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Der Verfassungskonflikt in Preussen 1862-1866 PDF

95 Pages·1970·14.139 MB·German
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Preview Der Verfassungskonflikt in Preussen 1862-1866

HISTORISCHE TEXTE/NEUZEIT Herausgegeben von Reinhart Koselleck und Rudolf Vierhaus 10 VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN DER VERFASSUNGSKONFLIKT IN PREUSSEN 1862-1866 Ausgewählt und eingeleitet von Jürgen Schlumbohm VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN M^ 1^/lfrfSfr © Vandenhoedc & Ruprecht, Göttingen 1970. - Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Gesamtherstellung: Georg Wagner, Nördlingen/Bay. INHALT Einleitung 7 1. Wahlaufruf des Zentralwahlkomitees der Deutschen Fort schrittspartei, 14. März 1862 9 ;. Wahlaufruf des Preußischen Volksvereins, 19. März 1862 . 13 3. Brief des Königs an August von Saucken-Julienfelde, 30. August 1862 14 4. Aus der Rede Twestens im Abgeordnetenhaus, 16. Septem ber 1862 18 5. Aus der Rede Bismarcks vor der Budgetkommission des Ab geordnetenhauses, 30. September 1862 24 6. Aus einem Artikel in den »Preußischen Jahrbüchern«, Okto ber 1862 26 7. Aus der Rede Wageners auf der Generalversammlung des Preußischen Volksvereins, 29. Oktober 1862 30 8. Aus einem Gespräch des Kronprinzen mit Bernhardi, 28. De zember 1862 33 9. Aus der Rede Bismarcks im Abgeordnetenhaus, 29. Januar 1863 34 10. Aus einem Brief Sybels an Baumgarten, 9. Mai 1863 . .. 36 11. Adresse des Abgeordnetenhauses an den König, 22. Mai 1863 37 12. Aus dem Bericht des Staatsministeriums an den König, 1. Juni 1863 . . 40 13. Brief Schulze-Delitzschs an Freytag, 12./14. Juli 1863 . . 43 14. Aus dem Jahresbericht der Handelskammer für den Kreis Altena für 1862/63, August 1863 45 15. Aus einer Rede Lassalles vor Versammlungen des Allgemei nen Deutschen Arbeitervereins, September 1863 . . .. 49 16. Runderlaß des Landrats von Salzwedel, 14. Oktober 1863 . 55 17. Aus einer Debatte des Abgeordnetenhauses 57 a) Aus der Rede Waldecks, 1. Dezember 1863 57 b) Aus der Rede Twestens, 2. Dezember 1863 62 18. Aus einem Brief Gneists an Rodbertus, 20. Juli 1864 . .. 64 19. Aus der Debatte des Abgeordnetenhauses, 28. März 1865 . 65 a) Aus der Rede Simsons 65 b) Die Abstimmung 67 20. Brief Hoverbecks an Witt, 27. Juni 1865 68 21. Leitartikel der Nationalzeitung, 2. August 1865 . . .. 69 5 22. Aus dem Leitartikel der Volkszeitung, 16. August 1865 . 72 23. Brief Twestens an Lipke [kurz nach dem 20. Juni] 1866 . . 73 24. Antwort des Königs an die Deputation des Abgeordneten hauses, 25. August 1866 75 25. Aus der Debatte des Abgeordnetenhauses, 3. September 1866 76 a) Aus der Rede Laskers 76 b) Aus der Rede Schulze-Delitzschs 81 26. Aus dem Artikel Victor Böhmerts »Deutschlands wirtschaft liche Neugestaltung« in den »Preußischen Jahrbüchern«, September 1866 86 Anhang: Die Wahlen vom 20. Oktober 1863 89 a) Wahlberechtigung, Wahlteilnahme und Steuerbeträge der Urwähler mit Unterscheidung der drei Abteilungen der selben 89 b) Politische Parteistellung der zur Wahl erschienenen Ur wähler der drei Abteilungen in den Städten und auf dem Lande 90 Neuere Literatur in Auswahl 94 6 EINLEITUNG Die eingebürgerte und auch hier gebrauchte Bezeichnung »Verfas- sMrtgskonflikt« benennt die hauptsächliche Erscheinungsform, in der während der Jahre 1862 bis 1866 in Preußen eine vielschichtige innere Krise zu Tage trat. Auf eine fortlaufende Dokumentation der Ereignisse auf verfassungspolitischer Ebene verzichtet jedoch die vorliegende kleine Quellenauswahl, zumal eine solche leicht