ebook img

Der englische Staat und der deutsche Staat. Eine Studie PDF

234 Pages·1917·7.738 MB·German
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Der englische Staat und der deutsche Staat. Eine Studie

Der englische Staat und der deutsche Staat Eine Studie О. und С. Vogt in Freundschaft zugeeignet 1 O. und C. Vogt: Der Neurologe Oskar Vogt, seit 1913 Professor in Berlin, arbeitete zusammen mit seiner Frau Cécile, ebenfalls Neurologin, über die Gliederung der Groß­ hirnrinde. Das Ehepaar war sehr eng mit Tönnies befreundet. Vogt wurde testamentarisch von Tönnies im Jahre 1935 mit dessen Gehirn und Schädel bedacht; vgl. dazu Schümer 1998. Inhaltsverzeichnis Einleitung: Grundsätze und Plan 61 Erstes Kapitel: Die englische Verfassung 71 Zweites Kapitel: Die deutsche Reichsverfassung 119 5 Drittes Kapitel: Die preußische Staatsverfassung 143 Viertes Kapitel: Die Verwaltung 169 Fünftes Kapitel: Freiheit und Freiheiten 193 Sechstes Kapitel: Geschichtliche Rückblicke 241 Siebentes Kapitel: Staatsbegriffe und Staatsideen 259 i<> Achtes Kapitel: Zusammenfassung mit Ergänzungen 269 Namen- und Sachregister, nebst Erklärungen1 275 1 Zum besten von Lesern, denen einige der vorkommenden Ausdrücke und geschichtlichen Beziehungen nicht geläufig sind, werden diese Wort- und Sacherklärungen hinzugefügt. і і Inhaltsverzeichnis: „Der englische Staat und der deutsche Staat. Eine Studie“ erschien 1917a im Verlag von Karl Curtius in Berlin; beachte den Edit. Bericht, S. 563-570. 13 hinzugefügt: Die Erklärungen sind hier auf S. 279-283 abgedruckt. Vorwort Das Bekannte überhaupt ist darum, weil es bekannt ist, nicht erkannt. Hege/, 5 Phaenomenologie des Geistes p. XXXVI. Die vorliegende Schrift ist vorzugsweise der volkstümlichen Belehrung bestimmt. Die Kenntnis des englischen Staatswesens ist auf dem Festlande wenig verbreitet, Irrtümer und vorgefaßte Meinungen um so mehr. Der Verfasser hat seit etwa 40 Jahren die Entwicklung des politischen Lebens 10 dort, zumeist freilich aus der Ferne, durch Bücher, Zeitschriften, Zeitungen beobachtet, aber seine Erkenntnis durch häufige Besuche des Landes ver­ stärkt, dessen Gastfreundschaft er in gutem Andenken behält. Wir besitzen in deutscher Sprache, auch nachdem die Auffassungen Gneists zum großen Teil aufgegeben worden sind, eine Anzahl vortrefflicher и Schriften über den englischen Staat; allen voran das große Werk von Julius Hatschek, „Englisches Staatsrecht, mit Berücksichtigung der für Schottland und Irland geltenden Sonderheiten“ (Handbuch des Öffentlichen Rechts IV, II, 4 I und II). Das Studium dieses Werkes wird dem, der sich durch vor­ liegende Abhandlung angeregt findet, gar vieles bieten, was ihm hier nicht 20 geboten werden kann; aber es sind 1344 Seiten in Hoch-Oktav; die Arbeit, die damit zugemutet wird, ist also nicht gering. Die an diese wertvolle Dar­ stellung angeknüpften Auffassungen halte ich, mit einigen Vorbehalten, für wohl begründet, und die Fülle des Wissens, die darin ausgebreitet wird, für bewunderungswürdig. Über die Streitfragen, die in heftiger Weise zwischen 25 Hatschek und einem deutsch-österreichischen Forscher, Herrn Josef Red- 1 Vorwort: Dieses ist am Schluss unterzeichnet mit: Ferdinand Tönnies. 5 Phaenomenologie des Geistes: Vgl. Hegel 1807. 