Krieges. Im Badischen Landtag; ist vor wenigen Jahren einmal das Wort gefallen, in kommenden Kriegen werde nicht demjenigen Staat der Sieg zufallen, der die besten Truppen habe, sondern demjenigen, der über die besten Eisenbahnen verfüge. Diesem Ausspruch, so absonderlich er auf den ersten Blick vielleicht klingen mag, ist ein innerer Kern von Berechtigung nicht abzu­ streiten. Wir dürfen in ihm gewissermaßen nur eine Reaktion auf frühere gegenteilige Anschau­ ungen s'ehen. Denn die Eisenbahnen sind ihres Aschenbrödeldaseins satt. Gleichwie sie im Frieden allenthalben längst der gegebene und allgemein anerkannte Verkehrsvermittler geworden sind, darf auch die moderne Kriegswissenschaft nicht achtlos an ihnen vorübergehen, seit selbst ein Moltke sie als unschätzbares Rüstzeug im Krieg erkannt und zu den „wichtigsten Mitteln der Kriegsführung“1) gezählt hat-’). — Um die Schwierigkeiten vollauf würdigen zu können, denen sich das Eisenbahnnetz des Grenzlandes Baden bei der Kriegserklärung im Juli 1870 gegenübersah, wird es nötig sein, wenigstens in kurzen Umrissen Ausdehnung und Betriebsverhältnisse der badischen Staats­ eisenbahnen von damals zu zeichnen (vergl. die beigegebene Skizze). Ich folge hier in der Hauptsache den amtlichen Jahresberichten und lege die Verhältnisse vom 1. Januar 1870, denen diejenigen vom Jahr 1913 gegenübergestellt sind, zugrunde. Die badischen Staatsbahnen bildeten 1870, als Preußen noch keine Staatsbahnen besaß, eines der größten einheitlich verwalteten Netze ganz Deutschlands. Ihre Gesamtlänge umfaßte Anfang 1870 877 km (l. Juli 1914 1853 km), davon 343 (921) km zweigleisig. Die Hauptbahn Mannheim—Heidelberg—Karlsruhe—Basel—Konstanz war bis Basel zweigleisig, von da an ein­ gleisig ausgebaut, die Odenwaldbahn Heidelberg—Würzburg über Waibstadt war vollendet (die heutige Linie über Eberbach wurde erst 1879 eröffnet). An zweigleisigen Hauptstrecken waren außerdem nur die Karlsruhe—Mühlacker-Bahn und die Linie Appenweier—Kehl—Straßburg in Betrieb; die sog. Rheinbahn Mannheim—Schwetzingen —Karlsruhe über Eggenstein wurde am 4. August 1870 eröffnet (die heute von den Schnellzügen befahrene Strecke über Blankenloch erst 1895). An der berühmten Schwarzwaldbahn fehlte noch das wichtigste und zugleich schwierigste Teilstück Hausach—Villingen. Auf der oberen Rheintalbahn Basel—Konstanz war das zweimalige Berühren von Schweizer Gebiet bei Basel und Schaffhausen, wie noch gezeigt werden wird, für die Mobilmachung und nachfolgende Truppenzüge besonders mißlich. Feste Rheinübergänge waren bei Mannheim und Kehl, eine Schiffbrücke bei Maxau vorhanden. Das für die Staatsbahnen verwendete Anlagekapital betrug rund 208 Millionen (921 Millionen) J{, sodaß auf l km Betriebslänge 244 000 (511000) JC kamen. Das heutige hohe Anlagekapital der badischen Bahnen ist nicht nur das höchste in Deutschland, sondern von Großbritannien abgesehen auch in ganz Europa. Die schwierigen Geländeverhältnisse, mit denen unsere Bahnen zu kämpfen haben, aber auch ihre Verkehrsdichte und reichhaltige Ausstattung mit Stationen, zweiten Gleisen und Betriebsmitteln kommen darin klar zum Ausdruck. An 5 Betriebsmitteln waren vorhanden: 236 (852) Lokomotiven, 753 (2311) Personenwagen und 3695 (23395) Lastwagen. Befördert wurden: 1869 8491 000 (1913 59785000) Personen, 1 727 000 (21883000) t Güter, und eine Einnahme von 18491000 (122974000) dt erzielt. Da sich die Aus­ gaben auf 9 592 000 (86 082 000) dt stellten, so ergab sich ein Ueberschuß von 8 899 000 (36892000) dl und eine Betriebszahl (Verhältnis der Ausgabe zur Einnahme) von 51,9 (70,0) %• Das hier zu beobachtende starke Steigen der Betriebszahl gegen unsere Zeit hin ist eine Er­ scheinung, der man in allen Eisenbahnländern der Erde begegnet. Sie hat ihren Grund u. a. im Anwachsen der Löhne und Materialienpreise sowie in den größeren Verkehrsansprüchen der Neuzeit (Schnellverkehr, Zugdichte, Ausstattung von Bahnhöfen und Wagen usw.), deren Be­ friedigung mitunter großen Schwierigkeiten begegnet. In bescheidenen Grenzen bewegte sich damals auch der Fahrplan. Durchlaufende Wagen kannte man noch nicht, die wenigen Schnellzüge führten nur I. und II. Klasse. Von Mannheim nach Basel und umgekehrt verkehrten im ganzen je 2 Schnellzüge (Sommer 1914 13 Schnell- und Eilzüge). Die allgemeinen Verkehrs Verhältnisse und Beziehungen zu den Nachbarbahnen wichen insofern wesentlich von den heutigen ab, als die französische Ostbahn auf der linken Rheinseite als Konkurrent im Nordsüdverkehr nicht in betracht kam, während heut die elsaß­ lothringischen Reichseisenbahnen bekanntlich in scharfem Wettbewerb zu den rechtsrheinischen badischen Linien stehen. Die Schnellzüge bestanden 1870 aus zwei- und dreiaxigen Fahrzeugen, während heute vier- und sechsaxige ihre Ausrüstung bilden, an Ausstattung und Bequemlichkeit konnten jene sich mit unsern heutigen Personenwagen natürlich nicht messen. Die Fahrgeschwindigkeit war dementsprechend auch recht gering. Der schnellste Schnellzug brauchte von Basel nach Mann­ heim 6 7* Stunden (heute 31/2 Stunden), was einer Reisegeschwindigkeit von .41,5 km/Std. (74,4 km/Std.) entspricht. Die Lokomotiven hatten Namen, während man sich heute mit Nummern begnügt. Das Gewicht einer Schnellzugslokomotive („Badenia“) betrug 15,5 t, dasjenige einer modernen Lokomotive der Gattung IV f dagegen beträgt 128,5 t. Die erstgenannte Maschine durchlief 1869 33 561 km, eine Lokomotive der neuesten Gattung IV g 1912 dagegen bei weit schwereren Zuglasten 129 218 km. I. Mobilmachung. Am 15. Juli 1870 hatte Preußen die Mobilmachung seines Heeres verfügt, am 16. war Baden als erster süddeutscher Staat gefolgt. Es waren schwere Tage für das Grenzland Baden, dem ein unmittelbarer französischer Einfall mit seinen schlimmen Folgen bevorzustehen schien. Alle Kräfte mußten zusammengenommen werden, um ihm zuvorzukommen, und den Eisenbahnen fiel wol die schwerste Rolle zu. „Gewitterschwül lastet — so läßt sich eine Zeitung jener Tage ver­ nehmen 3) — die Ungewißheit der Ereignisse auf unserm Land, auf unsrer Stadt. Alles regt sich, drängt und treibt, aber still, fast lautlos — kein Trompetenstoß, kein Trommelschlag, kein Säbel­ klirren, die bekannten Kundgebungen militärischer Tätigkeit, der einzige nimmer rastende Laut ist das Signal des Weichenwärters, das Pfeifen der Lokomotiven, namentlich zur Nachtzeit; es scheint