Beiträge zur betriebswirtschaftlichen Forschung Herausgegeben von Prof. Dr. E. Gutenberg, Prof. Dr. W. Hasenack, Prof. Dr. K. Hax und Prof. Dr. E. Schäfer Band 28 Privatdozent Dr. Walter Endres Der erzielte und der ausschiittbare Gewinn der Betriebe SPRINGER FACHMEDIEN WIESBADEN GMBH 1967 ISBN 978-3-663-06042-0 ISBN 978-3-663-06955-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-06955-3 Gedruckt mit Unterstiitzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft Verlags-Nr.023228 © Springer Fachmedien Wiesbaden 1967 Urspriinglich erschienen bei Westdemscher Verlag 1967 GesamthersteJlung: ].D. Kiister Nachf. • BieJefeJd Vorwort Die Bestimmung des erzielten und des ausschüttbaren Gewinns der Unterneh mung ist von großer praktischer Bedeutung für Unternehmensleiter, Aktionäre, Wertpapierberater und nicht zuletzt für den Steuergesetzgeber. Hinter dieser prak tischen Fragestellung verbirgt sich aber eine Fülle theoretischer Probleme, die bisher weder ausreichend analysiert noch viel weniger gelöst worden sind. In der Frage des Gewinnbegriffs steht Endres auf dem Boden einer reinen Geldkapitalrechnung. Der erzielte Gewinn ist für ihn der realisierte Geldkapitalgewinn. Insofern stimmt er also mit der These von Wilhelm Rieger überein, allerdings unter der Prämisse eines beständigen Geldwertes. Die Frage der Differenzierung von erzieltem und ausschüttbarem Gewinn wird von Endres im Zusammenhang mit dem Problem der Betriebserhaltung überprüft. Er untersucht, ob die unterschiedlichen Theorien über die Substanzerhaltung der Betriebe eine Antwort im Hinblick auf den Gewinnbegriff gebracht haben. Unter Betriebserhaltung versteht er dabei die Erhaltung der mengenmäßigen Leistungs fähigkeit der Betriebe. In diesem Zusammenhang wurde in der Literatur der Be griff des Substanzgewinns gebildet. Es liegt die Frage nahe, ob nicht dieser Sub stanzgewinn indentisch mit dem ausschüttbaren Gewinn sei. Diese Frage wird von Endres nachdrücklich verneint. Er weist nach, daß die bisherigen Theorien über die Substanzerhaltung der Betriebe ausschließlich die Auswirkungen von Preisänderungen einbezogen hätten. Die Höhe des zur Erhal tung der mengenmäßigen Leistungsfähigkeit erforderlichen Vermögens werde aber nicht allein durch Preisänderungen der zu beschaffenden Güter bestimmt, sondern gleichzeitig auch durch Produktivitätsänderungen und durch Xnderungen der Umschlagdauer. Auf diese Weise kann bei gleicher mengenmäßiger Leistung ein Mehr- oder Minderbedarf an Betriebsvermögen eintreten. Dabei handelt es sich nach Endres grundsätzlich um ein Finanzierungsproblem. Wenn der Mehrbedarf durch Außenfinanzierung gedeckt werden kann, besteht die Möglichkeit, den er zielten Gewinn in voller Höhe auszuschütten. Nur soweit eine Außenfinanzierung entfällt, muß zwangsläufig auf die Selbstfinanzierung zurückgegriffen werden, d. h., der erzielte Gewinn ist dann insoweit nicht ausschüttbar. Diese überlegungen gehen von der Prämisse des beständigen Geldwertes aus. In Wirklichkeit ändert sich aber der Geldwert laufend, wobei langfristig die Ten denz nach unten überwiegt. Unter dieser Voraussetzung ist auch für Endres der VI Vorwort erzielte Gewinn kein Nominalgewinn mehr, sondern gleich dem realen Gewinn, der mit Hilfe einer allerdings problematischen Indexrechnung auf der Basis von Geldwerteinheiten gleicher Kaufkraft zu errechnen wäre. Wegen der Problematik der Indexrechnung sieht Endres bei unbeständigem, vor allem bei sinkendem Geld wert die in der Praxis entwickelten Rechnungssurrogate, wie Substanzrechnung und Näherungsverfahren, als brauchbare Lösungswege an. Es ist zu begrüßen, daß Endres sich so tiefschürfend mit den Problemen der traditionellen Gewinnrechnung auseinandersetzt. Dieses Instrument der Unter nehmensführung ist im letzten Jahrzehnt durch die Betriebswirtschaftslehre weit gehend vernächlässigt worden. Es hat sich aber gezeigt, daß seine Aussagen für Entscheidungen, die das Gesamtunternehmen und sein Schicksal betreffen, unent behrlich sind. Das wurde besonders deutlich bei den Auseinandersetzungen über die Rechnungsbelegungsvorschriften im neuen Aktienrecht. Um so wichtiger ist es, daß die theoretischen Grundlagen der Unternehmensrechnung gründlich durch leuchtet werden. Das ist aber der eigentliche Sinn der vorliegenden Untersuchung. Frankfurt a. M., 1. 