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Der Spiegel - 14 11 2020 PDF

177 Pages·2020·24.02 MB·English
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Preview Der Spiegel - 14 11 2020

Nr. 47 / 14.11.2020 Deutschland € 5,50 BeNeLux € 6,60 Finnland € 8,50 Griechenland € 7,30 Norwegen NOK 89,– Portugal (cont) € 6,90 Slowenien € 6,70 Spanien/Kanaren € 7,20 Ungarn Ft 2750,- Printed Dänemark dkr 59,95 Frankreich € 7,– Italien € 7,50 Österreich € 6,20 Schweiz sfr 8,10 Slowakei € 7,– Spanien € 7,– Tschechien Kc 200,- in Germany Zurück in die Zukunft Wie viel Obama wagen Biden und Harris? EXKLUSIVER VORABDRUCK »Trump war völlig hemmungslos« Barack Obamas Memoiren Das Geheimnis der Immunabwehr Was gegen Corona und Co. helfen kann Beilage Finanzen und Liebe by Mercedes-Benz Die neue S-Klasse 1 Solange die GigaKombi mit einem DSL/Kabel-Tarif (z. B. Red Internet & Phone Cable für monatlich 19,99 € in den ersten sechs Monaten und anschließend 39,99 €) besteht, bekommst Du einen monatlichen Rabatt auf Deine Mobilfunk-Rechnung, im Tarif Red M erhältst Du 10 € pro Monat. Endet Dein Festnetz- oder Mobilfunk-Vertrag oder wechselst Du in nicht berechtigte Tarife, entfallen alle GigaKombi-Vorteile und -Gut- schriften automatisch. 2 Aktion bis 30.11.2020: Wenn Du die GigaKombi in Verbindung mit einem Tarif Red M oder Red L ab dem 03.11.2020 und einem berechtigten Internet & Phone-Tarif neu buchst, bekommst Du jeden Monat unlimitiertes Datenvolumen fürs Surfen mit dem Smartphone, solange beide Verträge laufen. Mit Deinem aktuellen Red M- oder Red L-Tarif in der GigaKombi kannst Du im EU-Ausland sorgenfrei in Deinem Red M-Tarif mit 23 GB, in Deinem Red L-Tarif mit 43 GB surfen. Anbieter ist in NRW die Vodafone NRW GmbH, in Hessen die Vodafone Hessen GmbH & Co. KG, in BW die Vodafone BW GmbH, alle Aachener Str. 746 – 750, 50933 Köln und in allen übrigen Bundesländern die Vodafone Kabel Deutschland GmbH, Betastr. 6 – 8, 85774 Unterföhring (in den Fußnoten jeweils „Vodafone� genannt). Kombiniere einen neuen Red-Mobilfunkvertrag mit Deinem Vodafone-Festnetz. + Die neue GigaKombi Unlimited: 2 Red M mtl. nur 39 � 1 5 DER SPIEGEL Nr. 47 / 14. 11. 2020 Mit Joe Biden, dem Sieger der amerikanischen Präsidentschafts- wahl, zieht das Vermächtnis eines Mannes ins Weiße Haus ein, der Geschichte geschrieben hat: Barack Obama. In der kommen- den Woche erscheinen Obamas Memoiren, der SPIEGEL druckt exklusiv einen Auszug in dieser Ausgabe. Der erste schwarze US-Präsident rechnet darin auch mit Donald Trump ab, der viele Lügen über ihn verbreitete und alles daransetzte, Obamas poli- tische Erbe auszulöschen. Kann nun Biden, Obamas ehemaliger Vizepräsident, dieses Erbe retten? SPIEGEL-Redakteur René Pfister recherchierte dazu etwa in der Demokratischen Partei. »Die Wahl Bidens ist ein Hoffnungsschimmer für Amerika und die Welt«, sagt Pfister. »Aber Biden hat es ungleich schwerer als Obama. Er hat eine Republikanische Partei im Senat gegen sich, die sich nichts mehr wünscht als sein Scheitern.« Seiten 12, 20 Seit dem ersten Verhandlungstag im Juni begleitet SPIEGEL-Reporterin Julia Jüttner den Prozess um das Attentat auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Es war wohl der erste rechtsterroristisch motivierte Mord an einem Politiker in der Geschichte der Bundesrepublik. Ebenfalls oft im Saal 165C des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main: die Witwe des Opfers, die beiden Söhne. Der Prozess belaste die Fa- milie sehr, beobachtet Jüttner. Die Aussagen des Haupt- täters seien widersprüchlich, der Mitangeklagte wurde aus der Haft entlassen, und Versäumnisse des hessi- schen Verfassungsschutzes würden im Gerichtssaal nicht thematisiert. »Trotzdem hoffen die Angehörigen auf Aufklärung«, sagt Jüttner, »sie wollen wissen, wem Lübcke in den letzten Sekunden seines Lebens in die Augen sah.