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Der Sinn im Nein und die Gabe des Gesprächs. Psychoanalytisches Verstehen zwischen Philosophie und Klinik PDF

389 Pages·2022·1.2 MB·German
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Die Psychoanalyse ist eine negative Theorie des Subjektes; sie be- s Joachim Küchenhoff h schreibt, was das Subjekt hindert, sich selbst zu erkennen und mit c ä sich einig zu sein. Die Psychoanalyse schlägt nicht vor, wie die r Person, die in die Analyse kommt, letztendlich zu sein habe. Sie p s befasst sich mit den Behinderungen von Subjektivität, nicht mit e Der Sinn im Nein G deren positiven Ausformungen. Sie hört schließlich auch dort ein Nein, einen Widerstand oder einen Widerspruch, wo alle subjek- s e tiven Lebensäußerungen stillgestellt zu sein scheinen. d und die Gabe des Gesprächs e Aber sie ist auch interessiert an allen drei klassischen Aspekten b der Negativität, die Leibniz als den Mangel, das Leiden und das a G Böse bezeichnet hat. Sie untersucht das Negative auf seine zer- störerische Kraft hin, aber auch auf sein Entwicklungspotential. e Psychoanalytisches Verstehen i Daher sind philosophische Konzeptionen der Negativität für die d psychoanalytische Theoriebildung und die theoretische Fundie- d zwischen Philosophie und Klinik n rung ihrer Praxis besonders wichtig geworden. u n »(...) Joachim Küchenhoff vermag in seiner umfassenden und zugleich i e berührenden Untersuchung ›Der Sinn des Nein und die Gabe des Ge- N sprächs‹ psychoanalytisches Verstehen zwischen Philosophie und Klinik m in höchstem Masse deutlich zu machen und zur Klärung beizutragen.« i Walter Prankl n n i S Joachim Küchenhoff ist Professor für Psychiatrie und Psychotherapie r sowie Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. e D • Bei Velbrück Wissenschaft erschienen: Der Sinn im Nein und ff die Gabe des Gesprächs (2013); veröffentlicht mit Emil Angehrn: o Die Vermessung der Seele (2009), Macht und Ohnmacht der Spra- h n che (2012), Die Arbeit des Negativen (2013), Erwartung; Selbst- e täuschung; Das unerledigte Vergangene (2015), Selbsttäuschung h (2017), Erwartung (2019). c ü K T www.velbrueck-wissenschaft.de F KA CH ISBN 978-3-95832-325-4 ÜC RS BN VELBRÜCK LE ES VS WISSENSCHAFT WI Joachim Küchenhoff Der Sinn im Nein und die Gabe des Gesprächs 1 Joachim Küchenhoff Der Sinn im Nein und die Gabe des Gesprächs Psychoanalytisches Verstehen zwischen Philosophie und Klinik 2 Joachim Küchenhoff Der Sinn im Nein und die Gabe des Gesprächs Psychoanalytisches Verstehen zwischen Philosophie und Klinik VELBRÜCK WISSENSCHAFT 3 © Velbrück Wissenschaft, Weilerswist 2022 © Velbrück Wissenschaft, Erste Auflage 2013 www.velbrueck-wissenschaft.de Printed in Germany ISBN 978-3-95832-325-4 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Dieses Buch ist im Verlag Humanities Online (www.humanities-online.de) als E-Book erhältlich. 4 Inhalt Einleitung ........................................... 7 teil i grundlagen 1. Der Wandel psychoanalytischer Therapiekonzepte. Klinische Herausforderungen und methodischer Fortschritt .. 19 2. Transdisziplinäre Erkundungen zwischen Psychoanalyse und Kulturwissenschaften und Philosophie............... 40 teil ii das analytische gespräch auf der suche nach dem sinn 3. Mitspieler und Kritiker. Die kritische Hermeneutik des psychotherapeutischen Gesprächs................... 51 4. Das psychoanalytische Gespräch als Austausch von Worten oder als Gabe ........................... 68 5. Die Negativität des Symptoms und die Schwierigkeiten, Nein zu hören..................................... 91 6. Perspektiven produktiver und destruktiver Negativität...... 