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Deutschland und Amerika aus der Sicht Max Webers PDF

229 Pages·2013·2.708 MB·German
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Studien zum Weber-Paradigma Herausgegeben von G. Albert, München, Deutschland A. Bienfait, Heidelberg, Deutschland S. Sigmund, Heidelberg, Deutschland M. Stachura, Heidelberg, Deutschland Mit der Reihe „Studien zum Weber-Paradigma“ soll ein Ort für solche Publika- tionen geschaff en werden, die sich in Interpretationen, theoretischen Weiterent- wicklungen und empirischen Studien mit dem Werk Max Webers auseinander- setzen. Die Bezugnahme auf das Webersche Forschungsprogramm schließt dessen kritische Diskussion durch Vertreter anderer theoretischer Positionen mit ein. Institutionentheoretische Fortführungen, ethische und sozialontologische Fragen im Gefolge Weberscher Unterscheidungen wie auch neue oder alte Verbindungen Weberianischer Th eorie mit philosophischen Strömungen werden diskutiert. Die „Studien zum Weber-Paradigma“ sind einem undogmatischen und innovativen Umgang mit dem Weberschen Erbe verpfl ichtet. Stephen Kalberg Deutschland und Amerika aus der Sicht Max Webers Stephen Kalberg Boston, USA ISBN 978-3-658-02839-8 ISBN 978-3-658-02840-4 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-02840-4 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio- nalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufb ar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zu- stimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Über- setzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in die- sem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu be- trachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürft en. Übersetzung: Dr. Ursel Schäfer, Christiane Goldmann Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.springer-vs.de Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 I Begriffe und Forschungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Kapitel 1 Geschichte und Gegenwart im Werk Max Webers: Begriffe und Forschungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1 Das Ziel von Webers Soziologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2 Geschichte und Soziologie: Der Idealtypus in Webers Methodologie . . . . . . 22 2.1 Die Idealtypen I: Webers Forschungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.2 Die Idealtypen II: Ihre Bildung und Hauptmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . 25 2.3 Die Bestimmung empirischer Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3 Die Verflechtung von Geschichte und Gegenwart in Webers historisch-vergleichender Soziologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3.1 Grundkomponenten von Webers Soziologie: Idealtypen und gesellschaftliche Ordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3.2 Die Verflechtung von Geschichte und Gegenwart I: Idealtypen . . . . . . . 31 3.3 Die Verflechtung von Geschichte und Gegenwart II: Gesellschaftliche Ordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3.3.1 Hinterlassenschaften: Ordnungsimmanente Zusammenhänge . . . 37 3.3.2 Hinterlassenschaften: Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Ordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3.3.3 Das Ausmaß der Durchdringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3.3.4 Vorläufer und Vorbedingungen: Ordnungsimmanente Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3.3.5 Vorläufer und Vorbedingungen: Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Ordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3.4 Weitere Kausalfaktoren, die Geschichte und Gegenwart verbinden: Historische Ereignisse, soziale Träger, Macht und Ideen . . . . . . . . . . . . 42 3.4.1 Historische Ereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 3.4.2 Soziale Träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3.4.3 Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3.4.4 Ideen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 4 Schlussfolgerung: Die Kontexteinbettung des sozialen Handelns . . . . . . . . . 49 6 Inhaltsverzeichnis IIAnwendungen I: Hauptaspekte der amerikanischen und deutschen Gesellschaft . . . . . . . . . 55 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Kapitel 2 Ursprung und Ausbreitung von Kulturpessimismus in Deutschland am Anfang des 20.Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1 Ein Ansatz im Sinne Max Webers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2 Der kulturelle Kontext: Öffentlichkeit in Deutschland in der vorindustriellen Zeit und im Industriezeitalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2.1 Die vorindustrielle Zeit: Die wichtigsten Träger der öffentlichen Sphäre 63 2.1.1 Das Berufsleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2.1.2 Die wirtschaftliche Lebenssphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2.1.3 Die politische Lebenssphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2.2 Das neunzehnte Jahrhundert: Industrialisierung und die Ausdehnung der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2.2.1 Wirtschaft und Berufsleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2.2.2 Die politische Lebenssphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 3 Ursprung und Ausbreitung des Kulturpessimismus: Die dynamische Interaktion zwischen öffentlicher und privater Sphäre in Deutschland um die Jahrhundertwende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 4 Über den Fortbestand heterogener Kulturwerte trotz grundlegenden Strukturwandels: Die Bedeutung der kulturellen Dimension . . . . . . . . . . . . . 78 Kapitel 3 Kultur und der Ort der Arbeit im heutigen Deutschland und Amerika . . . 81 1 Ein analytischer Rahmen im Anschluss an Weber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 1.1 Motive zu arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2 Die von Weber angewendete Methodologie: Eine konfigurationsbezogene Makrosoziologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2.1 Gesellschaftliche Lebenssphäre: Webers Bild der Gesellschaft . . . . . . . 86 2.2 Interaktion von Vergangenheit und Gegenwart: Die grundlegende Bedeutung des historischen Erbes . . . . . . . . . . . . . . . 87 2.3 Soziale Trägerschichten: Die Verankerung von Handlungsmustern . . . . 88 3 Den Ort der Arbeit im heutigen Westdeutschland identifizieren: Eine Konfigurationsanalyse im Anschluss an Weber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3.1 Wichtige soziale Bereiche und soziale Träger: Religion, soziale Schichtung und der Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3.1.1 Die Sublimierung der Arbeitsmotivation durch die kulturelle Sphäre der Religion: Luthertum versus asketischer Protestantismus . . . . 91 Inhaltsverzeichnis 7 3.1.2 Schichtung und kulturelle Konfiguration: Beamtentum und Bildungsbürgertum als wichtige soziale Träger im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3.1.3 Der starke Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 4 Vergangenheit und Gegenwart I: Deutschland um die Jahrhundertwende und die Etablierung von öffentlichem Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 4.1 Die Etablierung von öffentlichem Vertrauen durch eine starke Zivilgesellschaft in den Vereinigten Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 4.2 Deutschland: ein starkes Beamtentum und ein starker Staat, eine schwache Zivilgesellschaft und der Rückzug ins Private . . . . . . . . 103 4.2.1 Der Rückzug ins Private . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4.3 Deutschland und Amerika im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 5 Vergangenheit und Gegenwart II: Der Niedergang des Beamtentums und der Widerstreit von Arbeitsmotiven in der BRD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 6 Der Ort der Arbeit in der BRD: Berufsleben, Privatleben und Freizeit . . . . . 114 7 Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 III Anwendungen II: Die politische Kultur in Amerika und Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Kapitel 4 Tocqueville und Weber:Zu den soziologischen Ursprüngen der Staatsbürgerschaft – die politische Kultur der amerikanischen Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1 Droht in den Vereinigten Staaten eine Tyrannei der Mehrheit? . . . . . . . . . . . 122 1.1 Alexis de Tocqueville . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1.2 Max Weber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1.2.1 Der weltbeherrschende Individualismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 1.3 Tocqueville und Weber zur Tyrannei der Mehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 2 Die entscheidende Rolle der Bürgervereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2.1 Alexis de Tocqueville . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2.2 Max Weber: Das Entstehen einer ethisch geprägten öffentlichen Sphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2.2.1 Die Schaffung des Reiches Gottes auf Erden . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2.2.2 Die ethische Gemeinschaft: die Kirchengemeinde . . . . . . . . . . . . 138 2.2.3 Der Übergang der Werte der Kirchengemeinde in die soziale Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 3 Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 8 Inhaltsverzeichnis Kapitel 5 Der Einfluss der politischen Kultur auf Fehlwahrnehmungen von Verbündeten und auf die Außenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 1 Tief in die Kultur und weit in die Geschichte reichende Kräfte . . . . . . . . . . . 