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Der Ursprung des psychologischen Romans: Karl Philipp Moritz’ »Anton Reiser« PDF

167 Pages·1977·24.331 MB·German
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Der Ursprung des psychologischen Romans Josef Fiirnkas Der Ursprung des psychologischen Romans Karl Philipp Moritz' »Anton Reiser« 1977 J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Fiimkiis, Josef Der Ursprung des psychologischen Romans: Karl Philipp Moritz' »Anton Reiser«. - 1. Aufl. - Stuttgart: Metzler, 1977. ISBN 978-3-476-00366-9 ISBN 978-3-476-03080-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-03080-1 ©Springer-Verlag GmbH Deutschland 1977 Urspriinglich erschienen beij. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1977 Fur Hans, Claudia und Philipp Inhalt Einleitung: Zur Methode der Formtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Die biirgerliche Innerlichkeit und der Roman . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1. Der ideale Roman Blanckenburgs oder die »Menschheit« des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2. Der psychologische Roman als hermeneutisches Experiment oder das »I ch" als Paradox . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 II. Die »Poesie des Herzens« und die »Prosa der Verhaltnisse« ........................................... 47 1. Die Sprache der Melancholie oder die Entordnung der Dinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 7 2. Das Subjekt als Spur oder das Milieu als Subjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3. Das »Romanhafte« und das Leben oder das Begehren und der Mangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 III. Das Kontinuum der Zeit und die erzahlende Melancholie ............................................... 104 Anmerkungen ................................................. 130 Literaturverzeichnis ............................................ 153 Vorbemerkung Die vorliegende Arbeit entstand auf Anregung meiner Frau Claudia. Ihr danke ich zuerst. Allen Marburger Freunden, insbesondere Wolff Fleischer und Rudi Wein, danke ich fi.ir die vergangene Zusammenarbeit. SchlieB!ich gilt mein Dank Prof. Dr. Heinz Schlaffer: er hat mir allererst den Schlussel zu meiner eigenen Arbeit zugeeignet. Josef FUrnkiis Einleitung Zur Methode der Formtheorie » Wenn oft der Himmel umwolkt, und der Horizont kleiner war, fiihlte er eine Art von Bangigkeit, daG die ganze Welt wiederum mit eben so einer Decke um schlossen sei, wie die Stube, worin er wohnte, und wenn er dann mit seinen Gedanken iiber diese ge wolbte Decke hinausging, so kam ihm diese Welt an sich viel zu klein vor, und es deuchte ihm, als miisse sie wiederum in einer andern eingeschlossen sein, und das immer so fort.« (1] »Um des Gliicks willen wird dem Gliick abgesagt. So iiberlebt Begehren in der Kunst.« [2] Der Kulturanthropologe Arnold Gehlen hat dem psychologischen Roman unter den biirgerlichen Kunstformen eine privilegierte Stellung zugesprochen: »Die nahe Welt der in der Kompliziertheit des modemen Lebens, in der Viel heit der Sonderklimata sich entwickelnden zufalligen Naturen, die sich gegen seitig reflektieren und darin ihre Seele ebensowohl entdecken wie produzieren - sie gibt die Gehalte fiir die eigentlich reprasentative Kunstform der westli chen Welt: fiir den psychologischen Roman.