12 Besuche des Landes: Tönnies ist vor allem infolge seiner Hobbes-Forschungen bereits 1878 nach England gekommen und hat sich dort nicht nur zeitweise länger aufgehalten, sondern auch einen relativ großen Freundes- und Bekanntenkreis gefunden; vgl. Polley 1980 und TG 23.2 (Tönnies 2005: 507-550). 14 Auffassungen Gneists: Der Jurist Rudolf von Gneist, ein nationalliberaler Politiker, war ein ausgezeichneter Kenner des englischen Staats- und Verwaltungsrechts; vgl. u. a. seine Schrift über „Das heutige englische Verfassungs- und Verwaltungsrecht“ (1857-1860). 24 Streitfragen: Vgl. Hatschek 1906 u. Redlich 1905. 56 Der englische Staat und der deutsche Staat lieh, über dieselben Gegenstände verhandelt werden, darf ich kein Fachur­ teil in Anspruch nehmen; ich verhehle aber nicht, daß mir die Ansichten Hatscheks im ganzen den Eindruck größerer Unbefangenheit machen und den wirklichen Tatsachen, wie sie auch bei englischen Autoren dargestellt sich finden, näherzustehen scheinen, wenngleich ich der Gelehrsamkeit und 5 dem Fleiße in den (ebenfalls umfangreichen) Büchern Redlichs alle Gerech­ tigkeit zuteil werden lassen möchte2. Meine eigene Darstellung, die sich an Breite und Gründlichkeit mit kei­ nem der beiden Forscher entfernt vergleichen kann, beruht vornehmlich auf der englischen Literatur - wenn auch amerikanische Verfasser wegen der 10 Sprache dazu gerechnet werden mögen - die zum guten Teil auch jenen als Quelle hat dienen müssen. Ich habe dabei oft die anziehende Schrift von Low, obwohl ich ihren etwas zu feuilletonistischen Charakter nicht verkenne (vgl. Hatschek II, 667 not.), mir zu eigen gemacht. Sie ist auch in einer guten deutschen Übersetzung (von Hoops, Tübingen 1908) vorhanden, ich habe is aber die von mir angeführten Stellen selber übersetzt, und dabei auch die ausführliche Einleitung zur neuen Ausgabe von 1914 benutzt, einer neuen Ausgabe, die im übrigen, außer durch eine oder zwei Bemerkungen, keine Veränderungen aufweist, ungeachtet der großen Verfassungsneuerung vom Jahre 1911-, Andere hervorragende Autoren, auf die auch Low zurückgeht, 20 wie Dicey, May-Holland u. a., sind gelegentlich von mir herangezogen worden. Besonders wertvoll aber war mir das neue Werk des Amerikaners A. Lawrence Lowell (gegenwärtigen Präsidenten der Harvard Universität), „The Government of England“, in zwei Bänden, das zuerst 1908, dann 1909, zweimal 1910, endlich mit einem Zusatzkapitel 1912 erschienen ist 25 (auch von diesem Werke gibt es eine deutsche Übersetzung, ich habe aber auch hier die von mir gebrauchten Stücke selber übertragen). Die Vergleichungen sind notwendigerweise unvollständig, wie denn über­ haupt nicht mehr als eine Studie oder, wenn man lieber will, eine Skizze 2 Ich finde mein Urteil gestützt durch die Redlich sehr wohlwollenden Bemerkungen Koellreu- 30 ters, „Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsprechung im modernen England“ (Tübin­ gen 1912), S. 23-25. 7 Büchern Redlichs: Siehe Redlich 1901 u. 1905. 13 Schrift von Low: The Governance of England (new ed. 1914). 19 Verfassungsneuerung: Tönnies bezieht sich auf das Gesetz, das die Befugnisse des Ober­ hauses beschnitt (s. u., S. 67). 