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Der Preis des Überlebens : Gedanken und Gesprache über zukünftige Aufgaben der Umweltpolitik PDF

143 Pages·1997·29.61 MB·German
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r^, 2-y^/ - ß Angela Merkel Der Preis des Überlebens Gedanken und Gespräche über /ukünftigc Aufgaben cler Umweltpolitik UB-WU WIEN -J301251204 Deutsche Vcrlags-Anstalr Stuttgart /-f'«^,' -m Inhalt Dieses Btich WLirde aLif ein chlorfrei gcl')leichrcs D n n k Wt'rkdruckpiipief gedruckt. 9 Fünf fahre danach In die Zukunft investieren - Umweltschutz in Deutschland 17 I.achsc in der Elbe oder die Rolle von Kassandra 25 Was heilst cigentiich Fortschritt? Umweltschutz in Deutschland - Ziele, Wege, Mittel 33 Zwischen Vorsorge und Kosrcn-Nutzen-Betrachrungen 42 "ßrent Sptir« oder der Biindcsnn/ciger 5Ü Überd en ci^cnL-n TclSerrand sclicUicn l~)ie Deursc'hr Bih!inrhck - (.^ll''-Linlints,iLihuhmc Ziele, Wege, Mittel - Gespräche mit .... Der Preis des Überlebens : 61 Hubert Markl: Wir sind lernflexibel Crecijnkf.'n iin».! Ciesprnclic ülicr /.iikiiiifti^e Aiifi^nbt'n S2 Hans-Olaf Henkel: der Umwelrpolink / Angela Merkel. - Gesunde Volkswirtschaft ermöslicht Umweltschutz Stiirr^;irr : Deutsche Vcrlj gs-Anst.ilr, 1997 I.SBN .^421^051 I.i^.S 104 Hubert Wcinzierl: Vom Erkennen /um Tun 130 Julia Carabias Lillo: Für ilen ci^cnL-n WCL; 161 Dieter Schulte: Allian/cn suchen 179 Gerd Sonnleitncr: Jeder kehre vor seiner Tür (D 1997 Dc'iiisclic Vcrl.i,i;s^A]ist,ilr (;ii]bH. Stiitrii.in Alle Kechre vorliehnlren 197 Krnst Ulrich von Wcizsäckcr: Reprocliikttonen: l-Orosarz SaLitcr, Donzdort' Wirksamkeit der Markrwirtschaft für den I~)i'uck und BinJc.irbcir: Fricdricli Piisccr, RL'^L'nshLir^ Umweltschut/. unterstützen Priiircd in Cicnnanv 221 I.ester R. Brown: ISB.N 3-421^05113-.') Getreide wird der Indikntor für die Zukunft sein Der Preis des Überlebens- Neue Wege der Bewertung Dank 243 CjfLindlagen für einen »Nachhalti^keitsindcx« 247 Nalurhaiishalt 250 D/e Nutzung ron Energie 254 Wirtschaften in Kressliinfcfi 257 Erhaltung der nienschliche)i Geswidhest 264 Ein einheitliches Umweltrecht In diesem Buch möchte ich künftige Ziele der Umvveltpolitik 271 Die Wirkiin^ des Preises erarbeiten und vorstellen, aber nicht nur. Es ^ehr auch darum, 278 Die (Chance des Dialogs: »Rat für nachhaltiges Lebeii wie und mir wem man diese Ziele erreicht. Vieles ist hierzu in und Wirtschaften« Gutachten uiid unzähligen Stellungnahmen von Sachvcrstäii- digenräten ausführlich (Jnrgclegt worden. Dieses Buch kann und soll kein wissenschaftliches Buch sein. Ks erhebt auch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Es isr ein politisches 285 HinzLigezo^ene Literatur Buch. Mir geht es darum, reichlich vorhandenes Sachwissen in politisches Handeln um/userzen oder 7,umindest politisches Handeln an/.ustol'ien. Umweltpolitik kann nicht einfach ihre Ziele formulieren, ohne sich mit den Problemen und F.rkcnnrnissen anderer ,^e- sellschaftlicher Felder bcschäfrist zi) haben. Sie muß nuch um Akzepran/ für ihre Ziele werben. Denn Umwcltpolirik ist auf Kooperation angewiesen.D ie Vcrpflichrungz u einer nnchhnl- tigcn Entwicklung richret sich nicht i-iut- an die staatlichen Stellen auf allen Ebenen, sondern an alle Gruppen der Gcscll- schaft. Staat und Polirik müssen in weitnus stärkerem Maße als bislang in einen Dialog mit den Partnern in desellschaft, Wissenschaft, Kirchen, Kommunen und Verbänden cinrreren. Gelingt es, im Dialog einen