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Der Staat als Zuhälter: Die Abschaffung der reglementierten Prostitution in Deutschland, Frankreich und Italien im 20. Jahrhundert PDF

496 Pages·2016·6.23 MB·German
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MalteKönig DerStaatalsZuhälter Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom | Band 131 Malte König Der Staat als Zuhälter | Die Abschaffung der reglementierten Prostitution inDeutschland,FrankreichundItalienim20.Jahrhundert Die elektronische Version dieser Publikation erscheint seit November 2021 open access. ISBN 978-3-11-046021-6 e-ISBN [PDF] 978-3-11-046233-3 e-ISBN [EPUB] 978-3-11-046048-3 ISSN 0070-4156 Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution-NonCommercial- NoDerivatives 4.0 International Lizenz. Weitere Informationen finden Sie unter http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/. Die Bedingungen der Creative-Commons-Lizenz gelten nur für Originalmaterial. Die Wiederverwendung von Material aus anderen Quellen (gekennzeichnet mit Quellenangabe) wie z.B. Schaubilder, Abbildungen, Fotos und Textauszüge er- fordert ggf. weitere Nutzungsgenehmigungen durch den jeweiligen Rechteinhaber. Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: werksatz · Büro für Typografie und Buchgestaltung, Berlin Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾GedrucktaufsäurefreiemPapier PrintedinGermany www.degruyter.com Inhalt Vorwort|VII Einleitung|1 I DieAbschaffungderreglementiertenProstitution: AusgangslageundVerlaufsskizzen 1 „ReglementierteProstitution“im19.undfrühen20.Jahrhundert|15 1.1 Ausgangslage:Ursachen,Motivation,ZielsetzungderReglementation|15 1.2 Bordellsysteme:Bordellierung,Kasernierung,Sperrbezirke|31 1.3 GesundheitsüberwachungundZwangsbehandlung|42 2 GesetzesinitiativeundGesetzgebung:Verlaufsskizzen|54 2.1 Deutschland|54 2.2 Frankreich|67 2.3 Italien|84 II ParlamentarischeundöffentlicheDebatte: Themen,Faktoren,Argumente 1 Gesundheitspolitik|109 1.1 Lepérilvénérien:GeschlechtskrankheitenalsBedrohung|109 1.2 MythosErbsyphilis|137 1.3 Heilmittel:SalvarsanundPenicillin|142 1.4 DasBordellsystem:SchutzoderInfektionsherd?|152 1.5 DieAbschaffungderReglementierung|184 1.6 Fazit|199 2 Sozialpolitik:ProstitutionundGesellschaft|203 2.1 MännlicherGeschlechtstrieb:dieFragederEnthaltsamkeit|205 2.2 Klassengesellschaft:ProstitutionalssystemstabilisierendesElement|229 2.3 Die„geboreneProstituierte“:VerkommenheitalsSchicksal?|248 2.4 StraßenbildundJugendgefährdung:BordellealsmoralischerSchutzwall?|271 2.5 KorruptionundPressekampagnen:DieEinflussnahmederProfiteure|281 2.6 Fazit|293 VI | Inhalt 3 GeschlechterhierarchieundEmanzipation|297 3.1 FrauenwahlrechtundAbolitionismus|299 3.2 Geschlechterhierarchie:Doppelmoralund Gleichheitsbestrebung|321 3.3 Fazit|335 4 Nationalgefühl,IdentitätundinternationaleEinflüsse|337 4.1 NationalesDenken:SelbstbestätigungundAbgrenzung|339 4.2 Frauenhandel:DiemaisonsdetoléranceimVisierdes Völkerbunds|353 4.3 AufwertungderMenschenrechte:DerEinflussderVereinten Nationen|371 4.4 Kirche,ChristentumundProstitution|382 4.5 Fazit|406 Schlussbetrachtung|410 Riassunto|421 Abbildungsnachweise|425 Tabellenverzeichnis|426 Abkürzungsverzeichnis|427 Quellen-undLiteraturverzeichnis|429 1 UngedruckteQuellen|429 2 GedruckteQuellen|430 3 Zeitschriften|454 4 QuellenimInternet|455 5 Literatur|455 Register|479 1 Personen|479 2 Orte|486 Vorwort Mit der Niederschrift dieses Vorworts schließe ich ein Thema ab, das mich in den vergangenenJahreninjederHinsichtgutunterhaltenhat–finanziellwieintellektuell. Es