FUSSDEFORMITATEN DER KLUMPFUSS L. Doderlein, W. Wenz, U. Schneider Die Reihe »Fußdeformitäten« besteht aus folgenden Bänden: Der Klumpfuß Der Hohlfuß Der Knickplattfuß Der SpitzfußlDer Hackenfuß Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH L. DÖDERLEIN W. WENZ U. SCHNEIDER Unter Mitarbeit von J. A. Fix en Mit 537 farbigen Abbildungen. Unter uchung bögen und Therapiealgorithmen Springer LEONHARD DÖOERLEIN, Dr. med. WOLfRAM WSNZ, Dr. med. URS SCHNEIDER Die Dwtsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Döderlein, leonhard: Orthopädische Universitätsklinik FußdeformitätenlLeonhard Döderlein; Wolfram Wenz; Urs Schneider. Orthopädie 11 Berlin; Heidelberg; NewYork; Barcelona; Hongkong; London; Mailand; Schlierbacher Landstraße 100 a Paris; Singapur; Tokio: Springer D-69118 Heidelberg Bd. I. Der Klumpfuß: Erscheinungsformen und Behandlungsprinzipien jeden Alters; Differentialdiagnose und Differentialtherapie. - 1999 ISBN 978-3-642-63577-9 ISBN 978-3-642-58403-9 (eBook) DOI 10.1007/978-3-642-58403-9 Dieses Werk ist'Urheberrechtlich geschiltzt. Die dadurch begründeten Rechte, insbe· sondere die der Obersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags,der Entnahme von Abbil dungen und Tabellen, der Funksendung. der Mikrovertilmung oder der Vervielfälti gung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. blei ben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervie1fi1tigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Gren zen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9_September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspllichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestim mungen des Urheberrechugesetzes. C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1999 Ursprünglich erschienen bei Springer-Verlag ßerlin Hcidelberg Nc\\' Yon.: 1999 Sofieo\'er reprint of the hardcover I st edition Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen-und Markenschutz-~setzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dOrften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsfor men kann vom Verlag keine Gewähr Ubernommen werden. Derartige Angaben mUs sen vom jeweiligen Anwendet im Einzelfall anband anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Herstellung und Gestaltung: B. Wieland, Heidelberg Umschlaggestaltung: E. Kirchner, Heidelberg Satzarbeiten und Umbruch: B. Wieland, Heidelberg Reproduktionen: AM-production, Wiesloch SPIN 10696659 2-41}1}5 -54} 2 1 0 Gedruckt auf säurefreiem Papier Abb. 2.16, 2.1}1: mit freundlicher Genehmigung des Pathologisch-anatomischen Bun desmuseums, Wien Abb. 2.43. 2.56, 2.60. 2.72, 2.129, 2.1}0, }.SS. 3.121: mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Orthopädischen Museums, Frankfurt Abb. 2..106, 4.167: mit freundlicher Genehmigung des Instituts flir Geschichte der Meditin der Universität Wien Abb. 4.168: M. Weber.Aachen. Unseren Frauen, fur ihre Geduld Hanns Dieter Hiisch ist wohl jedem aus Funk, Fernsehen oder Btichern be kannt. Er wurde 1925 in Moers mit kongenitalen KlumpfiiBen geboren, wuchs zwischen Windmiihlen und schwarzweillen Kiihen auf, bewaltigte das Abitur am Gymnasium Adolfinum in Moers mit Hangen und Bangen und entkam der Wehrmacht und dem Krieg durch sein FuBleiden, das in ihm lyrisch -satirische Assoziationen entwickelte. Er studierte, weil die Vorfahren (Bauern, Gastwirte, Beamte, Rheinschiffer, ein Onkel spielte Trompete) es wiinschten, in GieBen ein Semester Medizin, landete dann aber 1946 in Mainz. Er wollte zunachst Opernregisseur werden und studierte deshalb in Mainz mit der rechten Hand Theaterwissenschaft, Literaturgeschichte und ein biB chen Philo sophie, schrieb mit der linken Hand die ersten Gedichte und Chansons. Seitdem sind 55 Programme, tiber 20 Bticher, tiber 20 Platten-und ungezahlte Funk und Fernsehproduktionen entstanden. Am 20.12.1994 erhielt er den Staatspreis des Landes NRW verliehen. 