breircn Konsens über die vvcsent- lichen Aufgaben für die /uküiifrisc Umwcltpolitik zu cr/iclcn, wird es möglich sein, sie in Konkurrenz zu nnclcren Autgabcn /u einem jntegrierten Best..mclteil unserer Geyaintpolitik zu machen. Für dieses Buch habe ich deshalb nuch das Gesprnch mit acht Persönlichkeiten cli.';. öffentlichen lcbcns aus Mexiko, den USA und Deutschland gesucht. Ich danke I.ester Brown, Julia Carabias, Hans-Olaf 1-lcnkcl, Hubert Mark], Dieter Schulte, Gerd Sonnleitner, Hubert Wcin/ierl und Ernst Ulrich Fünf Jahre danach von Weizsäckcr, d;iß sie sich die /x'it dafür genommen haben. Die (jrundiage dieses Biiches liegt in meiner Arbeit als Um- wcltmiiiistcrin. Deshalb sei an dieser Stelle ausdrücklich den Mitnrbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesumweltmini- steriums gedankt. Nlein besonderer Dank gilt Beate Bau- mann, die mir mit Ideen, Kritik und Anregungen in intensiven Jedes fahr im Januar gebe ich in meinem Wahlkreis in der gemeinsamen Diskussionen zur Seite stand und durch deren Hansestadt Stralsund einen Neujahrsempfang. In diesem tatkräftige Hilfe die RntstehL dieses Buches möglich wurde. Jahr habe ich den deutschen Astronauten Ulf Merbold ein- ing Ich danke dem Bundesdeutschen Arbeitskreis für Umwelt- geladen, von seinen drei Reisen in den Weltraum zu berich- bewußtes Management e.V. (B.A.U.M.), der Henkel KG^A, der ren. Rund 200 Menschen hören aufmerksam zu, als er seine Herlitz AG und der Otto-Versand GmbH, durch deren finan- Aufgaben als Physiker, die durchzuführenden Experimente zielle Unterstützung dieses Buch entstehcti konnte. und natürlich auch die Auswirkungen der Schwerelosigkeit Eventuell aus diesem Buch entstehende Honorare oder an- schildert. Mit großer Präzision kann er auf Dia-Aufnahmen derc Erlöse werden der Stiftung /.ur Rettung der Tropenwäl- kleinste Bergzüge in den Alpen oder im Himalaya, Flüsse in der (ORO VRRDE) für die Fortführung eines Modellprojektes Nordafrika, Vulkanbevvegungen in der Südsee, schließlich in der Provinz Ha Tinh in Vietnam zur Verfügung gestellt. Mit sogar die Städte New York und Moskau auf den Fotos aus- diesem Projekt sollen durch sogenannte Pufferzonencntwick- machen. Ein Foto, das mir besonders im Gedächtnis geblie- lungen wertvolic Reste des Regenwaldes erhalten und der ben ist, zeigt den pechschwarzen Weltraum und inmitten Schutz der Arrenvielfalt mit der Verbesserung der Lebenssl- dieses Weltraumes einen blauen, schmalen Streifen. Dieser tunrion der Bevölkerung in Einklang gebracht werden. Streifen ist die dünne 0/.onschicht, die unsere Erde umgibt und den Menschen, Tieren und Pflanzen die Luft /um Atmen und damit zum I.cben gibt. Fast erscheint es mir wie eine an- Bonn, September 1997 Angela Merket erträglich dünne Schicht, zeigt sie doch, auf welch im wahrsten Sinne des Wortes schmalem Grat wir Menschen uns bewegen. Schnell wird den 200 Zuhörcrinnen und Zuhörern klar, da(t? diese dünne Schutzschicht um die Erde nicht irgend- etwas Belangloses ist, sondern etwas für uns iMenschen Kxi- stenticllcs. Bei solchen Hr/ahlun^en oder Bildern kann sich kaum einer der Sor^e uni die Zukunft unserer l:rde entziehen. Wie lange über halten solche Kindrücke im Alltag? Wie erleben wir, die wir die Erde nie von »oben« aus betrachten können, unsere Erde, die Natur, Luft, Wasser und Bodeii, ihre Veränderungen und die Gefährdiin^en, denen sie ausgcset/t sind? Wie sehr kreten JVlaßnahmen und Zielen für den Klimaschutz in der sind wir bereit, etwas