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Der Wahn des Gesamtkunstwerks: Richard Wagners politisch-ästhetische Utopie PDF

403 Pages·2004·48.58 MB·German
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Udo Bermbach Der Wahn des Gesamtkunstwerks Richard Wagners politisch-ästhetische Utopie 2. Auflage ~ J.B.METZLER Udo Bermbach Der Wahn des Gesamtkunstwerks Richard Wagners politisch-ästhetische Utopie Zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage J. Verlag B. Metzler Stuttgart / Weimar Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. ISBN 978-3-476-01868-7 ISBN 978-3-476-05249-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-05249-0 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere flir Vervielfaltigungen, Übersetzungen, Mikrover filmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 2004 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poesche1 Verlag GmbH in Stuttgart 2004 www.metzlerverlag.de [email protected] »Im Kunstwerk werden wir Eins sein« Richard M{,gner Vorwort Richard Wagner ist eine Ausnahmeerscheinung. Unter allen Komponisten der Mo derne war er die gewiß größte schriftstellerische Begabung und unter allen Schrift stellern der Moderne ohne Zweifel der genialste Komponist. Für die Moderne bezeichnet sein Auftritt das Erscheinen eines neuen Künstlertyps, bei dem Kunst produktion und kommentierende Reflexion auf eine symbiotische Weise zusam mengehören, das eine ohne das andere nicht denkbar ist und die Verschränkung von Werk und Werkkommentar zu einem einsamen, auch später nicht mehr erreichten Höhepunkt geführt wird. Daß Wagner darüber hinaus ein überdurchschnittlich gebil deter Künstler war, bewandert und kenntnisreich nicht nur in Literatur und Ge schichte, sondern auch in Philosophie und Gesellschaftstheorie, einer, dessen Bil dungs- und Lesewut sich immer in Reflexion und Produktion umzusetzen suchte, wird demjenigen rasch deutlich, der sich in die zahlreichen und umfänglichen Schrif ten, in Briefe und Tagebuchnotizen vertieft.Aus ihnen spricht der geradezu unbän dige Drang, sich die Welt auf eine eigene Weise anzueignen, sie sich schreibend und komponierend anzuverwandeln, Entstehung wie Auffiihrung der eigenen Werke kommentierend zu begleiten und diese Werke einzufügen in einen weltanschaulich bestimmten Rahmen, der dafür sorgen soll, daß deren Interpretation und Rezepti on nicht beliebig werden können. Es ist bemerkenswert, daß Wagners Selbstkommentare zu seinen Werken häufig ebensowenig ernst genommen worden sind wie seine philosophischen und gesell schaftstheoretischen Schriften. Das zeigt ein selbst flüchtiger Blick in die kaum mehr überschaubare Fülle der Wagner-Literatur. Was überwiegend vorherrscht, ist der Gestus der Relativierung, der immer wiederholte Hinweis, man solle das, was Wagner meint und schreibt, doch nicht für bare Münze nehmen, weil Widersprü che und Zweckbehauptungen offensichtlich seien,Wagner eher situativ denn syste matisch denke; einer, von dem sich mit Gewißheit nur sagen lasse, daß er vor allem die eigene Person und das eigene Werk ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken wolle, ein übersteigerter Egomane also, der sich in alles einmische, was immer das auch sein mag. Solche Urteile, die häufig in der Relativierung von Wagners Äuße rungen eine distanzierende Überlegenheit zum Objekt ihrer Verehrung belegen, sind freilich nicht völlig abwegig. Denn Wagner hat es denen, die sich ernsthaft auch auf seine Schriften einlassen, gewiß nicht leicht gemacht. In der Fülle seiner literarischen Produktionen lassen sich in der Tat manche Inkonsistenzen ausma chen, läßt sich zeigen, daß manches entschiedene Urteil in einem anderen Kontext und zu anderem Zeitpunkt gemildert, gelegentlich auch aufgehoben oder sogar ins Gegenteil verkehrt worden ist. Und in seinen zu verschiedenen Zeiten entstan denen autobiographischen Schriften hat Wagner sein eigenes Bild und das seiner Werke durchaus unterschiedlich zu akzentuieren