nichts zu geschehen, und doch geht alles sicher und rasch seinen Gang“. Und wirklich ging alles zunächst sicher und rasch seinen Gang. Mit der Mobilmachung trat ein Militärfahrplan in kraft, der den Privatverkehr auf allen Aufmarschlinien vollständig ausschloß. „Von dem Augenblick der Mobilmachung an“ waren nach einer Aeußerung des späteren Chefs der Eisenbahnabteilung des Großen Generalstabs von Brandenstein4) „die Schienenwege lediglich 6 ein Kriegs mittel“. Grundsätzlich wurden zunächst die streitbaren Abteilungen, dann der Train befördert. Dabei mußten oft große Umwege zur Erreichung gewisser Endziele gemacht werden. „ Daß trotzdem die gewaltige Aufgabe in so kurzer Zeit gelöst wurde, darf fürwahr als eine muster- giltige Leistung gerühmt werden, fast ununterbrochen rollten die langen Eisenbahnzüge dahin“5). Erhebliche Unregelmäßigkeiten kamen nicht vor. Es muß auch anerkannt werden, daß die deutschen Zeitungen in ihren Mitteilungen über Truppentransporte u. ä. die größte Zurückhaltung beobachteten, was man von der französischen Presse jener Tage nicht behaupten konnte. Die Folgen der Inanspruchnahme der badischen Bahn durch die Militärtransporte ließen nicht auf sich warten. Schon am 20. Juli gab die Direktion der großh. badischen Verkehrsanstalten (heute Generaldirektion der badischen Staatseisenbahnen) bekannt, daß „die Beförderung von Eil­ und Frachtgütern über Heidelberg, Mannheim, Maxau und Würzburg nach den preußischen und sächsischen Bahnen vorerst nicht mehr stattfinden“ könne; der Güterverkehr in Baden wurde vorerst beschränkt aufrechterhalten, „soweit die vorhandenen Betriebsmittel nicht anderweitig in Anspruch genommen“ waren3). Der badischen Bahn folgte die hessische Ludwigsbahn, die Berlin— Anhalter, Magdeburg—Leipziger und Hannoversche Staatsbahn, die ebenfalls den Verkehr einstellten. Den süddeutschen Truppen dienten drei Linien zum Aufmarsch: I Augsburg—Ulm—Stuttgart— Bruchsal, II Nördlingen-Crailsheim-Meckesheim und III Würzburg—Heidelberg, die somit alle das Gebiet der badischen Eisenbahnen berührten. Ferner streiften die norddeutschen Linien C Berlin— Halle—Kassel—Frankfurt—Mannheim—Homburg (Pfalz) und E Posen—Leipzig—Mainz—Mann­ heim-Landau die badische Bahn in Mannheim, sodaß besonders die Strecken im Unterland zu­ nächst in Mitleidenschaft gezogen wurden. Zur Sicherung der Betriebsmittel war bereits am 15. Juli vom Handelsministerium, dem die Eisenbahnen damals unterstanden, folgende „Instruktion betreffend den Eisenbahndienst für den Fall einer feindlichen Okkupation“ ausgegeben worden6): „Mit besonderer Sorgfalt ist auf die rechtzeitige Bergung des Fahrmaterials zu achten. Dasselbe ist möglichst nach der unteren Landesgegend zu verbringen. Dasjenige, welches in den oberen Landesgegenden verbleibt, ist bei dem Anrücken des Feindes nach Villingen und Immendingen behufs der Ueberführung nach Württemberg, sodann nach Konstanz und auf die Stationen und verfügbaren Gleise im Schweizer­ gebiet, dasjenige aus den unteren Landesgegenden zunächst nach Heidelberg zu instradiren, von wo weitere Anordnung über die Weiterbeförderung erfolgen wird. Die Wagen sind tunlichst mit wertvollem