hat mir eine Assistentenstelle und Stipendien eingetragen; aber es zwang mich auch,Wissenanzuhäufenundzuorganisieren,vondemichnichtahnte,eswissen zuwollen.EshandeltsichbeidiesemBuchumdieHabilitationsschrift,fürdiemir die Universität des Saarlandes am 11.Dezember2014 die Venia legendi für Neuere undNeuesteGeschichteverliehenhat. An erster Stelle möchte ich Gabriele B. Clemens danken, die das Projekt nicht nurmitSympathieundgroßemInteressebegleitethat,sondernmichdurchdieBe- schäftigung an ihrem Saarbrücker Lehrstuhl überhaupt erst in die Lage versetzte, es bearbeiten zu können. Frau Clemens regte überdies an, die deutsche Debatte als Vergleichsfall hinzuziehen–die mit Abstand wichtigste Entscheidung, als sich dasProjektnochinderKonzeptionsphasebefand.ErstdadurchkameszuderVer- schränkungeinessynchronenmiteinemdiachronenVergleich.Nichtmissenmöchte ichaußerdemdiePrägung,dieichdadurcherfuhr,FrauClemensknappsiebenJahre beiderLeitungihresLehrstuhlszuassistieren. AlsgroßesGlückhabeichesauchempfunden,anderUniversitätdesSaarlandes in einem Team mit Doris Kurz zu arbeiten, die oft mit leichter Hand Lösungen für Probleme fand, über die ich gerade erst nachzudenken begann. Die Zeit, die ich dadurcheinsparte,habenwirinGesprächendannwiedervertan. Den ersten Hinweis auf das Thema erhielt ich 1998 von Giuseppe Fortezza, der mirseineErinnerungenandieöffentlicheAuseinandersetzungumdieLeggeMerlin erzählte. Zufällig befand ich mich just in dem Augenblick in Rom, als sich die In- kraftsetzungdesGesetzeszumvierzigstenMaljährte.Ohneeszuwissen,finanzierte Gertrud Vierschilling einige Jahre später den Start des Projekts, als sie ein Konto auflöste, um es auf ihre Großnichten und -neffen zu verteilen. Dankbar schrieb ich ausRom,dasgesamteGeldindieitalienischeProstitutioninvestiertzuhaben. GroßzügigfieldiefinanzielleUnterstützungaus,dieich2012vondenDeutschen HistorischenInstituteninRomundPariserhielt,ummeinForschungsprojektvorOrt voranzutreiben.MeinDankgiltinsbesonderedendamaligenDirektorenMichaelMa- theusundGudrunGersmann,unterderenLeitungmeineAnträgebewilligtwurden, sowie den zuständigen Referenten Lutz Klinkhammer und Stefan Martens. Erst als diebeidenInstitutemirdieMöglichkeitgaben,michüberMonateungestörtderita- lienischen und französischen Archiv- und Bibliothekslandschaft zu widmen, nahm dieStudieForman. Zu großem Dank verpflichtet bin ich meinen Freunden und Kollegen, die sich bereiterklärtenodernichtzuwehrenwussten,einzelneKapitelKorrekturzulesen: KatharinaReinholdt,JustusNipperdey,JensNeumann-Schliski,RainerMöhler,Frank Hirsch,JohannesGroßmann,HansJoachimDreierundGabrieleB.Clemens.Geson- VIII | Vorwort dert erwähnt werden muss mein Vater Michael König, der es auf sich nahm, das gesamteManuskriptaufFehlerdurchzusehen. Auftrieb gegeben hat mir stets das Staunen guter Freunde wie Carsten Krettek und Roberto Cauda, die es nicht fassen konnten, dass ich für die Durchführung dieses Projekts bezahlt werde. Einen enormen Vertrauensvorschuss erfuhr ich von Jule Neumann, die zu meiner Verwunderung die Dissertation von Lutz Sauerteig besaß und leichtsinnig genug war, ihr Exemplar gegen ein ungeschriebenes Buch einzutauschen.Ichfreuemich,denTauschendlichabschließenzukönnen. In zahlreichen Kolloquien hatte ich Gelegenheit, mein Projekt zur Diskussion zu stellen–was mich stets um neue Fragen und Perspektiven bereicherte. Für die jeweiligeEinladungundOrganisationdankeichLutzRaphael(Trier),ChristofDipper undOliverJanz(AGItalien,Berlin),PetraTerhoeven(Göttingen),MartinBaumeister (DHIRom),FabianLemmes,ManuelBoruttaundReginaSchulte(Bochum),Andrea