Thomas Bliesener· Karl Köhle Die ärztliche Visite Gefördert von der Robert Bosch Stiftung Thomas Bliesener· Karl Köhle unter Mitarbeit von C. Simons, p. Christian-~Tidmaier, Ch. Scheytt, R. Krug, M. Klingenburg, E. Gaus und B. Kubanek Die ärztliche Visite Chance zum Gespräch Mit einem Geleitwort von Thure von Uexküll Westdeutscher Verlag ISBN-13:978-3-531-11769-0 e-ISBN-13:978-3-322-83242-9 DOI: 10.1007/978-3-322-83242-9 Gefördert von der Robert Bosch Stiftung Inhalt Geleitwort (Thure von Uexküll) 9 Vorwort des Projektleiters (Kar! Köhle) 11 Vorbemerkung des Verfassers (Thomas Bliesener) ................... 13 Kapitell Ziele und Methoden der Untersuchung 15 1. Der Arbeitsprozeß .......................................... 15 2. Die Ulmer internistisch-psychosomatische Station ..................... 17 2.1. Das Stationskonzept ......................... , ; . . . . . . . . .. 17 2.2. Das Visitenkonzept ...................................... 17 3. Die Evaluation der Modellstation ...... ,......................... 19 3.1. Die geschlossene EvaJuation ... . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 20 3.2. Die offene Evaluation . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 21 4. Materialien und Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 22 5. Die Methode der Gesprächsanalyse ............................... 25 5.1. Besonderheiten der Gesprächsanalyse ......................... 26 5.2. Der Ablauf der Analyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 31 5.3. Die Sprache der Analyse .................................. 36 6. Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 38 7. Anhang: Transkriptionszeichen und Farbencode ...................... 39 Kapitel 2 "Die geringste Belastung genügt, um meinem Herz einen Ruck zu geben" Ängste und Kämpfe bei einem Herzinfarktpatienten ................. 41 1. Ziele der Gesprächsanalyse .................................... 41 2. Die Vorgeschichte der Visite ................................... 41 3. Die Gliederung des Gesprächs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 45 4. Die erste Gesprächsphase: Kraftprobe ............................. 45 4.1. Der Eingangsmonolog des Patienten .......................... 49 4.2. Die Entgegnung des Arztes ................................ 56 4.3. Zusammenfassung ...................................... 58 5. Die weiteren Gesprächsphasen: Eskalation .......................... 58 5.1. Die zweite Phase: Wiederholung ............................. 59 5.2. Die dritte Phase: Präzisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 63 5.3. Die vierte Phase: Letzter Versuch ............................ 65 6. Gründe für die beschriebene Gesprächsentwicklung: Ängste und Abneigungen . .. 67 7. Anregungen für künftige Visiten ................................. 69 8. Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 70 6 Inhalt Kapitel 3 "Ich muß wieder meinen Haushalt schaffen können" Visite bei einer 25-jährigen todkranken Patientin 71 1. Grundgedanke dieser Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 71 2. Vor-und Nachgeschichte der Visite ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 71 3. Die Phasengliederung des Gesprächs .............................. 78 4. Die Begrüßung und die Setzung des Themas ......................... 80 5. Der erste Gesprächszyklus ..................................... 83 5.1. Die Entfaltung des Themas ................................ 83 5.2. Konfrontation......................................... 87 5.3. Klärung der Aussichten ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 92 6. Der zweite Gesprächszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 97 6.1. Reprise ............................................. 97 6.2. Konfrontation......................................... 99 6.3. Fluchtversuche ......................................... 103 6.4. Klärung der Aussichten .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 107 7. Der Gesprächsabschluß ....................................... 112 8. Ergebnisse der Analyse ....................................... 113 9. Anregungen zur Gesprächsführung ............................... 114 10. Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 116 Kapitel 4 "Wir hoffen schon, daß wir das überstehen können" Ängste des Arztes vor den Ängsten des Patienten 117 1. Grundgedanke dieser Gesprächsanalyse ............................ 117 2. Vor-und Nachgeschichte der Visite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 117 3. Die Gliederung des Gesprächs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 123 4. Erste Phase: Annäherung an das Problem ........................... 124 5. Zweite Phase: Körperlicher Zustand .............................. 