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Deutsche Rechtsgeschichte 2: 1250–1650 PDF

332 Pages·1980·9.033 MB·German
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Karl Kroeschell . Deutsche Rechtsgeschichte 2 (1250-1650) WV studium Band 9 Karl Kroeschell Deutsche Rechtsgeschichte 2 (1250-1650) 8. Auflage Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Deutsche Bibliothek -CIP-Einheitsaufnahme Kroeschell, Karl: Deutsche Rechtsgeschichte / Karl Kroeschell. -Opladen: Westdt. VerI. Friiher im VerI. RowohIt, Reinbek bei Hamburg 2. (1250-1650). -8. Aufl., (27.-28. Tsd.). -1992 (WV-Studium; Bd. 9) ISBN 978-3-531-22009-3 ISBN 978-3-322-97122-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-97122-7 NE:GT 1. -10. Tausend Februar 1973 11. -13. Tausend Mai 1976 14. -16. Tausend Februar 1978 4. Auflage 1981 (17. -19. Tausend) 5. Auflage 1983 (20. -21. Tausend) 6. Auflage 1986 (22. -24. Tausend) 7. Auflage 1989 (25. -26. Tausend) 8. Auflage 1992 (27. -28. Tausend) Alle Rechte vorbehalten © 1980 Springer Fachmedien Wiesbaden Urspriinglich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen 1980 Das Werk einschlieBlich alIer seinerTeile ist urheberrecht lich geschtitzt. Jede Verwertung au13erhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzullissig und stratbar. Das giIt insbesondere fUr VervielfaItigungen, Obersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. UmschlaggestaItung: Horst Dieter Btirkle, Darmstadt Satz: CIausen & Bosse, Leck/ Schleswig Gedruckt auf săurefreiem Papier ISBN 978-3-531-22009-3 INHALTSVERZEICHNIS ERSTER TElL: KIRCHE UNO RECHTSWISSENSCHAFT 1M SpATMITTELALTER (1250-1450) 9 1. DAs CORPUS IURIS CANONIO (Kleine Quellenkunde I) 10 Utrumque IUS 19 2. KIRCHLICHE RECHTSPFLEGE 21 Die Sdziedsgeridzte 32 3. DAs NOTARIAT 34 Die Renuntiationen 44 4. DIE KLERIKERJURISTEN 46 Deutsdze Redztswissensdzaft im Mittelalter 56 ZWEITER TElL: STADT UNO STADTRECHT 1M spATMITTELALTER (1250-1450) 59 5. DIE STADTBtkHER (Kleine Quellenkunde II) 60 Die Grundbudzer 72 6. EIGEN UND ERBE 75 Mittelalterlidze Redztsbildung 84 7. KAUFLEUTE UND HANDEL 87 Vertragsfreiheit und Vertragsgeredztigkeit 98 8. HANDWERK UND ARBEIT 100 Wirtsdzaftsgesdzidzte und Redztsgesdzidzte 111 9. SCHOFFENSPRUCHE UND RATSURTEILE 113 Redztsfindung im Mittelalter 122 DRITTER TElL: BAUER UNO HERRSCHAFT 1M SPATMITTELALTER (1250-1450) 126 10. DIE WEISTti'MER (Kleine Quellenkunde III) 127 Die Markgenossensdzaft 137 11. BAUER UND GRUNDHERR 139 Redztsgesdzidzte und Redztspolitik - Das biiuerlidze Erbredzt 147 12. RrrTERTUM UND BURGENWESEN 149 Herrsdzaft 157 13. FEHDE UND LANDFRIEDEN 159 Die Feme 169 VIERTER TElL: FORSTEN UNO REICH 1M SpATMITTELALTER (1250-1450) 172 14. DIE AKTEN (Kleine Quellenkunde IV) 173 Ardzivkunde 181 15. FURST UND LANDSTANDE 183 Repriisentation 193 16. AMTMANNER, KANZLER UND RATE 195 Beamtentum und Juristenstand 205 17. DIE LANDSCHADLICHEN LEUTE 207 Historisdze Kriminologie 212 18. KONIG, KURFURSTEN UND REICH 215 Widerstandsredzt 227 FONFTER TElL: KRISIS UNO ERNEUERUNG (1450-1650) 231 19. REFORMATIONEN DES REClITS (Kleine Quellenkunde V) 232 Humanistisme Jurisprudenz 242 20. DIE REICHSREFORM 244 Das <gute alte Remt> 253 21. DAs REICHSKAMMERGERIClIT 255 Remtspremung