und konturieren versucht, hat den Zweck seines Schreibens nicht immer getrennt von dem, was beschrieben werden VIII VoIWOTt sollte. Aber was beweist dies am Ende, was kann es belegen? Daß einer, der ein langes und intensives Leben geruhrt hat, kein leichtes zudem, vielfältigste und wi dersprüchliche Erfahrungen sammelt, daß er solche Erfahrungen rur sich selbst zu verarbeiten sucht, dabei auch in systematische Ungereimtheiten gerät, entspricht der Normalität eines intelligenten Lebens. Es ist nicht zuletzt Voraussetzung auch rur die produktive Auseinandersetzung mit sich und der Welt, und wer anders ver fahren wollte, wer in jungen Jahren schon wüßte, woran er rur den Rest seines Lebens festzuhalten hat, ohne irgend einen Zweifel und in gleichsam dogmatischer Sicherheit, der wäre wohl ein intellektuell hoffilUngsloser, bestimmt aber ein völlig uninteressanter Fall. Wagner gehört nicht in diese Kategorie von Menschen und Künstlern, denn er hat zeit seines Lebens vieles mit größter Aufmerksamkeit verfolgt und registriert, was um ihn herum geschah, hat mit wachen Sinnen wahrgenommen, was sich in Kunst, Politik und Gesellschaft ereignete. Doch bei aller Bereitschaft, die eigenen Ansichten an der Realität immer wieder zu überprüfen, gegebenenfalls auch zu korrigieren, gibt es doch auch Kontinuitäten in seinem Denken, die auffällig und unübersehbar sind, durchgehaltene Grundansichten und Kernbestände von Über zeugungen, auch frühe Prägungen, deren prinzipielle Bedeutung rur sein Werk und die Werkkommentare immer wieder ins Auge springt. Solchen Kontinuitäten des Wagnerschen Denkens gilt im folgenden die Aufmerk samkeit. Nicht der Wandel und der vermeintliche Selbstwiderspruch, sondern das Durchhalten wichtiger weltanschaulich-theoretischer Fundamentalüberzeugungen sind Gegenstand des Interesses. Es ist die Ausgangsthese dieses Buches, daß Wagner sich durch Lektüre wie eigene Erfahrungen einen Grundvorrat gesellschafts- und kulturkritischerTopoi zugelegt hat, die eingebunden und vielfach verwoben in das zeitgenössische politische und gesellschaftliche Denken sind, vorwiegend in das der anarchistischen, sozialistischen und radikal-demokratischen Linken. Und die hier formulierten gesellschaftstheoretischen Überzeugungen haben zugleich auch seine in den Jahren 1849 bis 1851 ausgearbeitete Ästhetik entscheidend beeinflußt, so sehr, daß sich strukturelle Parallelitäten zwischen beiden Bereichen, zwischen Poli tik und Gesellschaftstheorie einerseits, dem ästhetischen Denken andererseits, geradezu aufdrängen und nachweisen lassen: das eine ist ohne das andere nicht zu denken. Aus diesemVerweisungszusammenhang ergibt sich die Anlage der rekonstruktiv verfahrenden Untersuchung. Zunächst werden in knapper Weise die an anderer Stelle! ausruhrlicher dargestellten gesellschaftskritischen Vorstellungsgehalte in den frühen Werken bis zum Rienzi skizziert, die dann in den revolutionären Schriften der Dresdner Jahre 1848/49 ihren unzweideutigen Niederschlag finden. Und dabei zeigt sich, daß Wagners politisches Denken in seinen zentralen Thematisierungen V gl. dazu Udo Bermbach, ,Blühendes Leid<. Politik und Gesellschaft in Richard Wagners Musik dramen, Stuttgart/Weimar 2003. VolWort IX durchaus auf der Höhe seiner Zeit ist, weitab von jenem immer noch hochgehalte nen Vorurteil, da habe sich einer als Dilettant unangemessen, vorlaut und inkompe tent aufs politische Feld begeben. Im Zentrum der Darlegungen stehen freilich die sogenannten >Zürcher Kunst schriften<: Die Kunst und die Revolution (1849), Das Kunstwerk der Zukunft (1849) und Oper und Drama (1850/51) - jene Trias des revolutionären politisch-ästheti schen Programms, mit dem Wagner nicht nur die Bilanz seines bisherigen Schaffens zu ziehen versucht, sondern auch die Perspektive einer das Leben anleitenden neu en Kunst, seiner Kunst, entwirft. Es ist eine Ästhetik, genauer: eine >Revolutions Ästhetik<, aufgeladen mit weitreichenden gesellschaftspolitischen Ansprüchen, die kaum