4. 1967 Karl Hax Inhaltsverzeichnis Vorwort........................................................ V Erster Hauptteil Gewinn und Betriebserhaltung bei beständigem Geldwert 1 A. Die Aufgaben der Ergebnisrechnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1 I. Erster Zweck der Ergebnisrechnung: Ermittlung des erzielten Gewinns 1 1. Die Gründe für die Ermittlung des erzielten Gewinns . . . . . . . . . . 1 2. Meinungsverschiedenheiten über die der Gewinnermittlung zu grunde zu legende Art der Kapitalerhaltung und über den Zeit- punkt der Gewinnentstehung .............................. 4 11. Zweiter Zweck der Ergebnisrechnung: Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns......... .................... ...... ...... ......... 6 1. Die Gründe für die Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns. . . . .. 6 2. Ausschüttbarer Gewinn und Betriebsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 7 3. Die Messung der Betriebserhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 9 4. Meinungsverschiedenheiten über den ausschüttbaren Gewinn bei Erhaltung der mengenmäßigen Leistungsfähigkeit ............ 11 B. Der erzielte Gewinn als Geldkapitalgewinn und als realisierter Gewinn.. 13 C. Der ausschüttbare Gewinn bei Erhaltung der mengenmäßigen Leistungs- fähigkeit ...................................................... 22 I. Der erzielte Gewinn und das Vermögen im betrieblichen Umsatz- prozeß .................................................... 24 1. Die Bestimmungsgrößen des Gesamtergebnisses und des Gesamt- vermögens .............................................. 24 a) Umschlagsergebnis und Ergebnis am Fremdkapital; die Bestim mungsgrößen des Umschlagsergebnisses: Mengen, Zeiten und Preise der Umschlagsaufwendungen und Umschlagserträge . . .. 24 VIII Inhaltsverzeichnis b) Ruhendes Vermögen und Umschlagsvermögen; die Bestimmungs größen des Umschlagsvermögens: Bestandsmengen und Preise. 26 c) Die Zusammenhänge zwischen dem Umschlagsertrag und dem Umschlagsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 27 2. Die Auswirkungen von Änderungen der Bestimmungsgrößen auf das Umschlagsergebnis und das Umschlagsvermögen . . . . . . . . . . .. 34 a) Die Auswirkungen auf das Umschlagsergebnis .............. 35 (1) Die Auswirkungen von Preisänderungen ................ 35 (2) Die Auswirkungen von Mengen- und Zeiten änderungen .. 41 (3) Zusammenfassung .................................. 42 b) Die Auswirkungen auf das Umschlagsvermögen ............ 43 (1) Die Auswirkungen von Preisänderungen ................ 43 (2) Die Auswirkungen von Mengen- und Zeitenänderungen .. 45 (3) Die Auswirkungen von Änderungen der Umschlagsdauern 45 (4) Zusammenfassung .................................. 47 11. Substanzgewinn und Vermögensänderungen bei Wandlungen im be- betrieblichen Umsatzprozeß .................................. 47 1. Das Preisänderungsergebnis und die durch Preisänderungen verur- sachte Vermögensänderung ................................ 48 a) Der größenmäßige Unterschied .......................... 48 b) Der zeitliche Unterschied ................................ 50 2. Das Produktivitätsänderungsergebnis und die durch Produktivi- tätsänderungen verursachte Vermögensänderung .............. 51 a) Der größenmäßige Uiuerschied .......................... 51 b) Der zeitliche Unterschied ................................ 