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Der gro[b]e Tag des Hans im Glück PDF

205 Pages·0.659 MB·German
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Dieter Hildebrandt Der große Tag des Hans im Glück oder: Wie spaltet man die Welt an einem Wochenende? scanned by unknown corrected by Ute77 Die Idylle trügt. Die Entdeckung, Hans im Glück sei eigentlich ein Masselbrunner gewesen, ist Lug und Trug - und alle die gekommen sind, den Grundstein zu legen für Masselbrunns Aufstieg zur Märchenmetropole finden sich auf schwankendem Boden wieder: Die Dinge nehmen ihren Lauf... ISBN 3-87511-144-5 Verlag und Autor danken der Ben-Witter-Stiftung, Hamburg, für die Förderung der Arbeit an diesem Buch. 1. Auflage 1998 by MaroVerlag , Alle Rechte vorbehalten Umschlag: Rotraut Susanne Berner Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!! Autor Dieter Hildebrandt, 1931 in Berlin geboren, Studium Theaterwissenschaft, Anglistik, Germanistik und Publizistik in München, Bonn, Berlin und am Washington State College. 1961 bis 1968 Kulturkorrespondent der FAZ in Berlin. 1969/70 Lektor bei Suhrkamp. 1972 bis 1975 Dramaturg am Schiller-Theater, Berlin. Seit 1975 freier Schriftsteller. Glück ist Talent für das Schicksal NOVALIS INHALT Vorbesichtigung ODER: Die Dinge nehmen ihren Lauf................................6 I DIE GOLDENE ZUKUNFT...........................................................................13 ODER: WILLKOMMEN IN MASSELBRUNN...........................................13 Incognito...........................................................................................................14 Das kupferrote Kopfüber................................................................................22 Der Ersatzmann................................................................................................27 Rallye ins Niemandsland................................................................................32 Heimatkunde....................................................................................................37 Die Hohe Frau..................................................................................................41 II AUF HOHEM ROSS......................................................................................45 ODER: ES IST ALLES WIE VERHEXT!......................................................45 Das Fest steht auf der Kippe..........................................................................46 »Erzählen sie doch keine Märchen!«...........................................................51 Hand aufs Herz................................................................................................63 Ungehaltene Reden.........................................................................................69 Sensation...........................................................................................................79 III BLINDEKUH..................................................................................................81 ODER: WO DIE LIEBE HINFÄLLT..............................................................81 Burgfehde..........................................................................................................82 Heimsuchung....................................................................................................97 Die Leiter zum Erfolg...................................................................................101 IV SCHWEIN HABEN; SCHWEIN SEIN...................................................110 ODER: LAUFSTEG DER EITELKEITEN..................................................110 Ein Kerl wie Samt und Seide.......................................................................111 Das Rad der Geschichte...............................................................................115 Spiel über dem Abgrund..............................................................................119 Es kommt noch besser..................................................................................124 V IM GÄNSEMARSCH...................................................................................129 ODER: ES BLEIBT IN DER FAMILIE........................................................129 Heim zu den Müttern....................................................................................130 Kindervorstellung..........................................................................................142 Spurensuche....................................................................................................148 