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Der Traumschlüssel des Jagaddeva. Ein Beitrag zur indischen Mantik PDF

456 Pages·1912·41.007 MB·German
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Der Traumschlüssel des Jagaddeva Ein Beitrag zur indischen Mantik von Julius von Negelein Gießen 1912 Verlag von Alfred Töpelmann (vormals J. Ricker) R e l i g i o n s g e s c h i c h t l i c he Versuche und Vorarbeiten begründet von Albrecht Dieterich und Bichard Wünsch herausgegeben von Bichard Wünsch und Ludwig Deubner in Königsberg i. Pr. XI. Band. 4. Heft Das Inhaltsverzeichnis befindet sich am Schluß des Buches PISCHELS ANDENKEN GEWIDMET Vorwort V Vorwort Die gemeinschaftlich mit Herrn Professor G. M. Bölling vorgenommene Bearbeitung der Atharvapariáista veranlagte angesichts der inhaltlichen Fremdartigkeit und Schwierigkeit dieses sehr korrupt überlieferten Vedatextes mich zur Samm- lung eines Parallelenmaterials aus den in meinem Studien- bereich liegenden Gruppen der Sanskritliteratur. Es wurden sowohl gedruckte wie handschriftlich überlieferte Texte heran- gezogen. Das 68. Parisi sta, welches den Traumaberglauben behandelt, erfuhr dadurch eine wesentliche Klärung. Den ur- sprünglichen Plan, einen Kommentar zu demselben zu ver- öffentlichen, gab ich jedoch alsbald auf, beschloß vielmehr den umfang- und inhaltreichsten der mir bekannt gewordenen Paralleltexte kritisch zu edieren, um ihn zur Grundlage einer Gesamtdarstellung des Traumaberglaubens zu machen. Eine solche Aufgabe in Angriff zu nehmen, schien mir um so dankenswerter, als dies Gebiet bisher völlig unbearbeitet geblieben war. Der Verfasser des „Traumschlüssels", dessen Kompilation ich meinen Ausführungen zugrunde legte, greift nach eigener Lehre überall auf den indischen Volksglauben als seinen Aus- gangspunkt zurück. Was im Zustande des Wachens von Bedeutung ist, kann nach ihm auch im Traume als gates oder böses Omen auftreten. Dementsprechend mußten wir auf die indische Volksreligion unser Augenmerk richten. Sie läßt sich ihrerseits nur aus der kulturgeschichtlichen VI Vorwort Eigenart jener interessantesten aller Nationen verstehen. Es war deshalb unvermeidlich, einige hierher gehörige Punkte der Beobachtung zu unterziehen. Das Wirrsal sonderbar erscheinender Meinungen und Lehren, das sich in unseren Texten auftut, kann eigentlichen Wert und Bedeutung jedoch erst durch die vergleichende Religionswissenschaft gewinnen, sofern sie nicht von den sich darbietenden zufälligen Einzel- erscheinungen ausgeht, sondern das kulturell und psychologisch Benachbarte, aus gleicher Wurzel Entsprungene, nebeneinander hält und dadurch oft das Fernstehendste an das Nahe- liegendste und Verständlichste anknüpft. Eine derartige Auffassung unseres Stoffes ist in doppelter Hinsicht berechtigt. Das Studium der altindischen Literatur hat eine so ungeheure Fülle des wichtigsten religionsgeschicht- lichen Materials erschlossen, daß sie fur den jungen Forschungs- zweig der vergleichenden Religionswissenschaft, deren Be- deutung für eine befreiende Erkenntnis der traditionellen ethischen und rituellen Formen des gegenwärtigen Volks- tums nicht zu hoch bewertet werden kann, von ausschlag- gebender Bedeutung geworden ist. Nur dadurch hat die Sanskritforschung sich auf deutschem Boden ihr Heimat- recht erworben. F. Max Müller, A. Weber und R. Roth, die deutschen Gründer dieses Gebietes, als Gelehrte in ihren Mei- nungen weit auseinandergehend, sind sich in dieser Auffassung desselben einig gewesen. Von dem Boden der religions-, kultur- und völkergeschichtlichen Forschung losgerissen, auf die Bahnen einer orientalischen Scholastik mit ihren auf einem System von Irrtümern aufbauenden metrischen, astronomischen und gram- matischen Spekulationen ablenkend, wird die Sanskritphilologie des natürlichen Zusammenhanges mit den Disziplinen der Alter- tumswissenschaften auf immer verlustig gehen, um zu einer der Beachtung und Berücksichtigung