52 3. Die übrigen Vermögens änderungen .......................... 52 4. Zusammenfassung ........................................ 53 III. Die Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns aus dem erzielten Gewinn 54 1. Die Bestimmung des ausschüttbaren Gewinns als Finanzierungs- problem ................................................ 54 2. Der ausschüttbare Gewinn als Vorschaugröße ................ 57 3. Die Verwendbarkeit des ausschüttbaren Gewinns .............. 57 D. Die Eignung anderer Gewinnkonzeptionen als Grundlage für die Gewinn- besteuerung und sonstige Gewinnausschüttungs-Verpflichtungen ........ 60 I. Ausschüttbarer Gewinn und mögliche Ersatzgewinne . . . . . . . . . . . . .. 60 II. Der Substanzgewinn ........................................ 61 Inhaltsverzeichnis IX 1. Der Substanz gewinn bei Fritz Schmidt im Vergleich zum erzielten Gewinn ................................................ 62 a) Die Voraussetzungen, unter denen der Substanzgewinn vom aus schüttbaren Gewinn weniger abweicht als der erzielte Gewinn.. 62 b) Wie oft und in welchem Ausmaß weicht der Substanzgewinn vom ausschüttbaren Gewinn weniger ab als der erzielte Gewinn? 65 (1) Richtung und Ausmaß der Änderungen des Zahlungsver mögens durch Preis- und Produktivitätsänderungen zwi- schen Anschaffung (Herstellung) und Umsatz .......... 65 (2) Der Einfluß der übrigen Vermögensänderungen und der Änderung der Außenfinanzierung auf die Brauchbarkeit des Substanzgewinns als Ersatz für den ausschüttbaren Gewinn .......................................... 72 (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 76 c) Die Zuverlässigkeit des Substanzgewinns .................. 77 d) Zusammenfassende Würdigung des Substanzgewinns als Ersatz für den ausschüttbaren Gewinn .......................... 80 2. Der Substanzgewinn bei Beschränkung auf die Änderung der Auf- wandspreise ............................................ 81 3. Der Substanzgewinn bei Einbeziehung des Zahlungsvermögens .. 82 UI. Der Gewinn nach dem Prinzip des doppelten Minimums .......... 83 IV. Die Gewinne bei den Näherungsverfahren zwecks Substanzerhaltung im Vorratsvermögen ........................................ 83 1. Die Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Näherungsverfahren .. 83 2. Beschreibung der Näherungsverfahren ...................... 84 3. Analyse der Fälle, in denen die Näherungsverfahren zum Sub stanzergebnis führen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 87 a) Bei unveränderter Endbestandsmenge .................... 87 b) Bei gestiegener Endbestandsmenge ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 89 c) Bei gesunkener Endbestandsmenge ........................ 94 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 95 4. Zweckerfüllung der Näherungsverfahren in anderen Fällen ...... 96 a) Die Bedeutung des Geldkapitalgewinns für die Zweckerfüllung 96 b) Die Näherungsverfahren bei steigenden Preisen .......... " 98 (1) Sustanzaufwand und Geldkapitalaufwand .............. 99 (2) Die Näherungsverfahren bei unveränderter Endbestands- menge ............................................ 102 (3) Die Näherungsverfahren bei gestiegener Endbestandsmenge 104 (4) Die Näherungsverfahren bei gesunkener Endbestandsmenge 109 (5) Zusammenfassung .................................. 113 x Inhaltsverzeichnis c) Die Näherungsverfahren bei fallenden Preisen .............. 116 d) Die Näherungsverfahren bei schwankenden Preisen .......... 116 (1) Substanzaufwand und Geldkapitalaufwand ............ 117 (2) Die Näherungsverfahren bei unveränderter, gestiegener und gesunkener Endbestandsmenge .................... 119 (3) Zusammenfassung .................................. 125 e) Verallgemeinerung der Untersuchungsergebnisse ............ 127 5. Vergleich der Näherungsverfahren .......................... 131 6. Die Zuverlässigkeit der Näherungsverfahren .................. 