in ihren Schur/ /,u investieren? lsr alles Weit ZLI verabschieden. nur eine Frage der Perspektive? Die Konferenz von Rio J 992, die Sondcrgencralvcrsamm- Auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und lung in New York uiid die Klimakonfercjiz in Kyoto zeigen Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 haben sich mehr als 170 nachdrücklich: Umweltabläufe lassen sich oft erst in Jahr- Staaten auf das Leitbild der »Nachhaltigen Entwicklung« ver- zehnten und großen räumlichen Dimensionen messen. In die- standigt. Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, so/iale Verant- ser Situation ist es nicht immer einfach, Verbündete für wei- wortung und Umweltschutz müssen zusammengeführt wer- tere und zusätzliche Maßnahmen zu gewinnen, wenn doch zu den, um auf diese Weise gerechte Entwicklungschancen für Hause ganz andere aktuelle Aufgaben drängen. So macht die alle Staaten /u gewährleisten und die natürlichen Lebens- Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig eine ihrer schwie- grundlagen auch für kommende Generationen zu bewahren. rigsten Phasen, wenn nicht gar die schwierigste Phase seit In Rio de Janeiro wurde das Aktionsprogramm »Agenda 21 « ihrer Gründung durch. Mehr als vier Millionen Arbeitslose, verabschiedet, das die wesentlichen Handlungstelder einer Unternehmen und Betriebe, die eher im Ausland investieren nachhaltigen Entwicklung benennt. Die Agencia 2J ist der als im eigenen l.and, eine wirtschaftlich äußerst angespannte Ausgangspunkt einer neuen globalen Partnerschaft für LJm- Situation in Ostdeutschland, eine hohe Staatsverschuldung - weit und Entwicklung gewesen. Staat und Gesellschaft haben dies alles sind Indikatoren dafür, daß Deutschland tiefgreifen- nun die Verantwortung, Entwicklungswege /.u finden, die den de Reformen und Umbrüche durchlaufen muß. Die Bundes- Kriterien der Nachhaltigkeit genügen: Eine Ressource darf republik hat über viele Jahre auf der Basis ihrer Erfolge in nur in dem Maße genut/t und in Anspruch genommen wer- den 50er und 6öer Jahren gelebt. Auf die technologischen den, in dem sie sich wjcclcr regenerieren kann, und Stoffe und und wirtschaftlichen Hera usforder Lingen des beginnenden Energie dürfen nur in dem Maße freigcset/t werden, wie Luft, 21. Jahrhunderts, auf die Globalisierung all unserer Lebens- Wasser und Boden sie assimilieren können. und Arbeitsfelder ist sie noch nicht ausreichend vorbereitet. Fünf Jahre nach Rio markieren nun zwei Konferenzen gan/ Ist es angesichts solch drängender Probleme nötig und an- entscheidende Eckdatcn unserer gegenwärtigen Umweltpoli- gebracht, für die Umweltpolitik noch mehr zu fordern? Sind tik: die SondergeneralversammlL ing der Vereinten N.:itionen Umwelt- und Naturschut/politik nur eine Politik für »gute »Fünf Jahre nach Rio« in New York und die Klimakonterenz Zeiten«, wenn es etwas zu verteilen gibt, wenn gan/, personli- in Kyotü/Japaii im Dezember dieses jnhres. In New York ehe Sorgen wie die um den eigenen Geldbeutel oder um den haben im Juni dieses Jahres Staats- und Regierungschefs so- eigenen Arbeitsplatz nicht so belasten? Wieviel ist der Schutz wie die Umwelt- und Rntwicklungsministcr nahezu aller Län- der Umwelt uns tatsächlich wert? Welchen Preis sind wir be- der der Erde ßilanz gezogen über den Weg, der seit der Kon- reit, für unser Überleben zu zahlen? Dieser Diskussion dürfen f-erenz über Umwelt und Entwicklung von Rio 1992 zurück- gerade wir Umweltpolitiker nicht ausweichen. gelegt