Der Weg zu Burnout-freien Arbeitswelten Ruth Tröster Der Weg zu Burnout-freien Arbeitswelten Ruth Tröster fab art Unternehmensgestaltung München, Deutschland ISBN 978-3-658-00148-3 ISBN 978-3-658-00149-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-00149-0 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufb ar. Springer Gabler © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht aus- drücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Ein- speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk be- rechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürft en. Lektorat: Ulrike M. Vetter, Eva-Maria Fürst Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer Gabler ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.springer-gabler.de Vorwort Der erste Teil dieses Buches befasst sich mit der Ausgangssituation, wie man sie derzeit in weiten Teilen der Arbeitswelt vorfindet. Leistung ist gut! So sagt man zumindest. Aber seitdem das Phänomen Burnout gras- siert, scheint nicht mehr jede Form der Leistung gut zu sein. Aus einem überzogenen Leis- tungsanspruch lässt sich schnell der Schluss ziehen, dass man - trotz größter Anstrengun- gen - hinter den Erwartungen zurückbleibt. Was aber ist, wenn exakt das Gegenteil davon der Fall ist? Als Betroffene bin ich dem Phänomen Burnout nachgegangen, nachdem mich die üb- lichen, angeratenen, individuellen Maßnahmen, einschließlich Psychotherapie, nicht vor einem weiteren Burnout schützen konnten. Ich bin Geographin und als solche eigentlich auf räumliche Mustererkennung spezia- lisiert. Auf Geographie bin ich gekommen, weil ich es so faszinierend fand, dass sich über ein Prinzip Länderkundewissen für jeden beliebigen Ort der Erde aus dem Stegreif ablei- ten lässt. Seit dieser Zeit, also seit über dreißig Jahren, trainiere ich vernetzte Denkfähig- keit. Mein Diplom habe ich in Wirtschaftsgeographie gemacht. Aber Burnout zieht Kreise, die weit über das Thema Wirtschaft hinausreichen. Wenn man bestimmte Zusammen- hänge zwischen Hirnforschung, Psychologie, Psychotherapie, psychosomatischer Medizin, Arbeitsmedizin, Schwarmforschung, Genforschung, Systemanalyse und in zeitlosen1 Ma- nagementratgebern vermutet, tut man sich leichter, sie dann auch zu finden. Was ich herausgefunden habe und hier in einer überarbeiteten, komprimierten Fassung darstelle, wird auch andere interessieren, die auf den zweiten Burnout nicht scharf sind. Sollten auch Sie zur Gruppe derer gehören, die ihren Beruf mögen, die Schaffenskraft haben, die einen Beitrag leisten wollen und die gerne arbeiten, dann werden auch Sie sich Ihre Arbeitswelt ganz anders vorgestellt haben, als ich sie im ersten Teil dieses Buches beschreibe. Wenn unsere Arbeitswelt zunehmend weniger unseren Vorstellungen von einer kreati- ven, anregenden, produktiven und gesunden Umgebung entspricht, dann fragt sich: „Wo wollen wir eigentlich hin?“ Diese Frage wird leider viel zu selten gestellt. Wahrscheinlich deshalb, weil man davon ausgeht, dass sich ohnehin keine Antwort darauf finden lässt. Interessanterweise ist das aber doch der Fall, was im zweiten Teil des Buches deutlich wird. 1 In Abgrenzung zu kurzlebigen Management-Hypes. 