132 7. Zusammenfassende Würdigung der Näherungsverfahren ........ 134 V. Die Gewinne nach dem Handels- und dem Steuerrecht ............ 135 E. Zusammenfassung und Nutzanwendung der Untersuchungsergebnisse für den Fall beständigen Geldwertes .................................. 137 Zweiter Hauptteil Gewinn und Betriebserhaltung bei unbeständigem Geldwert .............. 145 A. Der erzielte Gewinn............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 1. Die Auswirkungen von Geldwertänderungen auf das Ergebnis .... 145 11. DeI,' erzielte Gewinn als realer Gewinn ........................ 147 III. Die Ermittlung des realen Gewinns ............................ 150 1. Die Messung des Geldwertes .............................. 150 2. Die Ermittlung des realen Total- und Periodenergebnisses ...... 155 IV. Die Bedeutung des realen Gewinns für die Zwecke des erzielten Ge- winns .................................................... 160 V. Zusammenfassung .......................................... 161 B. Der ausschüttbare Gewinn bei Erhaltung der mengenmäßigen Leistungs- fähigkeit ...................................................... 163 C. Die Eignung anderer Periodengewinne als Grundlage für die Gewinn- besteuerung und sonstigen Gewinnausschüttungs-Verpflichtungen ........ 166 D. Zusammenfassung und Nutzanwendung der Untersuchungsergebnisse für den Fall unbeständigen Geldwertes ................................ 170 Schrifttumsverzeichnis ............................................ 175 ERSTER HAUPTTEIL Gewinn und Betriebserhaltung bei beständigem Geldwert A. Die Aufgaben der Ergebnisrechnung Zweck der betrieblichen Tätigkeit ist es, durch Einsatz von Anlagen, Roh-, Hilfs und Betriebsstoffen, Handelswaren, sonstigen Vorleistungen fremder Betriebe sowie menschlicher Arbeit Leistungen zur Bedürfnisbefriedigung der Allgemeinheit zu erstellen. In unserer Wirtschaftsordnung steht es jedem frei, sich durch Gründung oder Erwerb eines Betriebs an der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse zu beteiligen. Dazu werden die Menschen vor allem durch ihr Streben nach Gewinn, aber auch durch andere Gründe (z. B. ihr Geltungsbedürfnis, Machtstreben oder den Wunsch, sich für die menschliche Gesellschaft nützlich zu machen) veranlaßt. Die Tat sache, daß der Betrieb seinem Eigentümer1 Einkommen und die Erfüllung anderer Wünsche verschaffen kann, ist also nur ein Mittel für den objektiven Zweck des Betriebs, Leistungen für die Bedürfnisbefriedigung zu erstellen. Umgekehrt be trachtet der Betriebseigentümer die Fähigkeit des Betriebs, Leistungen zu erstellen, nur als Mittel für die Erfüllung seiner eigenen Wünsche. Zur Erfüllung beider Betriebszwecke ist der Einsatz von Kapital erforderlich. I. Erster Zweck der Ergebnisrechnung: Ermittlung des erzielten Gewinns 1. Die Gründe für die Ermittlung des erzielten Gewinns Der Betriebseigentümer will begreiflicherweise wissen, ob und in welchem Aus maß sich das von ihm in den Betrieb eingebrachte Kapital im Verlauf des Betriebs prozesses durch Gewinne erhöht oder durch Verluste vermindert hat. Im Hinblick darauf wurde ein besonderes Rechnungsinstrument entwickelt, die betriebliche Er gebnisrechnung. Erste Aufgabe der Ergebnisrechnung ist also die Ermittlung des erzielten Gewinns oder des erlittenen Verlustes (des entstandenen Ergebnisses). Dafür gibt es drei Gründe: a) Hat jemand Kapital in einem Betrieb angelegt, um damit Gewinne zu erzielen - was die Regel ist -, soll ihm die Ergebnisrechnung zeigen, ob die Wahl seiner Ka pitalanlage gut war, und ihm die Entscheidung erleichtern, ob er seine Einlage beläßt, vermindert oder erhöht. Dieser Grund ist besonders wichtig für die Eigentümer 1 In dieser Arbeit werden unter "Eigentümern" auch die - juristisch davon zu unter scheidenden - Anteilseigner, z. B. die Aktionäre, verstanden.