« Seite 52 Ein heruntergekommener Hafenschuppen, in dem 2750 Tonnen hochexplosives Ammoniumnitrat lagerten, dazu Feuerwerkskörper, Zündschnüre, Kerosin und Autorei- fen – diese perfekte Superbombe verwüstete am 4. Au- gust weite Teile Beiruts, sie tötete 200 Menschen und machte Zehntausende obdachlos. Der Libanon gilt schon lange als dysfunktionaler Staat. Aber wie die tödliche Mischung aus Gier und Korruption genau funktioniert, hat SPIEGEL-Reporter Christoph Reuter zusammen mit seinem Kollegen Uwe Buse und den SPIEGEL-Mitarbei- tern Thore Schröder und Hani Alagbar über Wochen in Beirut recherchiert. »Die Explosion war das Tschernobyl des Libanon«, so Reuter. »Aber während der Reaktor- unfall in Tschernobyl die Sowjetunion nachhaltig er - schütterte, dürfte das korrupte System des Libanon die Hafenkatastrophe schadlos überstehen.« Seite 60 Wie planen Paare sinnvoll ihre Finanzen? Was ist beim gemeinsa- men Immobilienkauf zu beachten, was bei Familiengründung oder Scheidung? Diese und andere Vermögensfragen beantwortet das Finanzmagazin SPIEGEL GELD, das der Inlandsauflage dieses Hef- tes beiliegt. Außerdem klärt SPIEGEL GELD, wie grün nachhaltige ETFs wirklich sind, vergleicht die Vor- und Nachteile von Neukauf, Auto-Leasing und Carsharing – und verrät, wie man am Black Friday echte Schnäppchen macht. Privat Pfister Der Spiegel Reuter in Beirut Hausmitteilung Betr.: Obama-Memoiren, Lübcke-Prozess, Beirut, SPIEGEL GELD Das deutsche Nachrichten-Magazin www.buchaktuell.de Die „Bücher-Weihnacht“ finden Sie in den kommenden Tagen sowohl in Ihrer Tages - zeitung als auch in vielen Buch handlungen vor Ort! Hintergründe: © pikisuperstar; Elemente: © BiZkettE1 / Freepik O. SCHMITT/ SPIEGEL ONLINE Jüttner 6 DER SPIEGEL Nr. 47 / 14. 11. 2020 Titel US-Regierung Joe Biden und Kamala Harris wollen Barack Obamas Erbe verteidigen – aber sie haben noch viel schwie- rigere Aufgaben vor sich . . . . 12 USA Exklusiver Vorabdruck aus den Memoiren Obamas über die Jahre seiner Präsidentschaft . . . . . . . 20 Deutschland Leitartikel Impfstoff und Bidens Sieg – neue Hoffnung für die Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Scheuer-Dienstflüge nach Bayern / Ausfall von Sprach- tests blockiert Ehegatten - nachzug / Universitäten beschäftigen viele Mitarbeiter nur befristet / Der gesunde Menschenverstand / So gesehen: Team Ich . . . . . . . 26 Krisenpolitik Bund und Länder haben es versäumt, sich im Som- mer gut auf die zweite Welle der Pandemie vorzubereiten 32 Karrieren Justizministerin Christine Lambrecht erklärt im SPIEGEL-Gespräch, warum sie nicht mehr für den Bundestag kandidiert . . . . . . . 38 CDU Generalsekretär Paul Ziemiak hat sich zum Krisenmanager entwickelt 42 Europa EU-Parlamentarier Peter Liese kämpft auch als Arzt gegen die Pandemie . . . 44 Extremismus Der Hamburger Verfassungsschutzchef Torsten Voß sieht bei den Corona- Protesten Anzeichen einer extremistischen Bewegung 45 Infrastruktur Die Autobahnen sind in miserablem Zustand – ab Neujahr soll vieles besser werden . . . . . . . . 46 Strafjustiz Hat der mutmaßliche Mörder von Walter Lübcke seine rechte Gesinnung wirklich überwunden? . . . . . . 