Helga M. Kasler-Heide Diagnose: Tod und Sterben Springer Berlin Heidelberg New York Barcelona Hongkong London Mailand Paris Singapur Tokio Helga M. Kasler-Heide Diagnose: Tod und Sterben Mit 5 Abbildungen Springer Dr. Helga M. Kasler-Heide Holbeinweg 8 72076 Tiibingen IS BN-13: 978-3-642-64257-9 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Kasler-Heide, Helga: Diagnose: Tod und Sterben: Gesprache mit unheilbar Kranken, AngehOrigen und Hinterbliebenen/Helga Kasler-Heide. - Berlin; Heidelberg; New York; Barcelona; Hongkong; London; Mailand; Paris; Singapur; Tokio: Springer, 1999 ISBN· 13:978·3·642·64257·9 e· ISB N· 13:978·3·642·60099·9 DOl: JO.1007/978·3·642·60099·9 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschiltzt. Die dadurch begrilndeten Rechte, insbesondere die der Obersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funk sendung, der MikroverfIlmung oder der Vervielfaltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Ver vielfaltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestinrmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulassig. Sie ist grundsatzlich vergiltungspflich tig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestinrmungen des Urheberrechtsgesetzes. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1999 Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1999 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen im Sinne der Warenzei chen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden dilrften. Produkthaftung: Filr Angaben ilber Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewahr ilbernommen werden. Derartige Angaben milssen vom jeweiligen Anwender inr Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit ilberprilft werden. Umschlaggestaltung: de'blik, Graphic Design, Berlin Satz: Fotosatz-Service Kohler GmbH, Wilrzburg SPIN: 10678342 26/3134-543210 - Gedruckt auf saurefreiem Papier Dank Mein groBter Dank gilt meinem Mann, der mir wieder einmal aufs neue mit konkreten RatschHigen zur Seite stand, mit seinem analytischen Blick Lucken entdeckte und mir durch sein medizinisches Wissen viele wichtige Hinweise gab. Wie immer danke ich Herrn Peter Klug fur seine Hilfe als Lektor. Herr Johannes Rau war schnell und unkompliziert bereit, mir viel aus seiner Erfahrung aus der Kinderonkologie zu berichten, und Herr Dr. Fischer Frohlich gab mir wertvolle Hinweise aus seiner Erfahrung mit der Organ transplantation. Herrn Prof. Dr. Dr. Fritz Muthny verdanke ich viele Anregungen durch sein Trainingsseminar E. D. H. E. P. Mein Dank gilt auch Herrn Dr. Burger von der Landespolizeidirektion Tubingen, der mir den Blickwinkel der Polizei nahebrachte. AuBerdem mochte ich Frau Dr. Berger vom Springer-Verlag fUr die freundliche Zusammenarbeit danken. Inhaltsverzeichnis Warum und fiir wen dieses Such? 1 2 Trauer 7 2.1 Die emotionale Welt der Trauer 8 2.1.1 Angst 8 2.1.2 Verzweiflung und Depression 9 2·1.3 Hilflosigkeit . 10 2·1.4 Wut 11 2·1.5 Schuldgefiihle 12 2.1.6 Erleichterung 12 2·1.7 KlUte 13 2.1.8 Wertfreier Umgang 14 2.2 Phasen der Trauer 15 2.2.1 Schockphase 17 2.2.2 Kontrollierte Phase 19 2.2·3 Regressive Phase 21 2.2·4 Adaptive Phase 22 Pathologische Trauer 2·3 24 3 Kommunikationsregeln 27 3·1 Kommunikationsverhalten 28 Kodierung und Dekodierung 3·2 30 Verdeckte Informationen 3·3 33 Die inn ere Haltung ..... 