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Die anonyme Macht: Der englische Lobbyismus als Modellfall PDF

166 Pages·1960·3.03 MB·German
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Finer . Die anonyme Macht S. E. FINER Die anonyme Macht Der englische Lobbyismus als Modellfall WESTDEUTSCHER VERLAG· KÖLN UND OPLADEN Titel der englischen Originalausgabe Anonymous Empire, A Study of the Lobby in Great Britain © 1958 by The Pall Mall Press Ltd., London Deutsche übersetzung von Eugen Engling ISBN 978-3-322-96064-1 ISBN 978-3-322-96197-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-96197-6 Erste deutsche Ausgabe 1960 Alle Rechte an der deutschen Ausgabe: Westdeutscher Verlag, Köln und Opladen Satz und Druck: Druckerei Dr. Friedrich Middelhauve GmbH., Opladen Für Jeremy Vorwort Dieses Buch trägt den Titel »Die anonyme Macht« (Anonymous Empire) - es schließt mit den Worten: »Licht! Mehr Licht!«-, es enthält eine Analyse des (englischen) Lobbyismus. Damit ist beinahe alles, was im Prinzip und im Ergebnis über den Lobbyismus - nicht nur in England - gesagt und gefordert werden muß, zum Ausdruck gebracht. Niemand kann und wird heute noch die Tatsache bestreiten wollen, daß die Lobby, daß Verbände und Interessenorganisationen zur gesellschaft lichen und politischen Wirklichkeit gehören und in ihr eine Funktion erfüllen, nämlich die Funktion, zur politischen Willens bildung in der modernen Massendemokratie wesentlich bei zutragen. Sie sind an sich weder gut noch schlecht, sie haben aber gute und schlechte Seiten; sie können sehr nützlich, sie können aber auch sehr geftihrlich sein; sie können zur Gefahr werden. Gerade aus diesem Grunde ist es geboten, sie genau zu kennen, um ihre Tätigkeit, ihre Aktionen, ihre Tendenzen zu wissen, »mehr Licht« in ihre Wirkungsrichtung und in ihre Wirkungs breite zu bringen. Nur das Unbekannte, das Ungreifbare, das Anonyme ist bedrohlich. Was man kennt und damit erkennt, ist zu fassen, zu begreifen, zu »zähmen«. Die Interessenverbände - oder wie Finer diese sehr komplexe Gesamterscheinung bezeichnet, die» Lobby« - sind ein Merkmal der modernen Zeit, jedenfalls in ihrer spezifischen Eigenart und in der spezifischen, hier gemeinten Begriffsbestimmung. Die Wandlung der gesellschaftlichen Struktur im allgemeinen und die Veränderungen im Wirtschaftssystem im besonderen, Rationalisierung, Spezialisierung, Differenzierung auf allen Ge bieten, Institutionen und Funktionen, die Vervollkommnung und die Ausbreitung des Nachrichten- und Verkehrswesens, sowie die Steigerung des Umfanges der öffentlichen Verant wortung haben - um nur einige Dinge aufzuführen - überall im Bereiche der arbeitsteiligen Industriegesellschaft mit Not wendigkeit die Entstehung einer Vielzahl von Verbänden der 7 verschiedensten Arten hervorgerufen, deren selbstgestellte Auf gabe es war und ist, verschiedenartige Gruppeninteressen zu vertreten und zu versuchen, diese Interessen in Legislative und Exekutive durchzusetzen. Der Strukturwandel der Demokratie und der Strukturwandel der Parlamente bedingte und ergab zugleich eine Art Vakuum, in das die Interessenverbände sozusagen »einströmten«. Sie bedienten sich - worauf Finer mit Recht und Nachdruck hinweist - dabei zweier demokratischer Rechte, nämlich des Rechtes, an der Be sti=ung der Politik mitzuwirken und des Rechtes, die Be hebung von Übelständen zu fordern. Sie boten Beratung und Information. In der Theorie begannen sie somit einen Hiatus auszufüllen, der zwischen Wählerschaft und Regierung, wenig stens zwischen den Wahlperioden, bestand, indem sie die Inter essen der in Gruppen zusammengeschlossenen und differenzierten Gesellschaft wahrnahmen. Die Interessengruppen wurden neben und - noch - nach den Parteien, als den eigentlichen verfassungs mäßigen Trägern der politischen Willensbildung, zu einer gesell schaftspolitischen Tatsache, mit dem Anspruch, ihr Wollen und ihre Ziele auch im staatlichen Sektor durchzusetzen. »Die Lobby« ist also - nach der Definition von Finer - »die Summe aller Organisationen, die sich ständig oder gelegentlich die Beein flussung von Parlament und Behörden zur Aufgabe machen, um deren Politik in ihre eigene Richtung zu lenken; dabei sind sie aber (im Gegensatz zu den politischen Parteien) niemals selbst bereit, die Regierung des Landes unmittelbar zu übernehmen.