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Deutsch und Latein in deutscher Literatur und Geschichtsschreibung des Mittelalters PDF

101 Pages·1975·4.065 MB·German
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STU D IEN zur Poetik und Geschichte der Literatur Herausgegeben von Hans Fromm, Hugo Kuhn, Walter Müller-Seidel und Friedrich Sengle BAND 43 DIETM AR JÜ R G EN PONERT Deutsch und Latein in deutscher Literatur und Geschichtsschreibung des Mittelalters VERLAG W. KOHLHAMMER STUTTGART BERLIN KÖLN MAINZ , j Latein — Mündlichkeit und Schriftlidi- * l v liat unter dem Titel w des Mittelalters« im SS 1969 der S S S ® 6 5 * - * — ä s s d. * , Alle Redite Vorbehalten I ' 975 V*r1^ W.Kohlliaramer GmbH Stuttgart Berlin Köln Mabi Verlagsort; Stuttgart s S s f e s s S r " - “ ...... \ - • ^ _ ; Inhalt A. Thema und Arbeit ............................................ B. Historisch-chronologischer Abriß ............................................. 9 I. Spätantikes Latein und Volkssprache ............................................... 9 II. Karl der Große ............................................................................................ 12 III. Althochdeutsche Literatur .... 14 IV. Frühmittelhochdeutsche Dichtung ....23 V. Historisch-geistesgeschichtliche Bezüge .......................................................28 VI. Frankreich: Chansons de geste ....30 VII. Geschichtsdichtung und vorhöfische Literatur ....31 VIII. Höfische Klassik ....36 IX. Frauen und die volkssprachige Literatur ....42 X. Recht und Urkunde .....................................................................................44 XI. Spätmittelalter .....50 C. Literatursituation und Lebensgemeinschaften deutschsprachigen und la­ teinischen Schrifttums im Spätmittelalter unter besonderer Berücksichti­ gung der Geschichtsschreibung .....63 I. Einleitung .......................................................................................................63 II. Der Deutsche Orden ....................................................................................63 III. Geschichtsschreibung und Literatur in deutschen Städten .....65 1. Städtische Verwaltung und Schriftlichkeit ............................................65 2. Geschichtsschreibung im Raume der spätmittelalterlichen Stadt .. 69 3. Augsburg ....................................................................................................^ 4. St. Gallen, Magdeburg ............................................................................^ Anmerkungen ......^ 88 Literatur und Quellen ....................................................................................... Meinen Eltern A. Thema und Arbeit Die Arbeit geht davon aus daß die Stellung der deutschsprachigen Dichtung und Literatur zu der sie umgebenden - ihr voraufgehenden und sie begleitenden - lateinischen Sdiriftwelt von der Forschung zwar in vielen zeitlich und gattungs- mäßig begrenzten Einzelansätzen behandelt und — auf Grund wechselnder metho- discher und sachlicher Voraussetzungen - unterschiedlich beurteilt worden ist, ein Überblick aber von den Anfängen in der Karolingerzeit bis zur vollen schrift­ mäßigen Entfaltung am Ende des Spätmittelalters unter einem gemeinsamen methodischen Ansatz noch nicht versucht wurde. Die deutsche Literatur - wie sie uns Pergament und Papier überliefert haben - entsteht in einer Zwischenkultur, einerseits abhängig von ihrem Leben in der Mündlichkeit, getragen von den Laien; andererseits orientiert an der schriftmäßig geformten und lebenden lateinischen Literaturwelt der >clerici< und angewiesen auf ihre Hilfe. Das Aufgeben und Verlassen dieser Zwischenstellung und das Gewinnen eines festen Bodens eigener selbständiger Literaturmäßigkeit vollzieht sich in einem jahrhundertelangen Prozeß. Seinen geistesgeschichtlichen