5 6 Vorwort Leider sieht die Politik - genau genommen das Bundesarbeitsministerium - trotz der Zunahme psychisch bedingter Krankheitstage keinen akuten Handlungsbedarf: Der Wis- sens- und Kenntnisstand müsse (laut einer Pressemitteilung vom 30.04.2012) erst verbes- sert werden. Es bräuchte aber auf politischer und unternehmerischer Seite nicht nur den Willen zur Änderung, sondern auch das Können. Wenn Sie den ersten Teil dieses Buches gelesen haben, werden Sie wissen, wie ich das meine. Aufgrund der doch ziemlich angespannten und sich weiter zuspitzenden Situation wür- de ich dazu raten, nicht alleine darauf zu vertrauen, dass sich die Arbeitswelt von selbst ändert. Falls Sie zu denjenigen gehören, die nicht länger warten möchten, wird Sie der dritte Teil besonders interessieren. Dieser Teil zeigt auf, wie sich ein Unterschied machen lässt. Keine Sorge! Nein, es han- delt sich nicht um eine neue Theorie und auch nicht um eine schöne, neue Utopie. Der Unterschied lässt sich mit einem klaren Praxisbezug machen, der obendrein durch den amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler James C. Collins erforscht wurde, eben weil er so erstaunlich gut funktioniert. Warum dieser Ansatz dann nicht so verbreitet ist wie sein viermillionenfach verkauftes Buch „Der Weg zu den Besten“ liegt daran, dass es darauf ankommt, wer diesen Unterschied machen kann. „Erst wer ...“ zu fragen und „dann was ...“, richtet sich exakt nach einem der sieben Managementprinzipien für dauerhaften Unternehmenserfolg. Diese Reihenfolge stellt die üblicherweise praktizierte, kontra-intu- itive Reihenfolge auf den Kopf, bei der erst was, also die Qualifikation im Vordergrund steht und dann gesucht wird, wer diese Qualifikation erfüllen kann. Es liegt daran, dass es extrem unterschiedliche Sichtweisen gibt, was funktioniert und was nicht. Das ist ebenso ein Tabu-Thema wie die Möglichkeit, dass es eine Persönlich- keitsentwicklung gibt, bei der Wachstumsbedürfnisse im Vordergrund stehen und die mit anderen Prioritätensetzungen verbunden ist. Eine Arbeitswelt, die diesem Persönlichkeits- wachstum Grenzen setzt, muss zu Burnout führen. Wer leistungswillig bis zur Selbstaufgabe ist und einen deutlichen Hang zur Perfektion zeigt, hat nämlich keinen „Persönlichkeitsschaden“. Ebenso wenig wie das, was man als mangelndes Selbstbewusstsein bezeichnet. Es ist nur so, dass sich Menschen mit einem ho- hen Grad an Persönlichkeitsreifung ihrer Ignoranz, ihrer Inkompetenz und ihres Wachs- tumspotenzials überaus bewusst sind. Es mag Sie vielleicht interessieren, dass Sie sich mit Ihren angeblichen „Defekten“ in bester Gesellschaft befinden, denn die Level-5-Führungspersönlichkeiten, die Collins be- schreibt, zeichnen sich ebenfalls durch diese „Defekte“ aus. Wenn Sie sich also nicht mehr ausbremsen und damit Ihrer Energie berauben lassen wollen, nur weil Sie nicht besser sein dürfen als Ihr Chef, der sonst Konkurrenzangst be- kommt, dann käme es vielleicht auch für Sie infrage, sich die - nicht nur von Ihnen - benö- tigte Arbeitswelt selbst zu schaffen. Orientiert man sich an den Problemen, die die sogenannten Star-Manager haben, die nicht mehr wissen, was angesichts der zunehmenden Komplexität und Dynamik eigentlich zu tun ist, dann erscheint es viel zu schwierig, ein eigenes Unternehmen zu gründen und zu führen. Das eigentliche Problem dieser Herren ist aber, dass das Hauptinteresse einer ankommenden Wirkung gilt und sich alles um Gewinnmaximierung dreht. Wer vorrangig Vorwort 7 an dem Bonus interessiert ist, der in der eigenen Tasche ankommt, interessiert sich aber nicht wirklich für die Bedürfnisse anderer. Man kann zwar so tun, als wäre der Kunde Kö- nig, aber welcher „Hoflieferant“ würde seinen „König“ so behandeln, dass er ihm Produkte mit absichtlicher Qualitätsminderung und sogar mit bewusst eingebautem Verfallsdatum (geplante Obsoleszenz) „unterjubelt“? Es ist also denkbar einfach, einen Unterschied dazu zu