129 6. Dritte Phase: Besprechung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 132 7. Vierte Phase: Trauer der Patientin - Optimismus der Ärzte ............... 140 8. Ergebnisse der Analyse ....................................... 147 9. Anregungen und Vorschläge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 148 10. Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 150 KapitelS "f' hab jetzt genug, i' möcht raus da" Schwierige Verhandlungen mit einem 16-jährigen Krebspatienten 151 1. Grundgedanke dieser Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 151 2. Vor-und Nachgeschichte der Visite ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 151 2.1. Die Krankheit ......................................... 151 2.2. Der Umgang mit dem Patienten auf der Station ................... 152 3. Die Gliederung des Gesprächs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 159 Inhalt 7 4. Die bei den ersten Phasen ..................................... . 159 4.1. Die erste Phase: Möglichkeiten der Entlassung ................... . 162 4.2. Die zweite Phase: Zwischenspiel ............................ . 168 5. Die beiden mittleren Phasen: Möglichkeiten der Entlassung .............. . 169 6. Die beiden letzten Phasen .................................... . 180 6.1. Unmöglichkeit der Entlassung ............................. . 180 6.2. Erbrechen .......................................... . 181 7. Ergebnisse der Analyse ........................... . 186 8. Anregungen zur Gesprächsführung ................... . 187 9. Weiterführende Literatur .......................... . 191 Kapitel 6 "Ich werde den nötigen Dank kriegen" Ein langes Gespräch mit einer Asthmatikerin 193 1. Grundgedanke dieser Analyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 193 2. Vor-und Nachgeschichte der Visite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 193 3. Die Gliederung des Gesprächs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 203 4. Der psychotherapeutische Teil der Visite ........................... 203 4.1. Erste Phase: Opferbereitschaft im Krankenhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 203 4.2. Zweite Phase: Opferrolle im Leben ........................... 211 5. Der traditionelle Teil der Visite ................................. 221 5.1. Dritte Phase: Befunde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 221 5.2. Vierte Phase: Behandlung ................................. 225 5.3. Fünfte Phase: Beurlaubung ................................ 225 5.4. Sechste Phase: Beratung und körperliche Untersuchung . . . . . . . . . .. 232 6. Interpretation der Ergebnisse ................................... 234 7. Anregungen zur Gesprächsführung ............................... 237 8. Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 239 Kapitel 7 ,,ja braucht's des, daß ich so weit geh?" Versuch, einen jungen Patienten an den Gedanken des Sterbens heranzuführen .............................................. 241 1. Grundgedanke der Gesprächsanalyse .............................. 241 2. Vor-und Nachgeschichte der Visite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 241 3. Die Gliederung des Gesprächs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 246 4. Erste Phase: Befinden ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 247 5. Zweite Phase: Zustand und Aussichten ............................ 252 6. Dritte Phase: Aufenthaltsplanung ................................ 259 7. Vierte Phase: Unterstützung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 263 8. Fünfte Phase: Körperliche Untersuchung ........................... 266 9. Vertiefung der Ergebnisse ..................................... 269 10. Hinweise und Anregungen für die Gesprächsführung ................. 272 11. Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 8 Inhalt Kapitel 8 "Das ist halt irgendwie so 'ne Beunruhigung in mir" Klärungsversuche bei einem Patienten mit Dickdarmentzündung 277 1. Grundgedanke dieser Gesprächsanalyse ............................ 277 2. Vor-und Nachgeschichte der Visite ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 277 3. Die Gliederung des Gesprächs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 286 4. Erste Phase: Befinden und Befürchtungen des Patienten ................. 287 5. Zweite Phase: Nutzen des "Wochenendtests" ........................ 295 6. Dritte Phase: Verfahrensvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 307 7. Vierte Phase: Belastungen des Wochenendtests ....................... 308 8. Fünfte Phase: Verfahrens-Vereinbarung ............................ 