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Der Sturz des Römischen Adlers. 2000 Jahre Varusschlacht PDF

220 Pages·2008·2.39 MB·German
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Preview Der Sturz des Römischen Adlers. 2000 Jahre Varusschlacht

Der Sturz des Römischen Adlers Husemann, Dirk Campus Verlag Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 9783593400006 Copyright © 2008. Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main Besuchen Sie uns im Internet: www.campus.de |9| »Wir können keinen Schritt fortan, In diesem feuchten Mordgrund, weiter rücken! Er ist so zäh, wie Vogelleim geworden. Das Heer schleppt halb Cheruska an den Beinen, Und wird noch, wie ein bunter Specht, Zuletzt, mit Haut und Haar, dran kleben bleiben.« HEINRICH VON KLEIST, Die Hermannsschlacht, 5. Akt, 2. Auftritt Vorhut |11| »Varus! Varus! Gib mir meine Legionen wieder!« Der römische Kaiser Augustus soll wenig Verständnis für die Niederlage seiner Truppen in Germanien gehabt haben. Immerhin starben 20 000 Legionäre in einem Hinterhalt irgendwo im wilden Norden. Der Verlust an Mensch und Material war schmerzhaft – tragischer aber war, dass die Schlacht die Römer in die Schranken wies. Nie wieder sollten sich Truppen aus Italien weiter vorwagen als bis zum Rhein. Germanien war frei. Obwohl das Ereignis die Geschichte Europas prägte, ist bis heute unbekannt, wo die Varusschlacht geschlagen wurde. Lange galt der Teutoburger Wald als sicherer Kandidat, ein entsprechendes Denkmal wurde im 19. Jahrhundert auf germanischem Nationalpathos errichtet. Doch seit acht Jahren beansprucht das Osnabrücker Land die Varusschlacht für sich. Über dem kleinen Ort Kalkriese ragt bereits ein millionenschweres Museum in den Himmel. Doch einer der wenigen handfesten Hinweise auf das Gemetzel ist eine Erbse, die in der Nähe gefunden wurde und nachweislich aus dem antiken Italien stammt. Dem Museum auf der Erbse halten Hobbyforscher alternative Orte in der Region entgegen. Schatzsucher aus Amerika, Großbritannien und Japan reisen an und machen das Osnabrücker Land mit Metallsuchgeräten unsicher. Rund 700-mal meldeten Hoffnungsfrohe bereits die Entdeckung des angeblichen Schlachtortes, zankten Wissenschaftler und Amateure um wenige Unzen Metallschrott – die Überreste der 20 000 Legionäre aber bleiben nach wie vor vom Erdboden verschluckt. Die Varusschlacht zählt noch immer zu den großen Mythen der Deutschen. Der bärbeißige Haufen, der sich vom imperialistischen Rom nicht |12|unterdrücken lassen wollte, passte den Feinden Napoleons ebenso in die Ideologie wie später Nationalsozialisten und Kommunisten. Aus der Feder Heinrich von Kleists floss Die Hermannsschlacht als Parabel auf die herbeigesehnte Befreiung vom Besatzer Frankreich. Aus der Propagandamaschine der Nazis donnerte Heilsgeschrei im Namen des Cheruskers. Noch die DDR hätschelte Arminius als Vorzeigekämpfer gegen eine imperialistische Weltmacht – Rom war Amerika. Wer war Varus, wer sein Widersacher Arminius, dem 50 Opern auf den Leib komponiert wurden, über den noch heute Romane geschrieben werden und der als Heldenmotiv auf US-amerikanischen Bierdosen herhalten muss? Für den römischen Historiker Tacitus war er ein Volksheld der Germanen: »Er war unstreitig der Befreier Germaniens, der das römische Volk nicht in den ersten Anfängen der Macht, wie andere Könige und Heerführer, sondern in der höchsten Blüte des Reiches herausgefordert hat, in den Schlachten von wechselndem Erfolg begleitet, im Krieg unbesiegt.