Material, Werkstätteausrüstungsgegenständen u. a. Dienstutensilien, deren Fort­ schaffung nützlich und wenig umständlich ist, zu beladen“. Darauf erging weiter am Nachmittag des 21. Juli von seiten der Verkehrsdirektion folgendes Diensttelegramm an die Eisenbahnämter Freiburg, Offenburg und Kehl: Maßregeln wegen Kriegsgefahr betr. Alles in den Stationen des dortigen Bezirks vorhandene Transportmaterial, Lokomotive (sic!) und Wagen, welches nicht zur einfachsten Ausrüstung der Züge erforderlich ist, mithin alles Material für Auswechslung und Reserve, sowie das in den Werkstätten befindliche, für den Fahrdienst brauchbare Transportmaterial muß heut Nacht oder morgen Vormittag, nach Erfordernis mittels Extrazügen, ab­ gesendet werden und längstens bis morgen Mittag hierher verbracht sein. . . Sie haben unverzüglich die nötigen Anordnungen zum pünktlichsten Vollzug zu treffen und die Ausführung zu überwachen. Strenge Geheimhaltung dieser Verfügung wird anempfohlen. (gez.) Zimmer. Ueber die vom 28. Juli an zu bewältigenden Truppentransporte auf den Linien Würzburg— Heidelberg und Jagstfeld—Meckesheim waren am 22. zu Ulm u. a. folgende Vereinbarungen getroffen7): 7 „Der von dem Qeneralstab festgesetzte Fahrplan ist unabänderlich und muß auf das genaueste, ohne die geringste Abweichung durchgeführt werden. Der Personenverkehr mit den Militärzügen ist untersagt, hat jedoch bei den leer zurückgehenden Zügen, wenn hierdurch keine Verzögerung entsteht, keinen Anstand. Die Einlegung von einem Personenzug nach jeder Richtung wird unter der Voraus­ setzung gestattet, daß dadurch die Ordnung der Militärzüge nicht im geringsten alterirt wird und daß bei der geringsten Befürchtung einer Störung der Personenzug sofort wieder aufgehoben wird. Die Stellung des Fahrmaterials erfolgt durch die Bahnverwaltungen, welche deshalb unter sich nötigenfalls eine desfallsige Vereinbarung zu treffen und sich gegenseitig in ihrem Material zu unterstützen haben. Bei dem Mangel an Wagen I. Klasse für die Stabsoffiziere können Wagen II. Klasse, und bei der Un- zureichendheit von Personenwagen III. Klasse können gedeckte Wagen mit Sitzvorrichtungen für die Mannschaften benützt werden. Das Maximum der Axenzahl ist 80, und darf diese Zahl bei der Route I und III keinesfalls überschritten werden. Alle Züge müssen so formirt sein, daß sie ohne irgendeine Wagenverstellung Kopfstationen passiren können; es ist deshalb insbesondere darauf zu achten, daß Munitionswagen und Wagen mit leicht feuerfangenden Gegenständen in die Mitte der Züge eingestellt werden. Die Absperrung der Bahnhöfe und die Fernhaltung des Publikums, welche zur Aufrecht­ erhaltung der Ordnung unbedingt nötig ist und durchgeführt werden muß, liegt der Militär- und Bahn­ behörde gleichmäßig ob“. Die Ereignisse folgten sich nun Schlag auf Schlag. Schon am 16. Juli war die Kehler Eisenbahnbrücke auf beiden Seiten abgedreht und die Schiffbrücke über den Rhein abgeführt worden. Auf die Dauer konnte diese provisorische Maßnahme nicht genügen, die Notwendigkeit der Verteidigung des Landes erheischte schwerere Opfer. Am Nachmittag des 22. ward der stolze Bau von badischer Seite durch Sprengung des einen Strompfeilers