« Es liegt auf der Hand, an welcher Stelle dieser Konstruktion der Gefahrenpunkt auftaucht: » ... um deren Politik in ihre eigene Richtung zu lenken ... «; d. h. wie weit geht die Macht und der Druck der Sonderinteressen? Wie stark ist die Macht und der Druck bestimmter Verbandsoligarchien? Wie stark ist das Ge schütz, das aufgefahren wird, um die Politik »in die eigene Richtung« zu lenken? Wie groß ist die Stehkraft derer, auf die das Geschütz gerichtet wird? Wenn die Interessenverbände, wenn die Lobby in ihren Grenzen gehalten, wenn die ihr innewohnenden zentrifugalen Kräfte 8 wirksam zusammengehalten werden sollen, dann muß der »dritte Partner« der Konstellation Lobby - Staat da sein und funktionieren: die öffentliche Meinung, das Allgemeininteresse. Finer weist sehr betont darauf hin, daß in der sehr alten und dicht gefügten englischen Gesellschaft sich eine Weh sozialer und kultureller Anschauungen herausgebildet hat, eine Wirklich keit des Klimas, des Milieus, der allgemein anerkannten Maßstäbe, die den breiten und intakten Hintergrund für das Wirken der Lobby bilden und die intellektuellen und moralischen Voraus setzungen schaffen, nach denen jede Forderung der Lobby be urteilt wird. In England, im Lande der seit Jahrhunderten gewachsenen Demokratie, ist also der dritte Partner noch vor handen und noch wirksam, ein Umstand, der gerade die Unter suchung über den englischen Lobbyismus so instruktiv, beispiel und lehrhaft macht. Das Allgemeininteresse, die »Wirklichkeit anerkannter Wertmaßstäbe« trägt allein durch ihr Vorhanden sein von vornherein zur Mäßigung der Lobby bei, schafft Ausgleich und Gegengewicht. Der Lobbyismus als eines der Phänomene der arbeitsteiligen Industriegesellschaft, ist eine internationale Erscheinung mit über die Erde hinwegreichenden Gemeinsamkeiten, die im wesent lichen in der Struktur liegen und mit den von Land zu Land durch das verschiedene »soziale Klima« bedingten Verschieden heiten. Beides zu erkennen, beides herauszustellen, ist Aufgabe der Wissenschaft. Aus beidem die Nutzanwendungen zu ziehen, ist Aufgabe der Politik. Die Aufgabe eines Verlages, der der politischen Wissenschaft dienen will, ist es, das wissenschaftlich gewonnene Material bereitzustellen und verbreiten zu helfen. Aus diesem Grunde wird das Buch von Professor Finer »Die anonyme Macht« der deutschen Öffentlichkeit in deutscher Übersetzung vorgelegt. Es kann und soll dazu beitragen, die deutschen Verhältnisse klarer sehen zu helfen; und so hoffen wir, dazu beizutragen, am englischen Beispiel zu erkennen, daß es an jedem Einzelnen selbst liegt, für «mehr Licht« zu sorgen. WESTDEUTSCHER VERLAG Dr. Friedrich Middelhauve 9 Inhalt Kapitell Was ist Lobbyismus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 13 Kapitel 2 Wer sind die Lobbyisten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 17 Kapitel 3 Wie arbeitet der Lobbyismus? ........................ 30 Kapitel 4 Die Lobbyisten und die Regierung (Whitehall) . . . . . . . . .. 41 Kapitel 5 Die Lobbyisten und der Gesetzgeber (Westminster) ...... 52 Kapitel 6 Weiteres über die Lobbyisten und den Gesetzgeber. . . . .. 75 Kapitel 7 Die Lobbyisten und die Öffentlichkeit ................. 90 Kapitel 8 Die Lobbyisten und das öffentliche Interesse ............ 110 Kapitel 9 Die anonyme Allmacht der Lobbyisten. . . . . . . . . . . . . . . .. 124 Anhang Tafel I Das House of Commons nach Berufsgruppen ........ . . .. 