« Das Heldensiegel blieb an Arminius haften. Immer, wenn die Deutschen einen Heroen brauchten, zogen sie Arminius aus der Schublade. Stets passend gekleidet, mal mit Bärenfell als grober Schlächter, mal in Gewand mit elegantem Schnitt und Flügelhelm als Figur aus einer Wagner-Fantasie. Sogar das Nibelungenlied soll auf Arminius zurückgehen, der laut antiken Quellen tatsächlich noch zu Lebzeiten im Liedgut seiner Stammesbrüder die Hauptrolle spielte. Arminius war der Superstar des Germanentums. Der Ruf nach Heldenblut fürs Vaterland ist verhallt. Heute wirft die Varusschlacht historische Fragen auf, etwa die, wie die Geschichte Europas verlaufen wäre, wenn der Husarenstreich nicht gelungen wäre und die Römer weiter nach Norden hätten vordringen können. Stoppte die Horde im Bärenfell die Römer im Kettenpanzer so nachhaltig, dass der Kaiser danach alle Eroberungspläne in den Tiber warf? Konnte sich erst durch den Befreiungsschlag ein einheitliches Germanentum konsolidieren? War die Varusschlacht tatsächlich der »Urknall der deutschen Geschichte«, wie ihn das Deutsche Historische Museum in Berlin heraufbeschwört? Oder war alles ganz anders? Die Varusschlacht und das Ende des römischen Vormarsches jähren sich 2009 zum zweitausendsten Mal. Im Museumsmarketing herrscht Feststimmung, drei Sammlungen lassen die musealen Muskeln spielen. |13|Hinter den Kulissen aber tobt der Streit um Geld und Wahrheit. Historiker von eigenen Gnaden finden die Varusschlacht mitunter in Süddeutschland, die Datierung römischer Münzen gerät zur Eulenspiegelei und die Vergabe der Gelder zur Posse im Plenarsaal. Der Kampf tobt auch nach 2 000 Jahren, Varus und Arminius steigen noch einmal in den Ring. Der Hermannsmythos bleibt ein Dauerbrenner. Auch wenn der deutschnationale Lack längst abgeblättert ist, auch wenn Archäologie und Geschichtsforschung das Image des sympathischen Rebellen Arminius längst demontiert haben, die Schlacht und ihre Protagonisten sind noch immer legendär. Der französische Philosoph und Mythenforscher Roland Barthes fand im 20. Jahrhundert heraus: »Auch die Rezeption des Mythos und die Arbeit am Mythos ist das Wirken des Mythos.« Gemäß dieser Erkenntnis wird auch ein Buch wie das vorliegende, das sich bemüht, den Nebel um die Varusschlacht zu lichten, vom Mythos diktiert. T 1 |15| EIL In finsterem Forst und marmornen Städten Zwei Helden schreiben Geschichte |17|Kapitel 1 Varus – ein unbekanntes Leben Varus teilt das Schicksal berühmter Römer wie Caligula und Nero, die als Wahnsinnige und Unterdrücker verschrien sind. Heute meint die Forschung, dass manche angeblichen Despoten und Tyrannen in Wirklichkeit das Wohl des Volkes im Sinn hatten, aber der Propaganda der Nachwelt zum Opfer fielen. Pechvogel oder Unglücksrabe – wer war Varus wirklich? Am Rheinufer war Schluss. Der Strom war im 1. Jahrhundert n. Chr. die Grenze des Römischen Reiches. Westlich davon lebten Germanen und Kelten mit den Besatzern, akzeptierten mehr oder weniger freiwillig deren Herrschaft und gaben ihre Stammeskultur allmählich auf – im Tausch gegen die Bequemlichkeit des römischen Lebens. Römer und Barbaren flanierten zusammen auf den Straßen der vielversprechenden Rheinstädtchen Oppidum Ubiorum und Castra Vetera, aus denen Köln und Xanten aufkeimen sollten. Östlich des Rheins sah die Welt anders aus. Hier lebten die noch immer wilden Stämme der Germanen, die in dichten Wäldern und undurchdringlichen Sümpfen bislang alle römischen Eroberungszüge ins Leere hatten laufen lassen. Die Germanen nannten ihre Heimat »freies Germanien«. Die Römer nannten das »Urwald« und schrieben auf ihre Landkarten »Germania Magna«, Großgermanien. Für sie lag am anderen Rheinufer die Hölle, bewohnt von Teufeln. Die Rheingrenze kostete ein Vermögen. Da der Fluss keine gerade Linie zog, mussten mehr Truppen und Kastelle