Gudrun Krämer Neue Fischer Weltgeschichte Band 9 Der Vordere Orient und Nordafrika ab 1500 Inhalt Zur Neuen Fischer Weltgeschichte Einleitung 1. Raum und Zeit 2. Religionen, Sprachen und Ethnien 3. Leitlinien, zentrale Begriffe und Konzepte der Darstellung I Die frühneuzeitlichen Imperien im 16. Jahrhundert A Reichsbildungen 1. Osmanen und Safaviden 2. Die Osmanen und ihre Nachbarn B Militär, Recht und Verwaltung 1. Strukturen des Imperiums 2. Der Herrscher und seine Familie 3. Thronfolge 4. Distanz und Nähe 5. Palast-und Reichseliten 6. Militär 7. Reichs-und Provinzverwaltung Kontrovers: Feudalismus und Lehnswesen C Wirtschaft und Gesellschaft 1. Soziale Ordnung 2. Freiheit und Unfreiheit 3. Land und ländliche Gesellschaft 4. Die frommen Stiftungen 5. Stadt und städtische Gesellschaft 6. Wirtschaft und Wirtschaftspolitik 7. Herrschaft, Wirtschaft und Gesellschaft im Zusammenhang: Iran unter Schah Abbas I. Kontrovers: Der frühneuzeitliche Handel im Weltsystem D Religion, Kultur und Politik 1. Religion und Staatsräson 2. Ulama und Staat 3. Mäzenatentum: Moscheen, Schreine, Pilgerfahrten 4. Muslime und Nichtmuslime 5. Orthodoxie und Häresie 6. Moralpolitik oder: Reform als Restauration II Krise und Anpassung im 17. und 18. Jahrhundert A Politik, Wirtschaft und Verwaltung 1. Die Celali-Aufstände 2. Pluralisierung im Zentrum: Sultan, Reichs-und Palasteliten 3. Monetarisierung und Kommerzialisierung Kontrovers: Islamischer Kapitalismus 4. Pluralisierung in den Provinzen: Die Formierung politischer Haushalte 5. Religiöse Reform und politische Aktion: Wahhabiten und As-Saʿud 6. Neue Grenzen B Bildung, Wissen und die schönen Künste 1. Sprache und Kultur 2. Höfische und städtische Kultur 3. Bildungsstätten und Bildungspfade 4. Das Wissen von der Welt III Reform und Selbstbehauptung im »langen« 19. Jahrhundert A Europäische Expansion und staatliche Reform 1. Defensive Modernisierung 2. Freihandelsimperialismus und Orientalische Frage 3. Tanzimat und hamidische Ära B Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur 1. Zahlenpolitik: Die demographische Entwicklung 2. Infrastruktur und Urbanisierung 3. Agrarwirtschaft und ländliche Gesellschaft Kontrovers: Imperialismus und Weltmarktintegration 4. Bildung, Medien und Öffentlichkeit C Freiheit, Gleichheit, Bürgerrecht 1. Vom Untertan zum Bürger 2. Kulturelle Erneuerung und religiöse Reform D Krieg, Reform und Revolution 1. Hochimperialismus 2. Die Verfassungsbewegung in Iran 3. Die Jungtürkische Revolution 4. Der Erste Weltkrieg 5. Krieg und Völkermord IV Identität und Emanzipation im 20. Jahrhundert A Nationalismus und Staatenbildung in der Zwischenkriegszeit 1. Der Zusammenbruch des Osmanischen Reiches 2. Nationalstaat und autoritäre Modernisierung: Die Türkische Republik 3. Die Neuordnung des arabischen Raums B Anpassung und Widerstand in den Kolonialgebieten 1. Staats-und Nationsbildung im arabischen Raum 2. Die »liberale Ära« 3. Weltwirtschaftskrise und neue politische Bewegungen 4. Assimilation und Emanzipation im Maghreb C Zweiter Weltkrieg und Entkolonisierung 1. Der Zweite Weltkrieg 2. Der Konflikt um Palästina und die Gründung Israels 3. Militärregime, Panarabismus und arabischer Sozialismus 4. Öffnungspolitik und neoliberale Reform 5. Ölboom und Rentierstaat D Islamisierung und politischer Islam 1. Identitätspolitik: Religion und Authentizität 2. Legitimitätspolitik: Jihad und Scharia 3. Die iranische Revolution 4. Politischer Islam und globaler Jihadismus 5. »Post-Islamismus« und »Re-Islamisierung« 6. (K)ein Ausblick: Rebellion und Repression Schluss Anhang Dank Umschrift Ausgewählte Literatur Glossar Schaubild Islamische Strömungen Dynastien und Stammesverbände Zeittafel Personen-und Ortsregister Zur Neuen Fischer Weltgeschichte Was ist Weltgeschichte? Die Rede von ihr führt die Idee einer Totalität mit sich, einer Totalität des Raumes und der Zeit, des Geschehens und der Erfahrung, des Handelns und des Erleidens. Doch so notwendig die Vorstellung eines Ganzen im Ablauf der Zeit als regulative Idee der Weltgeschichte ist, sowenig kann der Mensch eine solche Gesamtheit empirisch erfassen. Im Bewusstsein dieser Begrenzung bildet für die Neue Fischer Weltgeschichte die Aufgliederung des Globus in überschaubare, geographisch vorgegebene und historisch gewachsene Regionen den Ausgangspunkt. Innerhalb dieses Rahmens versteht sie sich nicht als Geschichte von Ländern oder Staaten, sondern als eine solche von Räumen und der Wechselwirkungen zwischen ihnen. Sie setzt Akzente durch Verbindungen und Trennungen, indem sie manche Kontinente, so Afrika und Europa, als Einheiten behandelt, während sie Amerika und insbesondere Asien stärker gliedert. Gewichtung und