109 teil iii liebe und tod in der psychoanalyse 7. Tertium datur. Zur dialektischen Vermittlung von Eros und Thanatos in der Anerkennung von Differenz...... 121 8. Erotik und die Anerkennung des Anderen. Die Liebesbeziehung aus der Sicht der Psychoanalyse. Aktuelle und geschichtliche Perspektiven ................ 142 teil iv verstehen von bildern, verstehen durch bilder 9. Über das Verstehen-wollen. Hermeneutische Grundpositionen der Psychoanalyse und die documenta 13................ 157 10. Sprachbilder und Bildersprache. Über die Berechtigung, von inneren Bildern zu sprechen – Psychoanalytische Reflexionen ........................ 171 11. Erinnerungsbilder. Wie werden sie in der therapeutischen Situation erzeugt?.................................. 182 12. Liebeszauber – Bildzauber............................ 196 5 teil v negative gefühle und sinnsuche in trauer und melancholie 13. Verlieren, trauern, verzeihen. Psychodynamik der Depression .................................... 203 14. Die Klinik der Melancholie, die Kunstkritik und die Gesellschaftsanalyse. Drei Formen der Suche nach der Seele oder eine?................................. 213 15. Zu den Bedingungen gelingender Trauer................. 227 16. Zum Verhältnis von Psychopharmakologie und Psychoanalyse am Beispiel der Depressionsbehandlung...... 235 teil vi grenzsetzungen und sinngrenzen in den psychosen 17. Die Grenzen des Verstehens und die Negativität der Symptome. Zur Psychodynamik der psychotischen Störung ........... 263 18. Die Grenzen des Durcharbeitens in der Psychosentherapie ... 280 19. Erschöpfte Schöpfung. Psychotisches Erleben zwischen Kreativität und Stillstand ............................ 298 teil vii ausgrenzungen und freiräume 20. Wegwerfen, Verwerfen, Ausstoßen? Wie Abfall entsteht und wiederkehrt. Semiotische und soziopsychoanalytische Betrachtungen..................................... 311 21. Zwischen Eröffnung, Vermittlung und Einspruch. Psychotherapie und soziale Verhältnisse ................. 327 22. Die Konstruktion von Differenz ....................... 340 teil viii schlussfolgerungen: was bewirken das verstehen und die gabe des gesprächs? 23. Was leistet die Psychoanalyse für die Selbstkonstitution? .... 353 24. Zum zukünftigen Stellenwert der Psychotherapie in der Psychiatrie .................................... 367 Nachweise........................................... 377 Register............................................. 380 6 Einleitung Spätestens seitdem Karl Jaspers den Begriff der verstehenden Psychopa- thologie geprägt und sich in der Folge an den Grenzen des Verstehens in der Begegnung mit psychisch Kranken abgearbeitet hat, ist in der Psychiatrie das Verstehen in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, meist freilich, um es abzuwehren. Für die Psychoanalyse hingegen ist ein verstehender Zugang zum Anderen immer zentral gewesen. Dieser Grundhaltung wegen ist ihr die Gegnerschaft der Psychiatrie erwach- sen. Schon Karl Jaspers hatte ihr den Vorwurf gemacht, die Grenzen des Verstehens nicht festzulegen, vielmehr sie so stark zu erweitern, dass biologische Erklärungen überflüssig würden. Sicherlich, auch hundert Jahre nach der Allgemeinen Psychopathologie bleibt die Frage nach dem Verhältnis von Erklären und Verstehen aktuell. Der Vorwurf gegen die Psychoanalyse wird im vorliegenden Buch freilich nicht wiederholt. Ganz im Gegenteil, es unterstützt ihre Intention, das Verstehen so weit wie möglich zu nutzen und in den Dienst therapeutischer Veränderun- gen zu stellen. Es ist eine für die Psychoanalyse folgenreiche Intention. Sie motiviert dazu, das klinische Anwendungsfeld psychoanalytischer Konzepte stetig zu erweitern. Sie ist zudem ein starker Stachel im me- thodischen Fleisch der Psychoanalyse und zwingt zu einer ständigen