daran aufgestellt werden, als es bei einem geraden Grenzlauf nötig gewesen wäre. Sechs Legionen standen am Ostufer des Rheins, etwa 36 000 Krieger. Rom verfügte zur Zeit |18|des Kaisers Augustus insgesamt nur über 28 Legionen, etwa 150 000 Soldaten. Demnach wurde fast ein Viertel des römischen Militärs für den Rhein benötigt. Das Reich aber wucherte auch andernorts. Im Nordwesten war es bereits bis Großbritannien gewachsen, im Süden bis nach Ägypten. In den Provinzen Africa und Asia benötigten die Statthalter jeden Mann, um die Lage unter Kontrolle zu halten, und der Kaiser wollte mehr und mehr Eroberungen im Mittelmeerraum. Doch die dafür nötigen Soldaten steckten am Rhein fest. Etwas musste geschehen. Ging es nach Kaiser Augustus, sollte am Rhein endlich Ruhe herrschen. Der Imperator wollte Germanien erobern und die teure Rheingrenze nach Osten verschieben, am besten bis an die Weser. Dieser Fluss lief auf die Donau zu, die im Süden das Reich begrenzte. Durch eine Verbindung beider Linien wäre das Reich zum einen erheblich gewachsen, zum anderen wäre die Grenze geschrumpft, das Loch in der Staatskasse gestopft, Soldaten wären frei für die Eroberungen im Süden. Mehr Fliegen ließen sich mit einer Klappe nicht schlagen. Wenn nur die Germanen nicht gewesen wären. Die Römer setzten über. Sie hatten jahrhundertelang Erfahrungen im Kriegführen, Erobern und Besetzen gesammelt und wählten aus ihrem Fundus an Möglichkeiten die beste aus: Schifffahrt. Da das germanische Inland so unbekannt wie undurchdringlich war, bot sich eine Expedition auf Flüssen an. Die Lippe, damals Lupia genannt, fraß sich eine Schneise durch Großgermanien. Auf ihr kreuzte eines Tages im Jahr 11 v. Chr. eine Flotte römischer Kriegs-und Lastschiffe auf, die Legionäre und Baumaterial an Bord hatte. Im Laufe weniger Jahre zimmerten die Römer Legionslager am Flussufer zusammen. Wie Perlen an einer Schnur säumten sie die Lippe, Versorgungsstationen für einen der größten und gefährlichsten Eroberungszüge Roms. Immerhin: Vom heutigen Dorsten-Holsterhausen, über Haltern, Lünen- Beckinghausen, Bergkamen-Oberaden bis nach Anreppen machten die Römer die Lippe sicher. Fast 200 Kilometer drangen sie ins feindliche Gebiet vor. Zwanzig Jahre lang pflanzten Legionäre Unterkünfte, Ställe, Vorratslager in den Urwald Mitteleuropas. Dann machten ihnen die Germanen und ihr wildes Land einen Strich durch die Rechnung. Es regnete. Während die Legionäre das milde Klima Südeuropas kannten und schätzten, saßen sie im Norden im Dauerregen. Das zerrte an den |19|Nerven und den Sandalen, denn der römische Legionär war ein Schwergewicht. Von Kopf bis Fuß gepanzert, mit Eisenhelm und Kettenhemd, mit genagelten Schuhen und schwerem Schild, mit Schwert und Lanze schleppte der durchschnittliche römische Soldat 30 Kilogramm Ausrüstung mit sich. Hinzu kamen auf längeren Märschen Kochgeschirr, Zelt und persönliche Habseligkeiten – nochmals etwa 40 Kilogramm. Mit so viel Ballast über vom Regen aufgeweichten Boden zu marschieren war kein Zuckerschlecken. Zwar erwiesen sich die Römer auch hier als meisterhafte Ingenieure, aber selbst kilometerlange Bohlenwege aus Baumstämmen hielten dem rauen Klima nicht lange stand. Die Legionäre in Großgermanien versanken im Morast. Erobern war unmöglich. Die mächtigste Armee der Welt musste sich mit einer Notlösung zufrieden geben: der Befriedung der Germanen auf der rechten Rheinseite. Von Unterwerfung konnte keine Rede sein, und auch der Frieden war brüchig wie Papyrus. Beide Seiten machten Ärger. Beim Stamm der Sugambrer tauchten römische Zenturionen auf und forderten die Zahlung von Tributen. Ob die Römer damit auf die Erfüllung eines