Ruhr-Universität-Bochum PD Dr. med. Kai Bernsmann Dienstort: Girardet Clinic Essen Abt.: Fachklinik f. Gelenkersatz und Gelenkverletzungen ----------------------------------------------------------------------------------------------------------- Die ambulante arthroskopische laterale Kapselspaltung am Kniegelenk Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin einer Hohen Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum vorgelegt von Theodoros Theodoridis aus Thessaloniki 2003 Dekan: Prof. Dr. med. G. Muhr Referent: Priv. Doz. Dr. med. K. Bernsmann Korreferent Prof. Dr. med. C. Puchstein Tag der mündlichen Prüfung: 25.11.2003 Meinen Eltern Στους γονεις µου INHALTSVERZEICHNIS Verzeichnis der Abkürzungen 5 1. Einleitung 6 2. Grundlagen 7 2.1 Das Femoropatellargelenk 7 2.1.1 Anatomie 7 2.1.2 Varianten, Fehlbildungen, Röntgenanatomie 11 2.1.3 Biomechanik und Dynamik des patellofemoralen Gelenkes 14 2.2 Die Erkrankungen der Patella und des femoropatellaren 18 Gleitlagers 2.2.1 Angeborene Patellaluxation 18 2.2.2 Rezidivierende Patellasubluxation oder- luxation 19 2.2.3 Chondropathia patellae 21 2.3 Operative Therapie bei patellofemoraler Dysfunktion 22 2.3.1 Einleitung 22 2.3.2 Passive Fesselung der Patella nach KROGIUS 22 2.3.3 Distalisierung des Vastus medialis nach MADIGAN 23 2.3.4 Medialisierung der Tuberositas tibiae 23 2.3.5 Die Spaltung des Retinaculum patellae laterale in offener Technik 25 2.3.6 Die Spaltung des Retinaculum patellae laterale in arthroskopischer 26 Technik 2.4 Ambulante arthroskopische Operationen 28 3. Eigene Untersuchung 30 3.1 Material und Methode 30 3.2 Ergebnisse 36 4. Diskussion 51 5. Zusammenfassung 55 6. Anhang: Fragebogen 56 7. Literaturverzeichnis 64 8. Lebenslauf 71 Verzeichnis der Abkürzungen a.p. anterior-posterior CM Chondromalacia CMP Chondromalacia patellae CT Computertomografie cm Zentimeter lat. lateral M. Musculus Mm. Musculi N. Nervus Rö. Röntgen Tbl. Tabletten 5 1. Einleitung Seit Viernstein und Weigert (1968) die Spaltung des Retinaculum patellae laterale beim patellofemoralen Schmerzsyndrom beschrieben haben hat diese Technik – zunächst in offener Form und dann zunehmend als arthroskopisches, laterales Release – eine weite Verbreitung erfahren. In den letzten Jahren wird diese Entlastungsoperation für das femoropatellare Gelenk nur noch in arthroskopischer Technik durchgeführt. Da der Eingriff mit einer Durchtrennung sämtlicher Schichten des Retinaculum patellae laterale, einschließlich der Synovialmembran und der darin befindlichen Gefäße erfolgt, handelt es sich um eine relativ invasive Operation, die mit einer größeren Wundfläche im Kniegelenk verbunden ist. Dementsprechend treten Komplikationen mit stärkeren postoperativen Schmerzen, Blutungen und Wundheilungsstörungen auf. Diese Patienten brauchen eine intensive postoperative Betreuung. In den letzten Jahren hat sich die arthroskopische Operation am Kniegelenk zunehmend als ambulanter Eingriff etabliert. Auch größere Eingriffe, wie arthroskopische Kreuzbandersatzoperationen, Synovektomien und die Spaltung des Retinaculum patellae laterale beim patellofemoralen Schmerzsyndrom wurden ambulant durchgeführt. In der Literatur finden sich Angaben über die Komplikationsträchtigkeit bei der arthroskopischen lateralen Kapselspaltung (Menschik und Landsiedl, 1992, Krämer u. Rosenthal, 1991, Schneider et al., 1996, Gebhardt, 1998). Insofern war es von Interesse, wie sich diese Komplikationsrate bei den bis dahin durchweg stationär durchgeführten Retinaculumspaltungen bei ambulanter Durchführung des Eingriffes in der Praxis darstellt. 