Der praktische Einsatz von Datenverarbeitungssystemen Kybernetische und betriebswirtschaftliche Aspekte Ernst P. Billeter Dr itt e, neubearbeitete und erweiterte Auflage 1968 Springer-Verlag Wien . New York Dr. ERNST P. BILLETER Ordentlicher Professor fiir Statistik, Operations Research und Automation an der Universitiit Freiburg (Schweiz) Direktor des Instituts fiir Automation und Operations Research an der Universitiit Freiburg (Schweiz) Die erste und die zweite Auflage erschienen unter dem Titel: Der praktische Einsatz elektronischer Rechenautomaten Einfiihrung in die Programmierung und den betriebswirtschaftlichen Einsatz clektronischer Rechenautomaten Mit 2 Abbildungen und 40 Diagrammen ISBN-13: 978-3-7091-8186-7 e-ISBN-13: 978-3-7091-8185-0 001: 10.1007/978-3-7091-8185-0 ABe Rechte vorbehalten Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Springer-Verlages iibersetzt oder in irgendeiner Form vervielfiiltigt werden © 1961, 1964, and 1968 by Springer-Verlag/Wien Softcover reprint of the hardcover 3rd edition 1968 Library of Congress Catalog Card Number 67-31641 Tlte\-Nr. 8080 Vorwort zur dritten Auflage Die vorlieg~nde dritte Auflage dieses Buches erscheint unter einem etwas abgeanderten Titel. Diese Anderung hat sich aufgedrangt, wollte man dem auf den neuesten Stand gebrachten und stark erweiterten Inhalt Rechnung tragen. Die dritte Auflage wurde aus zwei Griinden notwendig; einerseits muBte man die seit dem Erscheinen der ersten Auflage im Jahre 1960 eingesetzte sttirmische Entwicklung beriicksichtigen, und andererseits war die zweite Auflage schon bald vergriffen. Der schon in der ersten Auflage hervorgehobene Hauptakzent der Kybernetik wurde wiederum beibehalten. War diese Auffassung der Datenverarbeitung im Jahre 1960 noch gewagt, so hat sie sich in der Zwischenzeit als riOOtig und richtungweisend erwiesen. Von den Erweiterungen im Buche sollen hier die Abschnitte tiber EntsOOeidungstafeln, moderne Verarbeitungsmethoden, wie z. B. die Real time-Verarbeitung, das Time-sharing, das Multi-programming, das Multi processing, die Fernverarbeitung, genannt werden. Beibehalten wurden die Abschnitte tiber die Programmierung in Maschinensprache. Der Grund liegt darin, daB bei jenen Lesern, die sich etwas eingehender mit den Grundlagen der Programmierung elektronischer Datenverarbeitungs anlagen befassen moOOten, die Kenntnisse allein der problemorientierten Sprachen (wie FORTRAN, ALGOL, COBOL u. a. m.) noOO nicht gentigen, sondern daB nach wie vor fUr ein tiefgehendes Verstandnis der Pro grammierungsprobleme Kenntnisse der Programmierung in Maschinen sprache unumgiinglich sind. Dies gilt vor allem fUr jene Leser, die sich mit der allgemeinen Logik der Programmierung und der hoheren Pro grammierung (Erstellen von Compilern) befassen mochten. Auf die ein gehende Besprechung einer oder mehrerer problemorientierter Sprachen wurde bewuBt verziOOtet, weil dariiber sOOon gentigend Literatur verftigbar ist. Endlich sei nocl1 darauf hingewiesen, daB das Literaturverzeichnis wesentliOO erweitert und ein Sachwortregister beigefUgt worden ist, was den praktisOOen GebrauOO des Buches auch als Nachschlagewerk erleiOOtern dtirfte. 100 hoffe, daB auOO dieser Auflage ein guter Erfolg besOOieden sein wird, zu dem - wie bei friiheren Auflagen - in nicht geringem MaBe der Verlag beitragen wird. FUr das Verstandnis und die Miihen des IV VOrWort VerI ages sei ihm an dieser Stelle ganz besonders gedankt. Danken mochte ich auch all jenen Lesern der zweiten Auflage, die mir durch ihre Zu schriften bei der Neufassung einzelner Stellen (unwissentlich) in wesent lichem MaBe behilflich waren. Freiburg (Schweiz), Juli 1968. Ernst P. Billeter Vorworl zur ersten Auflage Das vorliegende Lehrbuch ist auf Grund einer Vorlesung entstanden, die ich erstmals im Jahre 1958 an der Universitat Freiburg (Schweiz) und an der Handelshochschule St. Gallen gehalten hatte. Ihr Inhalt ist dann jeweils dem neuesten Stand der Forschung angepaBt worden, indem es mir moglich war, die Erfahrungen, die ich als wissenschaftlicher Leiter