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Der Mensch als Ästhet: Die Erfindung des Geschmacks im Zeitalter der Demokratie PDF

377 Pages·1992·36.248 MB·German
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Der Mensch als Ästhet LUC FERRY .. Der Mensch als Asthet Die Erfindung des Geschmacks im Zeitalter der Demokratie Aus dem Französischen von Petra Braitling VERLAG J.B. METZLER STUTTGART . WEIMAR Die deutsche Übersetzung wurde durch einen Zuschuß des Ministere de la Culture, Paris, ermöglicht. Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ferry, Luc: Der Mensch als Ästhet: die Erfindung des Geschmacks im Zeitalter der Demokratie / Luc Ferry. Aus dem Franz. von Petra Braitling. - Stuttgart : Metzler, 1992 ISBN 978-3-476-00865-7 ISBN 978-3-476-00865-7 ISBN 978-3-476-03437-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-03437-3 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Ur heberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Über setzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verar- beitung in elektronischen Systemen. © by Editions Grasset et Fasquella 1990, entitled "Homo Aestheticus«. © 1992 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei JB. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1992 ~ EIN VERLAG DER ~ SPEKTRUM FACHVERLAGE GMBH V Inhalt Vorwort 1 Einleitung 3 I Die Revolution des Geschmacks 9 11 Zwischen Herz und Vernunft 41 III Das Kantische Moment: Das Subjekt der Reflexion 95 IV Das Hegelsche Moment: Das absolute Subjekt und das Ende der Kunst 139 V Das Nietzschesche Moment: Das zerrissene Subjekt und der Beginn der zeitgenössischen Ästhetik 180 VI Inhalt VI Der Niedergang der Avantgarde: Die Postmoderne 234 VII Die ethische Fragestellung im Zeitalter der Ästhetik 305 Anhang I 327 Anhang 11 355 Anhang III 364 1 Vorwort Diese Arbeit möchte die bedeutenden Momente einer Geschichte des demokratischen Individualismus oder der modernen Subjekti vität aufzeigen. Aus Gründen, die ich im ersten Kapitel ausgeführt habe, ist der Bereich der Ästhetik derjenige, innerhalb dessen die Sedimente einer solchen Geschichte auch heute noch am sichtbar sten und bedeutungsvollsten sind. Ich mußte die ein wenig schwie rige Angelegenheit von zwei Seiten her angehen: Einerseits mußte ich die Definitionen von Subjektivität erneut dort aufgreifen, wo sie am nachdrücklichsten zum Ausdruck gebracht wurden, d. h. innerhalb der Philosophie, ohne jedoch auf die Interpretationen gewisser Aspekte einer Disziplin - der Ästhetik - zu verzichten, die zum Glückvon der konkreten Geschichte der Kunst nicht zu tren nen ist. Die gesamte Schwierigkeit rührt von der Tatsache, daß die Philosophie, im Gegensatz zu den historischen Wissenschaften, nicht dem angehört, was man die »allgemeine Kultur« zu nennen pflegt. Die Kunstliebhaber, mithin die Gelehrten sind nicht immer mit den Werken Leibniz', Baumgartens, Kants oder Hegels vertraut. Es wäre vollkommen unsinnig zu glauben, daß dieses Hindernis formeller Art oder, wie man mitunter meint, an den diese Gedan ken umgebenden »Jargon« gebunden ist. Dies hat tiefliegendere Gründe: Die Reflexion auf die Kultur gehört gerade nicht zur Kul tur. Sie gibt eine stets schwer zu überwindende und auszuglei chende Distanz vor. Ich habe mich um eine nicht technische Darlegung der Thesen dieser Arbeit (Kapitel I) sowie auch der hauptsächlich der Erläute rung der zwei Schlüsselmomente der modernen Ästhetik gewidme ten Abschnitte bemüht: Das ist zum einen der Ausgangsstreit zwi schen Herz und Vernunft (Beginn des Kapitels II) und zum andern das zweifelsohne vorläufige Ende dieser Geschichte (Kapitel VI). 2 Vorwort Diese Abschnitte lassen sich relativ unabhängig vom Rest der Arbeit lesen. Nur deren Bezug auf eine systematische Geschichte des Subjekts ist nicht ohne philosophische Umwege erfaßbar. 