6 2. Grundlagen 2.1 Das Femoropatellargelenk 2.1.1 Anatomie Die Muskeln des Oberschenkels haben eine große funktionelle Bedeutung für die Stabilisierung des Kniegelenkes im Stehen. Man unterscheidet eine Extensoren- und eine Flexorengruppe. Zur Extensorengruppe zählen die dorsalen Hüftmuskeln an der Innen- und Außenseite der Beckenschaufel. Die dorsale Muskelgruppe der Extensoren liegt in Folge der Stellungsänderung des Femur auf der Vorderseite des Oberschenkels. Die Flexorengruppe des Oberschenkels, die den ventralen, am Scham- und Sitzbein entspringenden Hüftmuskeln entspricht, hat ihre Lage auf der Rückseite des Femur. Die Extensorengruppe ist kräftiger als die Flexorengruppe. Zu den vom N. femoralis innervierten Extensoren gehören die vier Anteile des M. quadriceps femoris und der M. sartorius. Die Flexorengruppe besteht aus den Mm. semitendinosus, semimembranosus und biceps femoris. Sie bilden die ischiocrurale Muskelgruppe. Zwischen Extensoren und Flexoren des Oberschenkels hat sich auf der medialen Seite die Gruppe der Adduktoren geschoben. Die Adduktoren gehören funktionell zur Hüfte (Rauber, Kopsch,1987). Den größten Teil der Regio femoris anterior nimmt der M. quadriceps femoris ein, der das Os femoris mantelartig umfasst. Der Muskel besteht aus vier Köpfen, M. rectus femoris, M. vastus lateralis, M. vastus intermedius und M. vastus medialis. Der M. rectus femoris zieht als zweigelenkiger Muskel über Hüft- und Kniegelenk. Die eingelenkigen Mm. vasti wirken nur auf das Kniegelenk. Der M. rectus femoris liegt im mittleren Bereich des Oberschenkels, eingebettet zwischen den Mm. vasti lateralis und medialis, auf dem M. vastus intermedius, sein Muskelbauch lässt sich seitlich von den angrenzenden Muskeln isolieren. Die Mm. vasti sind größtenteils fest miteinander verwachsen. Der M. quadriceps femoris hat eine gemeinsame Ansatzsehne, in die die Patella als Sesambein eingelagert ist. Der größte Teil der Endsehne zieht zur Basis und zu den Seitenrändern der Patella. Ein Teil der Ansatzfasern zieht kontinuierlich über die Facies anterior patellae. Als Fortsetzung der Endsehne verläuft das Ligamentum patellae von der Spitze der Kniescheibe zur Tuberositas tibiae. Quadrizepssehne und Ligamentum patellae bilden in Streckstellung nach lateral einen Winkel von etwa 160°(Abb.1). In Flexionsstellung liegen beide Anteile in Folge der Verlagerung der Patella nach lateral auf einer Geraden. 7 Abb. 1 Der Kniestreckapparat (Krämer, 1996) Die seitlichen Anteile der Ansatzsehne laufen als Retinaculum patellae (longitudinale) mediale und als Retinaculum patellae (longitudinale) laterale (Abb. 2 und 3) seitlich an der Kniescheibe vorbei und setzen am Condylus medialis und am Condylus lateralis der Tibia an (Kahle, 1986). Die Retinacula patellae verstärken, wie das Ligamentum patellae, die Kniegelenkskapsel und bilden außerdem den sog. Reservestreckapparat des Kniegelenkes (Krämer, 1996). Abb. 2 Kapsel-Bandapparat eines rechten Kniegelenkes in der Ansicht von vorn (Rauber, Kopsch, 1987) 8 Abb. 3 Kapsel-Bandapparat eines rechten Kniegelenkes in der Ansicht von lateral (Rauber, Kopsch, 