Überarbeitung der theoretischen Konzepte, denen die Psychoanalyse folgt, insbesondere den Theorien der therapeutischen Praxis. So bleibt die Psychoanalyse auch wissenschaftstheoretisch im Fluss. Dadurch dass die Psychoanalyse sich ebenso theoretisch wie klinisch- praktisch intensiv um das Verstehen, seine Möglichkeiten und Grenzen bemüht, wird sie für die Philosophie zu einem wichtigen und ausge- zeichneten Gesprächspartner. Hier fühlen sich besonders die hermeneu- tischen Konzepte der Philosophie angesprochen, die sich dem Sinn und seinem Verhältnis zum Nicht-Sinn widmen. Das Gespräch zwischen Philosophie und Psychoanalyse lässt sich in zwei Richtungen fruchtbar machen: Die Philosophie bietet der Psychoanalyse theoretische Muster an, die die Psychoanalyse zur Fundierung eigener Verstehensansätze nützen kann. Umgekehrt gibt die Psychoanalyse – und mit ihr die klini- sche Erfahrung – der Philosophie im wahrsten Sinn des Wortes zu den- ken: Sie liefert die Erfahrungsherausforderungen, an denen Philosophen sich abarbeiten können. Aus dem beschriebenen unbeirrten Festhalten an und der beständigen Erweiterung der Verstehensintention ergibt sich zwanglos und konse- quent der Aufbau des vorliegenden Buches. teil i erarbeitet Grundlagen, und zwar in zwei Hinsichten. Zunächst wird die Modernität der psychoanalytischen Theorieentwicklung dar- gelegt. Sie ist vor allem darin begründet, dass die Psychoanalyse in den 7 einleitung letzten 60 Jahren sich auf ein ständig weiter ausgreifendes Erfahrungs- feld eingelassen und eingestellt hat. Dadurch ist und bleibt sie klinisch bedeutungsvoll, dadurch ist sie aber auch nach wie vor ein wichtiger Gesprächspartner für Kultur- und Sozialwissenschaften. (1.) Im zweiten Kapitel des Grundlagenteils wird diese Transdisziplinarität zwischen Psychoanalyse, Philosophie und Kulturwissenschaft methodologisch fundiert. Vor allem wird gezeigt, wie alle am transdisziplinären Dialog beteiligten Gesprächspartner voneinander profitieren können. (2.) In teil ii werden die philosophischen und kulturwissenschaftlichen Theorien vorgestellt, die psychoanalytisch vertieft und dann auch ge- nutzt werden. Besonders wichtig werden dabei die Theorien der Nega- tivität und die Konzeption der Gabe sein. Das Mittel aller Erkenntnis ist der Psychoanalyse das Gespräch. In das therapeutische Gespräch gehen nicht nur Worte, sondern auch Ein- stellungen, Emotionen oder Triebe ein. Der Analytiker lässt sich auf das Gespräch nicht nur als Dialogpartner ein, sondern nimmt an ihm auch als Beziehungspartner teil, er spürt die Affekte, spürt Liebe und Hass und vieles andere mehr – aber nicht, um diese Gefühle auszuleben, sondern sie immer wieder kritisch reflektierend zu hinterfragen. (3.) Das therapeutische Gespräch gehört zum Teil in die Gesundheitsversorgung, es dient dem Analytiker als Lebensunterhalt – und dennoch unterliegt es, soll es denn etwas bewirken, keinem Tauschprinzip. Das Gespräch lässt Raum für das Unberechenbare, für alles das, was in der Ökonomie der Wechselseitigkeit nicht aufgeht. Jacques Derrida hat für diese Form des nicht-reziproken Verhältnisses den Begriff der Gabe benutzt, der für die Psychoanalyse, wie auszuführen sein wird, zentral sein kann. (4.) Die Psychoanalyse ist eine negative Theorie des Subjektes; sie be- schreibt also das, was das Subjekt hindert, sich selbst zu erkennen und mit sich einig zu sein. Die Psychoanalyse schlägt nicht vor, wie die Person, die in die Analyse kommt, letztendlich zu sein habe. Sie befasst sich eben nur mit den Behinderungen von Subjektivität, nicht mit deren positiven Ausformungen. Sie hört schließlich auch dort ein Nein, einen Widerstand oder einen Widerspruch, wo alle subjektiven Lebensäuße- rungen