der ersten und zweiten Studienreise nach den USA uber Automation (Swiss Automation Tour to the USA) in den Jahren 1959 und 1960 sammeln konnte, zu verwerten. Der Inhalt des Buches richtet sich vor all em an angehende Volks und Betriebswirtschafter sowie an Personen, die sich in der Praxis Pro blemen der Programmierung elektronischer Rechenautomaten gegenuber gestellt sehen. Angesichts der Entwicklung auf dem Gebiete der admini strativen Automation ist es besonders erwunscht, daB sich Volks- und Betriebswirtschafter mit diesen Verfahren vertraut machen, da sie vor all em berufen sind, dem Unternehmer beim Einsatz solcher Gerate in der Unternehmung behilflich zu sein. Ich hoffe, daB diesem Buche eine gute Aufnahme beschieden sein wird, und daB es einem groBen Personenkreis ermoglichen wird, das gesteckte Ziel zu erreichen. Freiburg (Schweiz), Ende Dezember 1960. Ernst P. Billeter Vorworl zur zweiten Auflage Als die erste Auflage dieses Buches anfangs 1961 erschien, begann sich die Buro-Automation in Europa langsam durchzusetzen. Seither hat diese Entwicklung eine Beschleunigung erfahren, die sich vor allem darin auBert, daB immer mehr privatwirtschaftliche Firmen und Verwaltungen elektronische Rechenautomaten fur administrative Zwecke einsetzen und Vorwort v daB auch die Literatur auf dies em Gebiete der administrativen Auto mation umfangreicher geworden ist. Doch erst in jiingster Zeit scheint sich die schon in der ersten Auf lage dieses Buches verfochtene grundlegende These der engen Verbindung zwischen Automation und Kybernetik ernsthaft durchzusetzen. Der Inhalt dieses Buches kann deshalb immer noch als modern und zeitgemiiJ3 an gesehen werden, so daB sich eine Neuauflage wohl rechtfertigt. Diese weicht folglich in ihren wesentlichen Linien grundsatzlich nicht von der ersten Auflage abo Lediglich in einigen Einzelheiten wurden Xnderungen angebracht, die sich als notwendig erwiesen. Mage auch dieser zweiten Auflage der gleiche Erfolg beschieden sein wie der ersten, der zweifellos auch auf die einwandfreie Darstellung und Arbeit durch den Verlag zuriickzufiihren ist. Es sei ihm deshalb an dieser Stelle besonders gedankt. Freiburg (Schweiz), Ende November 1963. Ernst P. Billeter Inhaltsverzeichnis Seite Einleitung . . . . . . . . 1 Erster Teil Das Remengeriit Erstes Kapitel: Allgemeine Theorie des Informationsflusses. Der Rechen- automat im Lichte der Kybernetik . . . . . 5 Zweites Kapitel: Analogie- und Digitalgeriite . 23 Drittes Kapitel: Das Digitalgeriit . 28 1. Allgemeines Prinzipschema . 28 a) Die Eingabe ...... 30 b) Die Verarbeitungseinheit 33 c) Die Ausgabe 43 2. Arbeitsweise 46 a) Quantitiit und Qualitiit 46 b) Zahlensysteme 47 c) Der Rechenvorgang 57 d) AbstiDlDlung . . 57 e) Operationsweise . . 59 Zweiter Teil Die Programmierung Erstes Kapitel: Die Hauptbegriffe . . . . . . . . . 61 Zweites Kapitel: Systematik der Rechenautomaten beziiglich der Program- mierung .................... . 66 Drittes Kapitel: Grundlagen der Programmierung . 70 1. Das Ablaufdiagramm und seine Symbolik . 71 2. Entscheidungstafeln 80 3. Programmierungstechniken 88 4. Verarbeitungstechniken .. 122 5. Die Fehlersuche ..... . 128 6. Die automatische PrograDlDlicrung . 130 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . 130 Mehrzweck-Programme ...... . 135 Sonderzweck-Programme (Simulationsprogramme) 137 VIII Inhaltsverzeiclmis Selte Viertes KapiteZ: Die Ein- und Ausgabe . 142 1. Die Eingabe 142 2. Die Ausgabe ..... . 145 Dritter Teil Die Problemstellnng Erstes Kapitel: Der Begriff der Automation . . . . 147 Zweites Kapitel: Grundsatze fUr den Einsatz von Rechenautomaten im Unternehmen . . . . . . . 154 1. Die Problem-Findung 155 2. Die Problem-Analyse 157 3. Die Programmierung . 159 4. Die Vercodung .... 159 5. Einzel- oder Gemeinschaftsarbeit? 160 6. Integration .. . . . . . . . 161 SchluB Die mntmaBliche Entwiddnng beziiglidl des Banes nnd des Einsatzes elektronisdler Redlenantomaten . . . . . . . . . . . . . ..... 164 Anhang 1: Symbole fUr elektronische Datenverarbeitung . 171 Anhang 2: Befehlsliste .. 