in jeder Hinsicht völlig un- würdigen Kuriosität herabzusinken. — Keine Literatur der Welt vermag auf dem Gebiet des Traumglaubens eine Summe von Tatsachen zu geben, ähnlich groß derjenigen, die in den Ausführungen Jagaddevas und seiner Vorgänger der Nach- welt überliefert worden ist. Diese Schätze zu heben, wird so lange von Wert sein, als die Erkenntnis der Vergangenheit, Vorwort νπ deren letzter Augenblick ja die Gegenwart ist, Bedeutong hat. — Ein zweites Moment gab unserer Auffassung and Bearbeitung des Themas Berechtigung: die Veröffentlichung dieser Studien in jener Sammlung, die vorwiegend der Er- forschung religiöser Probleme des klassischen Altertums zu dienen berufen ist, gleichwohl aber unseren Auslührungen gastlich die Pforte geöffnet hat. Unsere Arbeit paßt sich diesem Thesaurus insofern vollständig an, als sie eben nur ein Versuch oder eine Vorarbeit zur Darstellung des indischen Traumaberglaubens im speziellen, des Volksaber- glaubens im allgemeinen sein will Wer die ungeheure Fülle des in teilweise unzugänglichen Quellen schlummernden Ma- terials, den völligen Mangel aller Vorarbeiten, mit dem der Verfasser zu kämpfen hatte, zu bewerten vermag, wird diese Anlage der Arbeit, so hoffen wir, billigen. Als bloße Studie will sie sich auch dadurch kennzeichnen, daß sie grundsätzlich die rein primären Quellen, uuter letzteren unbearbeitete Manuskripte, bevorzugt, eine Eigenart, durch die unsere Pflicht der Dankbarkeit gegen die Erforscher des altindischen Re- ligionslebens natürlich keineswegs geschmälert werden soll. Andererseits wird, wie ich meine, jede gerechte Beurteilung des Geleisteten dem Verfasser eine Anerkennung des Ernstes nicht versagen, mit dem er seine Aufgabe angegriffen. Was er in früheren arbeitsreichen Jahren auf dem Gebiete des Veda gesammelt, einer sehr erheblichen Zahl von Handschriften, einigen Gruppen gedruckter Sanskrittexte, darunter vornehm- lich den Puranen, entnehmen konnte, was mancher Band der riesenhaft umfangreichen englisch - indischen Literatur, die ihm ferner stehenden Disziplinen des Palikanon und der indischen Archäologie, ihm boten, das alles hat, soweit es der Sache diente, Verwendung gefunden. Viele entbehrliche Einzelheiten freilich sind unterdrückt worden ; vieles Wichtige ist dem Verfasser zweifellos entgangen; manches leicht zu- gängliche Material, wie beispielsweise die sehr ergiebigen Jätaka, die uns jetzt durch eine Übersetzung erschlossen sind, und selbst so monumentale Sammelwerke wie Crook e' s Po- pular Religion and Folklore of Northern India, 2 Bde, West- minster 1896 blieben unverwertet. Mein Buch ist zweifellos Vili Vorwort viel einseitiger als das des letztgenannten Autors. Dennoch wird jedermann den Vorsprang erkennen, den ein der ge- schichtlichen Entwicklang kandiger Philologe vor dem bloßen Sammler modern-indischer Religionsformen, die sich doch eben nor auf historischer Grandlage verstehen lassen, besitzt. Andererseits hat der Verfasser, getreu dem Wahlspruch, der für ihn stets der maßgebende bleiben wird: „Der In- halt alles, nichts die Form!" sich des Studiums der Realien, d. h. des Versuches eines Verständnisses der Sache gegenüber dem selbstgenügsamen Erfassen des Wortinhalts der Texte befleißigt und speziell z. B. die so vernachlässigte Kenntnis der indischen Flora mit den reichen Hilfsmitteln der EönigL Bibliothek zu Berlin zu fördern gesucht. Als eigent- licher Stützpunkt kamen für ihn aber natürlich nur die lite- rarischen Quellen in Betracht. Eine ganz besondere Stellung unter diesen nimmt ein Text für sich in Anspruch: die Atharvapariáista. Hunderte von Einzelheiten auf dem Gebiete des religiösen Volkslebens sind ihm entnommen worden. Als die Herausgeber sich zu der überaus vielseitigen und schwierigen Entdeckertätigkeit der Edition dieses Textes entschlossen, konnten sie es nicht voraussehen, daß er durch Hergabe einer ganz ungeheuren Fülle der wichtigsten, über fast alle Gebiete des