angemessen zu verstehen ist ohne die Kenntnis der ihr eingeschriebenen politischen Grundüberzeugungen Wagners, die er in den vorausliegenden Jahren gewonnen hat. In den >Zürcher Kunstschriften< werden historisch-politische und ästhetische Reflexion in einer Weise miteinander verschränkt und radikal zu sammengebracht, wie dies selbst für das an Ungewöhnlichem gewiß nicht eben arme 19. Jahrhundert beispiellos ist. Wagner sucht hier in seinem ästhetischen Kon zept einzuholen, was die gescheiterte Revolution von 1849 ihm verweigert hatte: das Umdenken aller bestehenden religiösen, politischen, gesellschafdichen und kul turellen Verhältnisse, die revolutionäre Erneuerung einer moralisch wie institutio nell als bankrott erachteten Welt durch das von ihm konzipierte >Gesamtkunstwerk< - Vision einer Erlösung der Menschheit durch Kunst, durch ästhetische Erfahrung, wie sie sich auch später noch, bis in die Gegenwart hinein, bei manchemVordenker der europäischen Linken wiederfinden läßt. Im Unterschied zur ersten Auflage dieses Buches von 1994 finden sich in dieser überarbeiteten neuen Auflage zwei wesendiche Veränderungen: die Werkanalysen des Ring und Parsifal, in denen die Spuren des politisch-gesellschaftlichen Denkens nachgezeichnet worden waren, sind gestrichen, weil sie inzwischen neu geschrie ben und in dem bereits erwähnten Buch publiziert worden sind. Statt dessen wird der Frage eines möglichen Zusammenhangs von Antisemitismus und Kunstkon zeption ebenso nachgegangen wie der vielfach in der Literatur zu findenden These, wonach Wagner in seinen späten, nach 1864 verfaßten Schriften seine revolutionäre Ästhetik substantiell revidiert habe, es also einen Bruch zwischen den >Zürcher Kunstschriften< und seinem nachrevolutionären Denken gebe. Daß sich dabei ein systematisch begründeter Zusammenhang zwischen der 1850 publizierten Schrift Das Judenthum in der Musik und den >Zürcher Kunstschriften< herausstellt, mag als Revision der ursprünglichen Behauptung gelten, Wagners unzweifelhafter Antise mitismus habe für seine politisch-ästhetische Kunstkonzeption nicht die geringste Rolle gespielt. Die genauere Analyse zeigt allerdings, daß der Antisemitismus zwar mit den Begründungsfiguren der Zürcher Ästhetik verbunden ist, das ästhetische Konzept selbst am Ende aber nicht beeinflußt. Und ähnliches gilt für die nach der Schopenhauer-Rezeption publizierten Essays, auch für die sogenannten >Regene rationsschriften<, in denen Wagner mit manchen seiner Ansichten politisch mehr oder weniger weit nach rechts schwenkt, in denen er aber weder die strukturellen x Vorwort Vorstellungen des Gesamtkunstwerks noch dessen emotionale Intentionen inhalt lich korrigiert. Für Wagner war, was sich in Über Staat und Religion nachlesen läßt, der >Wahn< ein ambivalenter Begriff. Einerseits ein Trieb, der zu den »heillos esten Verwirrungen und der Ruhe schädlichsten Handlungen führen« kann, andererseits eine Kraft, die den Menschen »zu den aufopferungsvollsten Handlungen bestimmt«2.Verzweiflung und Hoffnung, Zerstören des Vorhandenen und Wille zum Gestalten eines N euen, radikale Negation der Gegenwart und die Utopie einer besseren Zukunft - das alles schwingt im Begriff >Wahn< mit. Solche Ambivalenzen, die auch dem Konzept des Gesamtkunstwerks zu eigen sind, will der Titel des Buches einfangen. Die erste Auflage dieses Buches fand bei der Kritik eine außerordentlich freund liche und zustimmende Aufnahme, die Arbeit wurde überwiegend als wichtiger Beitrag fur ein neu es Wagner-Verständnis bewertet. In Gesprächen mit Kollegen und aufTagungen hat sich gleichwohl die Überzeugung eingestellt, das Buch über arbeiten und ergänzen zu sollen. Vielen habe ich für Anregungen zu danken, vor allem aber Doris, meiner Frau. Sie hat das erste Entstehen dieses Buches durch ihre intensive Teilnahme von Anfang an begleitet, hat mir später in zahllosen Gesprächen Gelegenheit gegeben, meine Überlegungen zu prüfen und zu schärfen und so auch die Überarbeitung und Ergänzungen für die neue Auflage entscheidend gefordert. Ihrer gründlichen Lektüre verdankt der Text viele Verbesserungen. Dafür zu danken und ihr das Buch zu widmen, ist mir ein Herzensbedürfnis. Hamburg, Frühjahr 2004 2 Richard Wagner, Über Staat und Religion, in: GSD, Bd. 8, S.14. Inhalt Vorwort .................................................................................................... VII Anfänge .................................................................................................... 