worden ist, und sie haben die nächsten Schritte auf dem Jeden Monat verkündet die Bundesanstalt für Arbeit die Weg zu einer nachhaltigen F^nrwlcklun^ tesr^ele^r. ßci cier Arbeirsloscnrnrc, mir der die EntvvicklLing aLif dein Arbcits- dritten Vcrrragssrai :itcnkonfercnz zur KiimarLilimenkonvcnti- m.irkt abgebildet wird. Rt'^clmalMg ermittelt das Sratistisclie on in Kyoro wird es gelingen müssen, ein Protokoll mir kon- BundeStimr die inflationsratc auf der Grundlage des Wnren- 10 korbes. der den durchschnittlichen Verbrauch der } laushalte schaft kennen, und der SchLitz der menschlichen GesLindheit widerspiegelt. Beiden liegen quantifizierbare Bewcrtungsmc- sind für mich vier zentrale Bereiche, bei denen die Auswir- thoden zugrunde, die das weitere Handeln in der Sozial- und kungen von UmweltbelastLingen sichtbar werden. Sie sind da- Wirtschaftspolitik bestimmen. Rincn vergleichbaren Bewcr- mit für mich auch die Gnindlagc, um zukünftige Ansätze und tungsmechanismus, mit dem die Abweichungen von den Kri- Ziele der Umweltpolitik abzuleiten. Sie können im Ergebnis terien der Nachhaltigkeit abgebildet werden könnten, gibt es die Grundlage eines »Warenkorbes der Zukunft« bilden, in für die Umweltpolitik nicht. Der ZDP-Journalist Volker Ang- dem es entsprechend dem Leitbild der nachhaltigen Entwick- res hat deshalb bei der Auftaktveranstalrung zu dem von mir lung einen Dreiklang von Sozialem, Ökonomieu nd Ökologie im vergangenen Jahr begonnen Üiskussionsproxeß »Schritte gibt. Von einem solchen Dreiklang wird zwar viel gesprochen, auf" dem Weg zu einer nachhaltigen, umwcttgercchten Ent- unter ihm versteht aber jeder sehr schnell etwas anderes. Klar wicklung in Deutschland« davon gesprochen, daß es auch für ist: Es gibt kein konflikr{reies Verhältnis von Ökonomie und die Umweltpolitik einen Index geben mi-isse, der die Nachhal- Ökologie. Bei der Ökologie geht es auch um grundsätzlich tigkeitsentwicklun^ zu Beginn eines jeden Monats ermittle andere Strategien als im sozialen Bereich, in dem im wesent- Lind abbilde. Natürlich weiß auch Völker Angres, daß ein sol- lichen Verteilungsprobleme im Vordergrund stehen. Bei der eher »Nachhaltigkeitsindex« nicht so einfach zu bestimmen ökologischen Frage geht es hingegen darum, den wirtschaft- ist wie die Arbeitslosenzahl der BLindesanstalt für Arbeit oder lichen Wachstumsprozeß an den Möglichkeiten und drenzen der Preisindex. Dennoch zeigt die Idee eines »Nachhaltig- der ökologischen Systeme, der Natur auszurichten. keitsindcxes« die Notwendigkeit, auch in der Umweltpolitik Die soziale Frage, die ökologische Verträglichkeit und die Ziele und Aufgaben nachvollziehbar, wenn möglich sogar ökonomische Entwicklung müssen zueinander in Beziehung quantifizierbar /u machen. Die Akzeptanz uinweltpolitischer gesetzt werden. Deshalb möchte ich für die vier Bereiche des Anforderungen könnte damit erheblich gestärkt werden. Schutzes der Natur, der Nutzung von Energie, des Wirtschaf- Wir brauchen für die zukünf-tige Umweltpolitik eine klare tcns in Kreisläufen und des Schut/es der menschlichen Ge- Übersicht von wesentlichen Aufgaben und Zielen. IJmwelt- sundhcir Indikatoren, d.h. ausgewählte aussagekräftige und politik muß sich der Frage stellen, auf welcher Grundlage 111 wenn möglich quantitative Kriterien finden. So können wir unserer Gesellschaft Entscheidungen über Schwerpunkte für verfolgen, wo auf dem Weg zur Nachhalrigkeit noch die gröfs- den Urnvvelrschutz gefällt werden. Sie muß sich der