Vertrags pochten oder ob sich Einzelne bereichern wollten, weiß heute niemand. Überliefert ist allerdings die Reaktion der Sugambrer. Sie nagelten die Geldeintreiber ans Kreuz. Kaiser Augustus tobte, der Rhein stand in Flammen. Als Racheengel stieß Drusus, ein Stiefsohn des römischen Kaisers, über den Rhein vor. Zwischen 12 und 9 v. Chr. besiegte er die stärksten germanischen Stämme. Doch auch wenn Sugambrer, Usipeter, Cherusker, Chauken, Chatten und Markomannen Rom im Kampf unterlagen, konnte von einer Eroberung des Raums zwischen Rhein und Elbe keine Rede sein. Offenbar gaben sich auch die Römer dieser Illusion nicht hin. Die Lager und Stützpunkte, die Drusus errichten ließ, bilden auf der Landkarte keine Zange um das Krisengebiet, sondern führen an einer Kette hinein. Sie wurden nicht als strategische Bastionen errichtet, sondern dienten einzig der Versorgung von Strafexpeditionen. Erobern ließen sich die Stämme nicht. Davon wollte in Rom niemand wissen. Die Nachrichten aus dem kühlen Norden erreichten zwar in ganzer Wucht und Wahrheit den Kaiser, für Bildungsbürger und Senatoren aber gab es poetisch gefärbte Meldungen, in denen Drusus und seine Legionen in den Olymp des Heldenmuts aufstiegen|20|. Meister der Schönfärberei war Florus, ein Geschichtsschreiber des 2. Jahrhunderts n. Chr. Aus seiner Feder stammt der Hinweis, Drusus habe Kastelle errichten lassen an Maas, Elbe und Weser. »Die Reihenfolge ist natürlich geographisch unsinnig«, meint der Historiker Rainer Wiegels zu dieser Geschichte. An der Universität Osnabrück forscht Wiegels keine halbe Autostunde von Kalkriese entfernt. »Selbstverständlich muss es Florus nicht um eine genaue Reihenfolge gegangen sein, aber angesichts seiner sonstigen Ausmalungen sollte man erst dann mit Gewissheit auf Florus bauen, wenn es entsprechende Indizien gibt. In Florus stecken zwar gute Nachrichten, sie auszufiltern bedarf aber größter Behutsamkeit.« Wie viel Schwärmerei Florus in seine Texte streute, zeigt eine Passage aus dem Werk Epitoma de Tito Livio bellorum omnium annorum DCC: »Schließlich herrschte ein solcher Friede in Germanien, dass die Menschen wie verwandelt, das Land verändert und selbst das Klima milder und angenehmer als gewöhnlich erschien.« Von lieblicher Natur keine Spur: Germanien war eine harte Nuss. Drusus starb, als er versuchte, sie zu knacken. Laut historischer Nachricht fiel er vom Pferd und verletzte sich tödlich. Der Mythos berichtet von einer germanischen Alten, die ihm den Tod prophezeit haben soll. Der römische Geschichtsschreiber Cassius Dio schrieb über das Ende des Drusus: »Ein Weib von mehr als menschlicher Größe, trat ihm entgegen und sprach ›Wohin eilst du, unersättlicher Drusus? Das Schicksal hat dir nicht bestimmt alles dieses zu schauen. Ziehe hin, denn deiner Taten und deines Lebens Ende ist nahe herangekommen.‹ […] Drusus kehrte eilends um und starb auf dem Wege an einer Krankheit, bevor er an den Rhenus gelangte. Als Beweis für die Richtigkeit der Erzählung gilt es mir auch, dass um die Zeit seines Todes Wölfe heulend um das Lager schweiften, dass man sah, wie zwei Jünglinge mitten durch den Lagergraben ritten, dass sich ein Jammergeschrei, wie von weiblichen Stimmen vernehmen ließ, und die Sterne ihre Bahn änderten.