1987) Das Kniegelenk, Articulatio genus, ist ein zusammengesetztes Gelenk, in dem Femur, Tibia und Patella sowie die Menisken in zwei Gelenkanteilen, Articulatio femorotibialis und Articulatio femoropatellaris, miteinander artikulieren. Im Femorotibialgelenk, Articulatio femorotibialis, artikulieren die Condyli femoris und die Gelenkfacetten der Facies articularis superior tibiae miteinander. Das Ausmaß der Beugung und Streckung beträgt 5-10° / 0° / 120°-150° (Debrunner,1994). Im Femoropatellargelenk, Articulatio femoropatellaris, artikuliert die Facies patellaris ossis femoris mit der Facies articularis patellae. Die Facies patellaris hebt sich gegenüber den Gelenkflächen der Condylen medial und lateral durch eine Leiste (Linea condylopatellaris, Linea terminalis) ab. Die rollenförmige Gelenkfläche (Trochlea) bildet das Gleitlager für die Kniescheibe. An der Trochlea unterscheidet man eine mediale und eine laterale Condylenwange. Die laterale Gelenkfläche dehnt sich weiter nach kranial aus als die mediale. Nur selten kommt eine „ideale Trochlea“ mit symmetrisch ausgebildeter medialer und lateraler Wange vor (sog. Euplasie). In den meisten Fällen ist die laterale Condylenwange breiter und deutlich höher als die mediale, die Rinne der Trochlea ist dann nach medial verlagert (sog. mediale Hypoplasie). Von diesen Normalformen gibt es fließende Übergänge zu abnormen Ausbildungen des 9 Patellagleitlagers, die wegen der Entstehung degenerativer Veränderungen am Femoropatellargelenk große klinische Bedeutung haben. Die Kniescheibe, Patella, (Abb. 4) ist das größte Sesambein des menschlichen Skeletts (Netter, 2001). Abb. 4 Rechte Kniescheibe in der Ansicht von hinten a und von vorn b (Rauber; Kopsch, 1987) Der dreieckige Knochen ist in die Ansatzsehne des M. Quadriceps femoris eingelagert. Die Quadrizepssehne setzt zunächst an der breiten proximalen Basis der Patella an und zieht distal von der Spitze, Apex patellae, als bandartige Fortsetzung, Ligamentum patellae, zur Tuberositas tibiae. An den Seitenflächen der Kniescheibe inserieren Teile der Mm. vasti medialis und lateralis. Lateral zieht regelmäßig ein Teil des Tractus iliotibialis als Retinaculum patellae horizontale zum Seitenrand der Kniescheibe. Medial kommt ein horizontales Retinaculum nur in etwa 1/3 der Fälle vor. Am subchondralen Knochen der Facies articularis patellae, der Rückfläche der Patella, hebt sich etwas medial von der Mitte ein vertikaler First ab, der die Gelenkfläche in eine kleinere, flache oder konvexe mediale Facette und in eine etwas größere, leicht konkave laterale Facette unterteilt. Die Gelenkoberflächen der medialen und lateralen Facetten bilden in der Horizontalebene miteinander einen Winkel, den sog. Patellaöffnungswinkel, der normalerweise 120°-140° beträgt. Der Gelenkknorpel der Facies articulares patellae ist sehr dick. Er kann im mittleren Bereich eine Dicke von etwa 6 mm erreichen. Die Belastung der Patella erfolgt durch die an der Basis und am Apex sowie am medialen und lateralen Seitenrand inserierenden Sehnen und Bänder. Durch diese vertikalen und horizontalen Zugverspannungen wird die Patella gegen das Gleitlager am Femur gedrückt. Die Beanspruchung des Knochens ist dabei von der Form der Kniescheibe abhängig. Kurze und dicke Kniescheiben mit einem 10
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