unbrauchbar gemacht (näheres weiter unten in Kap. V). Den „höheren Interessen Badens und ganz Deutschlands“ war dieser Bau zum Opfer gefallen. Die Rheinbrücke war gesprengt, die Mainbrücke konnte geschlagen werden. Die unglaublichsten Gerüchte durchschwirrten das Land. In Karlsruhe ward am gleichen Tag, dem 22., die Erstürmung Mannheims durch die Franzosen nach I4stündigem Gefecht ge­ meldet! Hof und Ministerium waren bereit, nach Mosbach und Wertheim zu flüchten, falls die Franzosen den Rhein überschritten. Ein Zug zur Aufnahme des Staatsarchivs stand unter Dampf bereit. Der bei der badischen Güterexpedition zu Straßburg angestellte Revisionsbeamte mußte mit der badischen Eisenbahnkasse auf dem Umweg über Basel nach Karlsruhe zurückkehren. Die Eisenbahn aber leistete „geradezu fast Unmögliches; trotz der großen militärischen Personen- und Gütertransporte wurde für den Privatverkehr der Reisenden alles mögliche getan, die fahrplan­ mäßigen Züge wurden abgesehen von den unvermeidlichen Verspätungen sämtlich beibehalten, der Aufwand an Betriebspersonal und Transportmaterial war wirklich großartig“8). Der Sicherheit des Landes mußte auch die Hauptbahn zwischen Rastatt und Offenburg.zum Opfer gebracht werden. Sie wurde am 22. Juli an mehreren Stellen unbrauchbar gemacht (vgl. auch hierüber Kap. V), sodaß jede unmittelbare Verbindung zwischen dem Norden und Süden Badens unterbrochen war. Im Oberland wurden die Züge erst von Offenburg aus abgefertigt. Die einzige Verbindung Freiburgs und des badischen Oberlandes mit Karlsruhe und Nordbaden ging also über Villingen, Rottweil und Stuttgart. Am 22. Juli morgens 8 Uhr hatte der französische Gesandte zu Karlsruhe, Graf Mosbourg, seine Pässe verlangt, um 11 Uhr hatte er noch in Baden-Baden seine Dienerschaft, Pferde, Wagen und Effekten abgeholt, und abends reiste er von Karlsruhe über Stuttgart und die Schweiz, den einzigen für eine Eisenbahnfahrt noch offenen Weg, nach Paris zurück. Am gleichen 22. — man sieht, wie die Ereignisse sich drängten — mußte die Dampfschiffähre zwischen Mannheim und Ludwigshafen ihren Dienst einstellen, da sie ebenso wie die Mannheim-Ludwigshatener Schlepper zum Truppentransport südwärts befehligt wurde. 8 So war innerhalb noch nicht einer Woche, vom 16. bis 22., das ganze Land von der Mobilmachung in Mitleidenschaft gezogen. Zwischen Heidelberg und Weinheim wurde eine .Postfahrt mit Personenbeförderung“ eingerichtet, ebenso zwischen Offenburg und Hausach. Zwischen Mannheim und Heidelberg waren die regelmäßigen Züge aufgehoben und Personen­ beförderung fand .nur nach Tunlichkeit“ statt9). Zwischen Heidelberg und Rastatt liefen wenige Züge, die zudem „ihren Stundenplan nicht einhielten“, und oberhalb Rastatt war die Welt mit Brettern vernagelt. Hier kam es zunächst nicht einmal zu Postfahrten. Man war auf Leiterwagen angewiesen, für die ganz unglaubliche Preise verlangt wurden10). Sogar auf das Ausland griffen die Folgen der Mobilmachung über: Am 28. Juli sah sich die Schweizerische Nordostbahn ver­ anlaßt, „in der Zahl der nach Schaffhausen und Waldshut gerichteten Bahnzüge mit Rücksicht auf die eingetretenen Verhältnisse eine Minderung eintreten zu lassen“11). Am