machen: Es geht nur darum, den Fokus dorthin zu legen, wo Wirkung erzeugt wird, und nicht dorthin, wo Wirkung ankommt. Aber das erfordert eine völlig andere Weltsicht, die ich eben bei Burnout-Be- troffenen verstärkt vermute, sonst hätten sie es nämlich gar nicht „geschafft“, einen Burn- out zu bekommen. Bevor ich Ihnen eine - hoffentlich - aufschlussreiche und interessante Lektüre wünsche, noch zwei abschließende Hinweise: Sie werden es mir sicher nicht übel nehmen, dass ich im Text keine Differenzierung nach männlich und weiblich vornehme. Selbstverständlich meine und spreche ich immer beide Geschlechter an, wenn z.B. von dem Mitarbeiter die Rede ist und nicht explizit von der Mitarbeiterin/dem Mitarbeiter. Es liest sich meiner Ansicht nach besser, nur eine Form zu verwenden. Als Frau halte ich es für höflich, der männlichen Form den Vorzug zu ge- ben. Für „The Fifth Discipline“ von Peter M. Senge gibt es eine deutsche Übersetzung. Ich habe jedoch das englische Original verwendet, und so erscheinen die Zitate in meiner eigenen Übersetzung, ebenso wie bei den anderen englischsprachigen Quellen auch. Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................... 5 Kapitel 1: Die Ausgangssituation ............................................. 11 1.1 Fleiß und Ehrgeiz, die Werte der Deutschen ............................... 11 1.2 Work-Life-Balance und persönliches Stressempfinden ...................... 15 1.3 Die Produktivität am Arbeitsplatz ist steuerbar – aber eben ganz anders . ...... 20 1.4 Boreout, Burnout und Job-Doping ....................................... 27 1.5 Stress pur! ............................................................ 31 1.6 Umfeld oder persönlichkeitszentrierte Ursachen für Burnout ................ 38 1.7 Typisches kontra-intuitives Verhalten: die Systemarchetypen ................ 47 1.7.1 Rückkopplungen, die Bausteine der Systemarchetypen ............... 50 1.7.1.1 Begrenzende oder regulierende Rückkopplungen ............ 50 1.7.1.2 Selbstverstärkende Rückkopplungen ....................... 52 1.7.2 Systemarchetyp „Grenzen des Wachstums“ ......................... 54 1.7.3 Systemarchetyp „Problemverlagerung“ ............................. 56 1.7.3.1 „Problemverlagerung“ bei Personalentscheidungen ........... 59 1.7.3.2 „Problemverlagerung“ auf erodierende Ziele ................ 63 1.7.4 Systemarchetyp „Wachstum und Unterinvestment“ .................. 68 1.7.4.1 Personalkapazität und Servicequalität ...................... 71 1.7.4.2 Beispiel aus der Versicherungsbranche nach Peter Senge ...... 72 1.7.4.3 Beispiele aus dem Gesundheitswesen nach Karasek und Theorell ................................................ 75 1.7.5 Konkurrenz statt Kooperation .................................... 78 1.8 Verständigungsprobleme ............................................... 87 1.8.1 Die Theorie menschlicher Bedürfnisse nach Maslow ................. 88 1.8.2 Bedürfnisdefizite bei überwiegend extrinsischer Motivation nach Kasser .................................................... 92 1.8.2.1 Unsicherheit statt Sicherheit ............................... 93 1.8.2.2 Schwacher anstelle eines starken Selbstwerts ................. 94 1.8.2.3 Separiertheit statt Verbundenheit .......................... 94 1.8.2.4 Wie in Ketten statt Freiheit ................................ 96 9 10 Inhaltsverzeichnis 1.8.3 Die Erweiterungsstufen menschlicher Evolution ..................... 98 1.8.4 Die kognitiven Stufenleitern nach Hüther und die Umstülpung der Sichtweise ...................................................... 