Andreas Gipper.DerIntellektuelle Andreas Gipper Der Intellektuelle Konzeption undSelbstverstandnis schriftstellerischer Intelligenz in Frankreich undItalien 1918-1930 MP VERLAGFURWISSENSCHAFT UNOFORSCHUNG DieDeutscheBibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Gipper,Andreas: DerIntellektuelle:Konzeptionund Selbstverstandnis schriftstellerischerIntelligenzinFrankreichundItallen1918 1930/AndreasGipper.- Stuttgart:Mund P,Verl.ftirWiss. undForschung1992 (M-und-P-SchriftenreihefiirWissenschaftundForschung) Zugl.:Hannover,Univ.,Diss.,1992 ISBN978-3-476-45027-2 ISBN978-3-476-45027-2 ISBN978-3-476-04185-2(eBook) DOl 10.1007/978-3-476-04185-2 DiesesWerkisteinschliefilichaIlerseinerTeilegeschtitzt.[edeVerwertungaufier halbderengenGrenzendesUrheberrechtsgesetzesistohneZustimmungdesVer lagesunzulassiqundstrafbar.,DasgiltinsbesondereftirVervielfaItigungen,tiber setzungen, MikroverfilmungenundEinspeicherunginelektronischenSystemen. M &P Verlagftir Wissenschaftund Forschung einVerlagderJ.B.MetzlerschenVerlagsbuchhandlungund CarlErnstPoeschelVerlagGmbHinStuttgart © 1992Springer-VerlagGmbHDeutschland Ursprunglicherschienen beiJ.B.MetzlerscheVerlagbuchhandlungundCarlErnstPoeschel VerlagGmbH1992 Gli intellettualisono razionali ... Giorgio Gaber Inhaltsverzeichnis Seite 1.Einleitung 5 1.1. SoziologischeAspekte 10 1.2. HistorischeAspekte 25 2. Die Intellektuellendebatte in Frankreichnach dem Ersten Weltkrieg (1918-1930) 35 2.1. Das Forum der Zeitschriften 45 2.1.1. Clarte 45 2.1.2. LaRevue universelle 51 2.1.3. Le Producteur 58 2.1.4. La Nouvelle revuefrancoise 68 2.2. Die compagnons de route 79 2.2.1. Romain Rolland 79 2.2.2. Henri Barbusse 99 2.3. Der politische Katholizismus 116 2.3.1. Henri Massis 116 2.3.2. Jacques Maritain 131 2.4. Die Theorie des Verrats 142 2.4.1. Alain 142 2.4.2. Julien Benda 155 Seite 3. DieInteUektuellendebatte in Italien 1918-1930 169 3.1. Das Forum derZeitschriften 177 3.1.1. La Ronda 177 3.1.2. IIBaretti 185 3.1.3. IISelvaggio 193 3.1.4. Criticafascista 203 3.2. Das kulturelle Schisma 213 3.2.1. GiovanniGentile 213 3.2.2. Benedetto Croce 231 3.3. Dieliberale Oppositionzwischen impegnound societa degliapoti 244 3.3.1. Piero Gobetti 244 3.3.2. GiuseppePrezzolini 256 3.4. Faschistische Positionen:eineKontroverse 267 3.4.1. CurzioMalaparte 267 3.4.2. GiuseppeBottai 276 3.5. Zu einerkommunistischenTheorie desIntellektuellen Antonio Gramsci 285 4. Nachwort 305 5. Literaturverzeichnis 315 6. Personenregister 331 2 Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde in leicht veranderter Fassung als Dis sertation von der Fakultat fUr Geistes- und Sozialwissenschaften der Universitat Hannover angenommen.Die Arbeitverdankt ihre Entstehung der Inspiration von Herro Prof. Dr. Dirk Hoeges, dem ich fiirvielfache Forderung undAnregungenverpflichtetbin. Mein Dank giltweiter derStudienstiftung des deutschenVolkes, diemir durch ein Stipendium eine konzentrierteArbeit ermoglichte, sowie allen Mitarbeitem der Bibliothekenin Bonn, Paris, Rom und Florenz, die mir stets freundlich geholfenhaben. Bedanken fiirRat und Tat und vieles mehr mochteich mich scWieBlich besonders bei meinen Eltem, bei Herro Markus Schmitz, Frau Ingrid Rademacher, Dominique OrtelliundStephanie. 3 1. EINLEITUNG Seitdem von geistigen Eliten die Rede ist, d.h. seit sie beginnen, einen Anspruch auf Autonomie zu erheben und sich als selbstandige Gruppe zu etablieren, wird urn ihre Legitimitat heftig gestritten. Diese Debatte erreicht eine neue Qualitat, als Ende des 19. Jahrhunderts auf der Grundlage tiefgreifender sozialer Veranderungen ein gewandelter Typus von Geistesarbeitern entsteht, fiir den sich im Frankreich der Dreyfus Affare die Bezeichnung "Intellektueller" durchsetzt.P Ausgehend von Frankreich biirgert sich der Begriff in fast allen europaischen Llindern sehr schnell ein und gehort heute iiberall zum schlechterdings unver meidlichen politisch-sozialen Vokabular. Trotz der offentlichen Kon sekration des Terminus halt indes die Debatte urn