gleichen Tag trat endlich ein neuer geregelterer „Fahrtenplan“ für einzelne badische Strecken in kraft. Danach kamen beispielsweise in Konstanz nur noch drei Züge täglich an, und zwar nur je einer von Ottenburg, Basel und Waldshut. Der erstgenannte brauchte für die 270 km von Offenburg nach Konstanz volle 121/., Stunden Fahrzeit! Erst vom 10. August an kam ein zweiter Zug Offenburg— Basel zur Ausführung. Die größten Schwierigkeiten zeigten sich jeweils auf den Uebergangsstationen von einem Eisenbahnnetz zum andern, deren gerade Baden eine ganze Menge besaß. In Würzburg, Heidelberg, Mannheim, Mühlacker usw. war das Durcheinander am wenigsten zu vermeiden. .Die Nachbarbahnen konnten damals noch keine direkten Billette ausgeben, keine direkte Ge- päckeinschrift vornehmen. Alles mußte in Heidelberg neue Fahrkarten lösen bezw. die Qepäck- einschrift erneuern lassen. Sovereigns, Louis d’or, Friedrichs d’or, Dukaten, Zwanzigfrankenstücke •(italienische und Napoleons), bayerische, österreichische und holländische Guldenstücke, Taler, selbst Rubel und Dollars, alle Sorten, alle Arten auch an Papiergeld füllten unsere Kassen bis zum Rand. Wie der Wirbelwind die Schneeflocken nach allen Richtungen treibt, ähnlich war die Menschenflucht auf dem Bahnhof zu Heidelberg anzusehen gewesen; dann fast völlige Ein­ stellung des Lokal- und Personenverkehrs, dagegen eine wahre Völkerwanderung durch die Truppenbewegung nach der Pfalz, dem Saargebiet und den Uebergängen nach dem Elsaß: Badener, Preußen, Sachsen und Bayern, bald diese, bald jene, füllten den großen mit alten Bäumen bepflanzten Mittelraum der sich gegenüberliegenden Badischen und Main-Neckar- Bahnhöfe“1-’). Von sämtlichen Rheinübergängen w'ar die Mannheim-Ludwigshafener Brücke am stärksten mit Truppenzügen belegt. Weder die Kölner noch die Mainzer Brücke konnte auch nur annähernd hohe Leistungen aufweisen. Mindestens 150 bis 200 besetzte Züge dürften in den Julitagen 1870 die Mannheimer Rheinbrücke passirt haben13). Am 24. kamen die ersten Truppenzüge durch Mannheim. Auch für die Beschaffung von Lebensmitteln für diese zahlreichen Truppen war Mannheim von hervorragender Bedeutung. Eine aus mehreren Großfirmen Mannheim-Ludwigshafens be­ stehende Gesellschaft übernahm die Verproviantirung der süddeutschen Heere. Große Vorräte von ungarischem Getreide lagerten in Mannheim, die Zufuhren an Schlachtvieh und Früchten aus Oesterreich und Ungarn konnten wenn notwendig verdoppelt wrerden. „Unsere deutschen Brüder — so hieß es in einer Mannheimer Zeitung — werden nicht hungrig zur Schlacht gehen“. Auf dem Güterbahnhof Mannheim war eine von Bürgern der Stadt gestellte Sicherheitswache ständig am Platz; sie wurde erst am 14. August wieder eingezogen. 