1995, am 6. Mai, wurde Hanns Dieter Htisch 70 Jahre alt. Aus dies em AnlaB kam es zu tiber 30 TV-Sendungen von, mit und tiber ihn. Auf die Frage, ob er aus Sicht der Betroffenen ein Buch tiber den Klump fuB mit einem Vorwort erOffnen wolle, antwortete er ohne zogern mit "ja". Was er geschrieben hat, wurde mehr als ein Geleitwort oder eine FuB-Note, wie er es bescheiden nannte, es ist die Refiexion tiber das Leben einer Per sonlichkeit, die uns allen viel zu sagen hat tiber Kampf, Mut, Trost und Zu versicht. Aber lesen Sie selbst. Es ist ftir mich eine groBe Ehre. fur dieses Buch ein sogenanntes Geleitwort schreiben zu durfen. und vielleicht auch eine gute Moglichkeit. mich noch einmal an all das zu erinnern. was ich heute - naturlich verkHirend - als mein Lebensgeheimnis mit mir herumtrage. Denn ich halte mich fur ein Gltickskind und habe auch meine Autobiografie "Du kommst auch drin vor" mit dem Satz begonnen: "Mein Leben verdanke ich meinen puBen". Ich bin jetzt 74 Jahre alt und bin stolz auf meine Fiille, meine KlumpfuBe, daB sie mich bis heute und hierhin so gUI und sicher getragen haben. Denn wenn man es genau bedenkt, siehl die ganze Geschichte so aus - ich uber treibe etwas - als musse ein Elefant vom Knie abwarts auf pferdebeinen ste hen und gehen. Meine Beine ind so schmal und staksig geblieben wie bei Forrest Gump, der seine Schienen-und Ledergama chen in einem AnfalJ von Rebellion von sich schleuderte und anfing, richtig zu laufen und nicht mehr aufhorte zu laufen. Ein Komiker von Gottes Gnaden. Und ich habe immer gesagt: Der lie be Gott hat mir keine be onders attraktiven Beine mitgegeben, dafilr aber schone Hande. Und meine Phantasie ging nicht in die Beine und FuBe, son dern nach oben, in den Kopf. in Herz und Seele. Mein Vater, der mir spater auch den Unterschied zwischen einer groBen seriosen Oper und einer pieloper erklarte, sagte immer wieder: .. Gehe wie Charlie Chaplin und lies, so viel du lesen kannst. Du muBt mehr wissen als die anderen!" Ob das so richtig ist, bezweiRe ich heute. Aber das mit dem Charlie Chaplin. das kam daher. weil meine FuBe bei meiner Geburt exakt 180 Grad nach hinten und in der Achse mit den Knocheln 90 Grad nach in nen standen. Und das nennt man wohl eine Anlage zum KlumpfuB. Je ftine Zehen und je eine Fer e waren vorhanden, aber aUes sehr viel kleiner. Leider kam ich erst mit zwei Jahren in die Orthopiidische Kinderklinik nach Suchteln zu Professor Rohren und Dr. Kochs. Bis dahin hatte ein Chir urg in Moers, der sich als Orthopade versuchte, mit Schienen und Lederga maschen meine widerspenstigen FuBe in den Griff bekommen. In Suchteln fanden nun in jedem Jahr unblutige Redressionen statt. Sechs Wochen Gips, dann sechs Wochen Gehgips, dann Gips chalen fUr die Nacht, die ich meiSI im Schlaf auszog, dann orthopadische Schuhe, die monatelang wehtaten. und wenn sie nicht mehr wehtaten. dann waren sie ausgeleiert. Dies alles passierte mit groBer RegelmaBigkeit in jedem Jahr bis zu meinem 14· Lebensjahr, bis meine FiiBe relativ ausgewachsen waren. Zuletzt wurde dann noch am linken FuB eine Art MittelfuBknochenberg herausgesabelt. damit der letzten