Nadine Kreitmeyr Der Nahost-Konflikt durch die Augen Hanzalas Studien zum Modernen Orient herausgegeben von Gerd Winkelhane Studien zum Modernen Orient 17 Nadine Kreitmeyr Der Nahostkonflikt durch die Augen Hanzalas Stereotypische Vorstellungen im Schaffen des Karikaturisten Naji al-þAli Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. British Library Cataloguing in Publication data A catalogue record for this book is available from the British Library. http://www.bl.uk Library of Congress control number available http://www.loc.gov Titelseite: Die Karikatur stammt von der Website najialali.com http://najialali.com/drawings/thumbnails.php?album=1&page=3 Die Aufschrift auf den Wegweisern lautet: „Amerika“ nach rechts und „Vereinigte Staaten“ nach links. www.klaus-schwarz-verlag.com All rights reserved. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden. © 2012 by Klaus Schwarz Verlag GmbH Erstausgabe 1. Auflage Herstellung: J2P Berlin Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-87997-402-3 Für Dr. Karin Hörner [Es] entsteht die Frage, ob Politik und Freiheit überhaupt miteinander vereinbar sind, ob nicht Freiheit überhaupt erst da anfängt, wo Politik aufhört, so dass es eben Freiheit dort nicht mehr gibt, wo das Politische nirgends sein Ende und seine Grenze findet. Hannah Arendt Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung.............................................................................................9 Herangehensweise und Inhaltsübersicht............................................12 Quellen- und Forschungsstand..........................................................14 Methode der Bildinterpretation..........................................................16 2 Die Karikatur.....................................................................................20 2.1 Versuch einer Definition.........................................................20 2.2 Typologisierung von Karikaturen ..........................................26 2.3 Aufgabe und Funktion der Karikatur .....................................27 3 Stereotype Vorstellungen...................................................................29 3.1 Einführende Bemerkungen.....................................................29 3.2 Vorurteil..................................................................................30 3.3 Kategorien stereotyper Vorstellungen....................................31 3.3.2 Stereotyp.................................................................................31 3.3.3 Typisierung.............................................................................32 3.3.4 Feindbild.................................................................................33 3.4 Aufgabe und Funktion stereotyper Vorstellungen..................35 4 Entwurzelung und Überlebenskampf................................................37 4.1 Erste Phase..............................................................................37 4.1.1 Staatsgründung Israels und Nakba .........................................37 4.1.2 Naji al-ÝAli und die Nakba ....................................................40 4.2 Zweite Phase...........................................................................41 4.2.1 Die Entwicklung des arabisch-israelischen Konfliktes und das Jahr 1967....................................................................41 4.2.2 Naji al-ÝAli und der arabisch-israelische Konflikt .................45 4.3 Dritte Phase.............................................................................47 4.3.1 Die 1970er Jahre: Der Kampf gegen die PLO und der Friede von Camp David.............................................47 4.3.2 Naji al-ÝAli und die 1970er Jahre............................................52 4.4 Vierte Phase............................................................................53 4.4.1 Die 1980er Jahre: Auszug aus Libanon und die Intifada.......53 4.4.2 Naji al-ÝAlis Untergang...........................................................57 5 Das Werk des Naji al-ʿAli..................................................................60 5.1 Eine Einführung......................................................................60 5.2 Der Flüchtlingsjunge Hanzala ...............................................68 5.2.1 Bildliche Darstellung .............................................................68 5.2.2 Kontextualisierung der Figur .................................................72 5.2.3 Bedeutung und Funktionen Hanzalas im Werk und ihr Wandel........................................................................77 5.3 Israel........................................................................................84 5.3.1 Bildliche Darstellung .............................................................84 5.3.3 Bedeutung und Funktion Israels im Werk..............................91 5.4 Zalameh...................................................................................92 5.4.1 Bildliche Darstellung..............................................................92 5.4.2 Kontextualisierung der Figur..................................................97 5.4.3 Bedeutung und Funktion Zalamehs im Werk.......................102 5.5 Der Schweinemensch............................................................105 5.5.1 Bildliche Darstellung............................................................105 5.5.2 