52 Migration Warum ein Syrer mitten in Berlin einen Mann mit Macron-Maske fesselte und schlug . . . . . . . . . . 55 Hasskommentare Wie eine junge Jägerin sich der Hetze im Internet widersetzte . . . . . 56 Reporter Familienalbum / Helfen Ferienunterkünfte, die Wohnungsnot zu lindern? . . . 58 Eine Meldung und ihre Geschichte Darf man einen Löwen töten, weil er unfruchtbar ist? . . . . . . . . . . 59 Versagen Wie ein Land an sich selbst scheitert – Rekonstruktion der Explosionskatastrophe von Beirut . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Kolumne Neuwelt . . . . . . . . . . . 66 Wirtschaft Finanzminister Scholz muss mehr Schulden machen / Sind Wohnmobile der Erwin Hymer Group zu schwer? . . . 68 Innovationen Schafft das Mainzer Start-up Biontech den Sprung an die Weltspitze? . . . . . . . . . . . 70 Tourismus Warum der TUI-Chef Friedrich Joussen eine schnelle Rückkehr des Reise geschäfts für möglich hält . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Justiz Um das Erbe des verstorbenen Medienmagnaten Leo Kirch ist ein schmutziger Streit entbrannt . . . . . . . . . . . . . 76 Inhalt 74. Jahrgang | Heft 47 | 14. November 2020 Zu sorglos im Sommer In den warmen Monaten hat die Politik die Corona-Bekämpfung schleifen lassen – das rächt sich nun: Testlabors sind überlastet, Schulen unvor bereitet, Gesundheitsämter können eine dringend benötigte Software nicht nutzen. Seite 32 Gordon Welters RYAN PFLUGER / NYT / REDUX / LAIF Bebeto Matthews / AP Wie viel Obama vertragen die USA? Die Wahlsieger Joe Biden und Kamala Harris stehen vor einer gewaltigen Aufgabe. Sie müssen ein gespaltenes Land einen – und wollen zugleich Barack Obamas Politik fort führen. Dazu ein exklusiver Vorabdruck von Obamas Autobiografie. Seiten 12, 20 7 Titelfoto [M]: Chandan Khanna / AFP; Tony Cenicola / The New York Times / Redux / laif; Mark Peterson / Redux / laif Immunologie Der erste Corona- Impfstoff steht kurz vor der Zulassung – mit der Technologie lassen sich wohl auch Mittel gegen Krebs entwickeln . . . 108 Gesundheit So stärkt man sich auch gegen das Coronavirus . . . . . . . . . . . . . . . 110 Tiere Dank neuer Technik kommen Forscher den gefürch- teten Weißen Haien vor der US-Ostküste nah wie nie . . . 118 Archäologie Forscher streiten um die rätselhafte Himmels - scheibe von Nebra . . . . . . . . . 120 Kultur Anselm Kiefer würdigt Weltkriegsopfer / Architektur atlas zeigt deutsche Spitzenbauten . . . . . . . . . . . . . . 124 Zeitgeist Was ist schief - gegangen in den USA? Eine Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Essay Sex und Macht – die US-Schriftstellerin Rachel Kushner über Donald Trump Jr und seine Freundin Kimberly Guilfoyle . . . . . . . . 130 Schauspieler SPIEGEL- Gespräch mit Lars Eidinger über Leiden und Leidenschaft und die Fernseh- fassung von »Gott« . . . . . . . . 132 Serien Diana, Camilla und Margaret Thatcher in »The Crown« . . . . . . . . . . . . . . 136 Fernsehkritik Das ZDF hat den Bestseller »Altes Land« verfilmt . . . . 139 Heinz Gebhardt / MUENCHENFOTO.DE Sanierungsfall Autobahn Baustellen, Staus, gesperrte Brücken: Deutschlands Autobahnen sind ein Sanierungsfall. Der Bund nimmt deshalb den Ländern jetzt das Management ab. Doch wird es die neue Organisation wirklich besser können? Seite 46 Impfstoffe für Milliarden Die deutsche Biotech-Branche war bisher chronisch unterfinanziert. Gelingt Uğur Şahin und Özlem Türeci vom Mainzer Unternehmen Biontech nach dem Durchbruch beim Corona- Impfstoff der Weg an die Weltspitze? Seite 70 Fehde um den Letzten Willen Leo Kirch galt als mächtigster Medientycoon der Republik. Trotz der Pleite seiner Firma rettete die Familie ein gigantisches Vermögen. Um das Erbe tobt seit Jahren ein Streit, der nun den Baye rischen Verfassungsgerichtshof erreicht hat. Seite 76 Felix Schmitt / Agentur Focus Skandale Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek pflegte enge Beziehungen zum früheren Chef des libyschen Geheimdienstes . . . 