148 1.1 Unterschiedliche Vorstellungen vom Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1.2 Die Zuordnung des politisch-ethischen Handelns: Zwei Arten von gesellschaftlicher Solidarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2 Politische Kulturen heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 2.1 Der Fall Amerika: Schwächen, Stärken und Probleme . . . . . . . . . . . . . . 154 2.2 Der Fall Deutschland: Schwächen, Stärken und Probleme . . . . . . . . . . . 156 3 Über strukturierte Fehlwahrnehmungen und Missverständnisse zwischen Deutschland und Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 4 Außenpolitische Konflikte: Die Rolle der politischen Kultur . . . . . . . . . . . . 163 Kapitel 6 Die Rolle moralischer Werte in der amerikanischen Präsidentschaftswahl 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 1 Der amerikanische Kandidat: Der hohe Stellenwert eines „moralischen Charakters“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2 Probleme lassen sich lösen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 3 Sozialpolitik: Gewicht und Bedeutung moralischer Wert . . . . . . . . . . . . . . . 173 4 Amerikanischer Provinzialismus: Seine besonderen Züge . . . . . . . . . . . . . . 175 5 Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Kapitel 7 Die amerikanische politische Kultur heute:Ein „stahlhartes Gehäuse?“ . . 179 1 Das stahlharte Gehäuse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 2 Die Soziologie Webers: Ein dynamisches Bild der Modernität . . . . . . . . . . . 182 3 Weber über die amerikanische politische Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3.1 Die religiösen Ursprünge des weltbeherrschenden Individualismus und ethisch geprägte öffentliche Ideale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 4 Die Anwendung der Analyse Webers auf die Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Anhang I: Die Amerikareise: Beobachtungen und Auswirkungen . . . . . . . . . . . 205 Anhang II: Das amerikanische Weltbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Anhang III: Stephen Kalbergs Schriften über Max Weber . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Nachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Einleitung1 Die Vereinigten Staaten und Deutschland sind moderne, demokratische, urbanisier- te und kapitalistische Gesellschaften. Zwischen der Unterhaltungs- und Kultur- industrie beider Länder gibt es sehr viele Übereinstimmungen und der Zuschnitt der Fernsehtalkshows ist mehr oder weniger identisch. Amerikanische Filme beherr- schen die deutsche Kinolandschaft, und deutsche klassische Musik und Oper sind vielerorts in Amerika zu hören. Auch die Bildungseinrichtungen gleichen sich. Tausende von deutschen Austauschstudenten kommen jedes Jahr nach Amerika, und Tausende von amerikanischen Studenten besuchen deutsche Schulen und Hoch- schulen. Doch bei näherem Hinsehen treten starke Unterschiede zwischen der deutschen und der amerikanischen Gesellschaft zutage. Viele davon sind unter der Oberfläche verborgen und zeigen sich erst dem, der länger im Lande lebt. Die Gruppendynamik ist eine andere, und ebenso werden die Grenzen zwischen öffentlichem und privatem Bereich verschieden gezogen (vgl. Kalberg 2000a). Arbeit, Freizeit und Familie sind in beiden Ländern auf je eigene Weise strukturiert, und welche Beziehungen zwischen diesen Bereichen für ideal gehalten werden, weicht von einander ab. Zu- dem sollte der Staat nach Mehrheitsmeinung der Amerikaner nicht ‚bevormundend‘ auftreten und auch kein ‚Sozialstaat‘ sein. Doch wie viele Europäer so erwarten auch die Deutschen, dass der Staat eine Reihe von ‚Absicherungs- und Vorsorge- funktionen‘ übernimmt. Im Bereich der Politik zeigen sich ebenfalls signifikante Unterschiede. Im Ver- gleich gesehen sind die großen politischen Parteien in Deutschland links der Mitte angesiedelt, in Amerika hingegen rechts der Mitte. Im Allgemeinen zeichnen sich die Parteien in Deutschland durch straffere Organisation aus. Hinsichtlich des Einmarschs im Irak 2001 und des Eingriffs der Nato 2011 in Libyen befanden sich die Amerikaner am einen und die Deutschen am anderen Ende des politischen Spektrums.2 Auch in anderen gesellschaftlichen Sektoren lassen sich erhebliche Unterschie- de ausmachen. So sind religiöse Einstellungen in den Vereinigten Staaten verbreite- 1Die Einleitung wie auch alle Einleitungen zu den einzelnen Abteilungen wurde übersetzt von Christiana Goldmann und durchgesehen vom Verfasser. 2Eine Reihe früherer außenpolitischer Meinungsverschiedenheiten werden erörtert in Kalberg 1989b; siehe auch Kapitel 5. S. Kalberg, Deutschland und Amerika aus der Sicht Max Webers, Studien zum Weber-Paradigma, DOI 10.1007/978-3-658-02840-4_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

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