stillgestellt zu sein scheinen. (5.) Aber sie ist auch interessiert an allen drei klassischen Aspekten der Negativität, die Leibniz als den Mangel, das Leiden und das Böse bezeichnet hat. Sie untersucht das Negative auf seine zerstörerische Kraft hin, aber auch auf sein Entwicklungspotential. (6.) Daher sind philosophische Konzeptionen der Negativität für die psychoanalytische Theoriebildung und die theoretische Fundierung ihrer Praxis besonders wichtig geworden. Zum Inbegriff des Negativen in der Psychoanalyse ist freilich die umstrittene, aber reichhaltige Konzeption des Todestriebs geworden. Ihm und seinem – vermeintlichen – Gegenspieler, dem Eros, ist ein eige- 8 https://doi.org/10.5771/9783748936961 einleitung ner Teil – teil iii – gewidmet, um deren Bedeutung zu unterstreichen. Gleichwohl knüpft die Darstellung unmittelbar an den vorangehenden Teil an. Die Frage, ob das Negative positivierbar ist, ist zugleich die Frage nach einer von jeder Legierung mit dem Eros, dem Lebenstrieb, abgelösten Negativität. Eros und Thanatos, Liebe und Hass müssen ins Verhältnis zueinander gesetzt werden; dabei erweist sich, dass das eine ohne das andere nicht gedacht werden kann, sondern dass sie in einem Verhältnis wechselseitiger Bedingung zueinander stehen. (7) Dabei ist der Umgang mit Differenz das entscheidende Kriterium, das Eros und Thanatos unterscheidet, aber auch zwischen ihnen vermittelt. Die Anerkennung von Differenz kann eine Leitfigur sein, um Eros und Todestrieb zu unterscheiden, nicht nur von der Oberfläche ihrer Äu- ßerungsform, sondern von ihrer Wirkung auf die Differenzierung, der Differenzerfahrung her. So ist es möglich, den Eros auch in der Gewalt, den Todestrieb auch in der Leidenschaft besser zu verstehen. Der Eros ist nicht als reine Erfüllung, als vollkommene Verschmelzung mit dem Anderen zu rekonstruieren, sondern nur in seinem Verhältnis zur An- dersheit des Anderen. (8.) Das Wort steht dem Bild, das Imaginäre dem Symbolischen gegen- über oder zur Seite. Daher muss sich das psychoanalytische Verstehen nicht nur dem Wort, sondern auch dem Bild widmen. teil iv ist daher den Bildern gewidmet, dem Verstehen von Bildern einerseits, dem durch Bilder ermöglichten Verstehen andererseits. Kunst, zumal die moderne und zeitgenössische Kunst, kann Einsicht in den Prozess des Verstehens geben und über die Intention des Verstehens, den Willen zum Verstehen aufklären. Durch die Konfrontation mit Kunst wird das Verstehen- wollen im Kontrast zum Interesse an der »definiten Bedeutung«, im Kontrast zum positiven Sinnbesitz betont. Das ist psychoanalytisch bedeutsam; denn das Ziel der psychoanalytischen Psychotherapie und jeder Psychotherapie ist eine Wiederherstellung oder überhaupt eine Herstellung des Vermögens, verstehen zu wollen, nicht aber eine Unterwerfung unter Bedeutungen. Diese Zusammenhänge werden an- hand der hermeneutisch besonders aufschlussreichen documenta 13 erläutert. (9.) Die Bildwissenschaft ist in der Psychoanalyse dort un- mittelbar angesprochen, wo der Bildbegriff in der psychoanalytischen Theorie explizit benutzt wird. Er kommt vor in den Termini »inneres Bild«, »Erinnerungsbild« und »Körperbild«. Diesen Konzepten wird in drei separaten Kapiteln nachgegangen. Dabei wird sich erweisen, dass die von den Bildwissenschaften erarbeiteten Definitionen dessen, was ein Bild ist, durchaus nützlich sind, um das »innere Bild« zu charak- terisieren. Wiederum ist es die Erfahrung von Differenz, die dem Bild eigentümlich ist (ikonische Differenz), aber auch dem Verhältnis der bewussten und der unbewussten Erfahrung, die den Vergleich innerer und materieller Bilder ermöglicht. Dieser Vergleich wird anhand einer 9

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