20 hervorragende Autoren: Vgl. Dicey 1914, May 1912, Bagehot 1868, Todd 1869 u. 1871, Hearn 1886, Maitland 1885, Anson 1896, Courtney 1910. Vorwort 57 vorgelegt werden sollte. Wenn aber diese ein wenig dahin wirken kann, daß der Fremde unseren Staat, namentlich das Deutsche Reich, nach seinen Leistungen und seinem Wesen erkennen und würdigen, daß der Deutsche seine Verfassung, seine Einrichtungen schätzen, ja lieben lerne, so würde ich 5 mich dieses Erfolges freuen. Denn gerade, wenn man vieles daran für ver­ besserungsbedürftig hält, wenn man glaubt, auch von feindlichen Nationen Gutes annehmen und lernen zu können, so gehört doch Liebe, und zwar noch mehr als die allgemeine Vaterlandsliebe, dazu, um das Gute zu fördern und zu pflegen, was im Staate, den wir haben, enthalten ist; eine Liebe, die 10 eine Mischung aus Kindesliebe und Mutterliebe sein sollte, - Kindesliebe, denn wie viel verdanken wir dem Staate, wie verkörpert er in sich die ganze Vergangenheit unseres Volkes, des großen Eichbaums, an dem jeder von uns nur ein Blatt ist - und wir erleben, daß wilde Frühlingsstürme die jun­ gen Blätter knicken und vor sich hertreiben -, wie stellt sich die Krone des is Baumes dar im Reiche, dessen Idee wir immer verehren müssen als Erzeug­ nis unseres Geistes, wie oft und wie sehr wir auch Grund haben mögen, über die Schwächen und Beschränktheiten derer zu klagen, die so hohe Idee verwirklichen sollen. Unsere Liebe braucht nicht dem empirischen (in der Erfahrung gegebenen) Staate, noch weniger einer vergänglichen Regierung 20 zu huldigen, wenn diese Liebe nur dem Volke sich widmet, dessen Seele sich in den Staat versenken will, und solche Liebe hat auch an der Mutterliebe Teil, denn sie weiß, daß der Staat ein gebrechliches Wesen ist, das ohne Liebe und Pflege, ohne Hingebung und Aufopferung, so wenig als ein hilfloses Kind gedeihen kann, und daß die starke Liebe keines Dankes gewärtig ist. 25 Das staatsbürgerliche Bewußtsein kann auf manche Weisen, durch Erzie­ hung und Unterricht, gehoben und gestärkt werden. Der Geist der Wissen­ schaft muß es befruchten. Dieser Geist muß auch die zur Regierung Beru­ fenen erfüllen; sie bedürfen des Vertrauens, um zu wirken; aber sie müssen Vertrauen geben, um es zu empfangen. Sie müssen in der Volksseele auch зо die Wurzeln ihrer Kraft suchen, und die Volksseele zu erkennen ist keine geringe Aufgabe, eine Aufgabe, die nur im Sinne der Philosophie einer unendlichen Lösung nähergebracht werden kann. Nachdem diese Schrift vollendet wurde, sind weltbewegende Ereignisse fortgeschritten. Das Deutsche Reich, siegend auf den Schlachtfeldern, hat 35 zu seinem Glücke keine wesentlichen Veränderungen im Innern erfahren. In England hat ein ehrgeiziger Volksführer, tatkräftig, klug und gewissen- 36 ein ehrgeiziger Volksführer: D. i. der lib. Premierminister (1916-1922) David Lloyd George. 