9 Endlich, am 4. August etwa, hatten die Truppenzüge der Mobilmachung ihr Ende erreicht. Was noch kam, waren zunächst nur Sanitäts-, Proviant- und ähnliche Züge, die auf die linke Rheinseite geschafft werden mußten. Es war aber auch Zeit; denn anfang August — so heißt es in einer Fachzeitung14) — war „das ganze Betriebspersonal der Eisenbahnen auf das äußerste abgehetzt und ermüdet, die Leute kamen Tag und Nacht kaum aus den Kleidern, und so war es zuletzt kein Wunder, wenn Stockungen, Irrungen und Unglücksfälle aller Art vorkamen“. Der Aufmarsch der deutschen Meere war in dreizehn Tagen vor sich gegangen, 5—600 000 Mann waren in dieser kurzen Zeit an die Grenze befördert worden, und so lagen, wie der preußische Staatsanzeiger mit Recht schrieb, „ungeheure militärische wie Eisenbahnleistungen“ vor. Eine schwere Aufgabe hatten die Eisenbahnen hinter sich, eine noch schwerere harrte ihrer. II. Der Eisenbahnbetrieb während des Krieges. Die Mobilmachung hatte wie ersichtlich den Betrieb der badischen Eisenbahnen bereits in höchstem Maß in Mitleidenschaft gezogen. Von einem geregelten Fahrplan, der auch wirklich eingehalten wurde, konnte kaum noch die Rede sein. Als ein Beispiel für viele teile ich den Fahrplan Mannheim — Heidelberg—Würzburg mit, wie er am 3. August in der „Karlsruher Zeitung“ veröffentlicht, aber kaum einen Tag lang richtig eingehalten wurde: 1200 700 1' ab Mannheim an -k 1030 1230 730 an Heidelberg ab 1000 - 400 ab Heidelberg an !: 6*2 — 150 1r an Würzburg ab % , 935 Um von Mannheim nach Würzburg oder umgekehrt zu gelangen, fiel also jedesmal ein Uebernachten in Heidelberg nötig. Auf der Main-Neckarbahn und den Pfälzischen Bahnen war — nach der gleichen Bekanntmachung — „die Personenbeförderung unbestimmt“. Abgesehen von diesen allenthalben zu beobachtenden Einschränkungen und Verspätungen der Züge machte sich die völlige Betriebseinstellung auf den Strecken Rastatt—Offenburg, Oos— Baden-Baden, Appenweier—Kehl und Offenburg—Hausach unangenehm bemerkbar. Am 26. Juli war in den Zeitungen eine Anzeige folgenden Inhalts zu lesen9): Zur Zeit der Unterbrechung des Güterverkehrs auf der Eisenbahnlinie bringen wir in Erinnerung, daß bei uns sowol nach nächster Umgegend sowie nach Pforzheim, Gernsbach, Rastatt und Baden wöchentlich zweimal Frachtfuhren ankehren. Eine regelmäßige Verbindung nach Mannheim und Offenburg anzubahnen stehen wir in Unterhandlung. Barthold & Co. , Speditionsgeschäft in Karlsruhe. Am 27. Juli wurden Postfahrten zwischen Karlsruhe und Offenburg eingerichtet, die Reisenden mußten jedoch „mit Passirscheinen des Divisionskommandos Karlsruhe oder des Bezirkskommandos des Landwehrbataillons in Offenburg versehen sein“. Ebenso enthielt das „Badener Wochen­ blatt“ vom 28. die Mitteilung, daß Omnibusfahrten zwischen Bühl (Gasthaus zum Raben) und Baden-Baden (Bayerischer Hof) stattfinden sollten. Auch hier folgte aber der Zusatz: „Die ver- ehrlichen Passagiere werden darauf aufmerksam gemacht, daß sie mit Legitimation versehen sein müssen“. 10 Anfang August war also der ganze Personen- und Güterverkehr zwischen dem badischen Ober- und Unterland auf je eine armselige Postfahrt beschränkt, die für die 73 km lange Strecke Karlsruhe—Offenburg genau zehn Stunden Fahrzeit brauchte. Erst zwischen dem lOi und 13. August wurde die Bahn „höherer Weisung gemäß“ wieder fahrbar gemacht, und seit dem 13. liefen zwischen Rasfatt und Offenburg täglich drei Züge. „Influenzbahnzüge zwischen Oos und Baden-Baden können vorerst nicht erstellt werden“, hieß es in einer amtlichen Bekanntmachung vom 13. Am 17. trat endlich ein neuer „Cursplan“ für sämtliche