318 9. Vertiefung und Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 321 10. Hinweise und Anregungen zur Gesprächsführung ...................... 324 11. Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 327 Kapitel 9 Probleme und Lösungsmöglichkeiten der neuen Visitengestaltung ...... 329 Verzeichnis der Anregungen zur Gesprächsführung .................. 332 Stichwortverzeichnis 333 Namenverzeichnis ........................................... 334 Tbure von Uexküll Geleitwort Das Buch bringt sprachanalytische Untersuchungen von Gesprächen, die zwi schen schwerkranken Patienten und Ärzten stattgefunden haben. Die Analysen sollen Möglichkeiten und Schwierigkeiten der Gesprächsführung während der ärztlichen Visite aufzeigen und Anleitungen geben, die Gesprächsführung effek tiver zu gestalten. Es werden Eigengesetzlichkeiten und unbewußte Strategien sichtbar gemacht, die den Verlauf von Gesprächen bestimmen und deren Kenntnis für den Arzt hilfreich ist, um seine diagnostischen und therapeutischen Absichten zu erreichen. Das klingt so technisch und speziell, als ob es nur Ärzte und, im äußersten Fall, Sprachwissenschaftler interessieren könnte. Aber das ist nur die eine Seite dessen, was in diesem Buch dargestellt wird. Die andere Seite betrifft ein The ma, das uns alle angeht, und das eine eigene Dramatik und Spannung enthält. Es handelt von einer Tatsache, die nur in Situationen der persönlichen Not - wie der einer lebensbedrohenden Krankheit - offenbar wird, weil wir sie sonst erfolgreich verleugnen, obgleich, oder weil, sie eine grundlegende Eigenschaft unserer menschlichen Existenz, und damit der conditio humana überhaupt, be trifft: Die Einsamkeit des einzelnen. Weil jeder von uns in einer nur ihm gehöri gen und nur ihm selbst zugänglichen Wirklichkeit lebt, bedarf es ständiger An strengungen, um diese Einsamkeit zu sprengen und gemeinsame Wirklichkeiten aufzubauen, in denen man sich mit anderen nicht nur oberflächlich und ratio nal, sondern auch in Bereichen, die den einzelnen affektiv betreffen, verständi gen kann. Aber diese Anstrengungen sind auch gefährlich. Sie verändern die Wirklichkeit, in der wir zu Hause sind und deren Illusionen uns vor Angst schützen. In den wiedergegebenen Gesprächen wird immer wieder bestürzend deut lich, wie Arzt und Kranke "in verschiedenen Perspektiven denken und in ver schiedenen Welten leben". Erst auf diesem Hintergrund wird sichtbar, was ein Gespräch ist, das weder Monolog, noch Konversation, noch gegenseitiges Ver steckspiel, sondern Instrument ist, um eine gemeinsame Wirklichkeit zwischen verschiedenen Menschen aufzubauen. "Das Gespräch", heißt es nach der Wie dergabe und Analyse eines der Dialoge, "war der Versuch, diese Welten ein paar Minuten lang in Wechselwirkung zu bringen". Die Wiedergabe dieser Versuche, in denen der Arzt um den Aufbau einer gemeinsamen Wirklichkeit kämpft, die dem Kranken ein Stück Einsicht in sei ne Lage vermittelt und in denen der Kranke einer solchen Erweiterung seiner Wirklichkeit oft verzweifelten Widerstand entgegensetzt, kann man nicht ohne 10 Geleitwort (Tbure von Uexküll) innere Bewegung lesen; denn in diesem Kampf geht es letzten Endes um nicht weniger als um die Menschlichkeit der Krankheit, wenn man darunter das Ernst nehmen des Kranken als Mensch versteht, d. h. seiner Möglichkeiten, sich mit seinem Schicksal auseinanderzusetzen. Die differenzierte Analyse der Gespräche läßt die innere Dramatik dieses Kampfes um eine gemeinsame Wirklichkeit spüren, von der wir uns vormachen, sie sei der normale zwischenmenschliche Zustand - die ohne unser Zutun vor gegebene Wirklichkeit. Die Analyse macht auch deutlich, daß guter Wille, Mit gefühl und die Bereitschaft, den Kranken in der gemeinsamen Wirklichkeit zu begleiten, von Seiten des Arztes zwar Voraussetzungen sind, aber allein nicht ausreichen; denn um die notwendigen schmerzlichen Operationen zu planen und durchzustehen, ohne die Möglichkeiten des Kranken zu überfordern und u. U. irreversible Verletzungen zu setzen, muß der Arzt über ein hohes Maß ei ner durch Wissen und Erfahrung geschulten Empathie verfügen. Die Grundtatsache unserer menschlichen Existenz, daß jeder in seiner indi viduellen Wirklichkeit lebt, wird in der Interaktion zwischen Ärzten und schwerkranken Patienten zu einer ständigen Herausforderung - und für die Ärzte zu einer "oft übersehenen Belastung, die die Doppelrolle des Arztes als medizinischer Therapeut und menschlicher Begleiter des Patienten mit sich bringen kann". Indem das Buch diese oft übersehene Belastung der Doppelrolle des Arztes sichtbar macht, enthüllt es eine oft· übersehene Seite unserer gemeinsamen menschlichen Wirklichkeit. Freiburg, den 8. August 1984
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