82 Ausland Militärische Eskalation in Äthiopien / Inhaftierte Frauen- rechtlerin in Saudi-Arabien 84 Österreich Kanzler Sebastian Kurz ist Europas Unruhe - stifter – was treibt ihn an? . . . 86 Syrien Wie sich der grausame Assad-Clan seit 50 Jahren an der Macht hält . . . . . . . . . . . 90 Analyse Russland und die Türkei nutzen den Konflikt um Berg - karabach für ihre Zwecke . . . . 93 Frankreich SPIEGEL-Gespräch mit Historiker Julian Jackson über Charles de Gaulle, den Prototyp eines Präsidenten 94 Sport Welche Vereine die meisten Top- spieler ausbilden / Wann endet die russische Dopingaffäre? 99 Missbrauch Staatsanwälte ermitteln gegen mehrere Box- trainer wegen des Verdachts sexualisierter Gewalt . . . . . . 100 Psychologie Der Psychiater Tobias Freyer über den Corona-Frust der Sportler 102 Fußball Droht Joachim Löws Nachwuchsprojekt zu scheitern? . . . . . . . . . . . . . . . 104 Wissen Ausgebremste E-Bikes / Lösun- gen für den Schul-Lockdown / Analyse: Warum die Ver - teufelung grüner Gentechnik der Umwelt schadet . . . . . . . . 106 SPIEGEL-TV-Programm . . . . . . 135 Bestseller . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Impressum, Leserservice . . . 140 Nachrufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Personalien . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Hohlspiegel / Rückspiegel . . . 146 1976 Kraftstoffverbrauch in l/100 km: kombiniert zwischen 4,2 und 4,1; CO₂-Emission in g/km: kombiniert zwischen 109 und 107; Effizienzklasse: A+. Abbildung zeigt Sonderausstattungen gegen Mehrpreis. Jede Menge Platz für mehr Komfort Der neue Arteon Shooting Brake Großzügige Beinfreiheit, ein geräumiger Gepäckraum und stilvolle Akzente im Interieur: Erleben Sie im neuen Arteon Shooting Brake Komfort bis ins kleinste Detail – oder für große Momente. So wird sich jede Fahrt nach mehr anfühlen. Mehr als beeindruckend. volkswagen.de 10 Der doppelte Lichtblick Leitartikel Bidens Wahlsieg und der Impfstoff zeigen: Die Menschheit ist weder Demagogen noch Pandemien ausgeliefert. Sie hat ihr Schicksal selbst in der Hand. A ls Krisenjahr wird 2020 sowieso in die Welt - geschichte eingehen, der November aber begann besonders schrecklich: Die Infiziertenzahlen stiegen weltweit, neue Shutdowns begannen. In Wien setzte sich die neue Welle des islamistischen Terrors in Europa fort, und dann sah es auch noch danach aus, als könnte Donald Trump die US-Wahl gewinnen. Aus Sicht vieler Amerikafans in den Partnerländern eine fürch- terliche Nachricht, sie hatten auf den Vorsprung von Trumps Herausforderer Joe Biden in den Umfragen gehofft. Unzählige Deutsche verfolgten die US-Wahl, als hinge vom Ausgang ihr Leben ab, und so ist es ja auch: Was in den USA, in China, in Nah- ost passiert, wirkt sich unmit- telbar in Europa aus. Auch die Pandemie hat das gezeigt. Doch dann kamen, im Abstand von zwei Tagen, gute Nachrichten. Die erste: Biden wurde zum Sieger erklärt, an seiner Seite Kamala Harris als erste Frau auf dem Posten der Vize - präsidentin, die erste Person of Color. Das war der Sams- tag. Auf den Bildschirmen waren