D’Onofrio (Siscalt, Loveno di Menaggio), Christoph Cornelißen und Andreas Fahr- meir(Frankfurta.M.)undnichtzuletztdemInstitutskolloquiumderUniversitätdes Saarlandes. FürAuskünfteundHilfestellungenwährendderRecherchendankeichAntonietta Pensiero (Biblioteca del Ministero della Salute), Bettina Kretzschmar, Gilberto Cor- bellini,ChristianJaser,AlessandraParodi,StephanGeifes,MichelPratundAnthony Lorry(Muséesocial),ThomasStellerundAgnesTartié(BAVP). WertvolleHinweisezurVerbesserungderStudieerhieltichdesWeiterenausGut- achten und Empfehlungsschreiben beziehungsweise dem damit verbundenen Aus- tausch.BedankenmöchteichmichhierfürbeiClemensZimmermann,DietmarHüser, ChristianJansen,GabrieleB.ClemensundChristofDipper. Dank gebührt schließlich Christoph Cornelißen, der mir nach Abschluss des Habilitationsverfahrens eine Stelle an der Goethe-Universität Frankfurt a.M.anbot, aufderichmichnichtnurweiterqualifizierendurfte,sondernauchZeiterhielt,das ManuskriptindievorliegendeFormumzuarbeiten. MartinBaumeister,gegenwärtigDirektordesDeutschenHistorischenInstitutsin Rom,regtean,dasManuskriptfürdie„BlaueReihe“prüfenzulassen.Ichdankeihm fürdasgezeigteInteresseundfreuemich,dassdasBuchindieInstitutsreiheaufge- nommenwurde.DennobwohlFrankreichundDeutschlandinderStudiegleichwertig behandelt werden, nahm das Projekt doch seinen Ausgang in Italien. Ich kann mir fürdiePublikationdaherkeinenpassenderenOrtvorstellenalsdie„Bibliothekdes DeutschenHistorischenInstitutsinRom“. Fürdasumsichtige,sorgfältigeLektoratdankeichKordulaWolf. GewidmetseidasBuchMariaRitaCiurcina.Ihrabersageichpersönlich,wofür ichDankschulde. Berlin,14.Februar2016 Einleitung „Findeteuchendlichdamitab!“,schreitTotòamEndedesFilms„Arrangiatevi!“aus demFensterundfährtmitüberschlagenderStimmediePassantenan: „Falls ihr einen Ratschlag haben wollt..., lasst uns diese alten Sehnsüchte begraben. Nicht nurunzivilisiertistdas,sondernsinnlos.Siehabensiegeschlossen!EuchItalienernistdiese fixe Idee geblieben, hier. Befreit euch davon! Sie haben sie geschlossen! Findet euch damit ab!“¹ Angesiedelt im Jahr 1958, nimmt die Komödie direkten Bezug auf die Legge Mer- lin–das Gesetz, welches im Herbst selben Jahres die Abschaffung der staatlich li- zenzierten Prostitution veranlasste. Nachdem seine Familie unwissentlich ein ehe- maliges Bordell bezogen hat–weiträumig, elegant und spottbillig–, platzt Totò in der Rolle des Großvaters schließlich der Kragen. Unzählige, nicht enden wollende Missverständnisse mit Nachbarschaft und einstiger Klientel stören permanent den Hausfrieden und rücken die neuen Bewohner in ein ungünstiges Licht. Vergeblich pochtderGroßvateraufdieZäsur,diedasGesetzmarkierthat,seineWorteverklingen indenStraßenRoms. Die „Welt von Gestern“ hingegen nannte Stefan Zweig sein letztes Werk–ein Buch, das mehr sein sollte als eine Autobiographie: Ein Portrait seiner Zeit strebte derSchriftstelleran,einGroßgemäldeeinervergangenenEpoche.²DenBordellenkam darin ein besondererPlatz zu. Vonder immensen Verbreitung,welche die Prostitu- tionbiszumWeltkrieginEuropaerfahrenhätte,habedie„gegenwärtigeGeneration kaummehreineVorstellung“,hießesinder1942publiziertenSchrift.Dieverklemmte SexualmoralgehörteZweigsWahrnehmungnachebensoeinerfernenVergangenheit anwiedasstaatlichkonzessionierteBordellsystem.