Wissenschaftstheorie Wissenschaft und Philosophie Gegründet von Prof. Dr. Simon Moser, Karlsruhe Herausgegeben von Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt, Bielefeld H. Reichenbach , Der Aufstieg der wissenschaftl ichen Ph ilosophie 2 R. Wohlgenannt, Was ist Wissenschaft? 3 S. J. Schmidt, Bedeutung und Begriff (vergriffen) 4 A.-J. Greimas, Strukturale Semantik 5 B. G. Kuznecov, Von Galilei bis Einstein 6 B. d'Espagnat, Grundprobleme der gegenwärtigen Physik (vergriffen) 7 H. J. Hummell! K.-D. üpp, Die Reduzierbarkeit von Soziologie auf Psychologie 8 H. Lenk, Hrsg., Neue Aspekte der Wissenschaftstheorie 9 I. Lakatos! A. Musgrave, Hrsg., Kritik und Erkenntnisfortschritt 10 R. Haller! J. Götschl, Hrsg., Philosophie und Physik 11 A. Schreiber, Theorie und Rechtfertigung 12 H. F. Spinner, Begründung, Kritik und Rationalität, Band 1 13 P. K. Feyerabend, Der wissenschaftstheoretische Realismus und die Autorität der Wissenschaften Paul K. Feyerabend Der wissenschaftstheoretische Realismus und die Autorität der Wissenschaften Ausgewählte Schriften, Band 1 Friedr. Vieweg & Sohn Braunschweig/Wiesbaden CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Feyerabend, Paul K.: [Sammlung] Ausgewählte Schriften. --Braunschweig, Wiesbaden: Vieweg. Bd. 1. Der wissenschaftstheoretische Realismus und die Autorität der Wissenschaften. - 1. Aufl. - 1978. (Wissensch aftstheorie, Wissenschaft und Philosophie; Bd. 13) ISBN 978-3-528-08411-0 ISBN 978-3-322-88829-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-88829-7 1978 Alle Rechte vorbehalten © Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig, 1978 Die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte, Zeichnungen oder Bilder, auch für die Zwecke der Unterrichtsgestaltung, gestattet das Urheberrecht nur, wenn sie mit dem Verlag vorher vereinbart wurden. Im Einzelfall muß über die Zahlung einer Gebühr für die Nutzung fremden geistigen Eigentums entschieden werden. Das gilt für die Vervielfältigung durch alle Verfahren einschließlich Speiche rung und jede Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien. Satz: Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig ISBN 978-3-528-08411-0 III Inhaltsverzeichnis Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Erster Teil Der wissenschaftstheoretische Realismus Kapitell Versuch einer realistischen Interpretation der Erfahrung 4 1 Einleitung...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2 Beobachtungssprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 3 Die Stabilitätsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 4 Pragmatischer Sinn; Komplementarität ...................... 9 5 Phänomenologischer Sinn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 12 6 Widerlegung der Stabilitätsthese. ,Umgangssprachen' . . . . . . . . . . .. 16 7 Die logische Grundlage der Argumente von Abschnitt 6 . . . . . . . . .. 20 Nachtrag 1977 ......................................... 24 Kapitel 2 Zur Interpretation wissenschaftlicher Theorien 34 Kapitel 3 Das Problem der Existenz theoretischer Entitäten 40 1 Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 40 2 Ableitung eines scheinbaren Paradoxons ..................... 42 3 Sinnesdaten ........................................... 47 4 Die Stabilitätsthese; Lösung des Problems .................... 63 IV Inhaltsverzeichnis Kapitel 4 Wissenschaft ohne Erfahrung 74 Nachtrag 1977 ......................................... 77 Kapitel 5 Realismus und Instrumentalismus: Bemerkungen zur Logik der Unterstützung durch Tatsachen ................................ 79 1 Begriffserläuterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 79 2 Die Unterscheidung nicht rein verbal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 80 3 Die aristotelische Bewegungslehre .......................... 80 4 Folgen für die Bewegung der Erde .............. . . . . . . . . . . .. 82 5 Die instrumentalistische Deutung der kopernikanischen Theorie ... 85 6 Die philosophischen Argumente für diese Deutung sind nicht die einzigen ........................................... 87 7 Quantentheorie; die Bohrsehe Hypothese. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 91 8 Dualität von Licht und Materie; auch in der Quantentheorie beruht der Instrumentalismus nicht auf rein philosophischen Argumenten .......................................... , 95 9 Interpretation der Wellenmechanik ......................... 98 10 Gemeinsame Züge der kopernikanischen und der quanten- theoretischen Situation .................................. 99 11 Die Tragkraft empirischer Einwände ........................ 100 12 Ein Widerspruch zwischen neuen Ideen und alten Tatsachen noch kein Argument gegen die ersten ........................ 101 13 Man kann aber Einwände erheben gegen gewisse Behandlungen des Widerspruchs ....................................... 102 14 Behandelt man den Widerspruch richtig, dann kann man ihn lange aufrechterhalten ........................................ 