Frage stcl- ten Abweichungen bestehen, und damir zu klaren Hnnd- len, welche Rolle Staat und Politik cUif der einen und ^,esell- lun^sanlcitun^en für .illc Betroffenen in Politik und Gcsell- schaftlichc Kräfte auf der anderen Seite bei der Festlegung schaft kommen. der wesentlichen Aufgaben spielen. Und sie muß sich der ]7rage stellen, wie sich in Zukanft das Verhälrnis von n;itio- nalcn und inrernationalcn Anstrengungen, von Enfwicklun^s- länclern und IndListrieländern regeln läßt. Der Schut/. von N.itur und Artenvielfcilt, die Fra^e der Nut- ZLin^ von Kner^ic, das Denken und Wirtschaften in KrcislaLi- fen. wie wir es vom Sammeln und Trennen in der Abfallwirt- In die Zukunft investieren - Umweltschutz in Deutschland Lachse in der Elbe oder die Rolle von Kassandra Eine repräsentative UnrersuchLing /um Umwcltbevvußtscin in Deutschland im Auftmg des Umvveltbundesamtes (1996) hat ergeben, daß 73% der Menschen im Westen und 72% der Menschen im Osten beunruhi^F sind, wenn sie daran denken, unter welchen Umvvelrverhäitnissen unsere Kinder und En- kelkinder wahrscheinlich leben massen. Diese Untersuchung besagt weiter, dafs rund 73 % der Westdeutschen und 78 % der Ostdeutschen glauben, (Jnß sie sich soweit wie möglich umweltgerecht verhalten. Die Einschätzung des eigenen Ver- haltens und das hohe Umvveltbewuf. stsein stehen allerdings im Widersprach /LI anderen Zahlen: Nur 38 % im VVcyren und 37% im Osten sind bereit, Vcrhalrcnsanforderungen an die eigene Person wie etwa in der Einschränkung des Lebensstan- dards oder in Forni höherer Kosten hinzunehmen. Nur 37% der Westdeutschen Lind 27 % der Ostdeutschen sind der/cit bereit, höhere Preise für Produkte /.u /,ahlcn, die weniger um- welcbclasrcncl sind. I-Jühcre Müllgubühren würden so^ar iiLif von 22% der ßefra^cen im Westeii Lind 15% der Befragren im Osten akzeptiert. Ebenso gering ist die Ak/.cptnn/ höherer Steuern Lind Abgalien. Hier bekunden lcdi^Iicli 21 % der I^c- fragten ini Westen und 13 % der Befragten im Osten, daß sie ziir Zahlung hölicrer Steuern Lind Abgaben bereit WLiren, wenn sichergestellr werden könnte, daß dds Aufkommen di- rekt dem Umweltschutz /ugutc käme. Das für sich in An- Spruch genommene Umwcltbcwui^tsein unLi die Bereitscliaft, für den Schutz von Nanir und Umwelt aiich persönlich Opfer zii bringen lind Kosten zu trafen, klaffen iil.so weit auseinan- der. Es isr noch nicht gelungen, beides miteinander in Kin- klang /u bringen. Dies hat verschiedene Ursachen. Hier geht es nicht um die Das l;>roblem liegt aber auch im Umweltschurz und in der Suche nach Schuldigen. Natürlich ist es immer einfacher, über Umweltpolttik selbst begründet. T^g für Tag können wir Mcl- ein »Bewußtsein« zu sprechen als über die konkreten Folgen, düngen und Nachrichten über Katastrophen aas aller Weit die damit verbunden sind. Das gilt für die Politik genauso wie hören. Es ist die Rede von Wittcrungskatastrophen, vom ex- für jeden einzelnen in seinem persönlichen l.ebensumfeld. plosionsartigen Bevölkerungswachstum und Hungersnöten, Auch in der Politik werden /u unzähligen Themen »Sonn- von der Klimaerwärmung, Bodenerosionen, der Tropcnwald- tagsreden« gehalten, mit denen wir uns von Montag bis Zerstörung und der Verschmutzung der Meere. Auch aus Samstag schwer tun. Deutschland wissen wir, daß die Zahl der Arten von Pflanzen Beim Cield hört gewöhnlich der Spaßa uf. Große Begeiste- und Tieren stetig abnimmt, erleben wir immer wieder soge- rung für höhere I.asten und Gebühren, zum