174 Literaturverzeichnis 175 Sachverzeichnis 179 Einleitung Automation ist zum Schlagwort unserer Zeit geworden. Kaum eine Bezeichnung ist fur so verschiedene Sachverhalte gebraucht worden wie diese. In der Regel bezieht sich Automation auf einen bestimmten Pro duktionsablauf, bei welchem das Produkt automatisch, d. h. ohne direkte menschliche Einwirkung, von Verarbeitungsstufe zu Verarbeitungsstufe wandert. Das Idealbild einer solchen Automation ware eine automatische Fabrik, wie sie durch DIEBOLD beschrieben worden ist1. 1m Produktions sektor ist die Automation (oft auch als Automatisation bezeichnet) schon sehr weit fortgeschritten; im Administrationssektor hingegen hinkt sie immer noch hinten nacho Die Arbeitsmethoden im administrativen Sektor, d. h. im Buro, befinden sich - verglimen mit jenen in der Fabrik - noch ziemlich im Ruckstand. Der Wirkungsgrad der Unternehmung ist aber erst dann besonders giinstig, wenn die Entwicklung im administra tiven Sektor, d. h. in der Verwaltung, Schritt halt mit jener in der Pro duktion. Die Ein-, Durch- und Weiterfuhrung der Automation in der Verwaltung ist deshalb keineswegs ein Luxus, sondern unbedingtes Erfor dernis. Das Wohlergehen einer Unternehmung wirkt sich auf die Volks wirtschaft aus, weshalb der Automation in der Volkswirtschaft eine ent scheidende Bedeutung zukommt. Was ist aber unter dem Begriff der Automation eigentlich zu verstehen? Die administrative Automation stellt eine bestimmte Art der Organi sation eines betriebswirtschaftlichen Ablaufs dar. Diese Organisation ist dadurch gekennzeichnet, daJ3 der bestehende Ablauf in seine Elemente zerlegt wird, und daJ3 diese Elemente derart wieder zusammengesetzt werden, daJ3 eine Operation innerhalb des betriebswirtsmaftlichen Ablaufs zwangslaufig und automatisch aus der vorhergehenden hervorgeht. Die Automation hat aber nicht nur nationale, sondern auch inter nationale Bedeutung. So hat sich schon im Jahre 1957 das Internationale Arbeitsamt mit Bericht des Generaldirektors zur Vierzigsten Sitzung sehr 1 DIEBOLD, J.: Automation, the Advent of the Automatic Factory (Macmillan & Co., London 1953). Die Bezeichnung "Automation" solI erstmals im Titel die ses Buches verwendet worden sein. Anderseits wird aber auch behauptet, daB diese Bezeichnung von DEL S. HARDER, Vize-Prasident der Ford Motor Company of America, gepragt worden sei. Billeter, Rechenautomaten. 3. Auf!. 2 Einleitung ausfiihrlich mit der Automation befaBt1. In diesem Bericht wird die Frage der Automation von verschiedenen Seiten beleuchtet. Zweifellos - so fiihrt dieser Bericht aus - sind wir schon iiber die Schwelle eines neuen tech nologischen Zeitalters getreten2• Dieses neue Zeit alter steht im Zeichen der Automation. Ein unbestrittenes Merkmal der Automation besteht darin, daB sie die wirtschaftliche Entwicklung wesentlich fordert, indem sie eine starke Steigerung der Produktivitat und der Produktion ermog licht. Diese Entwicklung ist von groBter Bedeutung. Ebenfalls unbestritten ist die Ansicht, daB Automation nichts Neuartiges darstelIt, sondern ledig lich eine natiirliche Weiterentwicklung des bestehenden Zustandes bringt. Auch der schon vorher (im Jahre 1956) erschienene englische Bericht iiber Automation3 umschreibt diese als Ergebnis verschiedener Entwicklungen auf dem Gebiete der Technik; er hebt dabei die folgenden Entwicklungen besonders hervor: 1. kontinuierliche automatische Produktion und Produktverschiebung (Integration), oft auch als "Detroit-Automation" bezeichnet; 2. Riickkoppelungstechnik (feed-back technology), die darin besteht, daB sie durch eingebaute automatische Kontrollen den effektiven Produk tionsablauf mit dem geplanten Soll-Ablauf laufend zu vergleichen gestattet und bei Abweichungen automatisch in den ProduktionsprozeB regelnd ein greift; 3. Einsatzmoglichkeit elektronischer Daten-Automationsgerate (Rechen automaten), die eine rasche und automatische Verarbeitung von Informa tionen technischer und betriebswirtschaftlicher Art ermoglichen. Dabei scheint die Detroit-Automation vor allem fiir