103 15 Zudem gibt es Argumente, die zeigen, daß man ihn einführen und aufrechterhalten soll .................................... , 104 16 Und damit ist der Realismus auf jeden Fall als die methodologisch bessere Doktrin erwiesen ................................. 105 Nachtrag 1977 ......................................... 105 v Inhaltsverzeichnis Kapitel 6 Bemerkungen zur Verwendung nicht-klassischer Logiken in der Quantentheorie .......................................... 113 1 Ontologische Interpretationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 113 2 Die Kopenhagen-Deutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 114 3 Einsteins Interpretation .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 115 4 Reichenbachs Interpretation .............................. 117 5 Mittelstaedt ........................................... 119 6 Zusammenfassung ...................................... 120 Kapitel 7 Die Wissenschaft und das Alltagsdenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 121 Kapitel 8 Theater als Ideologiekritik Bemerkungen zu Ionesco .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 139 Nachtrag 1977 ......................................... 151 Zweiter Teil Die Autorität der Wissenschaften Kapitel 9 Kuhns ,Struktur wissenschaftlicher Revolutionen' Ein Trostbüchlein für Spezialisten? ......................... , 153 1 Einleitung ............................................. 154 2 Zweideutigkeit der Darstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 155 3 Rätsellösen als ein Kriterium der Wissenschaft ................. 156 4 Die Funktion der Normalwissenschaft ....................... 158 5 Drei Schwierigkeiten des funktionellen Arguments ............. 159 VI Inhaltsverzeichnis 6 Gibt es eine Normalwissenschaft? ........................... 164 7 Plädoyer für den Hedonismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 166 8 Eine Alternative: Lakatos' Modell der wissenschaftlichen Veränderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 168 9 Die Rolle des rationalen Denkens in der Wissenschaft ........... 172 10 Inkommensurabilität A: Historische Bemerkungen ............. 178 11 Inkommensurabilität B: Einige systematische Bemerkungen ...... 182 12 Inkommensurabilität C: Nichtwissenschaftliche Beispiele ........ 192 13 Inkommensurabilität D: Vergleich von inkommensurablen Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 199 14 Inkommensurabilität E: Auflösung des Realismus .............. 200 Nachtrag 1977 ......................................... 203 KapitellO Von der beschränkten Gültigkeit methodologischer Regeln 205 1 Einleitung ............................................. 205 2 Das erste Beispiel: Newtons Regel iv ........................ 206 3 Grenzen der Regel ...................................... 207 4 Anwendung auf das Induktionsproblem ...................... 212 5 Das zweite Beispiel: Widerlegung durch die Erfahrung ........... 213 6 Methodologische Bemerkungen ............................ 224 7 Die Erkenntnis als ein historischer Prozeß .................... 239 8 Rolle der Methodologie .................................. 246 Kapitelll Bemerkungen zur Geschichte und Systematik des Empirismus. . . . . . . . . . . . 249 I Alltagserfahrung; der klassische Empirismus ................... 249 II Galileis Kritik der Alltagserfahrung ......................... 252 A übersicht ........................................... 252 B Die theoretische Komponente der Erfahrung ................ 255 C Die sinnliche Komponente der Erfahrung ................... 272 III Bacons Versuch eines Neuaufbaus unseres Wissens .............. 281 IV Methodologische Betrachtungen ............................ 286 Nachtrag 1977 ....................................... " 292 Inhaltsverzeichnis VII Kapitel 12 Die Wissenschaftstheorie - eine bisher unerforschte Fonn des Irrsinns? 293 1 Einleitung ............................................. 293 2 Das Krankheitsbild ...................................... 294 3 Auch Doktor Lakatos kann nicht helfen ..................... 311 4 Methodologie im Zeitalter des Aquarius ...................... 329 Nachtrag 1977 ......................................... 331 Kapitel 13 Die ,Rationalität' der Forschung 339 1 Ursprung der Idee der Rationalität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 339 2 Beispiele von Rationalitätstheorien ......................... 342 3 Externe und forschungsimmanente Rationalitätstheorien ........ 345 4 Wissenschaft für freie Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 349 Kapitel 14 Die Wissenschaften in einer freien Gesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 351 1 Die Rolle der Wissenschaften heute ......................... 351 2 Methodologische überlegungen unterstützen diese Rolle nicht. . . .. 353 3 Noch ist der ,Erfolg' der Wissenschaft ein brauchbares Argument .. 356 4 Die seltsame Geschichte von der Astrologie . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 359 5 Laien können und müssen die Wissenschaft kontrollieren. . . . . . . .. 