153 Tafel II »Vertretung« außenstehender Organisationen im House of Commons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 155 Tafel III Vertretungen der lokalen Regierungen im Parlament (1954) 169 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 171 11 Erstes Kapitel Was ist Lobbyismus? Was Lobbyismus ist? In jeder beliebigen Tageszeitung kann man Meldungen folgender Art finden: »Der Zentralverband der Möbel fabrikanten verlangt die Auflösung des Institutes für industrielle Förderung.« »Die Unternehmer-Vereinigung drängt den Minister präsidenten, die Gewinnsteuer zu ermäßigen.« »Der National verband der Süßwarenhändler protestiert gegen die Gesetzes vorlage für Ladengeschäfte ; die Lieferanten-Vereinigung will sie zu Fall bringen; die Handelskammer aber versteift sich darauf, daß »die britischen Einzelhandelsverbände sehnlichst die An nahme des Gesetzesvorschlages erwarten.« Der Zentralverband der britischen Industrie fordert »radikale Abstriche an den öffentlichen Ausgaben«, und die Handelskammer von Birming harn beschuldigt das Handels- und Versorgungsministerium, die Landerschließungs-Organisationen zu begünstigen. Täglich liest man Schlagzeilen wie etwa diese: »Zusammenschluß der Befürworter des Dritten Program mes: Achtundzwanzig in den ersten Ausschuß gewählt - viertausend Unterschriften.« »Kritik des T.U.C. am Haushaltsplan - Kürzungen vom Minister verlangt.« »Anti-Steuer-Feldzug; Miss Dorothy Tutin protestiert bei Abgeordneten.« »,Eine Lanze für den Freihandel!' - Warnung des Präsi denten des Britischen Industrieverbandes. « »Block gibt Systemkatastrophe zu; Studenten kritisieren.« »,Soldatenhaarschnitt' - ein Überbleibsel aus der ,guten, alten Zeit' ... 18000 Mitglieder der Nationalen Friseur innung wenden sich gegen § 1015 der Königlichen Ver ordnungen.« ... Das alles zusammen ist »Lobbyismus«. Und hier ein Beispiel für seine berufliche Erscheinungsform: »Einzelhandels-Großverband (Handels verband der Waren häuser im Vereinigten Königreich) hat einen Direktoren posten zu besetzen. Als Hauptgeschäftsführer hat der Direktor maßgebende Verhandlungen auf hohem Niveau mit den Regierungsstellen (Sperrdruck vom Verfasser), mit ande ren öffentlichen Körperschaften und gewerblichen Verbänden in wichtigen Warenhausfragen zu führen. Geschäftsmaß nahmen und Ausarbeitung der Statistik sind von ihm zu überwachen und nach den Anweisungen der Verbands leitung zum Nutzen der Warenhäuser durchzuführen. Das Gehalt liegt bei.s; 2000 jährlich zuzüglich Tantieme.« (Economist, 22. Juni I957) Diese Beispiele mögen eine Begriffsdefinition ersetzen. Wer aber doch eine haben will, soll sie bekommen. Unter »Lobbyismus« verstehe ich an allen Stellen dieses Buches: »Sämtliche Tätigkeiten von Organisationen, soweit sie an irgendeinem beliebigen Zeitpunkt auf eine Einflußnahme auf den Aktionsbereich öffentlicher Stellen zur Förderung der eigenen Interessen gerichtet sind, wobei diese Organi sationen, im Gegensatz zu den politischen Parteien, niemals selbst zur unmittelbaren Regierungsübernahme im Lande bereit sind.« Jetzt wird man fragen: Warum wird denn dafür nicht der ge läufigere Ausdruck» Interessentengruppe« (pressure group) ge braucht? Hauptsächlich deshalb nicht, weil das Wort» Druck« hier begrifflich gewisse Zwangsmaßnahmen einschließt, die bei der Ablehnung eines Verlangens angewandt werden sollen. In der Regel erheben aber die meisten Gruppen einfach nur Forde rungen, oder sie greifen einen Fall auf, und zwar nur diskutierend und disputierend, nicht aber unter Drohungen. Zweitens: Soweit diese Gruppen tatsächlich doch Druck ausüben, tun sie das nicht ununterbrochen. Es gibt bei diesen privaten Organisationen zwei Haupttypen. Eine davon hat nur den Zweck, durch die Organi sation eine Sache vorwärts treiben zu lassen - so z. B. die Howard

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Dieses Buch trägt den Titel »Die anonyme Macht« (Anonymous Empire) - es schließt mit den Worten: »Licht! Mehr Licht!«-, es enthält eine Analyse des (englischen) Lobbyismus. Damit ist beinahe alles, was im Prinzip und im Ergebnis über den Lobbyismus - nicht nur in England - gesagt und geforde
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