greifbar ist (Doku mente zur deutschen Verfassungsgeschichte, hg. Ernst Rudolf Huber, Bd. 2, Stuttgart 1964, S. 31-89). Vielmehr soll das hier zusammenge stellte Material eher die Ursachen für Entstehung, Verlauf und Aus gang des Verfassungskonflikts in den Blick bringen; denn das reale Gewicht der verfassungsmäßigen Institutionen, die »wirkliche Ver fassung« (Ferdinand Lassalle, Über Verfassungswesen, i862[!], in: Gesammelte Reden und Schriften, hg. Ed. Bernstein, Bd. 2, Berlin 1919, S. 7-61) läßt sich erst im Zusammenhang mit sozialen Wand lungen, wirtschaftlichen Interessen und außenpolitischen Aktionen bestimmen. Daß der Verfassungskonflikt aus einem »Heereskonflikt« hervorging, war für einen Staat von der Struktur und Geschichte Preußens alles andere als zufällig; und die Armee blieb nicht bloßer Anlaß des Streits, sondern war zugleich ein wesentlicher Faktor in der Kräfte gruppierung, die über seinen Ausgang entschied (3, 4, 8, 24). Auch die Beamtenschaft (16) bewährte sich im ganzen trotz vieler liberaler Sympathien und nach einigen Disziplinierungsmaßnahmen als ein Instrument in der Hand der Regierung zur Erhaltung des monarchi schen Staates und seiner sozialen Grundlagen. Darüber hinaus bega ben sich die konservativen Kräfte nicht ohne Erfolg auf das Feld parteipolitischer Organisation und Agitation (2, 7). - Dieses (1) - wie auch die Presse (6, 12, 21, 22, 26) - blieb jedoch vorwiegend eine Domäne der Liberalen. Für ihre Opposition war kennzeichnend, daß sie grundsätzlich weder in der Formulierung ihrer Ziele noch in der Wahl ihrer Mittel (10, 11, 13, 15) über ein Beharren auf dem Rechts standpunkt hinausging. Soziale Befürchtungen waren eine wesent liche Ursache dieser Zurückhaltung (10, 18) und wirkten ebenso wie wirtschaftliche Interessen (14, 19, 26) und nationalpolitische Bedürf nisse (17, 21-26) insgesamt eindämmend auf den Konflikt, wenn auch der Gegensatz von »Bürgertum« und »Junkertum« zu seiner Entste hung beigetragen hatte (6). So stellt sich die Frage nicht nur, wie weit 7 die liberale Opposition das »Volk« in allen seinen Klassen mobili sieren konnte (9, 20, Anhang), sondern auch wieweit sie es wollte; gewann doch mit der sich in dieser Zeit in Preußen vollziehenden »industriellen Revolution« die Arbeiterschaft zusehends sowohl an Umfang wie an Bedeutung, zunächst als Figur auf dem Schachbrett in der Partie zwischen Regierung und Opposition (7, 13), nun - definitiv seit dem Verfassungskonflikt - aber auch als selbständige Größe (15). Die Texte folgen den jeweiligen Druckvorlagen ohne jede Moderni sierung. Es werden keinerlei Erläuterungen gegeben, um der Arbeit in Seminaren und Übungen nicht vorzugreifen. l. Wahlaufruf des Zentralwahlkomitees der Deutschen Fortschritts partei, 14. März 1862. Druck: Ludolf Parisius, Deutschlands politische Parteien und das Ministerium Bismarck, Berlin i8j8, S. 56 ff. Die liberalen Parteien des Vaterlandes waren fast durchgängig ein verstanden über die Ziele der politischen Bestrebungen, welche das Wahlprogramm vom 9. Juni 1861 aufstellte. Sie halten auch jetzt an diesen Zielen fest. Nur in der Beurtheilung der Vergangenheit und in den Mitteln der Gegenwart gehen sie auseinander. Der Aufruf der deutschen Fortschrittspartei vom 29. September 1861 mahnte zur kräftigen Verfolgung dieser Ziele, so wie zur Einigung aller liberalen und nationalen Anstrengungen gegen die reaktionäre Feudalpartei, welche damals die Miene annahm, als könnte sie durch die Hülfe des preußischen Volkes die ihren Händen 1858 entnommene Herrschaft wiedergewinnen. Gegen sie haben die Wahlen