Umkreis abzuschreiten und seine historisch-genetischen Voraussetzungen aufzuzeigen, ist Aufgabe dieser Arbeit. Gestützt auf wichtige Vorarbeiten soll der Rahmen unter sachbezogener methodischer Reflexion abgesteckt werden, den weitere Detailfor­ schung Schritt für Schritt füllen möge. Letzteres in größerem Umfange gleich­ zeitig selbst zu leisten, mußte die Möglichkeiten des Verfassers in diesem Zusam­ menhang übersteigen. Daß die historischen Forschungen Herbert Grundmanns über Entstehung und Leben deutschsprachigen Schrifttums mit ihren grundlegenden Ergebnissen von 1 der germanistischen Literaturwissenschaft bis heute nur in Ausnahmefällen ge­ kannt und aufgenommen werden, kann als Beispiel für die gefährliche Mißachtung einer Erforschung der geistesgeschichtlichen Grundlagen jenes Prozesses, den die volkssprachige Literatur im Mittelalter durchmacht, angesehen werden. Der erste Teil der Arbeit versucht im chronologischen Abriß die Stellung der deutschen Dichtung und Literatur in ihrem sich verändernden Verhältnis zum Latein aufzuzeigen, der zweite greift einen besonderen Bereich der spätmittel­ alterlichen Literaturproduktion heraus: die städtische Geschichtsschreibung.^ Inner­ halb dieses begrenzten Umkreises soll im Einzelbeispiel das nur in vielschichtigen Bezügen erfaßbare Entstehen und Leben von deutschsprachiger Literatur darge­ stellt werden. 7 B. Historisch-chronologischer Abriß I. Spätantikes Latein und Volkssprache Das früheste Mittelalter kennt aus verschiedenen Gründen noch keine Ent­ 1 fremdung oder gar strikte Trennung von Volkssprache und Literatursprache. Schriftkultur und damit Literatur in lateinischer Sprache gibt es im abendländi­ schen Bereich überhaupt nur in den romanischen Gebieten des ehemaligen Römischen Imperiums und von ihr, die sich teilweise immer noch in die Tradition des klassischen Stils stellt, haben sich Lautstand und Wortwahl der Umgangssprache selbst im 9. Jahrhundert noch nicht allzuweit entfernt. Dennoch nimmt die Zahl 2 derjenigen, die weiterhin überhaupt noch das >klassische< Latein verstehen oder gar an ihm lesen und schreiben gelernt haben, zusehends ab3, und Verständnis und Auffassungsvermögen schwinden selbst gegenüber dem Sprachstil der kirch­ lichen Lehre, dem >sermo humilis<, wie er sich in Konzilsbeschlüssen, den Schriften der Väter und den Übersetzungen der biblischen Texte die ersten nachchristlichen Jahrhunderte hindurch dokumentiert hatte. Die hochzivilisierte Kultur der Spät­ antike, die noch einen weit größeren Teil der Bevölkerung dazu befähigte, war vergangen und die Kirche, zum fast ausschließlichen Kulturträger geworden, hatte sich nun wesentlich einfacheren Bedürfnissen anzupassen und primitivere Pro­ bleme in Organisation und Lehre zu bewältigen als vorher. Im . Jahrhundert sind es besonders drei Autoren, die den Stil ihrer literari­ 6 schen Prosa in Wortwahl, Ausdruck und Gedankenführung der Umgangssprache angleichen: Caesarius von Arles (gest. 542) in seinen Predigten, Gregor der Große (gest. 604) in seinen Dialogen und als Gipfelpunkt Gregor von Tours (gest. 594) in seinen historischen und hagiographischen Werken. Sie formen eine leichtver­ ständliche literarische Gebrauchsprosa<, die geprägt ist von jenem sermo humilis der biblischen und kirchlichen Schrifttradition. Gregors des Großen Dialoge sind in ihrer weiten und andauernden Verbreitung als eines der ältesten und bezeich­ nendsten >Volksbücher< anzusprechen4. Gregor von Tours erreicht in seinen Schrif­ ten eine vollkommene Verschmelzung von literarischer Form und volkstümlichem Ausdruck5. Hier war der Grund gelegt, auf dem Nachfolger eine neue Schrift­ sprache hätten aufbauen können, die, den veränderten Bedingungen angepaßt, in organischer Verbindung mit der gesprochenen Sprache gewirkt hätte. Die Anordnung König Chilperichs (gest. 584), vier neue