und Remtswissensmaft 267 22. DIE PEINLICHE GERICHTSORDNUNG KARLS V. 269 Anfiinge der Strafremtswissensmaft 280 23. Gun POLIZEI 281 Fruhkapitalismus und Territorialwirtsmaft 292 24. GLAUBENSKAMPF UNO RELIGIONSFRIEDEN 294 Reformation und Remt 311 OBER DEN VERFASSER (s.Band1,rororostudium8) VERZEICHNIS DER QUELLENTEXTE 314 PERSONEN-, SACH- UNO AUTORENREGISTER 318 ABKDRZUNGSVERZEICHNIS vgl. Bd. I S. 312 BGB Biirgerliches Gesetzbuch BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsamen BVfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerimts c., can. Kanon c., Cod. Codex Justinianus D., Dig. Digesten Dist. Distinctio NR. Neue Reihe, Nieuwe Reeks quo quaestio VI Liber Sextus X Liber Extra ERSTER TElL: KIRCHE UND RECHTSWISSENSCHAFT 1M SpATMITTELALTER (1250-1450) Eines der auffiilligsten Merkmale mittelalterlichen Rechts ist seine Viel riiumigkeit. Der Mensch der Gegenwart gehort nur einer Rechtsordnung an, der seines Staates, in welcher auch engere Rechtsgemeinschaften wie die Gemeinden ihre Grundlage haben. Das Mittelalter dagegen kannte viele Rechtskreise, die unabhiingig voneinander entstanden waren und sich auch in ihrem Aufbau stark unterschieden. Bisweilen schlossen sie einander aus, wie Stadtrecht und Landrecht. Oft aber waren sie so ineinander verschach telt, dalS man mehreren dieser Rechtskreise gleichzeitig angehoren konnte, etwa als ritterlicher Lehnsmann zugleich dem Lehnrecht und dem Landrecht. Eine Rechtsgemeinschaft freilich durfte als allumfassend gelten: die der romischen Kirche. Sie umspannte das ganze mittelalterliche Abendland und nahm auch im deutschen Rechtsleben des Mittelalters einen beherrschenden platz ein. Es ist deshalb ein Mangel, dalS die Wissenschaft von der deut schen Rechtsgeschichte bisher nur das <weltliche> Rechtsleben zu ihrem Ge genstand machte - ein Mangel, der urn so schwerer wiegt, als gerade im kirchlichen Recht die Grundlagen der modernen europiiischen Rechtskultur gelegt wurden. Wissenschaftliche Interpretation und Anwendung des Rechts, Rechtsstudium und Juristenstand, rechtsgelehrte Richter, Advokaten und Notare - im Raume des kanonisch-romischen Rechts der Kirche steht alles dies schon im spiiten Mittelalter vor unseren Augen. Unser Bild yom mittel alterlichen Recht wiire also sehr unvollstiindig, wenn es sich nur auf das volksriimliche und ungelehrte Rechtsleben beschriinken wollte. Oberwolbt von der Kirche als universaler Rechtsgemeinschaft und be herrscht yom Heiligen Stuhl als hochster irdischer Rechtsautoritiit, scheint das Recht des spiiten Mittelalters einen hierarchisch gegliederten Bau von majestiitischer Unbeweglichkeit zu bilden. Unter dieser Oberfliiche voll zogen sich jedoch tiefgreifende Veriinderurtgen. 1m gleichen MalSe, in dem die Piipste im Exil zu Avignon (1309-1377) die Kirche zur Rechtskirche und zur Finanzorganisation machten, schwand ihre geistliche Substanz. Das grofSe Schisma (1378-1417), das die abendliindische Christenheit in zwei Parteien zerfallen liefS, beruhte denn auch nicht auf einem Glaubensgegen satz, sondern auf innerkirchlichen Machtkiimpfen. So begann die Frommig keit in neue briiderliche Gemeinschaften abzuwandern, abseits der hierar chisch verfalSten Kirche, deren Briichigkeit hieran deutlich wurde. Mit ihrer umfassendsten Rechtsgemeinschaft, der Kirche, geriet aber die gesamte Welt des spiitmittelalterlichen Rechts in eine tiefe Krise. 