3 Einleitung Ein Schreckgespenst läßt dem zeitgenössischen Denken keine Ruhe: das Schreckgespenst des Subjekts. Jeder kennt es oder leistet ihm Vorschub, selbst außerhalb der Grenzen der professionellen Philosophie: Dieser »Tod des Men schen«, der in den sechziger Jahren viel Aufsehen erregte, dessen Zeit aber bereits mit Nietzsche angebrochen war, wirft Fragen auf, auf die es noch keinerlei Antwort gibt. Im Anschluß an einige Vorläufer, zu denen der Autor des Zarathustra zu zählen ist, hat die Psychoanalyse - der zweifelsohne größte intellektuelle Vorstoß dieses Jahrhunderts - der Vorstellung, wir könnten uns als Beherr scher und Besitzer unserer selbst betrachten, gewaltsam ein Ende bereitet. Das Subjekt wurde, wie man sagt, »zerrissen«, und unsere Bewußtseinszustände, Begriffe oder Gefühle der unendlichen Be stimmung des Unbewußten ausgesetzt. In einem für unsere demokratische Kultur charakteristischen Widerspruch geht der Beschluß vom Tode des Menschen einher mit einer Autonomieforderung, wie man sie in der Geschichte der Menschheit zweifelsohne noch nicht erlebt hat. Im ganzen gesehen ist innerhalb der liberal-sozialdemokratischen Gesellschaften, wie die unsrigen, der Freiheitsanspruch, verstanden als das Vermögen, sich sein eigenes Gesetz zu geben, nie so stark gewesen, was auch immer man hier und dort darüber sagt. Sogar diejenigen, die über den Prozeß des planetarischen Konsumismus verfügen, müssen sich zumindest - und sei es wider Willens - im Namen des Ideals eines von den Menschen selbst zu bestimmenden Geschicks dafür entscheiden. Wenngleich sie nicht immer Anlaß zu Begeisterung geben, die Werte der republikanischen Demokratie scheinen auf lange Zeit noch unseren einzigen annehmbaren politischen Hori zont auszumachen. 4 Einleitung Ein Widerspruch also, denn das Gefühl von einem unwieder bringlichen Verlust seiner selbst, wenngleich es von der zeitgenös sischen Philosophie als Auswirkung einer sowohl subversiven wie auch heilsamen Demystifizierung thematisiert wird, geht mit einem unaufhörlich ansteigenden Wiederaneignungswillen einher: auf individueller Ebene durch den Versuch, sich eine verloren gegan gene Vergangenheit anzueignen; auf kollektiver Ebene durch das Bemühen, nicht den unendlichen Verlockungen zu erliegen, mit denen uns die Warenwelt unentwegt ködert (und uns gleichzeitig die uns bekannten Dienste erweist). Dennoch ein unvermeidlicher Widerspruch, den man in einer ersten Annäherung folgendermaßen ausdrücken könnte: Kann man demokratisch sein, nicht nur an die Werte des Pluralismus glauben, sondern auch auf die Fähigkeit der Menschen vertrauen, ihre eigene Geschichte - in einem wie auch immer geringen Um fang dies sei - zu machen (was, ob man will oder nicht, jede Kritik an den einfachen Gesetzen des Marktes voraussetzt); und kann man gleichzeitig der Behauptung zustimmen, wonach der Begriff des Willens durch die Entdeckung der verschiedenen Erscheinun gen des Unbewußten ungültig wäre? Dies ist, wie mir scheint, die philosophisch-politische Gleichung am Ende dieses Jahrhunderts - eine Gleichung, deren Lösung in Gestalt eines Kompromisses eine bloß dürftige Zufriedenstellung böte, und zwar aus dem gleichen Grund, man kann es nicht oft genug sagen, wie jede Forderung nach einem »Zurück« zu Formen von Subjektivität, die dem Auftreten des »zerrissenen Subjekts« vorgängig sind. In einem früheren Buch, la Pensee 68, hatten Alain Renaut und ich den Versuch unternommen, die in unseren Augen offenkundig sten Gestalten des »zeitgenössischen Antihumanismus« und die bedeutsamsten Momente der Kritik am Subjekt, das klassischerma ßen als Bewußtsein und Wille verstanden wird, in Frage zu stellen. Und da diese Arbeit polemisch war, hatte man ihr zumeist auch polemisch geantwortet: Dem Prinzip folgend, wonach zwei Nega tionen zu einer Affirmation führen, denn wir kritisierten die Kriti ker des Bewußtseins und des Willens, wollten wir demnach zurück zu Descartes und im Namen eines Rationalismus, dessen Plattheit bäuerlicher Derbheit gleichkäme, gegen Marx, Nietzsehe, Freud, Heidegger und deren französische Jünger die guten alten neukan tianischen Werte der Verantwortlichkeit und des Bewußtseins, des Willens und der Selbstbeherrschung erneut geltend machen.

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