364 6 Die Trennung von Staat und Wissenschaft ist der dazu notwendige erste Schritt ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 364 VIII Quellen der Arbeiten dieses Bandes Die Kapitel 4 und 9 wurden vom Verfasser ins Deutsche übertragen. Alle übrigen, ursprünglich englisch erschienenen Arbeiten wurden von Dr. Hermann Vetter, Heidelberg, übersetzt und vom Verfasser durchgesehen. Kapitell: "An Attempt at a Realistic Interpretation of Experience", in Proceedings of the Aristotelian Society, n.s., Band 58 (1958), S.143-170. Kapitel 2: "On the Interpretation of Scientific Theories", in Proceedings of the 12th International Congress ofPhilosophy, Band 5 (Venedig 1960), S.151-159. Kapitel 3: aus Probleme der Wissenschaftstheorie. Festschrift für Viktor Kraft, hrsg. von E. Topitsch (Wien 1960), S. 35-72. Kapitel 4: "Science without Experience", in Journal ofPhilosophy, Band 66 (1969), S. 791-794. Kapitel 5: "Realism and Instrumentalisrn", in The Critical Approach to Science and Philosophy, hrsg. von Mario Bunge (Humanities Press 1964), S.280-308. Kapitel 6: aus Band 1 der Veröffentlichungen des Internationalen Forschungs zentrums für Grundfragen der Wissenschaften in Salzburg, hrsg. von Paul Weingartner (Wien 1965), S. 351-359. Kapitel 7: "Linguistic Arguments and Scientific Methods", in Telos, Band 2 (1969), S. 43-63. Kapitel 8: aus Die Philosophie und die Wissenschaften. Simon Moser zum 65. Geburtstag (Meisenheim 1966), S. 400-412. Kapitel 9: Veränderte und erweiterte Fassung von "Consolations for the Specialist" , in Criticism and the Growth of Knowledge, hrsg. von I. Lakatos und A.Musgrave (Cambridge 1970), S.197-230. Kapitel 10: aus Neue Hefte für Philosophie, Heft 2/3 (1972), S. 124-17l. Kapitel 11: aus Grundfragen der Wissenschaften und ihre Wurzeln in der Meta physik, hrsg. von Paul Weingartner (Wien 1967), S.136-180. Kapitel 12: aus Natur und Geschichte, Proceedings des Deutschen Philosophen kongresses, hrsg. von Hübner und Menne (Kiel 1972). Kapitel13 und 14: vom Autor für diesen Band verfaßt. 1 Einleitung Die Aufsätze in diesem Band befassen sich mit gewissen Aspekten der Rolle der Wissenschaften in unserer Kultur. Im ersten Teil wird gefragt, ob die Wissenschaft einen Beitrag zu unserem Weltbild leisten kann, oder ob sie einzig dazu taugt, Voraussagen zu machen oder Erfahrungen zu ordnen in einer Welt, deren Züge durch andere überlegungen bereits festgelegt sind. Im zweiten Teil wird gefragt, ob die Methoden und Ergebnisse der Wissen schaft wirklich die immense Autorität haben, die man ihnen heute zuschreibt. Die Antwort auf die erste Frage lautet: die Wissenschaft kann eine Kosmolo gie im vollen Sinne des Wortes sein, sie ist in dieser Hinsicht der Religion, der Philosophie, dem Alltagsdenken, dem Mythos sicher nicht untergeordnet. Ich erreiche diese Antwort auf dem Umweg über die Diskussion eines Problems, das in der Literatur den etwas pompösen Namen 'Das Problem der Existenz theoreti scher Entitäten' erhalten hat. Die Antwort auf die zweite Frage lautet: die Wissenschaft ist anderen Ideolo gien aber auch nicht übergeordnet, sie hat keine höhere Autorität als jene. Diese Antwort erhalte ich in zwei Schritten. Erstens durch eine Kritik der Wissenschafts theorie, wo man ja zeigen will, warum die Wissenschaft so hervorragt. Zweitens durch eine Kritik der von den Wissenschaften selbst gemachten Ansprüche. Es stellt sich heraus, daß die Wissenschaftstheorie uns ein Zerrbild der Wissenschaft gibt, das sich vom wahren Artikel ebenso unterscheidet wie die Phantasien eines Irren von der Wirklichkeit; und weiterhin stellt sich heraus, daß die Argumente der Wissenschaft entweder auch von diesem Zerrbild Gebrauch machen, oder aber sie sind Gerüchte, die man zwar ständig wiederholt, die man aber nie genauer untersucht. Die hervorragende Stellung, die die Wissenschaft heute einnimmt, läßt sich intellektuell nicht rechtfertigen. Die Aufsätze des ersten Teils liegen zehn bis zwanzig Jahre zurück, die Auf sätze des zweiten Teils drei bis zehn Jahre. Sie enthalten zum Teil Ansichten, denen ich heute nicht mehr zustimme und argumentieren oft auf Grund von Voraussetzungen, die ich erst später erkannt und dann verworfen habe. Die Anderungen und die Umstände der Abfassung habe ich zum Teil, aber nicht vollständig, in Nachträgen beschrieben. Dort habe ich auch versucht, die Schrif ten einem weiteren Zusammenhang einzugliedern. Die detaillierte Ausführung dieses weiteren Zusammenhanges findet sich in meinem Buch Rationalism and the Rise of Science, das ich schon einige Male an Verlage geschickt und dann wieder zurückgefordert habe, sowie in meinem Essay Science in a Free Society. Der wichtigste Irrtum des ersten Teiles scheint mir heute darin zu liegen, daß ich das gestellte Problem, d.h. die Frage, ob wissenschaftliche Theorien auch Ontologien sind, abstrakt diskutierte und zu lösen versuchte. Nicht die im Bereich der Forschung selbst entstehenden Ideen wurden herangezogen, sondern die Ideen