Beispiel zur Müll- nannte Jahrhunderthochwasser, die darauf hindeuten, daß beseitigung und zur Abwasserreinigung, wird sich nicht ern- BodenversiegcEungen entscheidend dazu beigetragcn haben, ten lassen. Überall ist es schwer, Verbündete für Maßnahmen unsere natürlichen Uberschwemmungsräume an Flüssen und zu finden, die etwas kosten. Zumindestw ird erwartet, daße r- Seen zu zerstören, wird jedes Jahr im Sommer um wirksame kennbar und nachvollziehbar ist, ob die mit hohen Gebühren Maßnahmen gegen bodennahes Ozon gestritten. An solche und Kosten verbundenen Regelungen tatsächlich etwas be- Nachrichten aus aller Welt und bei uns zu Hause haben wir wirken und die ohnehin schon sehr kompliy.ierren Umweltge- uns fast schon gewöhnt. Welche Folgerungen daraus für den setze wenigstens eingehalten und kontrolliert werden. Nichts einzelnen in seinem täglichen [,ebcnsurnfeid zu ziehen sind, ist schlimmer, als fleißig den Müll zu trennen und zu sam- was jeder von uns konkret bei sich tun kann, um Katastro- mein. um hinterher feststellen zu müssen, daß man sich das ci- phen abzuwenden oder iii ihren Wirkungen zu mildern, bleibt gentlich hätte sparen können. Bei diesem Gedanken ist aller- dagegen unklar und diffus. dings Vorsicht geboten. Fehler in der Anwendung und Kon- Natürlich ist es ein großer Fortschritt unserer heutigen Zeit, trolle eines Systems, zum Beispiel beim Trennen und Sammeln daß wir Informationen und Nachrichten aus aller Welt in von Abfallen, dürfen nicht /um Vorwand für eine Diskussion größter Vielfalt aufnehmen können. Wir haben dadurch un- gegen vcrursachcrorientiertes Handeln in der Umweltpolitik seren Horizont erweitern können. Ob aber gleichzeitig das insgesamt genotnmen werden. Für eine »ehrliche« Umvvek- Vertrauen in die eigciien Möglichkeiten des Handelns durch politik kann kein Weg daran vorbeigehen, die Kosten des Ver- diese Vielzahl von Informationen und Eindrücken gestärkt brauchs denen anzulasten, die sie verursachen. Wer behaup- wird, be/.weitele ich. Ich habe eher den Eindruck, daß wir die ret, wirksamer Umweltschutz sei zum Nulltarif zu haben, großen Dimensionen von Umwelt- und Naturkatastrophen lügt sich entweder in die Tasche oder gaukelt den Menschen eher aus der Position des völlig überforderten Beobachters cr- etwas vor. Dies zii vermitteln, hierfür Bcreitschatt und Ak- leben, der zwar Wut und Angst über die Zustände empfinden, zcptanz zu finden, das hat die Umweltpolitik bis heute nicht diese aber nicht in konkretes Handeln umset/en kann. Wie ausreichend vermocht. Das ist auch eine Ursache für das Aus- soll jeder einzelne auch mit der Tropenwald/. crstÖrung oder einanderklaften /wischen der Bereitschaft, höhere Kosten /u der Verschmut/iing der Meere uni^ehen, wo clocli beides so trafen auf der einen Seite, und dem Umweltbewuls'tsein auf weir entfernt zu sein scheint? Wie soll jeder einzelne von iins der anderen. sich auch enrscheiden, welche Mafsnahmcn seSen bodennn- IS 19 hes Ozon wirklich die wirksamen sind, wo doch zu sehr Glau- schwieriger, für Maßnahmen geü;en Umwcltgctährdungen, benskriegc zwischen den unterschiedlichen Parteien geführt wie /um Beispiel die Klimncrwärmun^ oder das Ozonloch, werden und er ja kaum überprüfbaren Informationen /u Verbündete zu finden. V/icileicht, so wird gedacht, werden ja auch hier nur hysterische Schreckensszenai-iena n die Wand Rieht- Lind Grcn/vverten vertrauen muß? Wie soll jeder ein- gemalr, die sich in zwanzig oder dreißig Jahren gar nicht