Strukturierung erfolgen auch in der zeitlichen Dimension, wenn eine Weltregion in zwei chronologisch aufeinanderfolgenden Bänden behandelt wird – im Falle Europas sind es sogar mehrere Bände. In solchen Schwerpunktsetzungen liegt einerseits das Eingeständnis eines Eurozentrismus, in dessen Tradition diese Weltgeschichte steht, ob sie will oder nicht, und andererseits der Ansporn für seine Überwindung in einer konsequenten systematischen Gleichbehandlung der verschiedenen Räume. Die einzelnen Bände beschreiben einleitend die Rahmenbedingungen des jeweiligen Raumes für eine auf den Rahmenbedingungen des jeweiligen Raumes für eine auf den Menschen bezogene und zumindest teilweise auch von ihm gemachte Geschichte, während sie am Schluss nach dem weltgeschichtlichen Ertrag (im positiven wie im negativen Sinne) fragen. Innerhalb einer Weltregion wird die Geschichte in Epochen behandelt, und jede Epoche ist ihrerseits nach Sachgebieten gegliedert, wobei Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur im Vordergrund stehen. Das Vorgängerwerk, die weitverbreitete Fischer Weltgeschichte aus den 1960er Jahren, erhob den Anspruch, zu zeigen, »wie die Menschheit in ihrer Geschichte zum Selbstbewusstsein erwacht«. Die Geschichtswissenschaft ist seither zurückhaltender geworden. Die Neue Fischer Weltgeschichte betrachtet ihren Gegenstand nicht als einlinigen Fortschrittsprozess, sondern als polyphones Geschehen mit ständig wechselnden Haupt-und Nebenstimmen, die ihre Bedeutung behalten, selbst wenn sie längst verstummt sind. Die Herausgeber Einleitung 1. Raum und Zeit Die Region des Vorderen Orients und Nordafrikas definiert sich in erster Linie über Politik, Kultur und Religion, und dementsprechend beweglich sind und waren ihre Konturen. Das ist nicht ungewöhnlich: Aller Raum wird von Menschen »gedacht«, »vorgestellt« und in gewissem Umfang auch physisch gestaltet, und als soziales Konstrukt ist er das Produkt einer bestimmten Epoche. Die Tatsache, dass wir heute von einem Großraum »Vorderer Orient und Nordafrika« sprechen, der in west-östlicher Richtung von Marokko über Ägypten, die Arabische Halbinsel und den syrisch-irakischen Raum bis nach Iran reicht und in nord-südlicher Richtung von der Türkei bis in den Sudan, unterstreicht die enge Verbindung von Raum und Zeit. Genauer betrachtet, gliedert der Großraum sich in mehrere Subregionen: den Maghreb, der die heutigen Staaten Marokko, Algerien, Tunesien und Libyen umfasst; Ägypten und Sudan, die durch den Nil verbunden werden; die Türkei, Iran und die Staaten der Arabischen Halbinsel; und schließlich den Fruchtbaren Halbmond mit den heutigen Staaten Libanon, Syrien, Israel, Palästina, Jordanien und Irak, wobei zumindest für frühere Jahrhunderte noch einmal unterschieden werden muss zwischen der Levante (Libanon bis Jordanien) und Mesopotamien, dem von Euphrat und Tigris bewässerten Zweistromland (Irak). Über mehrere Jahrhunderte war das Zweistromland (Irak). Über mehrere Jahrhunderte war das Osmanische Reich ein zentraler Akteur innerhalb des hier behandelten Raums und neben ihm das Safavidische Reich mit Schwerpunkt Iran; der Maghreb und größere Teile der Arabischen Halbinsel folgten einer je eigenen Dynamik. Vergleichbares gilt für die nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen arabischen Nachfolgestaaten des Osmanischen Reiches, die Türkei, Iran und das nach dem Zweiten Weltkrieg gegründete Israel. Nach außen lässt sich der Großraum nur schwer abgrenzen: Zwar wird Nordafrika im Norden durch das Mittelmeer begrenzt und im Süden durch die Sahara, doch blockierte weder das Meer noch die Wüste die transregionalen Kultur-und Handelskontakte, Migration, Krieg und Eroberung. Die Grenzen des Vorderen Orients waren nie klar gezogen. Osmanen und Safaviden waren eng verflochten mit Regionen und Kulturen jenseits des Vorderen Orients und Nordafrikas. Vormoderne Imperien sind, anders als die modernen Territorialstaaten, nicht durch klare Grenzen markiert. Zentralasien, der Kaukasus und der indische Subkontinent zählen ebenso wenig zum Vorderen Orient und Nordafrika wie die Sahelzone, das Horn von Afrika und die ostafrikanische Küste, doch unterhielten all diese Regionen über Jahrhunderte enge Beziehungen zum Maghreb, zu Ägypten, Sudan, Oman und dem Jemen. Südosteuropa und Griechenland, die jahrhundertelang integraler Teil des osmanischen Herrschaftsbereichs waren, werden in der Regel der europäischen Geschichte zugeordnet, das tributpflichtige Khanat der Krimtataren der osteuropäischen und zentralasiatischen Geschichte. Das Osmanische Reich lässt sich jedoch ohne seine europäischen Territorien nicht beschreiben,
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