58 Der englische Staat und der deutsche Staat los, sich an die Spitze gebracht, ohne daß die „Nation“ um ihre Meinung gefragt wäre; ein verrufener Preßklüngel hat dafür den Ausschlag gegeben. Wir begrüßen dies als Anzeichen der moralischen Zersetzung des eng­ lischen Staatswesens, deren frühere Phasen längst der Beobachtung offen­ lagen. Wenn Herr Lloyd George seine aus Unkenntnis, Unwahrhaftigkeit 5 und Pharisäismus zusammengewobene Anklage gegen den angeblichen deutschen Militärdespotismus erhebt, so kann dies auf uns noch weniger Eindruck machen, als wenn die Herren Asquith und Grey solche selbster­ kenntnislose Reden führten. Diese hatten wenigstens den anständigeren und gebildeteren Teil des britischen Publikums hinter sich. Wenn eine Nation, 10 deren Fäuste noch riechen von dem Blute des erwürgten Burenvolkes, die das Pharaonenland trotz vielfacher Versprechungen besetzt gehalten und endlich sich einverleibt hat, die mit den Methoden des Schreckens in allen Weltteilen unablässig geraubt und geplündert hat, eine friedliche und fried­ liebende Nation wie die deutsche des „Militarismus“ zeiht, und sich dafür 15 auf die Tatsache beruft, daß wir, von Feinden umringt, uns - leider nicht in dem Umfange wie es geboten war - gerüstet hatten zu unserer Verteidi­ gung: so gibt es Schwachsinnige genug, die da glauben, daß England zum Schutze der kleinen Nationen und für Humanität, Recht und Freiheit seine Flotte mobilgemacht und sein Heer mit schwarzen „Freiwilligen“ aufgefüllt 20 habe; eben diese Schwachsinnigen werden England auch glauben, wenn es versichert, daß es bei allen seinen Eroberungen und Feldzügen nur Teewas­ ser anstatt Blutes vergossen habe. Man wäre so töricht, wie diese Einfäl­ tig-Leichtgläubigen selber, wenn man mit ihnen streiten wollte. Der deut­ sche Dichter läßt im Drama einen englischen Feldherrn sagen: „Mit der 25 Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens.“ - Nicht um die Dummen zu bekämpfen ist diese Schrift geschrieben. Ich achte und ehre im englischen Volke alle Redlichen, auch solche, die geglaubt haben, um ihres Weltreiches willen sei dessen Bündnis mit Rußland, Frankreich, Serbien usw. gegen die deutsche Macht notwendig; jene Einfältigen erregen mein Mitleid, die vom зо frechen Cant sich betören lassen; aber Verachtung und nichts als Verach­ tung gebührt denen, die auf Leichtgläubigkeit, Unwissenheit, Dummheit 2 Preßklüngel: D. i. die „Northcliffe-Presse“ (s. S. 59). 11 Burenvolkes: siehe dazu unten S. 140. 12 Pharaonenland: Ägypten wurde 1882 von Großbritannien besetzt und 1914 als Protek­ torat Teil des brit. Empire. 25 Feldherrn sagen: D. i. im Sterbemonolog des engl. Feldherrn Talbot in Schillers (1870) „Die Jungfrau von Orleans“ (III/6) von 1801. Vorwort 59 spekulierend Russen und Serben für Kulturvölker, Deutsche für Barbaren und Hunnen ausgeben. Sie machen allerdings diese Namen zu Ehrennamen, und das Wort „Kulturvolk“ zum Schimpfwort. Denn wer möchte Kultur mit dem sogenannten Lord Northcliffe und mit dem Gesindel der „Daily 5 Mail“ gemein haben? 4 Lord Northcliffe: Northcliffe (seit 1905 Mitglied des Oberhauses) war Besitzer des größ­ ten Medienunternehmens der damaligen Welt. Im Jahre 1896 gründete er die „Daily Mail“, die als nationalistisches, später antideutsches Massen- und Kampfblatt die Mei­ nungsbildung der Bevölkerung wie auch der politischen Eliten maßgeblich beeinflusst bzw. gesteuert hat. Im Jahre 1908 brachte Northcliffe die eher vom Bildungsbürgertum gelesene „Times“ unter seine Kontrolle. Auf seine Massenpresse geht stark die Ablösung des Premierministers Herbert Asquith im Dez. 1916 und seine Ersetzung durch Lloyd George zurück.

See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.