« [3] Diese These Gehlens - deren inhaltliche Bestimmtheit zunachst in Anfiihrungszeichen gesetzt bleibe - konnte wohl den Gegenstand, noch kaum aber <las Verfahren der vorliegenden Arbeit rechtfertigen. Denn verlangte Gehlens These vom Literaturtheoretiker lediglich eine spezialwissenschaftliche Prazisierung der typischen » realisti schen« Gehalte und Auspragungen des kiinstlerischen Entlastungsmediums psychologischer Roman, so weicht die vorliegende Arbeit von solch kurzgrei fender und unhistorischer Typisierung entschieden ab: Ihr Thema ist die form theoretische Bestimmung des psychologischen Romans, der sich in Moritzens Anton Reiser [4] zum ersten Mal in Deutschland konkretisiert hat. Das sich selbst »in der Kompliziertheit des modemen Lebens« behauptende Indivi duum der biirgerlichen Kulturanthropologie kann deshalb nicht-in Analogie zum Leben - als Maf5 des psychologischen Romans vorausgesetzt werden: In der vorliegenden Arbeit muf5 dies monistische lndividuum umgekehrt als Moment der Form psychologischer Roman begriffen werden. Gegenstand ist diese Form nicht von vornherein als Ausdruck von etwas anderem, sondern als Form selbst. Das Leben, d. h. seine lnterpretationen <lurch <las alltagliche wie wissenschaftlich-systematische Bewuf5tsein von der Kulturanthropologie und der Psychoanalyse bis zum Marxism us, bleibt-wie ahnlich bei Lugowski-»in seiner methodischen Unbestimmbarkeit«, von der aus <las Besondere der Form psychologischer Roman »als Abweichung vom Leben bestimmbar« [5] wird. Wie aber laf5t sich die Form psychologischer Roman selbst bestimmen und damit eine bestimmte Homogeneitat und Gleichartigkeit einzelner Werke fest- 2 Einleitung: Zur Methode der Forrntheorie legen? Der Begriff der Form scheint wenig eindeutig: Als Bezugsrahmen fiir einzelne Werke konkurriert er innerhalb der Literaturwissenschaft mit den Be griffen »Gattung« und »T ypus« wie mit den »Grundbegriffen der Poetik«, die als »das Lyrische«, »das Epische« und »das Dramatische« [6)-analog Goe thes »Naturformen der Dichtung« [7] - bei Staiger ihre entschieden spekula tive Wendung erhalten haben. Wie die »Grundbegriffe der Poetik« liiBt der »T ypus« der Literatur nur eine methodische Objektivierung angedeihen. Im Gegensatz zur »G attung«, die - so Heinz Schlaffer in Anlehnung an Andre Jol les und Richard Alewyn-»der normative asthetische Entwurf einer Welt mit bestimmten menschlichen Haltungen und einer entsprechenden Umgebung ist« [8), stellt der »T ypus« keine Einteilungsform der Literatur in ihrem histo rischen ProzeB selbst dar, sondern eine aposteriorische Einteilungsform der spekulativen Literaturtheorie, die sich gerade aus der Abstraktion von der Ge schichtlichkeit der Einzelwerke ergibt. [9) Der »T ypus« - wie die »Grundbe griffe der Poetik« - ist als solcher ein aus Einzelwerken abgezogenes Gemein sames, das in einem zirkularen Verfahren gerade zur Bestimmung der Einzel werke taugen soil. Miissen solch methodisch zirkularem, typenbildendem Ver fahren die museal eingesammelten Einzelwerke zu bloB historistisch zitierten Beispielen verkommen, so muB sich Formtheorie - wie die historische Gat tungspoetik-dagegen auf der Ebene eines historisch-sachlichen Zirkels bewe gen. Der Begriff »Form« kann nur dann einen literaturtheoretischen Wert be haupten, wenn er auf die seit dem Ende des 18. ] ahrhunderts reflektierte Logik von auBerer d. h. empirisch vorfindlicher und innerer d. h. transzendentaler Form bezogen bleibt. Hat das formtheoretische Vorhaben der vorliegenden Arbeit vom auBerlichen Gegebensein des Anton Reiser und anderer psycholo gischer Romane auszugehen, so darf es dies Gegebensein doch niemals in hi storistischer Vereinzelung hinnehmen. Es muB nach den Bedingungen der Moglichkeit der historisch gegebenen literarischen Form psychologischer Roman fragen, die den transzendentalen Rahmen fiir konkrete psychologische Romane bereitstellt. Mit dieser dem Geiste, freilich nicht im Einzelnen dem Buchstaben nach kantischen Konstitutionsfrage muB jede Formtheorie begin nen, die als historisch-hermeneutische Geltungslehre der literarischen Formen iiber der schlechten Alternative zwischen geschichtsloser systematischer Typi sierung und strukturloser historistischer Forschung begriindet werden soil. Formtheorie kann nicht mit den sicheren Beschreibungsverfahren der histo rischen Gattungspoetik