3·4 36 VIII Inhaltsverzeichnis 3·4·1 Kongruenz 36 3·4·2 Empathie 39 3·4·3 Wertschatzung 43 4 Aufklarung tiber eine unheilbare Krankheit ......... 47 4·1 Gesprache mit Patienten 47 4·1.1 Eigene Betroffenheit 48 4·1.2 Innere Vorbereitung 50 4·1.3 Der Gesprachsbeginn 51 4·1.4 Reaktionen der Patienten 55 4·1.5 Suizidgefahr ...... 59 4·1.6 Autklarung im Krankenhaus 62 4·2 Autklarung und Betreuung von Kindern 65 4·2.1 Gesprache mit den Eltern . . 65 4·2.2 Gesprache mit den Kindern 68 4·2·3 Reaktion der Kinder 70 ... 4·2·4 Begleitung der Eltern 71 4·2·5 Team und Teamgesprache 72 4·2.6 Erweiterte Aufgaben 73 4·3 Gesprache mit Angeh6rigen 74 4·3·1 GesprachsfUhrung ..... 75 4·3·2 Die emotionale Welt der AngehOrigen 77 4·3·3 Professioneller Druck 78 4·3·4 Wurdigung der AngehOrigen 79 ... 4·3·5 Autklarung der Kinder 82 4.3.6 Verschworung mit dem Arzt 83 5 Die Begleitung unheilbar kranker Menschen ......... 87 5·1 Emotionaler Verlauf 87 5·2 Die notwendige Hilfe 89 5·2.1 Akzeptieren der GefUhle 90 5·2.2 Respekt vor dem Patienten 92 5·2·3 Die eigenen Abwehrmechanismen 94 5·2·4 Die Ressourcen der Patienten 95 5·2·5 Offenheit fUr die Trauer 95 Inhaltsverzeichnis IX ... 5·2.6 Das eigene Abschiednehmen 97 5·2·7 Der Ansatz der Hospiz-Bewegung 99 6 Plotzlicher Tod . . . . . . . . . . . ............. 101 6.1 Obermittlung der Todesnachricht 102 6.1.1 Gesprache mit Einzelpersonen 116 6.1.2 Gesprache mit Eltern 125 6·1.3 Gesprache mit Kindern 130 6·1.4 Gesprache mit Familien 134 6·1.5 Tod durch Suizid ... 138 6.1.6 Die Aufgaben der Polizei 140 6.2 Die Bitte urn Organspende 143 6·3 Die Bitte urn Obduktion 152 7 langfristige Begleitung der Hinterbliebenen ......... 157 7.1 Bedeutung des Verlusts 157 .... 7.2 Traueraufgaben 158 7·3 Auswirkungen 159 7·3·1 Bedeutung der emotionalen Hilfe 160 8 Die Entlastung der Helfer 8.1 Unterstiitzung von auBen 165 8.2 Eigene Erholung 166 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 169 Sachverzeichnis 171 KAPITEL 1 Warum und fur wen dieses Buch? 1 Tod und Sterben sind Tabuthemen in unserer Gesellschaft. Kaum ein Mensch konfrontiert sich gerne damit. Unsere Gedanken daran sind uns unangenehm und machen angst. Am liebsten waren wir unsterblich, und wenn das schon nicht moglich ist, dann waren wir gerne fit und faltenlos bis ins hohe Alter, in dem uns ein schneller schmerzloser Tod ereilen solI. Die naturliche Angst vor Sterben und Tod und das gesellschaftliche Ideal, jung, schon und leistungsfahig zu sein, wirken zusammen: Der Tod wird immer storender. Langst ist er aus den eigenen vier Wanden ins Krankenhaus vertrieben worden, und selbst dort ist - im wahrsten Sinne des Wortes - kein Platz. Nur in wenigen Krankenhausern gibt es einen eigenen Raum fUr Sterbende und ihre Angehorige, wo sie in Ruhe voneinander Abschied nehmen konnen. Der Ausdruck "Krankenhaus" wird sehr wortlich genommen - aufVerstorbene und deren Hinterblie bene ist man nicht eingestellt. Niemand will mit dem Tod allzunah oder allzulang in Beruhrung kommen. Die gesellschaftliche Verleugnung des Todes spiegelt sich selbst bei denjenigen Berufsgruppen wider, die mit diesem Thema im Alltag kon frontiert werden. Alle Menschen, die im medizinischen