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Didaktik für eine gelebte Mehrsprachigkeit PDF

159 Pages·2009·9.335 MB·German
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Peter Cichon & Ludmila Cichon (Herausgeber) Didaktik für eine gelebte Mehrsprachig keit ~ ~ Gedruckt mit Förderung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung in Wien GM.W_F• Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen N ationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http:! I dnb.ddb.de> abrufbar. ISBN: 978-3-7069-0575-6 © Coverbilcl: Seielenmalerei von Luclmila Cichon © Praesens Verlag http:! /www.praesens.at Wien 2009 Alle Rechte vorbehalten. Rechtsinhaber, die nicht ermittelt werden konnten, werden gebeten, sich an den Verlag zu wenden. b/ 6e Inhaltsverzeichnis Vorwort 7 UTTA VON GLEICH, Harnburg Die neue Ausbildung zum interkulturellen bilingualen Lehrer in Bolivien 9 JAN MossAKOWSKI, Wien "Aus ihnen kann man keine Burgenlandkroaten machen"- Plurivarietale Didaktik als Antwort auf veränderte Sprachidentitäten 43 T ANJA BovHA, Bratislava The bilingual school as the main agent for the maintenance of slovene identity and language in Venetian Slovenia 67 AsTRID HöNIGSPERGER, Wien Der aktuelle Stellenwert des Friulanischunterrichts in den Institutionen der sekundären Sozialisation 79 JozEF PALLAY, Ljubljana Edukative oder natürliche Zweisprachigkeit? Einige allgemeine und sprachdidaktische Überlegungen zur Situation slowakischer Schüler an den Volks- und Hauptschulen in Österreich 93 EDUARD PALLAY, Bratislava Relevanz des sprachlichen Inputs für den Erhalt und die Entwicklung intentionaler Zweisprachigkeit 109 J6zsEF MENYHART, Dunajska Streda Minderheit in der Minderheit. Sprachprobleme der Roma in der Grundschule der Südslowakei 117 MAx DoPPELBAUER, Wien Mehrsprachigkeitsdidaktik in Spanien: Baskenland und Ceuta im Vergleich 127 LuDMILA CrcHoN I PETER CrcHON, Wien Mehrsprachigkeitsdiskurse 145 •••••••••, .•, ••,,. ,• •••• '8tl~ 5 rvvort Das Bekenntnis zu Mehrsprachigkeit als bereicherndem kulturellem Kapital kommt vielen Europäern recht leicht über die Lippen. Gleiches gilt für die Politik. Schaut man etwas genauer hin, stellt sich rasch he- raus, dass die meisten Befürworter dabei an Bildungsmehrsprachigkeit denken, an den Kanon der großen internationalen Verkehrssprachen, die der schulische Fremdsprachenunterricht vermittelt, an Englisch, Franzö- sisch, Italienisch, heute mehr und mehr auch an Spanisch. Weit weniger denken sie dabei an Formen konkret gelebter innerstaatlicher Mehrspra- chigkeit, an die Begegnung zwischen der Staatssprache auf der einen und Regional-, Migranten- und Nachbarsprachen auf der anderen Seite, die aber gleichwohl alltägliche Praxis sind. Auch sie gutzuheißen und ihre schulische und soziale Präsenz zu fördern, fallt vielen Menschen deutlich schwerer. Wie vielfaltig entsprechend die Herausforderungen sind, denen sich die Umsetzung innerstaatlicher Mehrsprachigkeit gegenübersieht, ist Ge- genstand des vorliegenden ßuches, das auf der Basis einer bereits lang- jährigen, fruchtbaren Zusall1menarbeit zwischen Mitarbeiterinnen des Instituts für Sprachwissenschaft der Universität Bratislava und des Insti- tuts für Romanistik der Univ~rsität Wien entstanden ist. Zwei Aspekte stehen im Mittelpunkt des Buches: zum einen sind es die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von Mehrspra- chigkeit, wie etwa der oft lange Weg von der gesetzlichen Entscheidung hin zur Formulierung konkreter Umsetzungsbestimmungen - und de- ren Durchführung, das verbreitete monolinguale Denken in der domi- nierenden Mehrheitsgesellschaft und ein häufig defizitäres Sprach- und Kulturbewusstsein in den Sprachgruppen selbst; zum andern ist es die Praxis schulisch vermittelter Mehrsprachigkeit, Fragen der