Redression wirklich nichts mehr im Wege stand. Und danach bekam ich orthopadische HaJbschuhe, auch KlumpfuBinhaber sind eitel, oder verwahrlo en. Boseste Erinnerung: Das Narkose-Kappchen. Die tausend Farben und tau send Geruche. Und die groBe germani ch-katholische Schwester, die mich immer abholte und mil der ich dann auf Strumpfen in den OP ging, in dem die vielen dunkelbraunen Flaschen in Regalen standen, die ftir mich aile voll von Narkose waren. Um mich abzulenken, oder sicher auch, urn Zeit zu ge winnen, erzahlte ich oft den chwe tern und Arzten aile , was ich mit mei- »FuB-Note« nen sieben, acht Jahren wuBte, alles zum Beispiel aus den Befreiungskriegen von 1806-1814. Mein Vater hatte mir davon ein Buch mit vielen Bildern ge schenkt, alles amiisierte sich. Mein erstes Publikum? Urn die Not, das Elend, zu verdrangen. Orthopadie und Entertainment, so habe ich spater ein Kapi tel in meiner Autobiografie iiberschrieben. Ich will nicht iibertreiben, aber hier mogen wohl die Anfange liegen, daB ich heute mal Franziskaner, mal Stoiker bin. Oberhaupt, was damals an und mit meinen FiiBen passierte, hat mich nicht zum AuBenseiter gemacht. Wohl aber oft zum Einzelganger, weil viele meiner Phantasie und meiner artistischen Oberzeugung nicht folgen konnten. Natiirlich hatte ich auch Schwierigkeiten. Ich konnte nicht Roll schuh laufen, tiicht Schlittschuh laufen und spater nicht auf den Mount Eve rest, nicht in die Arktis, und in der Tanzstunde blieb ich, wenn es hieB: Da menwahl! sitzen. DafUr wuBte ich aber, wie der letzte Konig der Inkas hieK Gottlob waren spater meine FiiBe fiir alle Frauen, die ich geliebt und die mich geliebt, eine vollige Nebensache. Und ich brauchte nicht in den Krieg. Ich wurde "W. u." geschrieben. Das heiBt: Wehr-untauglich. Eine besondere Auszeichnung, finde ich. Ich kann tanzen, schwimmen und radfahren. Ais Junge stellten mich meine Freunde beim FuBballspiel ins Tor. Ich hatte im mer einen FuB in der Tiir, obwohl ich scheu wie ein Reh war, rote Haare und Sommersprossen hatte. Aber ich erfuhr iiberall viel Warme, Giite und Liebe. Es war aber nicht nur Mitleid. Meine FiiBe und ich, wir waren wohl beson ders attraktiv. Wir knackten den Schmerz und das Unvollkommene. Sehe ich heute Behinderte, Jungen, Madchen, gucke ich immer sofort auf das Gesicht, auf die Augen, den Mund, die Haut und lese eine besondere Geschichte. Trau er ist da mit im Spiel, Trauer und Erinnerung, Adel und Zartlichkeit. Es kann kein Zufall (gewesen) sein, daB mich der schillernde Ruf des Ka barettisten, des Schreibers und Vortragskiinstlers von der poetischen Sorte ergriffen hat. Wirklich und wahrhaftig, ich ware ohne meine KlumpfiiBe nicht der, der ich heute bin. Der Kleinkiinstler, der im Spiel Trost und Mut ver kauft, Hoffnung macht und Zuversicht bekennt. Die orthopadischen Protago nisten in Siichteln haben meine FiiBe rumgedreht, meine FiiBe haben mich rumgedreht, und ich habe meine FiiBe rumgedreht, und zwar nach vorne. Wer hofft bleibt jung, sagt die Dichterin Rose Auslander. Meine FiiBe, mei ne KlumpfUBe und ich, wir haben noch eine Menge vor. Meine Tochter Anna hat iibrigens meine FiiBe hundertprozentig geerbt, aber wir waren vorgewarnt und konnten uns darauf einstellen. Mit drei Mo naten wurden die Achillessehnen verlangert, dann folgten bis zum fiinften Lebensjahr die uns bekannten Redressionen, aber dann war es gut. Sie hat aber auch die Willenskraft ihrer Mutter und den traumerischen Blick nach vorn ihres Vaters geerbt. Aber ich denke auch in diesem Moment, in dem ich