des vorigen Jahres unwiderruflich entschieden. Im unversöhnlichen Widerspruch mit den lebendigen Kräften unserer Zeit wird diese Partei, die nie den Staat, sondern nur ihre Geltung im Staate will, durch die Wahlen und mit dem Willen des preußischen Volkes niemals wieder in Preußen regie ren. Sie ist nichts, sobald sie nicht von der Macht der Regierung künstlich gestützt und getragen wird. Aber die Hoffnungen auf ein energisches Fortschreiten, welche sich an die Wahlbewegung des vorigen Jahres knüpften, haben sich nicht ver wirklicht. Die Männer, denen Se. Majestät der König 1858 unter den freudigen Erwartungen seines Volkes die Regierung anvertraute, haben weder mit dem Abgeordnetenhause von 1859, über dessen Mehrheit sie verfügen konnten, noch mit dem von 1862, welches, entschieden liberal, jeden liberalen Schritt des Ministeriums zu unter stützen bereit war, die Bahn der Reformen betreten, welche die frei heitliche Entwickelung unseres Staates sichern und aus der ungewis sen Uebergangszeit eines beginnenden Verfassungslebens zu den festen Formen eines geordneten Rechtsstaates führen sollten. Die Verheißung eines zeitgemäßen Ausbaues unserer noch in den wesent lichsten Punkten unvollendeten Verfassung und eine Wiederan knüpfung der Gesetzgebung an die große Zeit der preußischen Wiedergeburt sind nicht erfüllt worden. Zu einem Theil entsprachen die Vorlagen der Regierung in der geschlossenen Legislaturperiode nicht diesen Verheißungen, zum andern mußten sie aussichtslos an dem Widerspruch des Herrenhauses scheitern, an dessen nothwendige Umgestaltung die Hand nicht gelegt ist. 9 In der Wahlbewegung des letzten Herbstes konnten wir noch hoffen, das Ministerium werde, getragen von dem fortschreitenden Bewußt sein des Volkes, eine entschiedenere Politik in der Richtung einschla gen, welche unserem Vaterlande Noth thut, um seine Stelle unter den Völkern Europa's mit Ehren zu behaupten. Das können wir jetzt nicht mehr. Um so nothwendiger ist es, daß die Volksvertretung ohne Rück sicht auf die Personen der leitenden Staatsmänner unabhängig und entschlossen der Regierung gegenüber das verfassungsmäßige Recht des Volkes wahre. In der Gesetzgebung und Verwaltung kann das Haus der Abgeordneten für den Augenblick wenig erreichen. Sein unmittelbarer Einfluß auf diesen Gebieten ist gering. Seine Einwir kung wird mit Eifersucht und Mißtrauen betrachtet. Aber eine ent scheidende Macht hat es in der Kontrole über die Geldmittel des Landes. Hier hat es daher die unabweisliche Pflicht, diese Kontrole unbeirrt nach bestem Wissen und Gewissen zu üben, sie nicht zu einem leeren Schein werden zu lassen, durch ihre Handhabung aber auch auf andere Reformen hinzuwirken. Die Regierung erhebt noch überall den Anspruch, ihren Willen allein entscheiden zu sehen, macht noch überall den absolutistischen Vor behalt, ihrerseits jedes Zugeständniß an die Volksvertretung zu versagen, keine Schranke ihres Gutbefindens anzuerkennen, die Nachgiebigkeit immer von der andern Seite zu verlangen. Als sie in der Annahme eines Antrages, welcher dem verfassungsmäßigen Recht der Bewilligung und der Ueberwachung der Staatsgelder Wirk samkeit und Nachdruck geben sollte, ein Vorzeichen fand, daß die Mehrheit des Abgeordnetenhauses entschlossen war, sich nicht von der Regierung abhängig zu machen, sondern selbstständig in den Fragen zu entscheiden, welche seiner verfassungsmäßigen Beschluß- nahme unterliegen, da löste sie das Haus auf. Sie ließ es nicht zur sachlichen Entscheidung über die Militärvorlagen kommen, für welche sie in diesem Hause keine unbedingte Zustimmung