badischen Strecken in kraft; nur die Kinzigtalbahn Offenburg—Hausach wurde erst am 18. wieder eröffnet. a) Personenverkehr und Truppentransporte. Bei der Vielgestaltigkeit und Unübersichtlichkeit des Kriegsbetriebes hält es schwer, seine einzelnen Teile klar für sich gesondert darzustellen. Ich werde versuchen, die zeitliche Reihen­ folge nach Möglichkeit beizubehalten. Anfang August nahmen die Truppentransporte nach dem Kriegsschauplatz merklich ab. Ein Militärgepäckzug rief am 2. August auf der Odenwaldbahn vor Heidelberg einige Störung hervor, da er im großen Heidelberger Tunnel wegen Ueberladung stecken blieb, sodaß eine weitere Lokomotive herbeigeholt werden mußte, um ihn wieder von der Stelle zu bringen. Umso größere Transporte hatte aber die badische Bahn in der Richtung vom Kriegs­ schauplatz zu befördern. Schon nach dem Treffen bei Weißenburg (4. August) hoben nämlich die Gefangenentransporte an, die mit wenig Unterbrechungen den ganzen Winter hindurch an­ dauern sollten. In der Frühe des 5. kamen die ersten französischen Gefangenen, 482 an Zahl, meistens Angehörige des afrikanischen Heeres, auf dem Weg nach Norddeutschland durch Mannheim15). Mit einem weiteren Zug am Mittag desselben Tages passirte seit 1815 die erste französische Kanone Mannheim; sie trug die Aufschrift „Eilgut nach Berlin“. Größere Gefangenen­ transporte folgten nach der Schlacht bei Wörth (6. August). Sie gelangten über die Mannheimer und Maxauer Brücke nach Baden hinein und wurden hauptsächlich nach Ulm weitergeschafft. Am 7. und 8. dauerte in Mannheim „die Durchfuhr der französischen Gefangenen von der Schlacht bei Wörth fast ununterbrochen fort“16). Es waren meist schwere Züge von 30 bis 50 Wagen, die trotz Vorspann nur langsam vorwärts kamen und die Strecken unverhältnismäßig lange belegten. Karlsruhe sah die ersten Gefangenen, etwa 4500 Mann, in drei Zügen am 9. August nachmittags von Maxau her durchkommen. Auch hier waren es meist Turkos und Zuaven. Am gleichen Tag langten dort auch die ersten deutschen Verwundeten an. So ging es die nächste Zeit weiter, unaufhörlich hatten die Zeitungen von den unendlich langen „großartigen“ Zügen zu berichten. Dabei fehlte es nicht an Zwischenfällen. Am 26. August bekam ein Gefangenenzug in Heidelberg längeren Aufenthalt, weil die französischen Gefangenen sich ungehörig benahmen, die Marseillaise auf dem Bahnsteig sangen und fremde Leute frech belästigten. Erst durch das Dazwischentreten eines französischen Offiziers konnten die auf­ sässigen Gefangenen zum Schweigen gebracht und in ihre Wagen wieder hineinbefördert werden. Neben den Tausenden von Gefangenen brachten die Züge erbeutete französische Kanonen und Siegeszeichen in Masse nach Deutschland. Ende August lagerten auf dem damals noch sehr beschränkten Mannheimer Rangirbahnhof (der unmittelbar an den provisorischen Personen­ bahnhof anschloß und im Gebiet der heutigen Tattersall- und Heinrich Lanzstraße lag) große Mengen französischer Trofäen aus den siegreichen Schlachten des August, die ihrer Weiter­ beförderung wochenlang harrten. Diese Transporte mußten natürlich vor anderen wichtigeren

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