das schreibe, an die vielen Freunde und Freundinnen, die neben und nach mir mit diesen unvoll endeten Gebeinen leben miissen. Und es ist meine Aufgabe, ihnen mitzutei len, daB wir von unserer besonderen Art erzahlen miissen, urn zu zeigen, daB Gebrechen auch Augen und Herzen Offnen konnen, vor allem aber, daB sie Brixen im Thale, im Februar 1999 uns anhalten, fUr die Solidaritat der Kreaturen zu leben. Warum noch ein Buch ilber den KlumpfuB? VieUeicht deshalb, weiJ es den KlumpfuB im eigentlichen Sinne gar nicht gibt. VieLmehr gibt es viele ver schiedene Deformitaten mit den typi chen Charakteristika de KlumpfuBe , denen aber ganz unterschiedliche Atiologien und Pathomechanismen zu grunde Iiegen. Nur mit der Kenntnis der jeweiHgen Pathologie kann aber ei ne Therapie,sei ie konservativ oder operativ, zum Erfolg fiihren. Werden die zugrundeliegenden Mechanismen auBer acht gelassen, drohen MiBerfoLge und Komplikationen. Unser Ziel war die differenzierte Darstellung der Vielfalt von Ersehei nungsformen der KlumpfuBdeformitat mit itlrer Atiologie und aktuellen Therapiestrategien vor und naeh WachstumsabschluB. Die unter chiedli chen Auspragungsgrade und die unklare Pathologie des idiopathi chen KlumpfuBes machen es unmoglieh, eine Behandlungsmethode zu favorisie reno Es soli ten de halb Kontroversen aufgezeigt und prakti che Anwendun gen, die sich bewahrt haben, unter Betonung der Prinzipien vorgestellt wer den. Histori ehe Zitale belegen, daB wir eigentlich nieht sehr weit gekommen sind mit unserer "modernen" KlumpfuBbehancUung, denn bei genauer Be trachtung war viele chon einmal da. Mit der be seren Kenntni der Patho meehanik LaBt sieh die Behandlung zwar verbessern, eine Patent methode gibt es jedoeh nieht. So wird es sich wohl beim KlumpfuB weiter verhalten wie bei zahlreichen anderell orthopadischen Diagnosen, daB jeder Opera teur seine eigene Methode pflegt und favorisiert. Grulldsatzlich filhren viele Wege zum Ziel, wenn die Prinzipien beachtet werden. Urn eine rasche Orientierung im klinisehen AUtag sicherzu tellen, wurden alle relevanten konservativen und operativen Therapiemethoden in ihrer praktischen Durchfiihrung separat aufgefilhrt. Speziell Beaehtenswertes zur Therapie ist optisch hervorgehoben, die historischen ehilderungen sind als zusatzliche Leseinformationen kenntlich gemacht. Diese Einteilung tragt sowohl der Lesbarkeit als auch der schneLlen Orien tierung Rechnung und hilft, unnotige Redundanz zu vermeiden. Oem Nichtexperten soli gleiehermaBen ein Lese- und Nach ehlagewerk an die Hand gegeben werden, das es ihm ermoglicht, sieh schnell und prazi se ilber den derzeitigen Stand der Wis enschaft zu informieren. AuBerdem steht mit dem umfangreiehen Literaturanhang dem Speziali sten eine Moglichkeit zur vertiefenden Information in Detailfragen zur Ver filgung. Die iibrigen (Rilek)-FuBdeformitaten (Hohl-. Kniekplatt-.Spitz-, Hacken-, und SiehelfuB) werden in den naehfolgenden Sanden in ahnlieher Weise dargestellt. Wir danken John A. Fixsen fiir seine groBzilgige Unterstiitzung bei der Be arbeitung des Kapitels zum angeborenen KlumpfuB. Als einer der interna tional fiihrenden Kinderorthopaden iiberblickt er zahlreiehe Therapiekon zepte und vermittelt uns die Essenz seines jahrzehntelangen Erfahrungs sehatzes. Wichtige Merksatze wurden dabei in englischer Sprache zitiert. Vorwort Herrn Hanns Dieter Hiisch danken wir sehr herzlich fur den sehr personli chen Riickblick in seiner FuB-Note. Heidelberg, Friihjahr 1999 LEONHARD DODERLEIN WOLFRAM WENZ URS SCHNEIDER