Lehreraus- bildung, der Unterrichtssprache, des Umgangs mit innersprachlicher Va- riation, Fragen der Leistungsevaluierung etc. Wenn dabei auch deutlich wird, dass der Weg zu einer erfolgreichen mehrsprachigen Erziehung oft lang und hindernisreich ist, so zeigen die beschriebenen Akteure doch zugleich eine Dynamik und ein Engagement, die zuversichtlich stimmen. Die Herausgeber 7 __ ---------------~"" ""_" ung zun1 1n n r 1n ien 1 UTTA VON GLEICH, Harnburg Zusammenfassung Bolivien ist ein multiethnisches, multikulturelles und mehrsprachiges Land auf dem amerikanischen Kontinent, in dem die mehrsprachige Er- ziehung bislang nur ein Privileg der europäisch orientierten Eliten war, d.h. Spanisch in Kombination mit Englisch, Französisch oder Deutsch. Die Mehrsprachigkeit der indianischen Bevölkerung, die immerhin ca. 70 Prozent de Gesamtbevölkerung darstellt, wurde im Bildungssystem bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts ignoriert bzw. unterdrückt. Erst mit der politischen Mobilisierung der indianischen Basisgruppen haben einige Länder (Bolivien, Chile, Ekuador, Kolumbien) dem Drän- gen nach Anerkennung des multikulturellen, multilingualen, ethnischen Pluralismus auf Verfassungsebene Rechnung getragen.2 Bolivien hat darüber hinaus 1994 per Gesetz die umfassendste Bildungsreform ver- abschiedet. Der folgende Beitrag skizziert eine der zentralen Komponenten dieser Reform, nämlich die institutionalisierte Ausbildung bilingualer inter- kultureller Grundschullehrer und fasst die Ergebnisse nach gut zehn Jahren Umsetzung zusammen. Die Kurzdarstellung der soziokulturellen Rahmenbedingungen in Kap.1 - Mehrsprachigkeit und Sprachpolitik sowie die Entwicklung des Bil- dungswesens- erklärt das Warum, d.h. die Notwendigkeit einer kultur- und sprachspezifischen Grundbildung. Kapitel 2 erläutert die Bildungsre- form von 1994 als zentrales Element der Sozialreformen. Die institutionellen und curricularen Schwerpunkte der Ausbildung zum bilingualen interkulturellen Grundschullehrer bilden den Einstieg zum eigenen Erfahrungsbericht in der Lehrerbildungsanstalt Warisata im Ay- mara Hochland unweit vom Titicaca-See. Dieser Beitrag basiert auf einem Vortrag der Autorin auf dem 53. Amerikanistenkongress in Sevilla im Jahre 2006 sowie der langjährigen Analyse und Mitwirkung an der Bildungsreform in Bolivien als interna- tionale Beraterin. 2 Vgl. v. Gleich 1989 und 1999. lllllllllllll·l~llld"IIIII*IPIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII!I'~IIIIIIIIIIII 9 Der Beitrag skizziert abschließend den Entwurf des erneuerten Bil- dungsgesetzes unter dem Präsidenten Evo Morales. 1. Ethnolinguistische und kulturelle Vielfalt in Bolivien 1.1 Die Gesamtbevölkerung Boliviens Nach der jüngsten Volkszählung (Censo Nacional de Poblaci6n) von 2001 hat Bolivien eine Gesamtbevölkerung von 8,2 Millionen, eine variable Be- völkerungsdichte entsprechend der Topographie von 0,6% bis 25,7% pro Quadratkilometer und damit eine bildungsplanerisch höchst schwierige Aufgabe. Boliviens Bevölkerung ist jung: mehr als die Hälfte ist unter 20 Jahre alt, die Kinder im grundschulpflichtigen Alter (6-14 J.) entsprechen einem Anteil von 20%, und rechnet man die Altersgruppe der 14-24jäh- rigen mit gut 32% hinzu, benötigen gut 50% der Bevölkerung ein ad- äquates Bildungsan gebot. Der Rückgang der ruralen Bevölkerung von ca. 73% im Jahre 1950 auf 37% im Zensus von 2001 und das entsprechende Anwachsen der urbanen Bevölkerung auf 62,4% erscheinen zunächst als Vereinfachung für das schulische Angebot. Bei genauerer Betrachtung fallt jedoch die zunehmende Mehrsprachigkeit gerade in den urbanen Zentren ins Gewicht, während bis in die 1950er Jahre der größte Anteil der indianischen monolingualen Sprecher auf dem Lande lebte.3 1.2 Die ethnische Zugehörigkeit Bolivien hat in der Volkszählung von 2001 zusätzlich zu den Fragen nach Sprachbeherrschung die Selbstzuschreibung zu einer ethnischen Gruppe eingeführt. Es ist bemerkenswert, dass sich 62% der Bolivianer als zu einer india- nischen Ethnie zugehörig einstufen, davon 30% als Ketschua, 25% als Aymara und weitere 6% zu einer der zahlreichen Ethnien im Chaco- und Amazonasgebiet. Insgesamt werden 36 indigene Sprachen in Bolivien ge- sprochen. Siehe dazu Alb6 1995 und 2005. 