³DassderÖsterreichermitdieser Feststellung jedoch allenfalls den deutschsprachigen Raum beschrieb, verdeutlicht die eingangs zitierte Filmpassage. Und Italien war nicht die einzige Welt, in der Zweigs„Gestern“zumZeitpunktseinesTodesnochGegenwartwar.Derfranzösische RegisseurClaudeLanzmann–bekanntdurchseineFilmdokumentation„Shoa“–be- schreibtinseinenMemoiren,wieihmalsZwanzigjährigemvonVaterundStiefvater einBesuchdesPariserSphinxspendiertwurde.Nichtgenug,dassbereitsseinLeh- reröffentlichvonder„abstrahiertenLiebe“geschwärmthatte,seine„beidenVäter“ begleiteten den jungen Mann 1945 in das kostspieligste Haus der Stadt und warte- 1 „Arrangiatevi!“(Italien,1959),Regie:MauroBolognini;vgl.Poppi,Dizionariodelcinemaitaliano, S.47.TotòinderRolledesGroßvaters:„Elovoleteunconsiglio,militariecivili,piantiamolaconqueste nostalgie!Oltrecheincivile,èinutile!Oramailihannochiusi!Avoiitalianièrimastoquestochiodo fisso,qui.Toglietevelo!Oramailihannochiusi!Arrangiatevi!“. 2 Vgl.Matuschek,StefanZweig,S.10u.341. 3 Vgl.Zweig,WeltvonGestern,S.70–91,insbesondereS.84–88. 2 | Einleitung ten im Restaurant auf ihn, nachdem er unter ihren „gerührten Blicken“ von einem MädchenindieoberenEtagengeführtwordenwar.⁴EinederletztenGelegenheiten: WenigeMonatespätersolltedasSphinxschließen,imZugederLoiRichardverloren diefranzösischenHäuser1946ihreLizenzen. MitderspätenSchließungihrermaisonsdetolérancebildetenItalienundFrank- reichfastdasSchlusslichtEuropas.Deutschlandhatteschon1927dieAufhebungder reglementierten Prostitution veranlasst; zwanzig bis dreißig Jahre früher war hier der Entschluss gereift, das Bordellsystem nicht länger zu dulden. Wie aber kam es zu dieser Diskrepanz, worauf gründete sie sich? Waren es rationale Motive, lokal bedingte,oderdieMentalität,diedieWeimarerRepublikvondenMittelmeerländern unterschied?HandelteessichumZufall?AuswelchenGründenhatteesüberhaupt staatlichlizenzierteProstitutiongegeben,undwassprachim20.Jahrhundertfürihre Abschaffung?UnübersehbaristindiesemPunktderUnterschiedzwischenDeutsch- landunddenzweiromanischenNationen,daswecktdieNeugier.Dochhinterfragen sollte man auch die scheinbare Parallelität der Ereignisse in Frankreich und Ita- lien. Reagierten die beiden Nationen auf Gleiches gleich? Lag nicht zwischen ihren BeschlüssenebenfallseineDifferenzvonüberzehnJahrenvor:Warum? 1 Forschungsüberblick Eine länderübergreifende, wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Gesamtdar- stellungzurAbschaffungderReglementationgibtesnicht;⁵einVergleichderdeut- schen,französischenunditalienischenDebatteliegtnichtvor. Lokale Untersuchungen hingegen greifen das Thema auf, zumeist aber mit ab- weichender Schwerpunktsetzung. In Italien etwa hat sich zuletzt Sandro Bellassai intensiv mit der Legge Merlin befasst, dabei jedoch vornehmlich den genderspezi- fischen Subtext der Diskussion analysiert, was in Darstellung und Bewertung der Gesetzesinitiative zu Schieflagen führt. Nicht die Argumentation als Ganze wird in seiner Arbeit untersucht, sondern die Art und Weise, wie sich der Wandel des Ge- schlechterverhältnisses in der Diskussion widerspiegelt. Faktoren und Argumente, diediesbezüglichkeineInformationenliefern,vernachlässigter.⁶WährenddieAuf- sätze von Vittoria Serafini und Molly Tambor das Thema nur oberflächlich abhan- 4 Lanzmann,Hase,S.178f. 5 ZwarsindunzähligeWerkezurGeschichtederProstitutionerschienen,aberdiesesindstetsall- gemeingehaltenundberührendieDebattenumdieAbschaffungderReglementierung–wennüber- haupt–nuramRande.Vgl.z.B.Maugère,Politiquesdelaprostitution;Ringdal,Weltgeschichteder Prostitution;Servais/Laurend,Histoireetdossierdelaprostitution;Sicot,WeltphänomenProsti- tution. 6 Bellassai,Leggedeldesiderio;ders.,MondosenzaWanda;vgl.zumerstgenanntenWerkmeine Rezensionin:QFIAB88(2008),S.762–764.

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