101 1.8.5 Paradigmen und Axiome in Unternehmen oder worauf Arbeitgeber Wert legen ..................................................... 109 1.8.5.1 Beispiele zur fachlichen Kompetenz und Eignung ............ 121 1.8.5.2 Beitrag zum Unternehmenserfolg – ein Beispiel .............. 124 1.8.5.3 Das Paradigma der Separiertheit ........................... 125 Kapitel 2: Wo wollen wir eigentlich hin? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2.1 Der World Values Survey und die Weltkarte der Werte ..................... 131 2.2 Unterschiedliche Ausgangspositionen .................................... 135 2.3 Verschiebung der Werte ................................................ 140 2.4 Jeder Prozess braucht ein Prinzip, das ihn leitet ............................ 142 2.5 Glück ist der Zustand, den wir anstreben ................................. 145 Kapitel 3: Wie sich ein Unterschied machen lässt ............................... 153 3.1 Untersuchungsergebnisse zeigen: Der Unterschied ist spitzenmäßig .......... 162 3.2 Motiv ist alles! ........................................................ 170 3.2.1 Fokus durch Absicht ............................................. 173 3.2.2 Steuerung durch Design . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 3.2.3 Freier Wille .................................................... 183 3.3 Unternehmen 3D ...................................................... 189 1 Die Ausgangssituation Wirtschaftlich gesehen ist die Produktivität eines Kapitals entscheidend und nicht, was dieses Kapital kostet. Wenn es aber in Unternehmen darum geht, nach Einspar- möglichkeiten zu suchen, dann trennt man sich lieber von kostbarem Humankapital, als auf variable Gehaltsanteile zu verzichten. Dabei haben Management-Bonuszah- lungen nur verschwindend geringe Auswirkungen auf die Unternehmensperfor- mance. Aber die Produktivität lässt sich eben auch erhöhen, wenn einfach nur weniger Schultern die Arbeitslast stemmen. Das verschärft den Wettbewerb untereinander. Wir werden damit in eine „Ellenbogengesellschaft“ gezwungen, die uns nicht ent- spricht und die wir gar nicht wollen. 1.1 Fleiß und Ehrgeiz, die Werte der Deutschen Die Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg könnten kaum besser sein: Wir haben ein gesellschaftliches Leitbild, das als „soziale Leistungsgesellschaft“ bezeichnet werden kann. Für fast drei Viertel (72 %) der Erwerbsfähigen sind die wichtigsten Werte: „fleißig und ehrgeizig sein“[7]. Also, wenn sich sieben von zehn Befragten darin einig sind, dann ist das enorm viel. Diese Ergebnisse stammen aus der Online-Befragung „Perspektive Deutschland“[7] mit einer Rekordbeteiligung von etwa 620.000 Menschen. Studien in solchem Umfang sind selten und diese wurde bereits 2006 durchgeführt. Aber ganz so schnell ändern sich ge- sellschaftliche Werte nicht, dass sie heute keinen Bestand mehr hätten. Die bei Online-Er- hebungen typischen Verzerrungen wurden mittels parallel durchgeführter repräsentativer Befragungen korrigiert, um möglichst aussagefähige Daten zu erhalten. Die Aussage ist, dass die Menschen in unserem Land generell sehr leistungsbereit und leistungswillig sind. Eine Tatsache, die der Wirtschaft bisher entgangen zu sein scheint. Es ist schon richtig, dass sich Strafen und Anreize auf das Verhalten auswirken. Aber die Annahme, dass generell Anreize von außen zur Motivation geboten werden müssen, ist nicht zutreffend. Wenn die Aussage stimmt, dass eine überwältigende Mehrheit der 11 R. Tröster, Der Weg zu Burnout-freien Arbeitswelten, DOI 