Buchstaben in das Alphabet aufzunehmen, bedeutete in ihrer Hinwendung zur — fränkischen, nicht romanischen — Volkssprache, daß eine Möglichkeit für die Aufnahme der gespro­ chenen Muttersprache mit ihren lautlichen Besonderheiten in die Schriftwelt der lateinischen Literatursprache geschaffen werden sollte; wie weit und ob sie genutzt worden ist, bleibt unklar8. _ Der geschichtliche Ablauf entschied jedoch anders; und die karhsaien Reformen konnten der Entartung der Schriftsprache, wie sie sich im 7. Jahrhundert ausge- breitet hatte, nur Herr werden, indem sie auf den Sol des HassisAen und patristischen Latein zurüdegriffen. Damit war freilich der endgültige Brai zwi­ schen Schriftsprache und Umgangssprache - in den romanischen Teilen des Fran- 9 kenreiches - vollzogen: die eine wurde geschrieben, die andere fast gesprochen. Das literarische Latein wurde zur Hoten Sprache< Vo dieen Entwicklung abgeschnitten7, auch wenn es ein >EieenJeC«^ * Jeder H e n. Literatur entfalten konnte. _ 1CDen< ^nerhalb der 6 Ans: 1 In den deutschsprachigen Reichsgebieten und bei den Möglichkeit einer Symbiose von Volks- und L iteratu rsp rach ef^sen ^ar <Jie Hier war Latein Fremdsprache und Literatursprache z j . nic^t gfr. geben. Hier war JLaiem ^»deutete zunächst lateinisch schreiben. Eine vergleichbare Wirkung haben Karls des Großen Bem'-h Schrift. Zwar ist die karolingische Minuskel nur in d ire k tse in ^ ^ Glne führterT auf' seiner Seite Aufnahme und Förderung von vorgebildeten kalligra. phisch verfestigten Schrifttypen und die Anregung zu neuen Versuchen schließ- Hch zur Ausbildung einer einheitlichen Buchschrift, die auch bald zur Urkunden- und Gebraudisschrift wurde. Die Kursive, die bisher besonders die beiden letzte­ ren Anwendungsbereiche beherrscht hatte, wurde zurn Zwecke einer besseren Lesbarkeit bewußt verdrängt: Zeichen einer hohen Schriftkultur im Sinne einer weitverbreiteten und vielgeübten Schriftlichkeit innerhalb von Staat und Gesell­ schaft, wird sie abgelöst von einer selten und kostbar geübten kalligraphisch­ malenden Schreibkultur, Privileg einer besonderen Gruppe der Gesellschaft. Das Ende der Kursive als Gebrauchsschrift nördlich der Alpen bedeutete zugleich das Ende der Schriftlichkeit in ihren Anwendungsgebieten: in Verwaltung, Recht und Wirtschaft. Seit dem Verfall des Karolingerreiches schließlich wird und bleibt das Medium der Schrift neben den verminderten Aufgaben, die die Kanzlei noch stellt, beschränkt auf einen Bereich in Kirche und Wissenschaft, in jedem Falle aber verwaltet und ausgeübt vom Geistlichen, vom clericus, dem Mönch, dem nun ausschließlichen Literaturträger, durch den es sehr oft erst an ehemals in sdiriftloser Kultur lebende Völkerstämme gelangt war. Das auffälligste und bedeutsamste Moment dabei war, daß die Kluft, die litterati und illitterati trennte8, die Kleriker als Literaturträger isolierte. Ihnen waren Schrift, Dichtung in der Literatursprache und Wissenschaft Vorbehalten. Das Buch gehörte in den geistlich-kirchlichen, lateinsprachigen Bereich; im welt­ lichen, volksspradngen lebte Dichtung mündlich, sie wurde >gesungen und ge- sagt< und gehört. Die Stellung zu Schrift und Buch trennte die Gesellschaft. Jede Gruppe sah in diesem Punkt die Haltung der anderen als hinderlich für die eigene Selbstverwirklichung oder gar als unvereinbar mit ihr an. Der weltliche A e, die politisch führende Schicht, schied also als >Literatur<-Publikum aus. Schrift und literarisch-wissenschaftliche Bildung hatten die Goten schon - ° wohl in engstem Kontakt mit der spätantik-byzantinischen Schriftkultur j* *ls und ihre Könige abgelehnt, trotz der Bemühungen Th®006? _ um eme litterate Erziehung seines Sohnes. Viele Merowingerkönige besa en s er war die römische Kultur nicht auf solch entschiedene Weise überlager en, o ^ auch unter den herrschaftsfähigen Geschlechtern des fränkis e sdirifr^fl ma? V ^er ReSel erst ^en zweiten Träger der ^ rone Uj j-eses ^ 6 1 Vorbild^ literarisch-lateinische Bildung auf sein Amt vor. o ^ übrigen G^ellschaf ^stimmte selbstverständlich das Verhalten 611 Frase Lateinis* - Deutsch nidn nur in dem Er- S S f d Mr dl!d,te> ist zuglei* verhaftet nut dem d des gesellschaftlichen Gefüges. 