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Der Selbe und der Andere: Formen und Strategien der Erfahrung der Fremde bei Franz Kafka PDF

255 Pages·2005·2.31 MB·German
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Patrice Ojoufack Der Selbe und der Andere L1TERATURWISSENSCHAFT Patrice Djoufack Der Selbe und der Andere Formen und Strategien der Erfahrung der Fremde bei Franz Kafka Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Leo Kreutzer Deutscher Universitats-Verlag Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber <http://dnb.ddb.de> abrufbar. Dissertation Universitat Jaunde II Universitat Hannover, 2002 Gedruckt mit Unterstutzung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAADI. 1. Auflage Juni 2005 Aile Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2005 Lektorat: Ute Wrasmann I Viktoria Steiner Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieBlich aller seiner TeBe ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verla.9s unzulassig und strafbar. Das gilt insbe sondere fUr Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen-und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden duriten. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf siiurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier ISBN-13 978-3-8244-4584-4 e-ISBN-13 978-3-322-81348-0 001: 10.1007/978-3-322-81348-0 Fiir Lole Fiir Martina Geleitwort Ausgangspunkt und Pointe der Dissertation von Patrice Djoufack ist die Beobachtung, daB es in Kafkas Erziihlen zu interkulturellen Konfrontationen des Selben und des Anderen auch ganz ohne Bezug auf ethnographische Sachverhalte komme. Diese Beobachtung nimmt der kamerunische Germanist zum AnlaB, an ausgewiihIten Texten Kafkas in exemplarischer Absicht Formen und Strategien einer Erfahrung der Fremde zu untersuchen, bei der es sich nicht urn eine ethnographische Erfahrung handelt. Bevor er in die Analyse der von ihm fUr seine Untersuchungszwecke ausgewiihlten litera rischen Texte eintritt, befragt Djoufack eine Reihe von Kafka-Texten, die er mit Gerard Genette als ,,Paratexte" einstuft, nach Zusarnmenhiingen zwischen Kafkas asthetischer und interkultureller Erfahrung vor dem Hintergrund biographischer Konstellationen. Wenn er in diesem Ersten Teil seiner Dissertation bemiiht ist, aus Dokumenten, die er als "halbfiktional" klassifiziert, niimlich aus Kafkas Tagebiichem, Briefen, Oktavheften usw., dessen person liche Erfahrung der Fremde zu rekonstruieren, so geschieht das jedoch nicht in der Absicht, den Text-Analysen des ,,zweiten Teils" einfach Kafkas Selbstaussagen zugrunde zu legen. Vielmehr diskutiert Djoufack Kafkas Selbstdeutungen durchgiingig im Kontext einschlagiger theoretischer Diskurse. Mit diesem Vorgehen schiitzt er sich einerseits davor, theoretische Vorarmahmen allgemeiner Art aufKafkas Erziihlen anzuwenden und damit Gefahr zu laufen, dieses in seiner Besonderheit zu verfehlen; er schiitzt sich andererseits davor, den Abstand zwischen autobiographischer Reflexion und literarischem Werk einzuziehen. Indem Djoufack im Ersten Teil seiner Dissertation erortert, wie Kafkas Selbstaussagen sich zu verwandten Theorieansatzen verhalten, wo sie mit diesen iibereinstimmen, vor aHem aber, wo sie von ihnen abweichen, vermag er sich fUr die Text-Analysen des Zweiten Teils ein theoretisches Riistzeug zu erarbeiten, das zureichend systematisiert ist und zugleich gewahrleistet, daB ihm Kafkas Erziihlen nicht, wie nur allzu oft in der Kafka-Forschung, lediglich zum Beleg und zur Illustration langst als ausgemacht geltender Theoreme dient. Bei den Texten, die im Zweiten Teil detailliert ausgelegt