9 1. DAS CORPUS IURIS GANONICI (Kleine Quellenkunde I) I. ZUR EINFUHRUNG Als MARTIN LUTHER am Morgen des 10. Dezember 1520 vor dem Elster tore zu Wittenberg die papstliche Bannbulle Exsurge Domine ins Feuer geworfen hatte, lids er noch einige weitere Schriften nachfolgen. AuISer ver schiederten theologischen Werken fiel vor allem die Kodifikation des kirch lichen Rechts den Flammen zum Opfer: die Sammlung der papstlichen Dekretalen. Dieser symbolische Akt, mit dem sich der Reformator von der Kirche als der alles beherrschenden Rechtsautoritat des spaten Mittelalters lossagte, bezeichnet den Beginn einer neuen Epoche der Kirchengeschichte. Auch fiir die Rechtsgeschichte gewinnt aber im Schein dieser Flammen ein ganzes Zeitalter neue Konturen. Die papstlichen Dekretalen bilden den Kern der gewaltigen kirchlichen Rechtssammlung, die unter dem Titel Corpus [uris Canonici bis zum Jahre 1917 in der katholischen Kirche gesetzliche Geltung besaB. Die Bezeich nung, die von der kirchlichen Rechtswissenschaft des spateren Mittelalters in bewuBter Parallele zum antiken Corpus [uris Civilis des Kaisers Ju STINIAN gepragt wurde, ist zwar erst durch die Druckausgabe, die Papst GREGOR XIII. im Jahre 1580 veranstaltete, zur amtlichen Bezeichnung der Sammlung geworden. Der imperiale AIlSpruch, der in der papstlichen Ge setzgebung zum Ausdruck kam, war jedoch schon lange vor LUTHER eine weltgeschichtliche Realitat. Freilich deckte die Bezeichnung Corpus [uris Canonici ganz verschieden artige Dinge. Den altesten und umfangreichsten Teil des Gesamtwerkes bildete das kirchliche Rechtsbuch des Bologneser Monchs GRATIAN, das Decretum Gratiani. Es bildet in gewissem Sinne den AbschluB der alteren Kanonistik, die in den Beschliissen der Konzilien und Synoden und den Anordnungen der Papste ein Stiick praktischer Theologie oder Seelsorge sah. Als concordantia discordantium canonum zeugt es jedoch zugleich fiir das scholastische Bemiihen seines Autors, ein harmonisches und wider spruchsfreies Gebaude zu errichten. Hierauf beruht seine innere Gleich zeitigkeit mit den Arbeiten der Glossatoren, die eben damals im gleichen Bologna sich der zerkliifteten Stoffmasse des romischen Rechts bemachtig ten. Seine ersten wissenschaftlichen Bearbeiter, die samtlich durch die Schule der Glossatoren gegangen sind, haben das Decretum vollends an den An fang der neuen kanonistischen Rechtswissenschaft geriickt. In der kirchlichen Rechtspraxis begann sich ein neuer Geist durchzu setzen, seit die Kirche unter den ersten groBen Juristenpapsten ALEXAN DER III. (1159-1181) und INNOZENZ III. (1189-1216) von einer wahren Flut papstlicher Rechtsspriiche, der sogenannten Dekretalen, iiberschwemmt wurde [1, 2]. Sie betrafen zwar durchweg Einzelfalle, denn sie ergingen entweder zur Entscheidung von Prozessen, die im Wege der Appellation vor den Papst gelangt waren, oder als Anweisung an einen delegierten 10 Richter, dem der Papst die Erledigung einer Same iibertrug. Die kanoni stische Rechtslehre maIS den Dekretalen aber eine iiber den Einzelfall hin ausreichende Bedeutung