10 ~..., (QPJ c 0"' ~~ ?fro b;J~ ~- M & (!), 01: 0 c~;; · 0 (") >f:.. ::.::r"' '-----"ro \J). Andere s(!=) Departaments Insgesamt Ketschua Aymara Guarani Chiquitano Mojefto Keine Ethnie r:n rt Chuquisaca 308.386 188.427 3.873 7.955 394 285 1.270 106.182 Nc 0 LaPaz 1.501.970 117.587 1.027.890 3.924 1.303 1.554 11.160 338.552 >-J 0... Cochabamba 900.020 595.629 62.780 3.018 1.533 1.852 4.449 230.759 ~c Oruro 250.983 89.699 93.739 288 108 64 1.576 65.509 ~ (Jq Potosf 414.838 319.903 26.283 335 136 49 1.141 66.991 ~ PJ Tarija 239.550 29.910 6.377 6.590 551 172 3.575 192.375 (") ::.::r"' Santa Cruz 1.216.658 206.417 48.040 55.042 107.104 13.218 26.281 760.556 0... Beni 202.169 6.831 7.280 1.065 1.007 25.714 24.320 135.952 (>!-J) Pando 30.418 1.238 1.619- 142 80 395 1.465 25.479 ~ - -- ~ r:n N PJ: c::.::r"' ~ (Jq < 0 ~ 1:0 0 0 Die vorstehende Tabelle 1 zeigt, dass in allen 9 Departments indianische Sprachen gesprochen werden, aber zweifelsohne weisen Cochabamba, Chuquisaqua, La Paz, Oruru und Potosi den stärksten Anteil an india- nischen Sprechern auf. 1.3 Status und Verteilung der Sprachen in Bolivien Die Verfassung von 1995+, gesetzliche Grundlage der Bildungsreform, erklärt keine Sprache zur offiziellen Staatsprache. De facto ist aber Spa- nisch die Staats-/ Amtssprache. Das Antidiskriminierungsgesetz schützt jedoch die Sprecher indianischer Sprachen in verschiedenen gesellschaft- lichen Kontexten. Besonders eindeutig definiert die Bildungsreform von 1994 die obligatorische Verwendung von Aimara, Ketschua und Guarani in der interkulturellen bilingualen Grundschule. Hinzu kommt das wenig bekannte Dekret No. 25.894, das die bolivianische indianische Basisbewe- gung im Jahre 2000 dem damaligen Präsidenten, General Banzer, abge- rungen hat. Danach erhielten 25 indianische Sprachen (s. Text im Anhang 1) offiziellen Status und werden in der Grundschulbildung obligatorisch. In der neuen bolivianischen Verfassung von 2005, die aber noch per Re- ferendum angenommen werden muss, werden in Art. 5/I das Spanische und alle 36 indigenen Sprachen Boliviens zu offiziellen Sprachen erklärt. Art. 5/II verpflichtet die plurinationale Regierung und die Regierungen auf Departmentebene, mindestens zwei offizielle Sprachen zu benutzen, d.h. die spanische Sprache und eine weitere (indigene) Sprache je nach Erfordernis, Angemessenheit und Wunsch der lokalen Bevölkerung. Die übrigen autonomen Regierungen müssen die regionalen Sprachen zusam- men mit Spanisch verwenden. Wesentlich verbindlicher und wirkungsvoller für die Bildungsreform sind jedoch die Ratifizierung der Konvention 169 der ILO (International La- bour Organisation) durch das Parlament bereits im Jahre 1991 und die Unterzeichnung der Beschlüsse der Weltbildungskonferenz von 1990 so- wie das Grundrecht auf Bildung als Teil der Menschenrechte, das sich in verschiedenen Resolutionen der UNESCO kontinuierlich zu einem inter- nationalen Recht entwickelt.5 4 Mit der Regierungsübernahme von Evo Moral es im Jahre 2005 wurde eine neue Verfassung vorbereitet, die kürzlich vom Parlament unter Ausschluss der Opposition verabschiedet wurde (vgl. FAZ v. 8. Mai 2008), jedoch noch durch ein Referendum bestätigt werden muss (//probolivia.netlNueva_C PE.pdf). Vgi.Agostino Reis Monteiro 2008. !2

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