und erortert werden, handelt es sich urn die Erziihlungen ,,Die Verwandlung" und ,,Das Urteil" sowie urn die Roman-Fragmente ,,Das SchloB" und ,,Amerika". In seiner Analyse der "Verwandlung" legt Djoufack dar, wie prekiir eine bloBe Duldung des Fremden sei und wie sie dieser ErziihIung zufolge nachgerade zwangslaufig in dessen Elimi nierung urnschlage. Die Art und Weise, wie Kafka den Ablauf der ErziihIung aus einer von Natur aus unmoglichen ,,Kreuzung" zwischen Mensch und Tier entwickelt, nimmt Djoufack iiberdies zum AnIaB, in einem Exkurs Kafkas Einstellung zum Phiinomen einer Hybridisie rung zu kliiren. Von den im weiteren herangezogenen Erziihltexten scheint sich das "Urteil" auf den ersten Blick am wenigsten fUr eine Erkundung interkultureller Konstellationen in Kafkas Werk VII anzubieten. Djoufack kann jedoch nachweisen, wie auch hier von einem Verhaltnis zwischen dem Selben und dem Anderen erziililt werde. Denn indem der Vater sich dort dem Sohn gegeniiber als Reprasentant von dessen "russischem Freund" ausgibt, nimmt der Fami lienzwist Ziige eines interkulturellen Konfliktes an. Insofem ist dieses zweite Kapitel des Zweiten Teils sogar besonders geeignet, Djoufacks These zu stutzen, Darstellungen von Inter kulturalitat flinden sich in Katkas Erziililen auch dort, wo ethnographische Merkmale fehlten. Am Roman "Das SchloB" interessieren Djoufack insbesondere die Kampfe, die der Autor den Landvermesser K. urn seine Integration in Dorf und SchloB fiihren laBt, sowie die Strategien, mit denen seine Ausgrenzung durch die Einheimischen, als die Selben, betrieben wird Auch hier wird gezeigt, wie eine bloBe Duldung des Fremden in seine Ausgrenzung miinden muB. Obwohl Kafka in seinem Amerika-Roman ganz auf eine ethnographische Ausstattung ver zichtet, gelingt es Djoufack, auch an diesem Roman zu zeigen, wie Interkulturalitat dort eben falls als Konfrontation des Selben und des Anderen konstituiert werde. Was Karl RoBmann in den Vereinigten Staaten widerfahre, habe, so wird gezeigt, durchgehend damit zu tun, daB es ihm als Einwanderer nicht gelinge, sich an die SpieJregeln zu halten. Das taten in gewisser Hinsicht sogar die AuBenseiter dieser Gesellschaft, mit denen er zu tun bekomme. Sie gehOrten deshalb ebenfalls zu den Selben. DaB die Dissertation durchgiiJlgig theoriegeleitet ist, hindert den Verfasser nicht daran, sehr nah an die literarischen Texte heranzugehen und sich sehr genau auf sie einzulassen. Die theoretische Durchdringung des Materials verstellt nirgendwo den Blick auf das Erzahlen, man hat vielmehr den Eindruck, daB der Riickgriff des Verfassers auf Katkas Selbstreflexion und die Einbeziehung angrenzender theoretischer Diskurse sein Wahrnehmungsorgan fUr Kafkas Erziihlen geschiiIft haben. Leo Kreutzer VIII Vorwort Die vorliegende Dissertation entstand im Kontext der Auseinandersetzung mit europaischer und speziell mit deutscher Literatur in Schwarzafrika. Sie entwickelt sich aus offen geblie benen, bislang im Grunde ungelosten Fragen, die bei unserer Lektiire von Kafkas Roman Der Prozess bereits in der Abschlussklasse aufgeworfen wurden. Sie versteht sich deswegen als Versuch einer Emanzipation aus dem geschlossenen Zirkel der uns Schiilem und Studenten damals im Frontalunterricht angebotenen Interpretationsmuster, die durchgehend von der Kafka-Interpretation in Frankreich gepragt waren. Zaghaft versuchten wir damals eine zufriedenstellende Antwort auf die heikIe Frage nach dem Absurden in Kafkas Werk, oder gar anders: nach der Absurditat (!) von Kafkas Prozess Roman zu finden. Wir lasen die franzosische, und spater die deutsche Originalfassung des