1 Adel und Ehe.............................................................................................. 3 Liebe und Anarchie ..................................................................................... 7 Revolutionäres Charisma............................................................................. 16 Einschnitt.................................................................................................... 20 Revolutionäre Traktate .. ............. ............ ..... ........ ........... ......... ......... ..... 23 Hintergründe .............................................................................................. 24 Adelskritik und republikanische Monarchie ................................................. 47 Privateigentum....... ...... ..................... ...... ....... ............. ....... ... .... ... ... .... ........ 59 Revolution ............. ...... ............... ...... ...... ....... ..... ........ ....... ...... ...... ..... ........ 68 Politik und Ästhetik ............................................................................... 81 Religionskritik ............................................................................................ 94 Gesellschafts- und Staatskritik ...................................................................... 103 Über den Menschen.................................................................................... 116 Geschichte als Verfallsprozeß ........................................................................ 123 Polis-Verständnis ......................................................................................... 130 Kritik der Oper........................................................................................... 151 Kritik des Kulturbetriebes ........................................................................... 163 Das Konzept des Musikdramas ..................................................................... 171 Gefühl und Verstand .................................................................................... 185 Mythos als Zivilreligion ............................................................................... 190 Ästhetische Identität ....... .............. ...... .... ..... .... ........ ... .......... ...... ............ 209 Das Gesamtkunstwerk ................................................................................. 210 Kunst und Politik ........................................................................................ 215 Freiheit, Gleichheit, Liebe............................................................................ 225 Das Volk...................................................................................................... 230 Genossenschaften ........................................................................................ 234 Öffentlichkeit und Theater .......................................................................... 241 Feste und Festspiele ..................................................................................... 251

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"Im Kunstwerk werden wir Eins sein", verheißt Richard Wagner. Leitmotivartig zieht sich dieser Satz durch Wagners Werk und seine Vision einer "ästhetischen Weltordnung". Kunst und Politik werden dabei untrennbar miteinander verwoben. Ein demokratisiertes Publikum soll ein Gesamtkunstwerk erleben,
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