antiken Geisteslebens sich erstreckenden, dem höchsten Altertum an- gehörigen Daten die jahrelangen Bemühungen der Editoren in so glänzender Weise rechtfertigen und belohnen würde. In dem vorliegenden Buche hat er seine erste, hoffentlich keim- fähige, Frucht gezeitigt. Wir hätten uns die gestellte Aufgabe wesentlich er- leichtern können, wenn wir es vorgezogen hätten, eine syste- matische Darstellung des Traumaberglaubens zu liefern. Wir nahmen von dieser jedoch abstand, weil sie notwendiger- weise von modern-occidentalen an Stelle von antik-orientalischen Gesichtspunkten hätte ausgehen müssen, und weil die durch sie erreichbaren Vorzüge der Vollständigkeit und Übersicht- lichkeit nur scheinbare gewesen wären. Ehe das gesamte, in Betracht kommende Material noch nicht zur Stelle und noch nicht jede Einzeltatsache geklärt ist, erachten wir einen Vorwort IX solchen Aafbau für verfrüht. Vielmehr erschien es uns wichtig, die teilweise nur halb verständlichen, wunderlich anmutenden und korrupt überlieferten Verse jener Traumbücher in ihrer sachlichen resp. philologischen Zusammengehörigkeit zu er- fassen und darzustellen. Wir wollten dem gegebenen Kom- mentar, der stets nur einen Bruchteil des verwertbaren Materials bringen konnte, einen vollständig edierten und übersetzten indischen Text zur Seite stellen, der dem Fachmann wie dem Laien die indische Traumweisheit dort erschließen konnte, wo ihre Quellen am reichlichsten strömen ; wir bemühten uns unsere Leser in Form und Gehalt eines wichtigen Gebietes der orientalischen Religionsliteratur einzuführen. Die dadurch gefährdete Einheitlichkeit der Darstellung haben wir auf der einen Seite durch ein „systematisches Inhaltsverzeichnis", auf der anderen Seite durch die zahlreichen, jeder Übersetzung eines Verses folgenden Verweise zu gewährleisten versucht. Vermittelst dieser Stichwörter ist durch das Labyrinth des Traumreiches eine große Anzahl von Fäden gezogen worden, die sich an Knotenpunkten vereinigen, um ihrerseits wiederum auf übergeordnete Sammelstellen hinzuweisen. — Die auf die Indices verwandte Sorgfalt wird kein Einsichtiger schelten. Nur sie ermöglichen einen Überblick über den vielverschlungenen Weg, den wir gehen mußten. Namentlich der Index der Synonyma wird dem Orientierung suchenden Leser hoffentlich ebensogute Dienste tun, wie er sie dem Verfasser bereits ge- leistet hat. Bei Abfassung auch dieser Arbeit sind dem Autor seine alten Freunde treu geblieben. Herr Professor Sieg zu Kiel hat manche Stunde dem Lesen ihrer Korrekturen geopfert und viele Unebenheiten ausgeglichen. Herr Professor Grün- wedel, Direktor der indischen Abteilung am Königlichen Museum für Völkerkunde in Berlin, hat mir durch seine be- lehrenden Gespräche einen Einblick in die indische Archäo- logie eröffnet und dadurch meine Arbeit bereichert. Das großartige Entgegenkommen des India Office hat sie erst entstehen lassen. Mein Buch ist dem Andenken Pis eh els gewidmet Auf dem behandelten Gebiete war er zweifellos die erste Autorität χ Vorwort Er besaß Sammlangen, die, in frühen Jugendjahren angelegt, mit der gewaltigen Erweiterung seines Wissens Schritt hielten. Sie sind mir unzngänglich geblieben Mit dem Gedanken an ihre Veröffentlichung in irgendeiner Form trug sich Pischel noch kurz vor seinem Tode. Als die erschütternde Nachricht von seinem plötzlichen Ende nach Europa drang, war es mir ein Herzensbedürfnis, das Lieblingsthema des großen Gelehrten, wenn auch in meinem Sinne und mit meinen Mitteln, zu be- handeln. Möge das vorliegende Buch, das des Verstorbenen Namen trägt, seiner nicht unwürdig befunden werden! 1 Bei dem Schlüsse der Drucklegung übersandte mir Herr Prof. Geldner freundlichst einen Zettel aus Pischels Sammlangen — das Einzige, was er aus dessen Nachlaß von zugehörigem Material finden könnt« —, and war liebenswürdigst bereit, die Korrektur desselben za lesen (s. S. 378).

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