bei, iihnlich wie dies im Altertum bei den Reskrip ten der romischen Kaiser geschehen war. Fiir den Unterrichtsgebraum wur4.en deshalb Sammlungen der Dekretalen veranstaltet, von denen eine, die sogenannte Compilatio Tertia, im Jahre 1209 von Papst INNozENz III. autorisiert wurde. Der Schritt zu einer formlimen Kodifikation des von den Piipsten gesetzten Rechts schien nicht mehr weit. Vollzogen wurde dieser Schritt freilim nimt mehr von INNozENz 111., obgleich sich gerade dieser Papst durch die Beschliisse des 1215 von ihm ein berufenen 4. Laterankonzils dem Gediichtnis seiner Mitwelt als gro~er Gesetzgeber einpriigte. Vielmehr war es erst GREGOR IX., der eine neue und abschlie~ende Sammlung der seit dem Decretum Gratiani ergangenen De kretalen herstellen lie~, den Liber decretalium extra Decretum vagantium. Der Bearbeiter des meist kurz als Liber Extra bezeichneten Werkes, der piipstliche Kapellan RAMON DE PENYAFORT, hatte es nach dem Vorbild iilte rer Sammlungen in fiinf Biicher gegliedert, deren Inhalt man am besten mit Hilfe eines mittelalterlichen Merkverses charakterisiert: Judex, judicium, derus, sponsalia, crimen. Am 5. September 1234 wurde das Gesetzbum von GREGOR IX. durch die Bulle Rex Paci/icus publiziert, indem es den Uni versitiiten zu Bologna und Paris iibersandt wurde. Abgerundet wurde das Kodifikationswerk durch Papst BONIFAZ VIII., der im Jahre 1298 die seit 1234 ergangenen Dekretalen in seinem Liber Sextus den fiinf Biichern des Gesetzbuchs seines Vorgiingers hinzufiigen lieK Ergiinzend kamen im Jahre 1317 noch die sogenannten Clementinen hinzu, eine letzte, von Papst CLEMENS V. veranstaltete Dekretalensammlung. Dieses gro~e Gesetzgebungswerk war der Ausdruck eines tiefgreifenden Strukturwandels der abendliindischen Kirche. Ihre geistliche Autoritiit nahm immer mehr die Ziige einer im Recht gegriindeten Hoheit an, und das prie sterliche Amt wandelte sich zur Jurisdiktionsgewalt. Der Auft rag zur Ver kiindung des Evangeliums erschien in dieser Remtskirche nur nom als ein unwesentliches Anhiingsel. Der gro~e Jurist RUDOLPH SOHM hat darin nicht zu Unrecht ein Grundproblem allen kirchlichen Remts erkannt, das er auf die Formel bramte: «Das Wesen des Kirchenremtes steht mit dem We sen der Kirche im Widerspruch.» Damit ist jedenfalls der Ansatzpunkt fUr LUTHERS Protest gegen die Rechtskirche seiner Zeit zutreffend bezeichnet. 1m einzelnen standen LUTHERS Argumente freilich bisweilen auf schwa chen F~en, obwohl er als einstiger Erfurter Remtsstudent auch im kano nischen Recht bewandert war. So nahm er an einem Satz des Liber Sextus Ansto~, in dem BONIFAZ VIII. erkliirte, der Papst trage aIle Remte im Schrein seiner Brust, weil er darin den piipstlichen Anspruch der absoluten Herrschaft iiber das Recht ausgesprochen glaubte. In Wahrheit sollte dieser Satz freilich nur besagen, daIS der Papst bei der Gesetzgebung alles friihere Recht gegenwiirtig habe; doch verstanden aum erfahrene Kanonisten wie LUTHERS humanistismer Widersacher THOMAS MURNER die Vorsmrift nimt besser, und in der Sache traf LUTHERS Auffassung von der piipstlichen 11 Stellung zweifellos zu. Ais Oberhaupt einer durch und durch verrechtlich ten Kirche nahm der Papst sowohl die hochste Gerichtsgewalt