10.1007/978-3-658-00149-0_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 12 Die Ausgangssituation Erwerbstätigen ohnehin tun würde, was sie tut, mit oder ohne „finanzielle Möhrchen“ als Köder vor der Nase, dann ist das ein ziemlicher Brocken. Erstens ließe sich eine große Menge an unnötigen Bonuszahlungen und Provisionen sparen. Zweitens stellt sich die Frage, was tatsächlich als Anreiz empfunden würde. Die dritte Frage wäre, was die „Nebenwirkungen“ der bisher gängigen Anreizsysteme sind. Man muss kein Wirtschaftsexperte sein, um mitbekommen zu haben, wie wichtig Kos- teneinsparungen für Wirtschaftsunternehmen in einem hart umkämpften, globalisierten Markt sind. Wenn 75 empirische Studien in über 120.000 Unternehmen und über 100 Pu- blikationen nicht ausreichen, um den Nachweis zu bringen, dass sich variable Managem- entgehälter lediglich zu 0,64 % auf die Unternehmensperformance auswirken, dann ist auf dem Gebiet der Bonuszahlungen wohl einfach nichts zu machen (Rost und Osterloh 2007, S. 1)[6]. Die Frage nach dem Einsparungspotenzial an Boni und Provisionen bleibt dann ein eher theoretisches Konstrukt. Laut Peter F. Drucker – dem Mann, der das Management erfand2 – ist Kapital aber nur eine Schlüsselressource in Unternehmen. Und er sagt dazu, dass Kapital bei Weitem nicht die knappste Ressource in Organisationen aller Art ist, sondern es sind ihre Leistungser- bringer! (2006, S. 110)[2]. Offensichtlich sind die Entscheider in Unternehmen sehr viel eher bereit, sich von kost- baren (oder zumindest potenziell kostbaren) Leistungserbringern zu trennen, wenn es um Einsparungen geht, als auf die meist nicht unerheblichen, aber leider völlig unwirksamen3 variablen Gehaltsanteile zu verzichten. Solange das Gefühl besteht, es selbst in der Hand zu haben und „eine Lösung zu finden, wenn sie in der Klemme stecken“ (66 % gaben bei „Perspektive Deutschland“ dieser Ant- wortmöglichkeit ihre Zustimmung[7]), ist alles gut. Doch dieses Gefühl scheint zu kippen. Egal, wie sehr sich Mitarbeiter anstrengen und engagieren, sie haben es nicht mehr in der Hand, ob ihr Arbeitsplatz sicher ist oder nicht. Damit entfällt ein überaus wichtiger Leistungsanreiz4 für die Mitarbeiter. „Arbeitslosigkeit wirkt sich nicht nur negativ auf die Menschen aus, die davon betroffen sind, sondern auch auf die, die noch einen Arbeitsplatz haben.“ (Karasek und Theorell 1990, S. 307)[5]. Steigende Arbeitslosenquoten führen zu erhöhten durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen bedingten Sterberaten mit einer Zeitverzö- gerung von ein bis drei Jahren. Bei der Zeitverzögerung sind sich die Studien uneins – aber nicht bei der Ursache. Der erhöhte Konkurrenzdruck unter denjenigen, die noch einen Ar- beitsplatz haben, sorgt nämlich für Stress. Wenn das Leistungsargument, selbst zur eigenen Arbeitsplatzsicherheit beitragen zu können, zunehmend zur Farce wird, dann bedeutet der damit verbundene Steuerungs- und Autonomieverlust ebenfalls Stress (Karasek und Theorell 1990, S. 307)[5]. 2 ... und als solcher muss er es wissen, denn bis in etwa die 1960er-Jahre gab es die Berufsbezeich- nung „Manager“ noch gar nicht und auch kein Verständnis dafür, dass es in Unternehmen etwas zu managen gibt. 3 „Die gängigen Bonus-Systeme belohnen Unternehmensleitungen, egal ob sie erfolgreich sind oder nicht“, beklagt Henry Mintzberg, Management-Professor in Montreal (2009)[4]. 4 In der berühmten Theorie der menschlichen Motivation von Abraham H. Maslow steht das Sicher- heitsbedürfnis gleich an zweiter Stelle nach den körperlichen Bedürfnissen[3].