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Der Untergang der Golden Arrow PDF

46 Pages·2016·0.85 MB·German
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E. R. GREULICH Der Untergang der „Golden Arrow“ VERLAG NEUES LEBEN BERLIN 1955 Alle Rechte vorbehalten Lizenz Nr. 308 (305/83/55) Umschlagzeichnung: Fritz Ahlers, Prieros (Mark) Gestaltung und Typographie: Kollektiv Neues Leben Druck: Karl-Marx-Werk, Pößneck, V15/30 Nebelfetzen jagten von der See die Elbe hoch, ver- hängten mit grauen Tüchern die ruhenden Kräne, trau- ernden Werften und Hellinge des Hamburger Hafens. Unruhig quirlten die Wasser, schwappten unwillig ge- gen die Kaimauern und gurgelten warnend in den Fleets. Es schien, als ob der Heiligabend des Jahres 1952 ein Satanswetter bescheren und den Seeleuten statt des Christkindes eher den ,Klabautermann’ brin- gen wollte. Wie in ängstlich er Erwartung lag die „Golden Ar- row“. Der Funkoffizier Smith hatte einen Funkspruch der New-Yorker Reederei Holbrandsen auf den Schreibtisch des Kapitäns gelegt und wollte eben die Kajüte verlassen. „Hallo, Smith“, sagte Kapitän Paul- sen, „einen Augenblick!“ Smith zog die Tür wieder zu. „Was ist, Sir?“ „Ich möchte mir einen besonderen Hinweis auf Ihren Diensteid ersparen, Smith. Kurz und gut: Von diesem Telegramm darf die Mannschaft unter keinen Umstän- den erfahren.“ Einen Augenblick blitzte in Smiths Augen Wider- stand auf. Dann preßte sich sein Mund zusammen, und während er sich zum Gehen wandte, sagte er scheinbar gleichgültig: „Ich weiß Bescheid, Sir.“ Kurze Zeit nach dieser Unterredung kam der Lotse an Bord. Das war ein Alarmsignal für die zweiundvierzigköp- fige Besatzung. Verbittert und aufgeregt kamen die Männer in der Back, in den Gängen und im Kessel- raum zusammen, ballten die Fäuste und schrien ihre Wut hinaus. Der Erste Steuermann O’Brien tauchte vor der Kapi- tänskajüte auf. Ohne eine Antwort auf sein Klopfen abzuwarten, trat er ein. Unwillig schaute Paulsen von seinen Papieren auf. „Was gibt’s, Pat?“ O’Brien sah dem Kapitän eine Sekunde lang schwei- gend ins Gesicht. „Das weißt du besser als ich, Hol- ger.“ Der Kapitän räusperte sich ärgerlich. „Ich weiß gar nichts.“ O’Brien bettete seinen Priem von der rechten in die linke Backe und versuchte seine Erregung nie- derzukämpfen. „Die Wettermeldungen sind schlimm, alle Seewarten warnen, aber du holst den Lotsen aufs Schiff.“ „Und?“ „Das heißt, daß du auslaufen willst.“ „Nicht ich, Pat, unsere Reederei will es.“ Paulsen be- mühte sich, verbindlich zu lächeln und reichte O’Brien das Telegramm. Der las halblaut: „golden arrow sofort in see stechen – stop – müssen terminbedingte lieferverträge einhalten – stop – im Weigerungsfälle fällt nach seerecht strafe auf kapitän…“ „Damit dürfte die Angelegenheit klargestellt sein.“ Der Triumph in Paulsens Stimme war nicht zu überhö- ren. „No!“ O’Brien mahlte mit den Backenknochen, es sah aus, als sträubten sich seine silbergrauen buschigen Augenbrauen. Paulsen stand auf, seine Stimme klang fremd. „Bist du der Kapitän der ,Golden Arrow’ oder ich?“ Der Steuermann lachte grimmig. „Kapitän bist du, aber nun mußt du beweisen, daß du ein guter Kapitän bist.“ „Was soll das heißen?“ „Funke zurück: ,Auslaufen bedeutet Selbstmord’.“ „Du bist wahnsinnig, Pat!“ „Ich bin ein alter Seemann, der Recht von Unrecht zu unterscheiden weiß.“ „Demnach wäre ich…“ „Du allein bringst den Kahn nicht über den Ozean.“ „Was willst du damit sagen?“ „Die Männer werden nicht mitmachen. Sie haben sich auf ihren Weihnachtsbaum heute abend gefreut und auf eine Extraration steifen Grog.“ „Meine Befehle sind auszuführen. Für beschauliche Weihnachtsfeiern bekommen sie ihre Heuer nicht.“ Traurig, fast erschrocken starrte O’Brien den Kapitän an. „Wie redest du, Holger? So kenne ich dich nicht.“ Der Kapitän war nicht mehr in der Lage, seine Erre- gung niederzuhalten. „Das gleiche muß ich von dir sagen. Wenn ich mich weigere, bin ich ein erledigter Mann. Du weißt so gut wie ich, daß einige Herren aus dem Pentagon für die schnelle Beförderung eines Teils unserer Ladung großes Interesse haben.“ Der ablehnende Zug wich nicht aus der Miene O’Briens. „Wiegt das schwerer als zweiundvierzig Menschenleben?“ „Du tust, als seien wir schon am Absaufen.“ „Die Wahrscheinlichkeit steht eins zu zehn. Dir ist bekannt, daß die Kaiser-Särge bei harter See gern in der Mitte durchbrechen.“ „Du bist Junggeselle, Pat. Ich habe Familie und kann mir nicht erlauben…“ „Gerade deswegen, Holger. Denk an deine Familie und vergiß nicht, daß die Reederei machtlos ist, wenn die ganze Mannschaft vor dem Seegericht aussagt…“ „Die Mannschaft?