den technischen ProduktionsprozeB und der Einsatz elektronischer Daten-Automations gerate fiir die Abwicklung betriebswirtschaftlicher Arbeiten bedeutsam zu sein. Die Riickkoppelungstechnik nimmt hier eine Zwischenstellung ein. Sie hat bereits ihre Bewiihrungsprobe im technischen Sektor bestan den (Servomechanismen); nun beginnt sie auch in den betriebswirtschaft lichen Sektor einzudringen, indem bei vielen betriebswirtschaftlichen Pro blemen das Riickkoppelungsprinzip erfolgreich verwendet werden kann. Mit der ErhOhung der Leistungsfahigkeit elektronischer Daten-Automa tionsgerate - vor allem mit einer schnelleren Arbeitsweise - nimmt 1 Report of the Director-General; Part I: Automation and other Tech nological Developments, Labour and Social Implications; International Labour Conference, Fortieth Session, Geneva 1957 (International Labour Office, Geneva 1957). 2 "There is no doubt that we have entered a new technological era. Auto mation and atomic energy, unfolding simultaneously, are already causing drastic changes in the world of industry and labour" (S. 1). 3 Department of Scientific and Industrial Research: Automation (London, H. M. S. O. 1956). Einleitung 3 zwar auch die Bedeutung der Detroit-Automation im betriebswirtschaft lichen Sektor zu. J e schneller ein solches Geriit arbeitet, desto prompter wiinscht es, mit Informationen, die es zu verarbeiten hat, gespeist zu werden. Diese promptere Informationseingabe bedingt aber eine weit gehende Rationalisierung und oft auch Automatisierung beim Zusammen stellen und Zusammentragen der Informationen, d. h. also eine Detroit Automation. Diese drei Faktoren - Detroit-Automation, Rtickkoppelungstechnik, Einsatz elektronischer Daten-Automationsgeriite - stellen, fUr sich be trachtet, noch keine Automation dar; erst ihre gemeinsame Nutzung - wobei der eine oder andere Faktor vorherrschend sein kann - darf als Kennzeichen der Automation betrachtet werden. Diese gemeinsame Nut zung, d. h. dieser gemeinsame Einsatz bedingt die mit der Automation in Zusammenhang gebrachte neuartige Betrachtungsweise der technischen sowie der volks- und betriebswirtschaftlichen Gesamtzusammenhiinge, d. h. er bedingt eine neuartige Denkweise. Diese kann sogar so weit getrieben werden, sich einen vollstiindig automatisch abrollenden Arbeits ablauf auszudenken, der nur durch ein solches elektronisches Daten-Auto mationsgeriit gelenkt wird. Ein solches Geriit hiitte dann die Funktion eines "Gehirns"l. Dem englischen Bericht tiber Automation zufolge stellt diese Umstellung im technischen und betriebswirtschaftlichen Denken das hauptsiichlichste Wesensmerkmal der Automation dar. Worauf bezieht sich diese Umstellung im Denken? Sie ist vor aHem darauf ausgerichtet, sich mit der Wirkungsweise und mit dem Einsatz elektronischer Daten-Automationsgeriite vertraut zu machen und den be triebswirtschaftIichen Arbeitsablauf in einem Unternehmen unter Beriick sichtigung der Einsatzmoglichkeiten solmer elektronischer Daten-Auto mationsgeriite neu durchzudenken. Brachte die erste industrielle Revolution des 19. J ahrhunderts eine Mechanisierung manueller Arbeiten, so kennzeichnet sich die Automation, die oft auch als zweite industrielle Revolution bezeichnet wird, wobei allerdings die Bezeichnung Evolution treffender wiire, durch die Uber nahme von Kontrollfunktionen, die bisher vom Menschen ausgetibt wor den sind. Doch schon zeichnet sich eine neue, weitergehende Entwicklung ab, die als die intellektronische Evolution bezeichnet werden konnte. Hier werden nicht nur die Kontrollfunktionen dem Menschen entwunden, son dern dariiber hinaus noch das weitgehend automatische Setzen der Stell groBen, nach welchen sich die Kontrollfunktion zu rimten hat. Die syste matische Erforschung der damit zusammenhiingenden Kontroll- und Uber mittlungs- oder Kommunikationsfunktionen bildet den Gegenstand einer 1 In dies em Zusammenhang ist auf WIENER hinzuweisen, der die Grund lagen einer neuen Wissenschaft, der Kybernetik, gelegt hat (WIENER, N.: Cybernetics. New York: John Wiley & Sons, 1948). 1·