zelne Vertrauen in seine eigeiien Möglichkeiten fassen, wenn doch schon das System des Grünen Punktes, an dem er sich bewahrheiten. Rufe der Kassandra, die ungehört bleiben, aus Übcr/eugungb eteiligt, nicht überschaubar ist und zu vie- Schrcckensszenarien, die für den einzelnen nicht nachvoll- le Mangel auf-weist? zichbar sind, dienen der Umweltpolitik nicht. Verteufelung Hinzu kommt noch ein ganz anderes Problem des Umwcit- schadet der Umweltpolitik ebenso wie Verharmlosung. Risi- Schutzes - das Problem seines Erfolges. Die Anstrengunsen in kowdhrnehmung und Risikobewertung müssen nachvollzieh- tlcr Umweltpolitik haben seit Ende der sechziger Jahre in bar sein. Sie sind die Voraussetzung für die Ak/eptanz von Deutschland dazu geführt, daß die Luft sauberer geworden Risiken und die Akzcptanz von Maßnahmen gegen diese Ri- ist, das Problem des sauren Regens beherrschbar zu sein siken. scheint, die Flüsse wieder mit Fischen und anderen Tieren be- UmweltgcfährdL ingen sind heute oft von globalem Ausmaß, lebt sind. Nicht nur im Rhein, sondern auch in der Elbe leben denken wir an die Abholzung des Tropenwaldes, die Klima- wieder I.achse, und infolge strenger Schutzmaßnahmen konn- erwärmun^ oder an das Ozonloch. Gleich/.citig werden ihre ten sich zum Beispiel die ßiber im Gebiet der mittleren Elbe Folgen oft erst in langen /citlichen Abläufen, ziim Teil über positiv entwickeln, wo sie gegen Rnde des 19. Jahrhunderts unsere eigene Lebenszeit hinaus, eintreten. Beim Klimaschutz müssen wir /.um Beispiel Maßnahmen für die Zeit weit nach fast ausgestorben waren. dem Jahr 2000 rrcffen. Die schrittweise Frvvärmung der Neben diesen t7rfolgen, von denen im Umweltschutz im librigen viel zu wenig geredet wird, obwohl sie doch Mut ma- Durchschnittstemperntur der Erde wird nicht von heute auf chen könnten, haben sich gleichzeitig bestimmte Katastro- morgen spürbar, sondern zeigt sich als langsamer und schlei- phenszenancii in ihrer Schärfe nicht bewahrheitet. Ich erinnc- chender Pro/cß, dessen Cietahr deswegen aber nicht geringer re mich noch sehr gut an die Warnungen vor dem Waldsrer- eingeschätzt werden darf. Umweltgefähri.lungcn im globalcii Aiismaß und mit langen bcn in den achtziger Jahren. Das Waldsterbcn war nicht nur in Wald/ustandsbenchtcn und Gutachten ein Thema, son- zeitlichen Abläufen stehen in einein krassen Widerspruch ZLI dem beherrschte auch unsere täglichen Nachrichten. Dieses unseren eigentlichen menschlichen PlariLingen. Das Motto Probleni ist /.war bei weitem noch nicht endgültig gebannt, »Global denken - lokal handeln--' ist /war im Grunde für je- dennoch finden sich Umwelt- und Natiirschüt/er manchmal den verständlich, läßt sich aber dann, wenn es um konkrete in der Situation wieder, sich dafür rechtfertigen /u müssen, Taten geht, nur sehr schwer für den einzelnen verwirklichen. daß der Wald ja immer noch ^stcht« und noch nicht gcstor- Wir alle planen unser Leben in Zeitabschnitten von Tagen, ben ist. Umwelt- und Naturschützer haben hier manchmal die Wochen und Jahren. Weil Umwcltabläufe sich aber häufig Rolle von Kassandr^, der Tochter des Königs von Troja, über- erst in Jahrzehnten und großen räumlichen Dimensionen ab- n^mmen, deren Warnrufe ungehört blieben. Wenn vorherge- spielen, müssen wir lernen, in langen Zcitabsclinirteii und sagte Folgen aber nicht eintreten, wird es natürlich immer über weite Räume zu denken. Wir müssen lernen, uns nicht 20 21

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