Bankgeheimnis...............................................................................................153 VI DIE STEINE IM WEG................................................................................160 ODER: AUF ZUM LETZTEN GEFECHT...................................................160 Die Fronten klären sich................................................................................161 Kostümfest......................................................................................................169 Hereinspaziert!...............................................................................................175 VII ALLES ODER NICHTS...........................................................................181 Das Märchenhaus..........................................................................................182 Ein Königreich für ein Pferd!......................................................................190 Sensation II.....................................................................................................196 Zu guter Letzt.................................................................................................201 Vorbesichtigung ODER: Die Dinge nehmen ihren Lauf Wie das Leben so spielt: Für sein Glück muß man was tun. Reklameslogan der Deutschen Bank -6- Die Dinge nahmen ihren Lauf. Denn das ist die Lieblingsbeschäftigung der Dinge, ihr Karrieretraum, ihre Glücksvorstellung, ihr Freudentaumel, ihr Katastrophentanz: Wenn das Ding an sich mit dem Ding der Unmöglichkeit gemeinsame Sache macht, wenn der Kleinkram groß rauskommt, der Nippes zum Hexenritt loslegt, wenn die Gegenstände ihr Stillhalteabkommen mit der Schwerkraft aufkündigen, die Souvenirs die Flucht in die Zukunft antreten und die Tücke des Objekts fröhliche Urstand feiert: Dann gerät die stehende Redensart ins Rutschen, die Dinge nehmen ihren Lauf. Die Dinge, die da ihren Lauf nahmen, waren ein biedermeierliches Puppentheater aus dem Besitz derer von Säldeburg, fünf Wetzsteine aus der Hinterlassenschaft des alten Masselbrunner Scherenschleifers Jochil Kiefe, drei Spinnräder von Bauernhöfen aus der näheren Umgebung, zwölf Marionettenfiguren aus der berühmten Sammlung des Conte ca' Foscari, eine in Wachstuch gebundene Kladde mit Kochrezepten der Schwester der Brüder Grimm, ein barocker Bücherschrank mit einer ganzen Kollektion alter Kinderbücher, etliches irdenes Backgeschirr aus dem 17. und 18. Jahrhundert, eine Kindertruhe mit Märchenmotiven und eine alte Tabaksdose, deren kurioser Reiz darin bestand, daß ihr sämtliche Steine fehlten, mit denen sie einst geschmückt gewesen sein mußte. Die Dinge nahmen ihren Lauf aus Kellern und Verschlägen und Schachteln, von Auktionen und Trödelmärkten und selbst vom Sperrmüll, von Antiquariaten und Nachlässen und Wohnungsauflösungen, - aber alsbald wurden sie schon wieder gebremst, sortiert, poliert, restauriert, kamen in Reih und Glied, unter Glas und Vitrinen und in die allerschönste, schmucke Ordnung. Der Lauf all der seltsamen Dinge nahm sein Ende im neuen Märchenmuseum zu Masselbrunn, wo sie alsbald zur Besichtigung freigegeben sein werden. Die Dinge hatten ihren Lauf genommen, als Masselbrunn sich -7- in eine Märchenstadt zu verwandeln begann. Nicht über Nacht und als zauberhafter Vorgang, sondern auf einer Gemeinderatssitzung, nach längerer Debatte und vielem Hin und Her, in Form eines letztlich einstimmigen Beschlusses angesichts leerer Kassen, bröckelnder heimischer Betriebe und der verödenden Wirkung der neuen Umgehungsstraße. Als Industriestandort konnte Masselbrunn mit seiner Hosenfabrik, dem Sägewerk und der kleinen Brauerei schon gar nicht gelten. Es mußte deshalb etwas geschehen, eine Lösung aus dem Nichts gefunden werden, nachdem auch die Pläne für ein Landmaschinenwerk deshalb gescheitert waren, weil Masselbrunn schon seit drei Jahren keinen Bahnanschluß mehr hatte. Nun hatte man von Gemeinden gehört, die mit Märchentrips groß, berühmt, ja fast wohlhabend geworden waren, die hohe Besucherzahlen, landesweites Interesse, lebhaftes Presseecho zumindest in ihre Prospekte druckten, man hatte Wunderdinge vernommen vom Verband Deutsche Märchenstraße, von den Abenteuern auf der Frau-Holle-Route, und man hatte sich mit eigenen Augen davon überzeugen können, welchen Erfolg die Stadtväter von Lohr am Main, ganz in der Nachbarschaft, mit Schneewittchen gelandet hatten, dank einer hanebüchenen Geschichte und geschickter Werbung. Irgendein Märchen mußte man doch auch in Masselbrunn heimisch machen können, eine Tradition erfinden, ein Museum einrichten und dem Ort ein neues Image, eine sagenhafte Identität verpassen... Bürgermeister Otto Lorenz sah seinen Stadtbibliothekar und Heimatforscher so an, als überprüfe er dessen Etat: »Irgend etwas Nützliches könntest auch du doch mal tun, Romeiser. Kannst du uns da nicht was ausgraben?