die Intellektuellen unvermindert an. Bald wird ihnen der ProzeBgemacht, bald nachdriick lich ihre Apologie betrieben. Ziel dieser Arbeit soil es nicht sein, ein neues Glied an die Kette einer uralten Polemik zu schmieden, sondern aus literaturwissenschaftlicher Perspektive ihre Motive und Begriin dungszusammenhange in einem Zeitraum zu untersuchen, in dem einige der bis heute wichtigsten Positionen formuliert worden sind. Es handelt sich urn die Zeit vom Ende des Ersten Weltkrieges bis zum Ende der zwanziger Jahre. Ausgangspunkt soil die Diskussion in Frankreich bilden, das in den Augen vieler als das eigentliche Ursprungs- und Heimatland der Intellektuellen gilt und daher eine gewisse Modell haftigkeit erlangt hat. Urn die spezifisch nationalen Besonderheiten eines Diskurszusammenhanges deutlich zu machen, der sich selbst traditionell meist als universalistisch begreift, soil die franzosische Diskussion in einem komparativen Verfahren mit der entsprechenden italienischen Debatte konfrontiert werden. Ein Vergleich mit Italien erschien vor 1) Vgl.Charle, Christophe:Naissancedes "intellectuels"(1880-1900),Paris 1990. Den neuen Soziaitypus "Intellektueller" sieht Charie aus einer quantitativen Explosion des intellektuellen Sektors resuitieren. Das traditionelle Selbstver standnis seiner Rcprasentanten gerat so in eine Krise. Ihr weiterhin hohes PrestigegeratzunehmendinWiderspruchzuihrertatsachlichenStellung inder sozialen Hierarchie. Die Priigungdes Begriffs und die Entstehung bestimmter sozialer Praktiken erscheinen so als Versuch, die eigene Position neu zu bestimmenundeinenneuenEliteanspruchzuetablieren. 5 allem mit Blick auf den besonders spektakularen Verlauf der italieni schen Nachkriegsgeschichte vielversprechend. Gerade hier entstanden in Auseinandersetzung mit dem entstehenden Faschismus - man denke nur an Gramsci - besonders prononcierte und wirkmachtige Positionen. Ein solch komparatives Vorgehen bot sich um so mehr an, als mit dem Weltkriegsende ein historischer Fixpunkt vorlag, der die Diskussion in beiden Vergleichslandern in ahnlichem MaBepolarisiert hat. Gleichzei tig bestand die Hoffnung, nicht nur die - bei allen Unterschieden vielfaltige Abhangigkeit der italienischen IntellektueHendebatte von der franzosischen aufzuweisen, sondem auch umgekehrt einer moglichen Wirkung der Faschismusdebatte auf Frankreich nachzuspiiren. War der zeitliche Beginn der Arbeit durch das Kriegsende 1918 relativ klar fixiert, so mag derEndpunkt etwa imJahre 1930weniger zwingend erscheinen. Bei naherer Betrachtung zeigt sichjedoch, daBderanvisierte Zeitraum sowohl in Frankreich als auch in Italien als Einheit begriffen werden kann. Wahrend um das Jahr 1930 in Frankreich verspatet die Weltwirtschaftskrise durchschlagt und einer Phase relativer Stabilitiit ein Ende bereitet, findet um dieselbe Zeit in Italien die Zerschlagung der liberalen Institutionen und die Etablierung der faschistischen Diktatur ihren AbschluB.1) Wahrend sich jenseits der Alpen endgiiltig jene Friedhofsstille durchsetzt, die jede freie Diskussion in das Ghetto der Illegalitat verdammt, beginnt in Frankreich eine Zeit politischer und okonomlscher Krisen, die auch das geistige Klima massiv verandem, Die Nachkriegszeit ist abgeschlossen, und es wachst das BewuBtsein, am Vorabend neuer schwerer Erschiitterungen zu stehen. Jean-Louis Loubet Del Bayle hat diese Epochenwende fiirFrankreich nachdriicklich herausgestellt: L'annee 1930 situee presque aegale distance de l'armistice de Rethondes et du premier coup de canon de la seconde a guerre mondiale, fut en effet multiples egards un tournant entre deux epoques de I'histoire de I'Occident. En deca c'etait l'apres-guerre avec ses facilites et ses espoirs au dela 1) So unter anderem auch Renzo De Felice, der in seiner Mussolini-Biographie mit den Lateranvertriigen und dem Plebiszit von 1929 die Etablierung des Faschismus abgeschlossen sieht, VgI. hierzu vor allem die Einleitung zu Bd.3.1Gliannidelconsenso,Turin 1974. 6