operieren, die Heinz Schlaffer beispielhaft an der »e ro tischen Dichtung« [10] entfaltet hat. Das Ende der traditionell sanktionierten vorbiirgerlichen Gattungen im 18. Jahrhundert wird begleitet von der Ab schaffung der strengen Gattungsregeln [11 ): Als Hinterlassenschaft der ideali stischen philosophischen Asthetik laBt sich Formtheorie zugleich als Aufhe bung bzw. Zersetzungsprodukt der vorbiirgerlichen Gattungspoetik begrei fen, in deren Konsequenz die Gattungspoetik selbst nochmals formtheoretisch vermittelt werden muB. Als Reflexion auf die historischen Bedingungen von Einleitung: Zur Methode der Formtheorie 3 Literatur konstituiert sich Formtheorie im Zusammenhang mit dem Aufstieg des biirgerlichen Romans als »liberale Form«, wohinein sich nach Friedrich Schlegel die »Lebensweisheit vor der Schulweisheit gefliichtet« [12] hat. Sie ist allererst BewuBtsein von der Un-Form des Romans, der sein - fur die Form theorie paradigmatisches-Wesen »n icht im Charakter der Gattung«, sondern »in der Individualitiit des Werks« [13] behauptet. Von Schiller, Friedrich Schlegel und Hegel bis zu Lukacs, Benjamin und Szondi gilt Form weder als traditionelles noch einfach konventionelles Schema zur bloB deskriptiven Be stimmung literarischer Gebilde: Formtheorisch reflektiert wird jeweils die Dialektik von literarischen Werken und ihrem geschichtsphilosophischen Ort. Seit ihren Anfiingen muBte Formtheorie jeweils riskante Anleihen bei der Phi losophie, besonders der Geschichtsphilosophie aufnehmen. Fragte die ideali stische Geschichtsphilosophie nach der angemessenen Korrelation von Kunst und Lebensformen in Antike und Moderne, so ist die Wiederaufnahme der ge schichtsphilosophischen Asthetik im 20. Jahrhundert als Einspruch gegen den einzelwissenschaftlichen Positivism us dadurch gekennzeichnet, daB sie-wenn auch im Einzelnen in unterschiedlicher Weise eingelost - intentional auf eine sozialgeschichtlich vermittelte Formgeschichte der Literatur ausgerichtet ist. DaB Sozialgeschichte dabei in Geschichtsphilosophie umgebogen wird, ist nicht methodischer GroBziigigkeit, sondern historisch-sachlichen Zwiingen geschuldet: Die programmatische Einsicht des jungen Lukacs - »Das wirklich Soziale aber in der Literatur ist: die Form.« [14]-verlangt die Frage nach der sozialgeschichtlichen Geltung, d. h. nach dem geschichtsphilosophischen Wahrheitsgehalt einer literarischen Form. Auf diese entscheidende Frage kann Formtheorie nur adiiquat antworten, indem sie die sozialgeschichtliche (Re-)Konstruktion des geschichtsphiloso phischen Ortes [15] der Form versucht. Denn muB die ins Einzelwerk, d. h. in den einzelnen Roman gefliichtete »Lebensweisheit« in kritischer bzw. selbst kritischer Gesinnung die »lndividualitiit des Werks« behaupten, so kann diese Individualitiit sich doch nur an je Allgemeinem darstellen, das sie als eigene Voraussetzung, d. h. als vergegenwiirtigte Kunst-, Lebens- und BewuBtseins formen, in die ihr immanente iisthetische Reflexion aufnehmen muK Liegt das Spezifische eines jeden ernstzunehmenden Romans in der deutlichen Abset zung von vorhergehender Literatur sowie in der kritischen Auseinanderset zung mit ihr, so gewinnen-nach »zwei Kunstgriffe« fur den vom Gegensatz zwischen Poesie und Prosa affizierten Roman zentrale Bedeutung: »die Verfremdung der Dinge und die Komplizierung der Form« [16]. Die Ge schichte des biirgerlichen Romans, die schon seit seinen Anfiingen bei Don Quijote mit der Geschichte seiner Krise zusammenfiillt, findet in der Kritik fal schen BewuBtseins innerhalb der literarischen Tradition ihren gleichsam apriorischen Leitfaden: Dieser bezeichnet das erkenntnistheoretische Prinzip der Neuzeit seit Descartes und ist in das historische BewuBtsein der sich entfal tenden biirgerlichen Gesellschaft eingebunden.

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