« Matthias Romeiser schwebte, unter diesem Blick, auch gleich etwas vor: Es gebe da in einer alten Kirchenchronik einen Hinweis auf einen Mann, der vielleicht als Vorbild für Hans im Glück dienen könnte. Hans im Glück? Na wunderbar, fabelhafte -8- Idee, Zustimmung von allen Seiten, zuversichtlicher Rundblick des Bürgermeisters, Sitzung geschlossen und ran ans Werk: MASSELBRUNN, DIE HEIMAT DES HANS IM GLÜCK. Wer suchet, der findet. Und wer nicht findet, der muß erfinden. Und wenn einer schon Masselbrunn retten soll, darf er auch den eigenen Job zu retten versuchen. Und da kann es doch nur eine Frage des guten Willens sein, bis man im Kirchenbuch aus dem späten 18. Jahrhundert auf eine entscheidende Spur stößt, auf die Erwähnung eines Gotthold Hanslick, »genannt Hanselück, am 11. November 1791 an der Schwindsucht gest.«, mit dem Zusatz: »Im großen Krieg gewest.« Und der große Krieg konnte ja nur der Siebenjährige gewesen sein - denn die Historie hatte sich seinerzeit auch über Masselbrunn hergemacht, und viele Söhne der Stadt hatten für die gerechte Sache gekämpft, auf wessen Seite immer. Und sieht man da nicht vor sich, wie dieser arme Hanselück abgeschleppt wird, in den Krieg, wie er desertiert ist und aufs neue kämpfen muß, mal für die Österreicher, mal mit den Franzosen, mal zugunsten der Preußen, und waren die Russen nicht auch dabei? Muß es da nicht einen ganz großen Auftritt gegeben haben im Leben »unseres« Hanselück? »Hans hatte sieben Jahre bei seinem Herrn gedient« und siebenjähriger Krieg! Wie das doch alles zusammenhing! Wie die Dinge ihren Lauf nahmen! Denn da kam nun dem Herrn Romeiser die Dose zupaß, die er kürzlich bei einem Trödler gesehen hatte und sich nun für einen Spottpreis besorgte, ein bizarres Stück, fast wie ein Totenschädel, mit lauter Löchern: Dort seien früher Edelsteine gewesen, sagte der Händler, die nach und nach der Not hätten weichen müssen. Und wer war als Sammler kostbarer Tabatieren geradezu geschichtsnotorisch? Kein anderer als Friedrich der Große! Und wie kam nun das eine zum andern, der König zum Hanselück, die Tabaksdose nach Masselbrunn, und Masselbrunn zu seinem Märchenhelden? Nichts leichter als das, wenn man nun alles so genau vor sich sah wie Matthias -9- Romeiser: Die berühmte Szene, wie Friedrich, noch nicht der Große, im Gegenteil, geschlagen und abgeschlagen, von den Seinen getrennt, plötzlich einem feindlichen Musketier gegenübersteht, der auf ihn anlegt; jenen historischen Augenblick, da der König geistesgegenwärtig ausgerufen haben soll: »Kerl, Er hat ja gar kein Pulver auf der Pfanne!« und sich, während der verdutzte Soldat auf seine Waffe schaut, mit einem Sprung in die Büsche gerettet habe. Ach, alle drei sind sie doch in der Klemme, Friedrich, Hanselück und Romeiser, und zusammen muß ihnen doch eine viel bessere Geschichte gelingen, zum Beispiel so: Der König am Ende, nicht nur mit seinem Krieg, auch mit seinem Lebensmut. Trug er nicht dauernd ein Döschen Opium für den Selbstmord bei sich, wünschte er sich nicht tausendmal den Tod in jenen katastrophalen Tagen, ekelte es ihn nicht davor, »einen verbrauchten, zum Leiden verdammten Körper zu bewohnen«? Depeschen wagte er doch gar nicht mehr zu öffnen, und einen Offizier, der ihm die Rettung von Kanonen aus irgendeinem Schlamassel meldete, fuhr er an: »Er lügt, ich habe keine Kanonen mehr!« Und dieser König sollte sich mit einem Trick davongemacht haben? Nein, Matthias Romeiser erkannte die wirkliche Pointe des Rencontres. Natürlich sagte der lebensmüde König genau das Gegenteil von dem, was die Anekdote weismachte, er rief: »Kerl, hat auch Er kein Pulver mehr auf der Pfanne! So schieß Er doch!« Worauf der Soldat die Waffe zu Boden hielt und sagte: »Der Hanselück schießt auf ka Majesté nit.« Und der König, halb wütend, halb erleichtert: »Sollte Ihn füsilieren lassen wegen Insubordination. Aber Kerl, Er hat recht. In diesem Krieg ist Sterben die leichtere Sache. Komm, helf' Er mir zu den Meinen. Die Merde hat mich wieder.« Und wie rasch und leicht erzählte sich's dann, daß Hanselück zum Burschen des Königs aufrückte, bis zum Friedensschluß blieb, dann aber seinen Abschied verlangte (»Herr, meine Zeit -10-

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