« Die Katastrophe war immens, die Germanen mögen frohlockt und die Römer bereits wieder in Südeuropa gewähnt haben. Zu früh. Rom schickte Tiberius. Der 33-Jährige beackerte ein bestelltes Feld. Sein Vorgänger Drusus hatte genügend blutige Furchen durch Germanien gezogen, Feldzüge mit Tausenden von Legionären waren nur noch selten notwendig. Tiberius spielte |21|mit den Stämmen Diplomatie und war erfolgreich. Davon zeugt die Nachricht im Testament des Augustus, dass Tiberius 40 000 Sugambrer und Sueven an den Rhein umsiedelte, um die vermeintlichen Wüteriche dort unter Kontrolle zu halten. Im Elsass, in der Pfalz und in Rheinhessen siedelten ebenfalls neue Stämme an – Tiberius verschob die Germanen wie Schachfiguren in einer längst gewonnenen Partie. Wie wissbegierig der talentierte Tiberius die Erfahrungen in Germanien aufnahm, zeigt seine spätere Karriere. Als römischer Kaiser trat er 14 n. Chr. die Nachfolge des Augustus an und vergrößerte das Römische Reich zur bis dato größten Landmasse seiner Geschichte. Nach nur zwei Jahren war Ruhe. In den Lippelagern tauschten die Legionäre Spatha und Pilum gegen Würfel und Sturzbecher. In Rom schlossen sich die Pforten des Janus-Tempels – ein Ritual, das nur durchgeführt wurde, wenn im gesamten Reich Frieden herrschte. Cassius Dio notierte in seiner Römischen Geschichte: »… in Germanien aber ereignete sich nichts, was der Erwähnung wert gewesen wäre.« Im Norden nichts Neues – die Römer schienen Herr der Lage zu sein. Hülle und Fülle im Lagerzelt Bevor Varus kam, war über allen Gipfeln des wilden Germaniens Ruh’. Zwar standen die gepanzerten Soldaten aus dem Süden schon geraume Zeit mitten im Gebiet der germanischen Stämme, aber die Besetzten schienen es sich gefallen zu lassen. Cassius Dio hält fest: »Die Römer besaßen zwar einige Teile dieses Landes, doch kein zusammenhängendes Gebiet, sondern wie sie es gerade zufällig erobert hatten, deshalb berichtet auch die geschichtliche Überlieferung darüber nichts. Ihre Soldaten bezogen hier ihre Winterquartiere, Städte wurden gegründet, und die Barbaren passten sich ihrer Lebensweise an, besuchten die Märkte und hielten friedlich Zusammenkünfte ab. Freilich hatten sie auch nicht die Sitten ihrer Väter, ihre angeborene Wesensart, ihre unabhängige Lebensweise und die Macht ihrer Waffen vergessen. Solange sie also nur allmählich und auf behutsame Weise hierin umlernten, fiel ihnen der Wechsel ihrer Lebensweise nicht schwer, ja sie fühlten die Veränderung nicht einmal.« |22|Tatsächlich mögen die Germanen am römischen Luxus Gefallen gefunden haben. Ob die Römer zivilisierter waren als die Stämme des Nordens, sei dahingestellt. Gewiss aber schlug der römische Saus und Braus höhere Wellen als jener der Germanen. Während bei den Barbaren der Met in Strömen floss, genossen die Römer Wein. Die Germanen soffen aus Tonbechern und Kuhhörnern, die Römer nippten an Gläsern. Aber auch auf der wilden Seite des Rheins gab es Extravaganzen, die den Römern die Augen übergehen ließen. Blonde Frauen waren für die südeuropäischen Soldaten so exotisch wie unwiderstehlich. Mancher Germane brach eine Fehde mit dem Nachbardorf vom Zaun, um blonde Kriegsgefangene an die Römer verschachern zu können. Für eine Zeit löste der Handel den Krieg ab. Zwar ritt Tiberius mit seinen Legionen mehrfach durch germanisches Gebiet, zu nennenswerten Zusammenstößen kam es dabei jedoch nicht. Ereignisreicher ging es in den Lagern zu. Allein im Hauptlager Haltern mussten etwa 5 000 Menschen versorgt werden. Im Lager Oberaden verlangten bisweilen sogar 10 000 hungrige Mäuler, frierende Körper und grimmige Geister nach Nahrung, Kleidung, Sold und Unterhaltung. Am Ufer der Lippe lag Schlaraffenland. Hier legten die Frachtschiffe an, die vom Rhein kamen. Sie brachten römisches Kulinarisches in die Lager, Amphoren mit der scharfen Fischsauce Garum; das Allzweckmittel Olivenöl, von den Römern auf Speisen ebenso geschätzt wie auf der Haut, wo es zur Reinigung diente und vor Sonne schützte – ein in Germanien allerdings zu

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