mehr erwartete. Die erste wichtige innere Angelegenheit der Politik, welche nach der schwerfälligen Geschäftsordnung des Hauses zur Abstimmung ge langte, vereinigte gegen die vertröstenden Wünsche der Regierung die Mehrheit der Abgeordneten und zeigte sie entschlossen, rückhalt los nach dem zu handeln, was sie als ihre Pflicht erkannte. Ein längeres Zögern war hier nicht zulässig. Denn einmal drohte die Gesetzesvorlage über die Oberrechnungs-Kammer, das unzureichende Herkommen, welches die Bewilligung der Geldmittel durch die Volks vertretung fast bedeutungslos machte, für die Zukunft gesetzlich zu befestigen. Und andererseits durfte eine strenge Festsetzung der Militärausgaben nicht länger hinausgeschoben werden, wenn nicht die Lasten der dreijährigen Dienstzeit und des übermäßigen Militär- 10 aufwandes, welche jeder erwünschten Verbesserung auf andern Ge bieten hindernd entgegenstehen, unabänderlich werden sollten. Wir glauben, daß die allgemeine Wehrpflicht zur vollständigen Entwicke- lung der Wehrkraft des Volkes nur dann durchführbar ist, wenn neben andern Ersparungen durch die Einführung der zweijährigen Dienstzeit für die Infanterie unter Beibehaltung der volksthümlichen Grundlagen des Heeres die Opfer an Geld und Menschenkräften erleichtert werden. Sollte die Verfassung nur dienen, um Geld und Soldaten in größerem Maße zu beschaffen, als es ohne sie jemals möglich gewesen wäre, so hätte sie in der That wenig Werth. Wir meinen, daß Diejenigen der Krone und dem Volke gleich schlecht dienen, welche beide in Konflikte bringen. Wir meinen, daß die wah ren Interessen beider in Preußen untrennbar zusammenfallen, und daß man nicht das Königthum bekämpft, wenn man eine Anforde rung der Regierung ablehnen zu müssen glaubt. Die Regierung mochte mit einigem Rechte annehmen, daß die bedeu tenden Verhandlungen, welche in der nächsten Zeit bevorstanden, den Einfluß und das Ansehen der liberalen Mehrheit im Lande stär ken und die Aussicht auf ministerielle Neuwahlen mindern würden. Daher beeilte sie die Auflösung, ohne auch nur vorher eine vorläufige Bewilligung der Staatsausgaben zu verlangen. Wir aber hoffen, das preußische Volk wird sich über die Lage der Dinge nicht täuschen. Im vorigen Jahre hatte es dem Aufrufe vom 29. September 1861 gemäß eine Mehrheit von Abgeordneten gewählt, die den Standpunkt eines wahren verfassungsmäßigen Konstitutionalismus rückhaltlos vertra ten. Wir erwarten, es wird jetzt dasselbe thun. Die Minister haben Berufung an das Volk eingelegt, durch die Wahl neuer Vertreter seine Meinung kund zu geben. Wir hoffen auf einen unzweideutigen Ausdruck derselben. Die Sache liegt einfach. Es gilt diesmal nicht Wünsche oder Hoffnungen zu verwirklichen, sei es schneller oder langsamer, sei es mehr oder minder. Es handelt sich nur um das Eine, nicht zu weichen von dem verfassungsmäßigen Recht, ohne welches die Abgeordneten die Pflichten ihres Mandates nicht erfüllen können. Wir sind überzeugt, daß die Regierung sich weder auf einem gedeihlichen Wege noch im Einklang mit der Einsicht und dem Willen des Volkes befindet, wenn sie durch die neuen Militär- Einrichtungen die wirthschaftlichen Kräfte des Landes übermäßig spannt, wenn sie daneben den geistigen und materiellen Interessen die freie Entwickelung versagt, welche die Spannkraft des Volkes er höhen würden, und wenn sie für die übergroßen Lasten nicht einmal durch die Erfolge einer volksthümlichen und nationalen Politik entschädigt. Wir hoffen, das preußische Volk wird in einem Konflikte, welcher 11

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