Romans von vom bis hinten und wieder und wieder, doch wir fanden keine Antwort auf unsere Fragen: Wer hat Josef K. verleurndet? War das iiberhaupt eine Verleumdung? Wie lautet die Anklage? Und wie verhalt es sich mit dem UrteiI? Wer hat es gesprochen? Welches Gericht? War das iiberhaupt ein Gericht? Auf diese Fragen hatten unsere Lehrer und manche Dozenten bereits eine Antwort parat: Das sei es eben: L'absurde! Nur, diese Zauberformel brachte mich nicht weiter. Als im kommenden Studienjahr Kafka im Programm eines Dozenten stand, erhoffte ich eine andere Antwort aufmeine Fragen. Jedoch interessierte iIm nur Kafkas Briefa n den Vater, den Vater-SoIm-Konflikt und Kafkas Liebesbeziehungen. Kafka habe seinen Vater gehasst. Er sei iiberhaupt unfahig gewesen, Frauen zu Iieben. Dieses biografische Interpretationsmuster war aIIes andere als zufriedensteIIend. Die deutschen Interpretationen, die ich las, kreisten ihrerseits urn die Existenzfrage, urn die Kritik einer unverstandlich gewordenen, von unsichtbaren Mlichten beherrschten burgerlichen Welt, die den Menschen unterdriickt. Es waren auch psychoanalytische Interpretationen, die dem Odipuskomplex in Kafkas Werk sowie Kafkas gestorter Beziehung zu Frauen u.a.m. auf der Spur waren. Das Sprachproblem bei Kafka biidete auch ein beliebtes Interpretations thema, wobei Katkas Sprachkrise als ein Phiinomen betrachtet wurde, das generell bei burgerlichen Autoren zu finden ist. Obgleich diese Interpretationen Licht warfen auf Kafkas Werk, fanden meine Fragen kaurn eine Antwort. Als wir uns damaIs, im dritten Studienjahr, im RaIunen der von Herm Dr. - inzwischen Prof Dr. - Alioune Sow veranstalteten Seminare erstrnals mit Fragen der Interkulturalitat, eines interkultureIIen Denkens mit Literaturwissenschaft befassten, wurde ich auf eine andere Fahrte gebracht. Ich verstand, dass die bei meiner Beschiiftigung mit Kafka m.E. immer wieder kurz geschlossen Frage, was denn in Kafkas Werk los ist, anders formuliert werden soIIte, und zwar: wie konstruiert er seine Welten? Und vor aIIem: wie thematisiert er seine personlichen interkultureIIen Erfahrungen? Wie werden kultureIIe Begegnung in seinem Werk IX dargestellt? Mit diesen Fragen sollte das Augerunerk auf die Erfahrungsweise des Fremden und auf die Art gerichtet werden, wie mit ibm umgegangen wird. Durch ein Gleiten von der hermeneutischen Frage: was? zur asthetischen Frage: wie konnte der Interpretationsrahmen gesprengt werden, innerhalb dessen ich keine Antwort auf meine Fragen fand. Sollte meine Interpretation zu einer anderen Lesart von Katkas Werk, mithin zu einem Nachdenken iiber kulturelle Begegnungen fiihren, ware mein Ziel erreicht. Diese Arbeit konnte ohne die finanzielle Unterstiitzung des DAAD nicht zustande kommen. Dass ich meine Dissertation an der Universitat Hannover erarbeiten konnte, habe ich dieser Institution zu verdanken. Eine Promotion im Fach Germanistik ist an unseren heimathchen Universitaten in Anbetracht der sparhch ausgestatteten Bibliotheken unmoglich. Ich danke Prof Dr. Joseph Gomsu, Prof Dr. Alioune Sow und Dr. Walter Beller fUr ihre kritischen Fragen und fUr ihre Bereitschaft, meine Manuskripte zu lesen. Ihre Riickmeldungen waren fUr rnich ein wichtiger Halt. Prof Dr. Simo und Prof Dr. Leo Kreutzer mochte ich hier meinen besonderen Dank aus sprechen. Sie hatten sich unverziighch erkliirt, meine Doktorarbeit zu betreuen und haben sie trotz der Distanz zwischen Hannover und Jaunde von Anfang bis zum Ende durch ihre Fra gen, Ratschlage und unermiidhch durch ihr Engagement unterstiitzt. Patrice Djoufack x

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