10 “ « f i s s Ä s j r Ä * “ konnte, zeigt sich im insularen Bereich auffallend deutlich Wie d'" r “ hier als Fremdsprache empfunden wurde, läßt die Tatsache erkennen, daß d" Bemühen um Worttrennung in den überlieferten Codices von Anfang an zu er­ kennen ist» - anders als auf dem Kontinent, der zumindest in einigen Gebieten von seinen Wurzeln im Lateinischen und seiner Schreibgewohneit nie ganz los- gerissen worden war. Bei den Angelsachsen hatte das Latein niemals Verbindung zur Volkssprache gehabt, es brauchte auf Grund dieser eindeutigen Trennung nicht zu befürchten von ihr verdorben zu werden, falls auch sie geschrieben werden sollte. Hier konnte man sogar in der Volkssprache lesen lernen, ohne vorher Latein zu kön­ nen10; hier gab es ein ausgewogenes Verhältnis von beidem: Latein war zwar Fremd- und Schreibsprache, aber nicht zugleich die einzige Literatursprache. Am Hof Alfreds des Großen — zu einer Zeit, als in den romanischen wie ger­ manischen Teilen des Frankenreiches die volkssprachige Literatur ihren aller­ ersten zaghaften Ausdruck gefunden hatte und in den letzteren sogar wieder auf dem begonnenen Wege innehielt - erhebt sich die angelsächsische Dichtung und Literatur in blühender Schriftkultur zu einsamer Höhe. Alfred hatte mit seinen Reformen des Erziehungs- und Bildungswesens auf volkssprachiger Grundlage, die die Festlegung einer gültigen Schreibung und Grammatik des Angelsächsi­ schen voraussetzen, nachhaltigen Erfolg - anders als Karl der Große ein Jahr­ hundert zuvor, dessen Wünsche und Vorstellungen nicht nur mit denen Alfreds vergleichbar sind, sondern sogar diese durch ihr Vorbild wirksam beeinflußten11. Alfred konnte - im Gegensatz zu Karl - an eine Entwicklung anknüpfen, die schon im 7. und . Jahrhundert ihre Früchte getragen hatte. Denn die Christianisie­ 8 rung wurde im insularen Bereich nicht auf Kosten der Volksüberlieferung oder gar in schroffem Gegensatz zu ihr wie auf dem Festland vollzogen. Viel früher entsteht hier eine diristliche Dichtung in der Volkssprache, die ihre Wirkung in den Missionsgebieten des Frankenreiches nicht verfehlt; viel selbstverständ­ licher wird hier nur wenig später Heldendiditung (Beowulf) aufgezeichnet, ja, Bedas Kirchengeschichte und das Geschichtswerk des Orosius, historiographisch- lateinische Prosa in klassischer Tradition, werden durch Übersetzung ins Angelsäch­ sische verbreitet — erst im 13. Jahrhundert folgt das Festland in solcher Übung Volkssprache und Schrift finden hier bruchlos und ohne .Widerstände zueinan­ der, ein Lesepublikum für volkssprachige Texte voraussetzend und bezeugend, wie es anderswo erst viele Jahrhunderte später heranwächst. Gleiches gilt für die sachbezogenen Gebrauchstexte der Rechtsprosa. Nur die Angelsachsen haben schon im 7. Jahrhundert vermocht, bei der Übernahme der ihnen - wie den Fran en fremden Gewohnheit, Recht aufzuschreiben, gleichzeitig die Volkssprache zu ver­ wenden18. Bei den Germanen des Festlandes ist für Rechtsaufzeidmungen, wenn . sie überhaupt erfolgten, bis ins hohe Mittelalter die laternis e pra e worden - bei den Sachsen zuerst geht Eike von Repgow von dieser Gewohnheit So ist vielleicht der Bruch der lateinisch-christlichen Bildungswelt: nut:der, Volksüberlieferung, den die Träger der Schriftkultur ei i f®* Mitursache untfer den germanischen Stämmen des Frankenreiches ^te^eßen dafür, daß bei ihnen Weltliches nur sehr zögernd dem Pergamen 11

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