US-Amerikaner zu sehen, die »I can breathe« riefen, auf Deutsch: Ich kann atmen, ich atme auf. Das Gegenteil, »I can’t breathe«, hatte im Mai der sterbende George Floyd gefleht, als ein Polizist auf seinem Hals kniete. Am Montag traf die zweite gute Nachricht ein: Nach Monaten, in denen die Menschheit der Pandemie wenig entgegenzusetzen hatte, verkündete die deutsche Firma Biontech gemeinsam mit dem US-Pharmakonzern Pfizer einen Durchbruch in der Impfstoffentwicklung. Was folgt politisch aus diesen Glücksmomenten? Erst einmal: Bidens Sieg und der Erfolg beim Impfstoff zeigen, dass wir dieser Welt nicht ausgeliefert sind. Wir können Wendungen herbeiführen, können die Welt gestal- ten. Die menschengemachte Klimakatastrophe zum Bei- spiel könnte abgemildert werden, wenn Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ähnlich entschlossen an dieses Thema herangingen. Sobald die Dinge einmal in die falsche Richtung gelaufen sind, ist es mühsam, sie zu wenden, in manchen Regionen der USA haben Wähler Hindernisse überwinden müssen, um ihre Stimme abzugeben. Und dass ein wirksamer Impf- stoff sich leicht finden lässt, würde niemand behaupten. Es bleibt ja auch kompliziert. Trump erkennt den Sieg seines Kontrahenten nicht an, ein gewisser Teil des ameri- kanischen Volkes wird weiterhin glauben, die Wahl sei gestohlen worden, mit verheerenden Folgen für Demokra- tie und Zusammenhalt in den Vereinigten Staaten. Und selbst wenn wir jetzt einen Impfstoff bekommen sollten, wird die Pandemie uns noch monatelang begleiten, es wird Verteilungskämpfe geben. Keine Entwarnung also, nur Hoffnungsschimmer. In den vergangenen Monaten hatte sich wieder eine Sehn- sucht nach den Zeiten vor der Globalisierung geregt, als sich noch nicht so stark auf dem einen Kontinent auswirkte, was auf dem anderen passier- te. Doch die Wendungen der vergangenen Tage wären ohne die Globalisierung nicht zu haben gewesen. Eine Er - lösung von der Komplexität gibt es nicht, denn gerade in der Komplexität liegen Lösungsansätze. Das Identifikationspoten- zial zum Beispiel, das von einem alten, weißen Mann und seiner jüngeren, weib - lichen Vize mit jamaika - nischen und indischen Wur- zeln ausging, war groß genug, um Trump abzuwäh- len. Die Erforschung eines Impfstoffs gelang durch internationale Vernetzung. Ein deutschtürkisches Ehepaar hat Biontech gegründet, ein US-Pharmakonzern stellt sicher, dass Hunderte Mil lionen Dosen verfügbar sind. Das zeigt, wie nützlich Diversität ist. Die Auswüchse der Globalisierung, die Arroganz ihrer Gewinner, der Eliten, müssen hingegen ein Ende haben. Elitedenken hat den Trumpismus hervorgebracht, der auch seine berechtigten Argumente hat, zum Beispiel dieses: dass die Gegenseite sich zwar gern für Diversität einsetze, aber schön unter sich bleibe, in den Milieus der Großstädte, der international Vernetzten. Diversität gilt für alle. Wenn wir davon ausgehen, dass die Fragen, die sich aus der Komplexität der Welt ergeben, nur komplex beantwortet werden können, dann braucht es das Wissen aller, das der Arbeiter und, ja, auch das der alten, weißen Männer. Lichtblicke muss sich die Menschheit erarbeiten, oft geben wir alles, und die Erfolge stellen sich trotzdem nicht ein. Aber wie viel leichter ist das Weitermachen, wenn es sie dann doch gibt. Und gleich zweimal. Susanne Beyer Das deutsche Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL Nr. 47 / 14. 11. 2020 Carolyn Kaster/ AP Tetra Images / Getty Images

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