wie das un umschriinkte Gesetzgebungsrecht £iir sich in Anspruch. Sein Richteramt nahm er entweder durch seine romischen Gerichtshofe, insbesondere die heute noch bestehende Sacra Rota Romana, oder durch delegierte oder kommissarische Richter unmittelbar am Ort des Geschehens wahr. Ais oberster Gesetzgeber konnte er auch nach dem AbschluB der grolSen Kodi fikation durch Privilegien Sonderrechte gewiihren oder durch Dispens von del Anwendung des allgemeinen Rechts befreien. Das Bemiihen der kano~ nistischen Redttswissenschaft, ihn in der Ausiibung dieser unbeschriinkten Gewalt an den MalSstab der christlichen Liebe zu binden, hatte kaum prak tische Wirkungen. Allzu nachdriicklich nahmen die Piipste schon seit INNo ZENZ III. die plenitudo potestatis, die Universalgewalt in geistlichen wie in weltlichen Dingen, in Anspruch, vor der selbst das Kaisertum verblassen sollte wie der Mond vor der Sonne. In seiner Bulle Unam Sanctam vom Jahre 1302 erkliirte BONIFAZ VIII. die Unterwerfung unter diesen Herr schaftsanspruch sogar £iir heilsnotwendig; in ihm hatte damit der Jurist auf dem piipstlichen Thron vollends iiber den Theologen gesiegt. Freilich wurde die Bulle durch diesen iibersteigerten Anspruch zugleich zur Grabschrift der piipstlichen weltherrschaft. Wenige Jahre spiiter geriet das Papsttum im Exil zu A vignon in vollige Abhiingigkeit von den franzosischen Konigen und wurde am Ende des 14. Jh. durch das grolSe Schisma noch weiter ge schwiicht. Der immer lauter ertonende Ruf nach einem allgemeinen Konzil und die zunehmende Unruhe unter den Gliiubigen lielSen immer deutlicher erkennen, daIS sich die Christen mit ihren Hoffnungen von der Rechtskirche abzuwenden begannen. Gegeniiber LUTHER hielt die romische Kirche frei lich ausdriicklich an ihrer Auffassung fest, und das Konzil von Trient (1545-1563) lehrte: «Wer sagt, Jesus Christus sei den Menschen von Gott als Erloser gesandt, dem sie vertrauen, nicht aber zugleich als Gesetzgeber, dem sie gehorchen sollen, der sei verflucht.» Selbst die Reformation konnte aber die Spuren nicht tilgen, die das ka nonische Recht des Mittelalters in der europiiischen Rechtsgeschichte hinter lassen hat. Ohne den studierten Juristen etwa oder ohne den schriftlichen ProzelS wiire das modeme Rechtsleben nicht denkbar, und auch im Privat recht sind kanonistische Rechtsgedanken bis heute lebendig. Die Kirche war es, die gegen die Anspriiche der viiterlichen Gewalt den Ehebund allein auf die Willenseinigung der Brautleute griindete; die in dem Satze consensus facit nuptias angelegte personliche Gleichberechtigung von Mann und Frau hat ihre volle Tragweite erst in unseren Tagen erkennen lassen. In die gleiche Richtung zielt es, daIS die Kanonisten auch im Schuldrecht den Grundsatz pacta sunt servanda wortlich nahmen; wiihrend die mittel alter liche Romanistik noch immer an einem gewissen Formalismus festhielt, muBte nach kirchlicher Ansicht auch eine einfache, formlose Vereinbarung eingehalten werden. Fiir den modemen Grundsatz der Vertragsfreiheit ist dies eine unentbehrliche Voraussetzung. Anders als der Liberalismus des 19. Jh. hat das kirchliche Rechtsdenken mit seiner Lehre vom gerechten 12

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