“ Paulsen lachte bitter. „Wenn da jeder einzelne in die Mache genommen wird, klappen sie zusammen wie ein Taschenmesser.“ „So wenig Vertrauen zu den Jungen? Dann dürftest du erst recht nicht auslaufen.“ Paulsen trat dicht vor seinen Steuermann und sagte beschwörend: „Hast du den 23. August vergessen?“ O’Brien schüttelte den Kopf. „Den werde ich nie ver- gessen. Aber noch ist nicht aller Tage Abend. Einmal wird Szillat den Lohn für seine Tat ernten.“ Er wandte sich zur Tür. „Versuche Gott nicht, Holger! Laufe nicht aus!“ „Ich kann nicht anders“, sagte der Kapitän, es war das Flüstern eines Erpreßten. „Und ich bitte dich, Pat, wie- gele die Mannschaft nicht auf. Hilf mir, daß wir trotz des Wetters heil nach New York kommen. Das ist dei- ne Pflicht als Erster Steuermann.“ O’Brien antwortete nicht mehr. Geistesabwesend schlich er in seine Kajüte. Hier nahm er aus dem Wandschrank eine riesige Flasche Whisky und setzte sie an den Mund. Verbittert starrte er vor sich hin. Welch ein Jammerlappen wurde aus einem freien ame- rikanischen Kapitän, wenn er Fracht für den General- stab führte. Dann spielten Menschenleben keine Rolle. O’Brien war voller Gewissensnot. Ihn an den 23. Au- gust zu erinnern, war ein gemeiner Trick. Das schwächte das Vertrauen zur Mannschaft. Der Steuer- mann nahm wieder einen Schluck. „Gott, du bist Zeu- ge, daß ich es nicht wollte“, murmelte er. Während Pat O’Brien sich dem Schicksal überließ und seinen Kummer mit Alkohol wegzuspülen ver- suchte, hatte Paulsen den Zweiten Steuermann Szillat holen lassen. „Nun?“ Der Kapitän blickte kühl. Auch der Unein- geweihte hätte gemerkt, daß die beiden Männer eina n- der haßten. „Die Boys meutern, Sir. Besonders die Kesselraum- Crew. Behaupten, jetzt auszulaufen, sei gegen jeden Seemannsbrauch.“ „Wieso?“ „Weil das Wetter auf Sturm steht; außerdem ist Hei- ligabend.“ „Gehen Sie zu den Boys und bestellen Sie einen schönen Gruß. Es ist Seemannsbrauch, daß der Kapitän über das Auslaufen bestimmt.“ „Sehr wohl, Sir.“ Szillat wollte gehen. „Und noch eins: Sie wissen, daß wir in einer halben Stunde loswerfen. Ich mache Sie verantwortlich, daß alles klargeht. O’Brien fühlt sich nicht wohl.“ Der Zweite Steuermann war an der Tür stehengeblie- ben. Die letzten Worte des Kapitäns riefen ein Grinsen auf seinem hübschen Gesicht hervor. Er nahm Haltung an und sagte frohlockend: „In Ordnung, Sir.“ Paulsen war angewidert und hatte Mühe, dieses Ge- fühl zu unterdrücken. „Denken Sie an Ihre Autorität als Schiffsoffizier, Szillat. Regeln Sie alles ohne Skandal. Ich liebe es nicht, wenn man mit Waffen herumfuch- telt. Die Boys sind amerikanische Staatsbürger, keine afrikanischen Nigger.“ „Sehr wohl, Sir.“ Der Verwarnte verschwand. Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, als seine Rech- te in die Hosentasche fuhr, Liebkosend strichen seine Finger über den kühlen Stahl des zierlichen Brow- nings. Während er gewandt in den Kesselraum hinab- stieg, kicherte er belustigt. „Der Trottel will mich leh- ren, wie man mit der Bande umzuspringen hat.“ Der Kesselraum war voller Matrosen. Auch die Decksleute und sogar der Smutje und sein Gehilfe be- fanden sich unter den Schimpfenden. Als der Zweite Steuermann auftauchte, trat Totenstille ein. Den Haß, der ihm entgegenschlug, empfand Szillat wie eine Be- stätigung dafür, daß er sein Leben richtig eingerichtet hatte. Er sah einen nach dem andern an. „Ihr feiert wohl schon Heiligabend?“ Jan Blackett, der Erste Heizer, spie einen Priem auf das schwarze Blech und sagte: „Wenn Ihnen zum Fei- ern zumute ist, uns nicht.“ Der Zweite Steuermann tat, als habe er die Heraus- forderung nicht bemerkt. „Dann ist ja alles gut. Sollte nur einen schönen Gruß vom Käptn bestellen, feiern ist leider nicht. In einer halben Stunde dampfen wir raus.“ „Wenn wir wollen“, kam es aus dem Munde Blak- ketts. Voll liebenswürdigen Hohns wandte sich Szillat an den Sprecher. „Sie wollen, Blackett – bestimmt. Dienstverweigerung ist eine üble Sache, die sich kein amerikanischer Seemann zuschulden kommen läßt und…“ „Selbstmord verweigern ist keine Dienstverweige- rung!“ rief einer der finster blickenden Seeleute. „… und Meuterei darf von’ den Schiffsoffizieren mit jedem Mittel bekämpft werden“, fuhr Szillat ironisch fort. „Also los, Boys, an die Arbeit,“ Haßerfüllte Augen glühten in den dunklen Gesichtern, kein Mann rührte sich. „Nun gut.“ Szillat trat einige Schritte zurück, seine Augen glitzerten. „Ich mache euch darauf aufmerksam,

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