Kontextualisierung der Figur................................................109 5.5.3 Bedeutung und Funktionen der Figur im Werk....................113 5.6 Zwischenfazit........................................................................115 Exkurs: Eine Beispielanalyse................................................................119 Vor-ikonologische Beschreibung und formulierende Interpretation....................................................................................119 Reflektierende Interpretation...........................................................120 Ikonologisch-ikonische Interpretation.............................................121 6 Fazit..................................................................................................124 Literatur.................................................................................................128 1. Primärquellen...............................................................................128 2. Artikel in Lexika und Nachschlagewerken.................................129 3. Sekundärliteratur..........................................................................129 Anhang..................................................................................................139 Abkürzungsverzeichnis....................................................................139 Abbildungsverzeichnis.....................................................................139 1 Einleitung Bei einem Spaziergang durch die Straßen eines palästinensischen Or- tes in der Westbank fällt dem aufmerksamen Beobachter schnell et- was auf: Überall sieht er Graffiti und andere Zeichnungen an den Häuserwänden und Mauern. Auch die Mauer, die die Palästinensi- 1 schen Gebiete umgibt, ist von ihnen geschmückt. Stilistisch reichen sie von einfachen ,Kritzeleien‘ bis hin zu detaillierten, farbenprächti- gen Bildern mit hohem künstlerischen Anspruch. Sie dienen in der andauernden Konfliktsituation als Medien der sozialen und politi- schen Meinungsäußerung sowie des Protests. Diese Ausdrucksform ist seit Beginn des 20. Jahrhunderts kennzeichnend für das Verhält- nis zwischen Politik und Kunst, deren Zielsetzung der Politikwissen- schaftler Klaus von Beyme als Gegenentwurf zur bestehenden Reali- 2 tät beschreibt. Im Juli 2007 waren die Mauern und Wände um den zentralen Platz (al-ManÁra) der Stadt Ramallah mit besonderen Zeichnungen geschmückt, die nachts durch Kerzenlicht erhellt wurden: Es wurde des zwanzigsten Todestages des palästinensischen Karikaturisten Naji al-ÝAli, eines der bekanntesten arabischen Karikaturisten, ge- dacht. Eine Auswahl seiner Karikaturen wurde, über den gesamten Platz verteilt, ausgestellt. Bei genauerer Betrachtung der Zeichnun- gen fiel mir auf, dass ich einige von ihnen – insbesondere die Figur eines kleinen Jungen namens Hanzala, der in allen Zeichnungen prä- sent ist – bereits öfter gesehen hatte. An einer Hauswand in Bethle- hem war eine Karikatur nachgezeichnet worden und an zahlreichen 1 Zur Verwendung von Graffiti als Mittel der politischen Äußerung siehe: Peteet (1996): Writing on the Walls; Elbedour et. al. (1997): Projective Drawings. 2 Siehe dazu ausführlich: von Beyme (1998): Kunst der Macht, insbesondere Kap. 3. 9 Straßenständen werden Anhänger oder bedruckte T-Shirts mit der Fi- gur Hanzalas aus den Karikaturen al-ÝAlis verkauft. Das Internet wimmelt von seinen Zeichnungen des Jungen und zahlreiche Organi- sationen verwenden die Figur auf ihrer Internetseite oder bei Veran- staltungen. Meist werden die Zeichnungen durch Kommentare im Bildinneren, beispielsweise in Form von Sprechblasen, Plakaten oder Äußerungen der Figuren selbst, ergänzt, die Hinweise auf den politi- schen oder sozialen Kontext geben. Auf diese Weise sind sie einer erläuternden Bildunterschrift gleichzusetzen. Diese Kommentare er- möglichen ein Erschließen der Aussage der Karikatur auch Jahre nach ihrer Entstehung, denn „Nichts ist vergänglicher als politische Inhalte in optischer Form. Sie sind – wie bei Karikaturen – oft nur durch Zu- hilfenahme des Mediums ,Wort‘ mit Bildunterschriften 3 nachvollziehbar zu halten.“ Die weite Verbreitung der Karikaturen oder Elementen daraus sorg- ten, nicht zuletzt durch die intensive Nutzung von Zeichnungen im Verlauf der ersten Intifada, für ihre Integration in die heutige palästi- 4 nensische ,Popkultur‘. Sie werden nach wie vor für die Kommentie- rung der aktuellen politischen Situation verwendet, haben folglich mit der Zeit einen Bedeutungs- bzw. Interpretationswandel durchlau- fen. Anders als von Beyme es für Demokratien diagnostiziert, indem er von einer Individualisierung des Erlebens von Politik ausgeht, ist es bei den palästinensischen Rezipienten sehr wohl zur Ausbildung überindividueller Deutungsmuster gekommen. Der entscheidende 3 Von Beyme (1998): Kunst der Macht, 30. 4 In den letzten Jahren rückte die ,Popkultur‘ als Medium der politischen Meinungsäußerung zunehmend aus ihrer Marginalisierung in den Untersu- chungsfokus der Sozialwissenschaften. Sich der Tradition der Karikatur anschließend transportieren Medien – wie beispielsweise Gesang, Dich- tung, Comiczeichnung, Graffiti oder Film – politische Meinungen und Dis- kurse auf unterschiedlich deutliche Weise. Vgl. Stein/Swedenberg (2005): Palestine, Israel, and the Politics of Popular Culture; Stein/Swedenberg (2004): Popular Culture, Relational History; Danesi (2008): Popular Cul- ture. 10