Bereich arbei ten, aber auch Polizeibeamte, Feuerwehrleute und Seelsorger, erleben den Tod oft hautnah mit. Doch die allgemeine Verleugnung zeigt sich bereits in der Ausbildung von Anten. Wahrend Polizeibeamte und Seel sorger in unterschiedlicher Weise auf den Umgang mit Tod und Sterben vorbereitet werden, laBt man die angehenden Ante wahrend des Studi urns damit im Stich. Techniken der Gesprachsfuhrung, die Ubermitt lung der Todesnachricht und der Umgang mit Trauernden werden - wenn uberhaupt - nur peripher abgehandelt. Dabei sammelt jeder Mensch viele Erfahrungen mit dem Thema Trauer. Wir sehen nicht nur im Film, wie Menschen trauern. Auch wir 2 KAPITEL 1 Warum und fur wen dieses Buch? selbst haben viele Abschiede hinter uns. Wir haben Abschied genommen von der Kindheit, von Klassenkameraden, von Wohnungen und Stadten und haben vielleicht auch schon Sterbefalle innerhalb des eigenen Ver wandten- oder Bekanntenkreises miterlebt. Dies alles pragt unsere Vor ste11ung davon, wie Trauer zu verlaufen hat. Mit dieser Vorste11ung begegnen wir Trauernden, ohne genauer zu hinterfragen, was sich hinter dem groBen Komplex Trauer an unter schiedlichen Gefiihlen, Gedanken und Verhaltensweisen verbergen kann. Die eigene "Normalitat" wird zu unserem MaBstab. Ein Gesprach mit Betroffenen ist deshalb immer gepragt durch unse re Erwartung, durch das, was wir iiber Trauerverhalten gelernt haben, und auch durch unsere eigenen Angste. Mit dies em Paket belastet, gehen wir auf Trauernde, Schwerkranke und deren Angehorige zu. Diese Erfahrungen sind - fiir sich gesehen - nicht gut oder schlecht. Wir sol1- ten uns nur dariiber im klaren sein, daB all dies nur ein Baustein in unse rerem Verhalten im Umgang mit Betroffenen sein kann. Den anderen Baustein bildet unser Handwerkszeug, d. h. unser Wis sen urn die Techniken der Gesprachsfiihrung (Was gibt es fiir Kommu nikationsregeln? Wie kann ich mit den Betroffenen sprechen?) und urn die psychischen Vorgange bei der Konfrontation mit Sterben und Tod (Was kann in den Betroffenen vorgehen? Auf welche Reaktionen muB ich mich einstellen?). Urn den psychischen Hintergrund und den Ablauf der Trauer ver standlicher zu machen, werde ich zunachst die Perspektive der Betroffe nen genauer beleuchten. Was verbirgt sich hinter dem Begriff "Trauer", mit dem wir immer wieder umgehen miissen? Was ist "normale" Trauer, und ab wann wird sie "pathologisch"? Die theoretische Behandlung die ses Themas solI auch die Grundlage bieten, urn die eigenen Anteile im Umgang mit Betroffenen besser beleuchten zu konnen. Deshalb tritt erst im AnschluB daran der Blickwinkel derer in den Vordergrund, die im beruflichen Zusammenhang mit Betroffenen sprechen miissen. Die Einste11ung zur Ubermittlung der Diagnose einer lebensbedroh lichen Krankheit hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Wabrend in friiheren Zeiten die Meinung vertreten wurde, daB den Kranken die Bedrohlichkeit ihres Zustandes nicht mitgeteilt werden sollte, ist heute die gangige Einste11ung, daB die Patienten durchaus Bescheid wissen sollten. Einem anderen Menschen eine schreckliche Nachricht iiberbringen zu miissen, wird mit und ohne Ausbildung immer sehr schwierig sein. Trotzdem konnen Leitlinien fiir die Gesprachsfiihrung Orientierung